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Wahre Freunde

von Martina Strobelt

Kapitel 3

Die sanften, klagenden Töne des Belaklavions erhoben sich in die sternenklare Nacht. Tief zog Jaman die würzige Luft ein, der Frühling tat so gut nach dem langen harten Winter. Lächelnd betrachtete Jaman die junge Bajoranerin, die neben ihm auf einem Stein saß und versonnen in die Flammen des kleinen Feuers starrte, das sie entfacht hatten, um der Kühle der ersten Frühlingsnächte zu begegnen.
„Woran denkst du, Haylan? Was immer du vorhast, du solltest es dir besser ganz schnell aus dem Kopf schlagen“, fuhr er barscher als beabsichtigt fort, als sie schwieg. „Vergiss ihn, Mädchen“, fügte er ein wenig milder hinzu, als sie unter seinen Worten wie unter einem Hieb zusammenzuckte. „Glaub mir, das wäre das Beste - für euch beide.“
„Bin ich wirklich so leicht zu durchschauen?“
„Für mich schon. Haylan, ich kenne dich seit du so alt wie Laren warst. Ich liebe dich, als ob du meine eigene Tochter wärst.“
„Ich bin es aber nicht!“
Jaman ließ das Instrument sinken. „Nein, leider. Denn wenn ich es wäre, dann könnte ich dir verbieten, dich einem Cardassianer an den Hals zu werfen!“
„Ich dachte, dass er dein Freund ist!“
„Bei den Propheten, das ist er. Aber das ändert nichts daran, dass ich eine Beziehung zwischen euch niemals gutheißen werde. Aber was rede ich, wegen nichts“, winkte er ab, als sie zornig auffahren wollte. „Ich habe nicht den Eindruck, dass er an dir interessiert ist.“
Der Schmerz in ihren Augen fuhr ihm wie ein Stich durch das Herz. Er wollte ihr nicht wehtun. Er hatte ihr gesagt, er würde sie lieben als ob sie seine Tochter wäre - doch die Propheten wussten, dass dies nicht die ganze Wahrheit gewesen war. Früher einmal mochte er für sie wie ein Vater empfunden haben, der er dem Alter nach wohl auch sein könnte. Larens Mutter war bei ihrer Geburt gestorben. Er hatte sie sehr geliebt und damals war es alleine die Verantwortung für seine Tochter gewesen, die verhindert hatte, dass er am Tod ihrer Mutter zerbrach.
Hier im Flüchtlingslager war ihm dann Haylan über den Weg gelaufen, damals war sie kaum älter gewesen als Laren es heute war, ein scheues kleines Ding, das niemals lachte. Niemand kannte ihre Eltern, sie lebte bei einer Tante, die in ihr nichts als einen unerwünschten zusätzlichen Esser sah und froh gewesen war, dass sich jemand gefunden hatte, der ihre immer hungrige Nichte bereitwillig mit durchfütterte. Als Haylan dann älter wurde, hatte er in ihr zunächst nichts weiter als ein hübsches Kind gesehen, bis ihm aufgefallen war, wie sehr sie Larens Mutter glich, die ungefähr in ihrem Alter gewesen war, als er sich in sie verliebt hatte. Haylan hatte von all dem nichts bemerkt. Sie vertraute ihm, für sie war er der Vater, den sie niemals kennengelernt hatte. Sie war noch so jung, halb so alt wie er, Laren und sie waren wie Schwestern ...
Mit aller Kraft hatte er sich gegen seine erwachenden Gefühle für sie gewehrt, die nichts Väterliches an sich hatten. Unzählige Nächte hatte er damit verbracht, auf den Knien zu liegen und die Propheten anzuflehen, ihn von den Träumen zu befreien, in denen er ihr langes Haar streichelte, ihre zarte Haut küsste ...
Und nun ging sie hin und verlor ihr Herz an diesen jungen Cardassianer ...
War es Eifersucht, die ihn so heftig darauf reagieren ließ? Er war sich nicht sicher, aber auch wenn es so war, musste sie doch begreifen, dass eine solche Liebe keine Zukunft hatte. Selbst wenn Elim ihre Gefühle erwidert hätte, wäre das so gewesen. Jeder von ihnen war in seiner Welt gefangen, es gab Abgründe, die sich nicht überbrücken ließen, so sehr man es auch wollte. Elim hatte schon genug Schwierigkeiten, weil er sich ganz offen zu seiner Freundschaft mit einem Bajoraner bekannte, und soweit es ihn betraf, gab es hier viele Bajoraner, die ihm ihr Vertrauen entzogen hatten, nur weil er einem Cardassianer das seine geschenkt hatte. Unzählige hier verdankten eben diesem Cardassianer ihr Leben, aber das fiel in diesem Punkt anscheinend nicht ins Gewicht, wohl waren sie Garak dankbar, aber Dankbarkeit und Freundschaft waren nicht dasselbe ...
Wie würden Garaks Kameraden, wie würden seine bajoranischen Landsleute wohl reagieren, sollten Elim und Haylan ein Verhältnis beginnen. Er würde endgültig als Verräter gebrandmarkt werden, sie als Hure. Nein, es war gut, dass Elim keine Augen für Haylan hatte und es geflissentlich übersah, wenn sie ihn ganz offen anhimmelte. Die Propheten allein wussten, was in dieses Mädchen gefahren war. Noch vor einigen Monaten hatte Garaks bloßer Anblick genügt, sie schaudern zu lassen, und jetzt ...
Irgendwann im Laufe des Winters hatte sie ihre Scheu abgelegt und Vertrauen zu Garak gefasst. Anfangs hatte Jaman sich darüber gefreut, hätte er auch nur im Entferntesten geahnt, was daraus werden könnte, hätte er niemals zugelassen, dass die beiden sich so oft gleichzeitig bei ihm aufhielten. Sie hatten mit Laren gescherzt, gemeinsam Hasperat gekocht und er hatte Elim und Haylan abwechselnd im Belaklavion-Spiel unterrichtet. In den ersten Wochen hatte Haylan sich sofort zurückgezogen, wenn ihre Gespräche sich ernsteren Themen zugewandt hatten, doch dann irgendwann fing sie an, zu bleiben. Spätestens in diesem Moment hätte ihm klar sein müssen, was sich da anbahnte, aber er war von dieser neuen ungewöhnlichen Freundschaft zu berauscht gewesen, um die wachsende Faszination in Haylans Blicken zu bemerken, die immer öfter auf Garak geruht hatten - und als es ihm dann endlich aufgefallen war, war es zu spät gewesen, den Brand in ihrem Herzen zu löschen. Da nützte es nichts, dass Elim ihre Gefühle nicht erwiderte. Seine abweisende Haltung schien ihre Zuneigung nur noch zu verstärken.
Jaman seufzte. „Vergiss ihn, Haylan“, wiederholte er kummervoll.
„Niemals!“ Sie sprang auf. „Ich liebe ihn - und nichts vermag etwas daran zu ändern!“ Damit drehte sie sich um und rannte davon, ehe er sie aufhalten konnte.

* * *

Khemor Dukat hatte Mühe, seinen unbändigen Zorn zu unterdrücken. Wie konnte dieser kleine arrogante Bastard es wagen, ihn, den Zweiten Offizier, als Wache einzuteilen, als ob er ein gewöhnlicher Soldat wäre?! Garak war seinem empörten Protest mit kühlem Blick und der noch kühleren Erklärung begegnet, dass Dukat froh sein sollte, derart milde diszipliniert zu werden.
In diesem Moment hatte er den Ersten Offizier gehasst wie niemals zuvor. Garak hatte es gewagt, ihn vor den anderen Offizieren und den gemeinen Soldaten zu demütigen. Was spielte es da für eine Rolle, dass alle zuvor über seine abfällige Bemerkung über die unnatürliche Beziehung zwischen dem Glinn und seinem Bajoraner gelacht hatten, dass sie alle betroffen gewesen waren, als der so Verspottete in der Offiziersmesse plötzlich hinter ihnen gestanden hatte, dass sie alle insgeheim wie er und mit ihm fühlten. Er war es, den Garak öffentlich erniedrigt hatte - und wäre es möglich gewesen, ihn mit einem entsprechenden Gedanken umzubringen, wäre der Glinn auf der Stelle tot umgefallen.
Wütend kickte Dukat einen kleinen Stein beiseite, für einen winzigen Moment war er unaufmerksam - und als er wieder aufsah blickte er mitten in zwei dunkle Augen.
Sie gehörten einer der schönsten Bajoranerinnen, die er je gesehen hatte. Wie kam es, dass er sie niemals zuvor bemerkt hatte? Eine müßige Frage, da Garak ihnen ohnehin verboten hatte, sich eine Bajoranerin zu nehmen. Dieser Heuchler, ihm und den anderen missgönnte er jegliches Vergnügen, während er ganz ungeniert eine Beziehung zu einem Bajoraner unterhielt ...
„Was willst du?“, fragte er unwirsch als sie nicht aufhörte, ihn anzustarren.
„Bitte, ich ...“, stammelte sie. „Ich ... möchte ... ich ... würde gerne mit Glinn Garak sprechen.“
„Tatsächlich?“, fragte Dukat gedehnt, um seine Überraschung zu verbergen. „Und was willst du mitten in der Nacht mit ihm bereden?“
Haylan errötete, was sie noch schöner aussehen ließ. Für einen winzigen Moment war sie nahe dran, ihr Vorhaben aufzugeben, aber sie hatte all ihren Mut aufbringen müssen, um überhaupt hierher zu kommen und die Wache anzusprechen, da wollte sie jetzt keinen Rückzieher mehr machen. „Wenn Sie erlauben, Herr Offizier, dann möchte ich das Glinn Garak gerne selbst sagen!“
Dukats Augen wurden schmal, als ihm die ganze Bedeutung ihrer Worte bewusst wurde. Ihre dreiste Weigerung, seine Frage zu beantworten, missfiel ihm - aber noch mehr missfiel ihm die Erkenntnis, dass diese Bajoranerin sich offenbar wie eine läufige Hündin nach seinem verhassten Feind verzehrte. Es durfte nicht wahr sein, dieser Bastard befahl ihnen Enthaltsamkeit, während er sich einen Bajoraner nach dem anderen ins Bett holte.
„Der Glinn gefällt dir wohl gut?“, fragte er rau.
Sie erröte noch mehr - und plötzlich war es um Dukats eiserne Beherrschung geschehen.
„Wenn du einen Cardassianer willst, dann kannst du einen haben!“, schrie er in einer Mischung aus Zorn und rasender Begierde, während er sie an sich riss. Wie erstarrt ließ Haylan es zu, dass er sie wild küsste, doch als seine Hände an ihrer Bluse zu zerren begannen, kam Leben in sie. Mit einem entsetzten Keuchen machte sie sich frei und stieß ihn von sich.
Ernüchtert starrte er sie an. Garak hatte betreffend sexueller Übergriffe ein striktes Verbot erlassen. Da diese Anordnung der offiziellen Linie des Oberkommandos entsprach, hatte Gul Marak es ebenso wenig gewagt, diesen Befehl aufzuheben, wie die anderen Offiziere es gewagt hatten, dagegen zu protestieren. Vergewaltigungen wurden vom Militär zwar überall auf Bajor geduldet, aber das änderte nichts daran, dass sie gegen eine klare Anordnung des Oberkommandos verstießen. Daher waren Gul Marak und seine übrigen Offiziere machtlos gewesen.
Dukats Hals wurde trocken, als ihm bewusst wurde, dass er gerade einen direkten Befehl seines vorgesetzten Offiziers missachtet und sich diesem damit auf Gnade und Ungnade ausgeliefert hatte. Dafür könnte Garak ihn auf der Stelle exekutieren lassen - und nicht einmal Gul Marak könnte etwas dagegen tun, selbst wenn er es wollte - was Dukat ernstlich bezweifelte. Die cardassianische Armee war auf strengster Hierarchie aufgebaut - Insubordination war eine Bedrohung, die streng bestraft wurde, wo immer sie auftrat ...
Von Glinn Garak, den er bei jeder sich bietenden Gelegenheit seine Feindschaft und seine Verachtung hatte fühlen lassen, konnte er keine Gnade erwarten, schon gar nicht, wenn es um eine Bajoranerin ging, die offenbar das besondere Interesse des Glinn genoss ...
Dukats Verstand arbeitete nun mit kalter Präzision.
„Mach deine Bluse zu“, herrschte er Haylan an, die immer noch wie erstarrt dastand.
Sie gehorchte, und er wartete, bis sie mit zitternder Hand den letzten Knopf geschlossen hatte.
„Und nun will ich, dass du zum Zaun gehst!“
Was für eine entsetzliche Verschwendung, aber er durfte nicht riskieren, dass Garak etwas von diesem Vorfall erfuhr ...
Ihr verwirrter Blick irrte von seinem Gesicht zu dem hohen Zaun, der das Lager umgab, und wieder zurück zu seiner unbewegten Miene. Von klein auf war sie daran gewöhnt, cardassianische Anweisungen zu befolgen, ohne zu zögern, ohne Fragen zu stellen, es war eine Sache des Überlebens gewesen. Wenn es etwas gab, das man als Bajoraner in einem Flüchtlingslager lernte, dann war es, wie man überlebte. Der jahrelange Kampf darum, den nächsten Morgen noch zu sehen, hatte Haylans Überlebensinstinkt geschärft - und dieser Instinkt riet ihr nun, diesem Befehl nicht zu folgen.
Sie rührte sich nicht.
„Hörst du schwer?! Ich habe gesagt, dass du zum Zaun gehen sollst!“
Haylan schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr langes Haar hin und her flatterte.
„Verdammt, gehorche mir, oder du wirst es bereuen!“
„Nein!“, rief Haylan mit wachsender Angst. Und dann wandte sie sich plötzlich um und begann laut schreiend zurück in Richtung der Baracken zu laufen. „Bei den Propheten, er will mich umbringen! - Hilfe! - Jaman!“
Fluchend zog Dukat seinen Phaser. Dieses dumme Ding, er hatte vorgehabt, sie am Zaun auf der Flucht zu erschießen. Hier und da stürzten bereits angelockt von ihren Schreien Bajoraner aus den Baracken. Daran war nur Garak Schuld, bevor er hier alles mit seiner unangebrachten Milde auf den Kopf gestellt hatte, hätte keiner dieser bajoranischen Hunde es gewagt, seine Behausung nur um einiger Schreie wegen zu verlassen, die löcherigen Decken hätten sie sich über die Köpfe gezogen und ihren armseligen Propheten gedankt, dass es nicht sie waren, die die Schreie ausstießen ...
Hinter ihm erklang das Geräusch sich nähernder schwerer Schritte, die gellenden Rufe des Mädchens hatten offenbar nicht nur Bajoraner alarmiert ...
Verdammt, wenn er nicht sofort handelte, würde die Geschichte, die er sich zurechtgelegt hatte, mehr an Glaubwürdigkeit verlieren, als er riskieren konnte.
„Hilfe! - Jaman! ... Hilf ...“
Haylans Schreie verstummten unter dem gezielten Phaserschuss, der sie in den Rücken traf.
Dukat wandte seine Aufmerksamkeit von der zusammenbrechenden Gestalt ab. Seine Linke glitt zum Gürtel, während er einige Schritte zurück in den Schatten des Wachturmes wich. Den scharfen Dolch zu ziehen, den er immer bei sich trug, und ihn sich bis zum Heft in seinen rechten Oberschenkel zu bohren, war eine Sache weniger Sekunden.
Obwohl er sich innerlich darauf vorbereitet hatte, nahm der stechende Schmerz Dukat beinahe den Atem, aber es hatte sein müssen, diese kleine Schlampe hatte ihn dazu gezwungen, seinen Plan abzuändern, dafür würde er sie mit Wonne tausend Tode sterben lassen, ein Jammer, dass er ihr einen so schnellen Tod hatte gewähren müssen ...
Mit einem leisen Stöhnen ließ Dukat sich zu Boden sinken. Das Blut strömte mit beunruhigender Geschwindigkeit aus der Wunde an seinem Bein - und für einen kurzen schrecklichen Moment befürchtete er, zu heftig zugestoßen zu haben.
Er unterdrückte ein weiteres Stöhnen, als sich von hinten eine Hand auf seine Schulter legte. Wer auch immer von den Soldaten hinausgekommen war, um nach dem Rechten zu schauen, er würde sich ihm gegenüber keine Schwäche erlauben.
„Khemor?!“
Dukats Kopf fuhr herum. Überrascht starrte er in Garaks besorgte Miene. Aus den Augenwinkeln registrierte Dukat einige Soldaten, die den Glinn begleitet hatten, aber er achtete nicht darauf. Garak hatte gewusst, dass er es war, der hier und heute Wache schob, trotzdem war er offenbar als erster hergelaufen.
„Liegen Sie ganz still, Khemor“, sagte Garak ruhig, während sein Blick über die Beinwunde des Zweiten Offiziers glitt. „Der Arzt wird gleich hier sein. - Und ihr“, wandte er sich an die Soldaten, „stellt fest, was dieser Aufruhr da hinten“, er deutete auf eine Gruppe Bajoraner, die Haylans Körper so dicht umringten, dass er vom Tor nicht zu sehen war, „zu bedeuten hat!“
Dukat kämpfte darum, die Fassung nicht zu verlieren. Es war das erste Mal, dass der Glinn ihn beim Vornamen genannt hatte - und die Besorgnis in den Zügen seines Vorgesetzten wirkte nicht gespielt. War es möglich, dass er sich in all den vergangenen Wochen in Garak geirrt hatte? Und plötzlich ging ihm auf, wie blind - was für ein Narr er gewesen war, aus kleinlicher Eitelkeit, aus verletztem Stolz, die Freundschaft eines Mannes zurückzuweisen, dessen Vater über genug Einfluss und Beziehungen verfügte, dass es für zwei militärische Karrieren gereicht hätte.
Während Dukat versuchte, diese Erkenntnis zu verdauen, bereits darüber nachsann, ob und wie es ihm jetzt noch gelingen konnte, Garaks Freundschaft zu gewinnen, ertönte plötzlich aus der Gruppe der Bajoraner ein grässlicher Schrei, dem weitere folgten.
Garak sprang auf. Auch wenn die Laute mehr an ein waidwundes Tier, denn an ein humanoides Wesen erinnerten, wusste er instinktiv, wer sie ausstieß.
„Zur Seite!“ Garak drängte sich durch die Soldaten, durch die Bajoraner, bis er vor Jaman stand, der auf dem Boden kniete und Haylans Leichnam in den Armen hielt, den er hin und her wiegte, während ihm die Tränen über das Gesicht strömten, das sich zu einer furchtbaren Grimasse des Schmerzes verzogen hatte.
Garak fühlte, wie sein Inneres zu Eis wurde.
Haylan! Dieses schöne Mädchen, so jung, so voller Leben, nein, es durfte nicht wahr sein!
Garak unterdrückte den spontanen Wunsch, neben seinem Freund niederzusinken.
Er war cardassianischer Offizier ...
Er konnte hier nicht vor allen einen Bajoraner trösten, geschweige denn seinen eigenen Kummer über den Tod einer Bajoranerin zeigen. Später würde er Jaman aufsuchen, wenn sie allein waren, würde er sich so verhalten können, wie sein Herz es wünschte, dann würde er ihm anvertrauen, dass er seinen Schmerz verstand, dass er ihn teilte, aber hier und jetzt ...
Er war cardassianischer Offizier ...
Garak gab den Soldaten ein Zeichen, sich zurückzuziehen. Wenn er Jaman auch nicht öffentlich beistehen konnte, so wollte er wenigstens dafür sorgen, dass man ihn in seinem Schmerz in Ruhe ließ und die Soldaten ihn nicht mit hämischem Feixen, das er ihnen am liebsten aus den Gesichtern geprügelt hätte, begafften und sich über ihn und sein Unglück lustig machten.
Nach einem letzten Blick auf jenes Bild, von dem er wusste, dass es ihn von nun an immer verfolgen würde, wandte Garak sich ab. Als er nun langsam zurück zum Tor ging, wo Dukat immer noch lag und gerade vom herbeigeeilten Arzt versorgt wurde, wichen die Soldaten vor dem Ausdruck in seinen Augen zurück.
Dukat hätte es ihnen gerne gleichgetan, aber da dies nicht möglich war, bemühte er sich um eine gleichgültige Miene, wohlwissend, dass das kleinste Anzeichen von Schuld seinen Tod bedeuten würde - und er hatte sich nicht aus dem Armenviertel der cardassianischen Hauptstadt bis zum Rang eines Glan gekämpft, um nun sein Leben wegen einer kleinen bajoranischen Hure zu verlieren, die das Pech gehabt hatte zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
„Sie ist völlig durchgedreht“, beantworte er die stumme Frage in Garaks Blick. „Sie hat mich ohne jeden Grund angegriffen, mir das Messer aus dem Gürtel gerissen und versucht, mich zu erstechen.“
Die Muskeln in Garaks Gesicht spannten sich unter seiner gewaltigen Anstrengung, nicht die Beherrschung zu verlieren. Hinter ihm gingen Jamans Schreie in ein hilfloses Schluchzen über. Nur mit größter Mühe widerstand Garak dem Impuls, sich zu ihm umzudrehen.
Er war cardassianischer Offizier ...
„Sie war mehrere Meter von Ihnen entfernt, als Sie ihr in den Rücken schossen“, sagte er schneidend. „Eine recht, nun wie soll ich es bezeichnen, ungewöhnliche Art, jemanden dadurch töten zu wollen, dass man vor ihm flieht, finden Sie nicht?“
Dukat zuckte mit den Achseln. „Vermutlich hat sie gedacht, sie hätte mich erledigt, wer weiß schon, was in so einem bajoranischen Gehirn vorgeht.“
„Wenn Sie erlauben, Glan Dukat, interessiert es mich für den Moment weitaus mehr, was in Ihrem vorgegangen ist!“
„Ich fürchte, ich verstehe nicht, was Sie damit meinen.“
„Nun“, Garak registrierte erleichtert, dass Jamans Schluchzen aufgehört hatte. „Dann will ich mich etwas klarer ausdrücken. Es hätte ausgereicht, wenn Sie auf ihre Beine gezielt hätten, dann wären wir jetzt in der Lage, sie zu verhören!“
Dukat verzog keine Miene. „Bei allem Respekt, Glan, ich habe genau das versucht, aber,“ er nickte leicht in Richtung seines mittlerweile bandagierten Beines, „leider bin ich genau in dem Moment als ich abdrückte zusammengebrochen. Bei meiner Ehre als Offizier, wollen Sie mir das etwa zum Vorwurf machen?“
Diese letzte Frage stellte Dukat im Ton eines Mannes, dem man im Begriff war, bitteres Unrecht anzutun - und so laut, dass auch der letzte am Ort des Geschehens anwesende Cardassianer sie hören konnte.
Garak musste nicht in die mürrischen Gesichter seiner Untergebenen sehen, um zu spüren, auf wessen Seite sie standen. Eine stumme Welle der Abneigung schlug ihm entgegen - und plötzlich wusste er, wenn er hier und jetzt ohne jeglichen Beweis den Zweiten Offizier der Lüge beschuldigte, riskierte er, dass die Meute ihn lynchte - und alle Bajoraner, die Zeugen seiner Ermordung werden würden, ebenfalls. Man würde seinen Tod einer Revolte der Lagerinsassen zuschreiben. Wer würde auf die Idee kommen, am Wort so vieler zu zweifeln? Dukat würde dafür ausgezeichnet werden, dass er den Aufstand niedergeschlagen hatte, und zum Dank seinen Posten erhalten. Er selbst würde auf Cardassia ein Staatsbegräbnis bekommen, während man Jaman und all die anderen Bajoraner in einem Massengrab verscharren würde.
Dukats provozierender Blick verriet Garak, dass der Glan ähnliche Überlegungen hegte und nur darauf wartete, dass sein Vorgesetzter sich durch ein unbedachtes Wort selbst die Schlinge um den Hals legte.
Garak war alles andere als ein FeiGlinng, aber er verspürte auch kein Bedürfnis, Dukat einen Gefallen zu erweisen, indem er völlig sinnlos starb - und Jaman mit in den Tod riss.
Nein, dachte er hasserfüllt. Du hast dich zu früh gefreut, Dukat, du irrst dich, wenn du dir einbildest, ich würde dir das Vergnügen bereiten, auf meinem - und Jamans - Grab zu tanzen!
Laut sagte er: „Nein, natürlich nicht, wie könnte ich?! - Wenn Sie erlauben?“ Damit reichte er Dukat seine Rechte.
Eine versöhnliche Geste, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Die Soldaten, die sie umringten entspannten sich merklich.
Dukat verbarg seine Enttäuschung hinter einem unverbindlichen Lächeln. „Danke.“ Er ergriff die ihm hingehaltene Hand und ließ sich von seinem Vorgesetzten aufhelfen.
„Keine Ursache.“ Garak erwiderte das Lächeln.
Für den Bruchteil einer Sekunde blickten sie einander über die Hände, die sie sich gereicht hatten, lächelnd an. Die Umstehenden würden später ihren Kameraden jeden Eid schwören, Zeugen des Beginns einer Freundschaft geworden zu sein.
Garak und Dukat lächelten noch immer als ihre Hände sich voneinander lösten - aber für die anderen verborgen las jeder von ihnen in den Augen des anderen seinen Tod.
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