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Sturm 9.11 - Im Schein einer Kerze

von Gabi

Prolog

 

 

 


Die halbe Stunde, kurz bevor er sich für die Nacht zurückzog, war dem Kai am liebsten. Abgeebbt waren die Stimmen des Tages, verstummt die Bitten, verklungen die Schritte derjenigen, die seine Gegenwart und seinen Zuspruch benötigten. In dieser knappen kostbaren Zeit war er nur mit sich und seinen Göttern alleine. Bereits früh nach seinem Amtsantritt hatte er klargestellt, dass er in dieser halben Stunde nicht gestört werden wollte. Da sein Wort, gleichgültig wie sanftmütig er es äußerte, auf Bajor Gesetz war, befand sich die große Wandelhalle am Ende des Tages in vollkommener Stille. Das einzige Geräusch, das durch die hohe Kammer schwang, war das Geräusch der erwachenden Nacht, das über die nahezu bodentiefen Fenster aus den Bergen der Dahkurprovinz herüber wehte. Wenn er sich zurückgezogen hatte, würde der diensthabende Prylar noch einmal durch die Wandelhalle gehen und die energetischen Barrieren der Fenster aktivieren, damit sich des nachts niemand ungefragt Zugang zum Hauptkloster verschaffen konnte. Doch jetzt waren sie noch weit offen.

 

Kai Sarius Haznar ließ sich auf einem der samtüberzogenen Sitzkissen nieder, welche die Nischenbänke vor den Fenstern zierten. Den rechten Ellbogen auf dem Fenstersims aufgestützt ließ er den Blick über die schroffen Berghänge gleiten. In der Ferne glaubte er eine Herde Rotha‘heks auf ihrem Weg in höhere Lagen vorbeiziehen zu sehen, doch das diffuse Mondlicht konnte seinen Augen auch einen Streich spielen. Eine leichte Brise zog an den uralten Mauern vorbei und Sarius atmete tief ein. Mit geschlossenen Augen versuchte er den darin enthaltenen schwach würzigen Geruch einer ihm bekannten Pflanzenart zuzuordnen. Als er sich sicher war, einen Nyaladorn identifiziert zu haben, lehnte er den Kopf zufrieden mit sich selbst und der Ruhe des Augenblicks gegen die massive Sandsteinsäule zurück, welche die großen Fenster voneinander trennte. Fast widerwillig öffnete er seine Lider. Mit dem Bergmassiv zur Rechten und der Wandelhalle zur Linken wurde sein Blick von einer der mannshohen brennenden Kerzen eingefangen. In unregelmäßigen Abständen waren die Kerzenständer neben den Säulen der Wandelhalle aufgestellt. Bislang hatte ihm niemand sagen können nach welchem Muster die Aufstellung, die zufällig anmutete, erfolgt war. Die Leuchter hatten schon immer an diesen Plätzen gestanden und würden es auch immer so tun. Offensichtlich gab es sogar in den frühesten Chroniken des Klosters eine Zeichnung der Wandelhalle, auf welcher bereits die bis heute bestehende Anordnung dargestellt war.

 

Ein sanftes Lächeln huschte über die müde werdenden Züge des Mannes. Es gab so vieles auf Bajor, das schon immer so gewesen war und nicht hinterfragt wurde, fast war das eine Definition seines Volkes. Träge glitten seine Augen von einer Kerzenflamme zur anderen. Er konnte von seiner Position aus nicht die gesamte Wandelhalle überblicken. Das war von keiner Stelle aus möglich. Die Säulen waren so angebracht, dass immer nur Fragmente des Raums sichtbar waren, und so konnte er auch nur einen Teil der Lichter beobachten.

 

Der Kai setzte sich auf. Eine der Kerzen stand nicht dort, wo sie immer gestanden hatte. Es war eine Nebensächlichkeit, doch er fühlte sich plötzlich bedroht durch diese Unregelmäßigkeit. Die Akolythen musste beim Saubermachen die Kerzenständer verschoben und danach nicht wieder an ihren Platz zurück gestellt haben. Eine Kleinigkeit, eine Nichtigkeit, und doch spürte der Kai, wie kalte Finger über seinen Nacken tasteten. Er erhob sich. Warum fühlte er sich so unwohl? Warum maß er einem so alltäglichen Umstand Bedeutung zu? Weil es schon immer so gewesen war?

 

Er erhob sich aus den Kissen. Mit großen Schritten durchmaß er die Wandelhalle hinüber zu dem Kerzenständer. Seine Absicht war es, ihn wieder an den rechtmäßigen Platz zurückzustellen, auch wenn er nicht wusste, ob seine Kraft dafür ausreichte. Normalerweise waren es immer zwei Personen, welche die massiven Leuchter verrückten.

 

Er hielt in seinem Schritt inne. Nur wenige Meter von seinem Ziel entfernt hatte er eine Bewegung im Augenwinkel wahrgenommen. Jemand war hier, jemand huschte um die Säule gerade außerhalb seines Gesichtsfelds.

 

„Wer ist da?“, verlangte er zu wissen, seine Stimme unnatürlich laut in der Stille. Er lauschte, doch außer dem Nachhall seiner Worte war nichts weiter zu vernehmen. Abermals glaubte er eine Bewegung ausmachen zu können, dieses Mal auf seiner anderen Seite. Irgendwo knisterte eine Flamme.

 

„Geben Sie sich zu erkennen!“ Sarius war es nicht gewohnt, dass er eine Anweisung wiederholen musste. Es war üblich, dass man jeder kleinsten Äußerung des Kai von Bajor augenblicklich nachkam. Wer immer sich hier aufhielt, gehörte nicht zum Kloster. Abermals liefen kalte Schauer über seinen Nacken. Auf eigenen Wunsch war er alleine hier, seine momentane Position konnte von keinem der beiden Zugänge eingesehen werden. Mit einem letzten Blick auf den falsch gestellten Kerzenständer änderte er die Richtung und strebte auf den nähergelegenen der beiden Eingänge zu. Vielleicht spielten seine müden Sinne ihm lediglich einen Streich, doch es war besser, wenn er sich unter Bajoraner begab.

 

Er war keine zwei Schritte weit gekommen, als ein Luftzug ihm deutlich die Gegenwart einer anderen Person ankündigte, einer Person, die sich rasch und lautlos bewegte. Er wirbelte herum, doch es war bereits zu spät. Lange Krallen packten nach seinem Genick.

 

Das Letzte, was er wahrnahm, bevor er das Gefühl hatte vom Boden verschluckt zu werden, war das flackernde Licht einer Kerze.

 

* * *

 

Etwa eine Viertelstunde später betrat der diensthabende Prylar mit einem Akolythen die Wandelhalle. Er bewegte sich vorsichtig vorwärts, spähte um die hohen Sandsteinsäulen um sicherzugehen, dass der Kai sich bereits zurückgezogen hatte und nicht in seiner Kontemplation gestört wurde. Als er sich der Verlassenheit der Wandelhalle versichert hatte, aktivierte er die Energiebarrieren der Fenster. Dann blickte er sich um, stellte fest, dass ein Kerzenständer falsch stand und rückte ihn gemeinsam mit seinem Akolythen wieder an die korrekte Stelle zurück, wo der Boden bereits die passende Mulde aufwies.

 

Zufrieden nickte der Prylar noch einmal vor sich hin und verließ dann mit seinem Schüler die Halle.

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