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Face your demons

von Darchelle

Kapitel 1

McCoy holte tief Luft und warf Jim einen letzten, unsicheren Blick zu. Dieser lächelte aufmunternd. Leonard war so dankbar, dass er hier war. In den anderthalb Jahren, die sie nun schon an der Akademie waren, war ihre Freundschaft stark gewachsen und sie waren so gut wie unzertrennlich. Ausser eben in solchen Situationen wie diesen. Bis jetzt war es immer nur Jim gewesen, der auf eine Übungsmission hatte gehen müssen. Mit dem Shuttle ins All, um ein Abenteuer zu simulieren. McCoy war davon bis jetzt verschont geblieben. Aber er hatte gewusst, dass auch er eines Tages ins All fliegen musste. Das hatte er eben davon, wenn er sich bei der Sternenflotte bewarb.
“Viel Glück, du schaffst das”, sagte Jim und Leonard betrat unsicher das Shuttle. Das letzte Mal, als er in so einem Teil gesessen hatte, hatte er sich vor die Füsse gekotzt. Dieses Mal sollte ihm das besser nicht geschehen.
Nur mit seinem Arztkoffer ausgerüstet - der Rest des Gepäcks befand sich im Laderaum - und in der normalen Akademieuniform setzte er sich auf einen der unbequemen Sitze und zog die Gurte eng um seinen Oberkörper. Das hier war schrecklich. Er zitterte am ganzen Leib und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass dieser Albtraum zu Ende war.
Als der Motor startete, glaubte McCoy ein ungesundes Brummen zu vernehmen. Beinahe verängstigt schaute er in die Gesichter der anderen Passagiere. Alles Medizin-Kadetten, die gelassen miteinander quatschten.
Leonard krallte sich in seinen Koffer, auch wenn er genau wusste, dass das nichts half. Das Shuttle startete und er spürte, wie es ihm den Magen hob. Das hier war sein Ende. Ich werde in diesem verdammten Schrotthaufen verrecken. Wenn nicht wegen einem Absturz oder einem Hüllenschaden, dann wegen einem Herzinfarkt.
“Der Flug dauert nur einige Minuten”, sagte eine freundliche Stimme neben ihm.
Er drehte vorsichtig den Kopf, nicht sicher, ob er jeden Moment erbrechen würde. Die Frau, die neben ihm sass, kannte er flüchtig aus seinen Kursen. Sie war ruhig, aber sehr intelligent.
Leonard fragte sie nicht, woher sie wusste, dass er Angst hatte, konnte sich aber vorstellen, dass man es ihm ansah.
“Entspannen Sie sich und versuchen Sie sich auf etwas anderes zu konzentrieren.” Ihr Lächeln war echt und reichte ihr bis zu beiden Ohren.
“Leichter gesagt als getan”, murrte er und presste seine freie Hand auf seinen Magen. Gleich musste er sich übergeben.
“Ich bin Zoe. Und Sie müssen Leonard sein. Habe schon einiges über Sie gehört.”
Leonard war eigentlich nicht auf ein Gespräch aus gewesen, aber jetzt hatte sie doch seine Aufmerksamkeit erregt.
“Wie das?”, fragte er. Er war nicht gerade jemand, der viele Freunde hatte, die Geschichten über ihn verbreiten konnten.
“Ihre Fähigkeiten als Arzt sind auf der ganzen Akademie bekannt”, erklärte sie. “Ihre Leistungen sind beeindruckend.”
Ah, das. Leonard arbeitete zeitweise als Aushilfe auf der Krankenstation der Akademie, da er bereits vor Beitritt der Sternenflotte Arzt gewesen war. Vor einigen Monaten hatte er einem Professor das Leben gerettet, der einen anaphylaktischen Schock erlitten hatte. Davor waren es eher Kleinigkeiten gewesen, die er behandelt hatte, aber die Patienten waren ihm immer sehr dankbar gewesen.
“Sie sind manchen Kadetten ein gutes Vorbild, wissen Sie.” Er bemerkte, wie sie leicht rote Wangen bekam.
“Oh, das war mir nicht bewusst. Schön, so etwas zu erfahren.” Er war etwas verlegen. Sowas wie Komplimente war er sich nicht gewohnt.
Plötzlich fuhr ein Rumpeln durch das Shuttle und Leonard riss panisch die Augen auf, um sie gleich darauf zusammen zu kneifen. Das war’s. Wir sind tot.
“Ganz ruhig.” Er spürte eine Hand auf seinem Arm und öffnete die Augen vorsichtig. “Wir sind bloss gelandet.” Zoe lächelte verständnisvoll und löste den Gurt.
Leonard entspannte sich etwas und folgte ihr zögerlich aus dem Shuttle hinaus. Wie peinlich!
Der Horror war noch lange nicht vorbei. Nur weil sie das Shuttle verlassen durften, hiess das noch lange nicht, dass sie in Sicherheit waren. Der Weltraum war voller Gefahren. Nur ein falscher Schritt und Leonard war dahin. Ich hätte mich nie bei der Sternenflotte melden sollen, dachte er zum hundertsten Mal.
So abgelenkt von seiner Angst sah er sich nicht auf dem Stützpunkt um, auf dem sie gelandet waren. Dabei gab es so einiges zu sehen. Hier wurden Raumschiffe (wenn auch nur die kleinen) repariert und Ersatzteile hergestellt. Alles war voller Technologie.


Die Gruppe Kadetten folgte ihrem Professor durch Gänge bis zu einem sterilen, weissen Raum. “Hier werden Sie die nächsten drei Tage mit wirklichen Krankheitsfällen von Sternenflottenmitgliedern auf Abenteuern konfrontiert werden. Dieser Teil der Ausbildung ist sehr wichtig für Sie, da es uns zeigt, ob sie wirklich fähig sind, unter solchen Umständen zu arbeiten. Sehen Sie es als Teil Ihrer Abschlussprüfungen an”, erklärte der Professor und Leonard musste sich wirklich anstrengen, um ihm zuzuhören. Er würde diesen Test, oder was auch immer das genau war, niemals bestehen. Nicht mit dem Wissen, hier jede Sekunde draufgehen zu können. Nur ein kleines Loch in der Wand da drüben und alle unsere Köpfe explodieren.
“Nun zeige ich Ihnen Ihre Unterkünfte.”
Die Unterkünfte waren nichts weiter als kleine Zimmer, in die sich vier Männer respektive Frauen hineinzwängen mussten, um darin zu schlafen. Zu jedem Zimmer gab es ein Bad, das aber so aussah, als würde es nie für vier Personen reichen.
Danach wurden sie noch in den Speisesaal geführt. Er wirkte nicht ansatzweise gemütlicher als die Unterkünfte, hatte aber immerhin genug Platz für eine halbe Schiffsbesatzung.
Der Professor nahm eine Liste hervor. “Stradlater, Smith, McCoy, Jackson und Schiffmann, Sie werden die erste Schicht bis zum Abendessen übernehmen.” Er verkündete die Arbeitszeiten der anderen beiden Gruppen, dann verliess er mit der ersten den Speisesaal.
“Am Anfang werden Sie nicht viel zu tun haben, aber glauben Sie ja nicht, Sie könnten deshalb ein gemütliches Kaffeekränzchen halten”, blaffte er. Der Professor war ein eher mürrischer Mann. “Es wird von Ihnen allzeit volle Bereitschaft erwartet.” In der Krankenstation angekommen, verliess er sie auch sogleich, aber nicht, ohne seine Kadetten noch einmal auf den Ernst der Situation aufmerksam zu machen. Den einzigen Ernst, den Leonard sah, war die Gefahr, in der er wortwörtlich schwebte. Wie sollte er so einen Patienten behandeln, wenn er vor Angst am ganzen Körper zitterte?
Zwar versuchte er, es sich nicht anmerken zu lassen, aber Zoe fiel es trotzdem auf. Sie war ebenfalls in seiner Gruppe und irgendwie war er froh darüber. Sie hatte es auf dem Weg hierher geschafft, ihn abzulenken, vielleicht konnte sie ja noch so ein Wunder bewirken.
“Alles in Ordnung?” Die Flugangst hatte sie nachvollziehen können. Jetzt war sie doch etwas verwirrt und besorgt. Woher sollte sie auch wissen, dass jemand Angst vor dem Weltraum haben konnte? Verdammt, er war ein erwachsener Mann und sollte nicht wie das grösste Weichei hier herumstehen. Aber gegen irrationale Ängste liess sich nun mal nichts machen.
“Klar”, log er, weil er die junge Frau nicht mit seinen Problemen belasten wollte.
“So sehen Sie aber nicht aus. Sie sind ganz bleich.” Zoe schien sich wirklich zu sorgen, was Leonard schliesslich zum Nachgeben brachte.
“Sagen wir, das All ist mir nicht ganz geheuer.”
“Sie sind Arzt, Sie haben bestimmt schon Schlimmeres gesehen als das, was wir hier behandeln müssen”, warf sie ein, eine völlig falsche Auffassung dessen, wie er seine Aussage gemeint hatte.
McCoy seufzte. “Das meinte ich nicht. Ich leide unter Astrophobie… oder Apeirophobie, die Psychologen sind sich da nicht so sicher”, gab er zu, wobei es ihm mehr als unangenehm war. “Die Angst vor dem Himmelraum. Oder vor der Unendlichkeit. Verstehe.” Sie nickte. “Vielleicht kann ich Ihnen da behilflich sein.” Überrascht zog Leonard eine Augenbraue hoch. Das hätte er wirklich nicht zu hoffen gewagt.
“Ich habe einige Erfahrung in Verhaltenstherapien. Bei der Sternenflotte wird so etwas auch gebraucht. Ich biete Ihnen gerne meine Hilfe an.” Sie lächelte zurückhaltend.
“Ähm… sicher.” Gerade fiel ihm keine bessere Antwort ein.
“Wunderbar. Wir können uns nach dem Essen in eine ruhige Ecke zurückziehen.” Damit stand es fest. Leonard würde eine Verhaltenstherapie beginnen. Als ihm so richtig klar wurde, worauf er sich da einliess, fragte er sich, wieso er eine solche Massnahme nicht schon früher in Betracht gezogen hatte.
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