TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Sturm 9.07 - Der Glaube an das Licht

von Gabi

I - Passen Sie mir ja auf den Kai auf ...

Denn der Glaube an das Licht

kann heller sein

als tausend Sonnen

 

 

 

 

„... und sorgen Sie dafür, dass ihn die anderen Offiziere nicht bedrängen oder ungefragt berühren. Das wird bei uns als Respektlosigkeit seiner Eminenz gegenüber angesehen.“ Colonel Kira Nerys ging neben ihrem wissenschaftlichen Leiter her, während sie all die Punkte, die ihr einer Erwähnung wichtig schienen, an den ausgestreckten Fingern abzählte. „Ich habe mit Captain Odhran bereits gesprochen, doch sicherheitshalber erwähnen Sie auch noch einmal die Wichtigkeit der Person des Kai. Auch wenn die Sternenflottenoffiziere nichts mit unserer Religion zu tun haben, erwarte ich den gebührenden Respekt ...“

 

Der wissenschaftliche Leiter, Lieutenant Peter Gaheris, nickte dienstbeflissen, wann immer seine Vorgesetzte zu ihm blickte, und nutzte die Momente, in welchen sie ihre Finger auf der Suche nach dem nächsten Punkt betrachtete, um genervt mit den Augen zu rollen. Er wusste, warum es Kira wichtig war, ihm alles dreimal zu erklären. Wahrscheinlich hätte er an ihrer Stelle auch nicht anders reagiert. Aber er war nicht an ihrer Stelle. Er war sich der Wichtigkeit seiner Stellung als Beschützer des Kai vollkommen bewusst und er wünschte sich, Kira würde ihm endlich das nötige Verantwortungsbewusstsein zugestehen.

 

„... wenn auch nur die kleinste Möglichkeit einer Gefahr bestehen könnte, lassen Sie die Hekate sofort umkehren. Ich habe das auch Ciaran deutlich gesagt. Die Mission lässt sich wiederholen, das Wohlergehen des Kai nicht.“ Nun war es an Kira vernehmlich zu seufzen. Sie ließ von ihren Fingern ab und warf stattdessen beide Arme in einer theatralisch anmutenden Geste nach oben. „Es tut mir leid, wenn ich Sie hier in den Wahnsinn treibe, Lieutenant. Ich wünschte, ich könnte an Ihrer Stelle den Kai begleiten. Ihn so ganz alleine in dieser unerforschten Galaxie zu wissen, wird in den nächsten Tagen nicht nur mir den Schlaf rauben.“

 

„Ich kann mir vorstellen, dass Captain Odhran es ebenfalls besser gefunden hätte, wenn Sie Seine Eminenz begleitet hätten, Colonel“, wagte Gaheris mit schrägem Lächeln einzuwerfen. Er konnte seine Kommandantin immer noch nicht so recht einschätzen und hoffte, ihr mit dieser scherzhaften Bemerkung nicht auf die Füße zu treten.

 

Kira hielt in der Äußerung ihrer Besorgnis inne und starrte ihren wissenschaftlichen Leiter kurzzeitig an. Dann begann sie zu dessen Erleichterung leise zu lachen. „Damit haben Sie wahrscheinlich recht, Lieutenant. Er ist charmant, aber auch sehr penetrant.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Antos sieht den Stationszeiten der Hekate immer mit Entsetzen entgegen.“

 

Gaheris erwiderte das Lächeln, froh darum, Kira auf ein anderes Thema gebracht zu haben.

 

 

 

Sie hatten die Andockschleuse für den regulären Shuttletransport von Bajor erreicht. Zum Missfallen seiner Adjutantin Vedek Alenis hatte Kai Sarius es abgelehnt, für den Flug zur Station einen der klostereigenen Transporter zu verwenden und stattdessen eine Passage auf dem regulären Flug gebucht. Es war zu vermuten, dass er die gesamte Zeit mit religiösen Diskussionen und Segnungen seiner Mitreisenden verbracht hatte.

 

Lange mussten die beiden Deep Space Nine Offiziere nicht darauf warten, dass die Schleusenräder beiseite rollten und die Passagiere nach der Abfertigung die Station betraten. Was an anderen Tagen wie ein leises Plätschern von kleinen Grüppchen und Einzelpersonen vonstattenging, erwies sich nun als eine kompakte Traube, in deren Mittelpunkt sich die goldgewandete Gestalt des bajoranischen Kai befand. Den Mienen von Vedek Alenis und den anderen Geistlichen seines persönlichen Beraterstabs war abzulesen, dass sie es bereits aufgegeben hatten, die Gläubigen von ihrem Oberhaupt fern zu halten. Kai Sarius wirkte wie stets gelassen und höflich, während er sich alles anhörte, was von den Seiten auf ihn einstürmte.

 

Gaheris‘ Pulsfrequenz veränderte sich, als er das geliebte Antlitz des blonden Bajoraners sah. Ihm wurde es in diesem Augenblick erst richtig bewusst, dass sie auf der Hekate wahrscheinlich das erste Mal Zeit nur für sich haben würden, fernab der klösterlichen Einschränkungen. Diese Erkenntnis erhöhte seine Pulsfrequenz erneut.

 

Als sich die Bajoranertraube durch die Schleusentore auf den Korridor ergoss, blickte Kai Sarius das erste Mal auf. Die Stationskommandantin und der Wissenschaftsoffizier neigten respektvoll ihre Köpfe. Es war eine Geste, an die Gaheris nicht erinnert werden musste. Sie kam ganz natürlich.

 

Auf ein paar Worte und Gesten des Kai hin, zerstreute sich die Menge der angekommenen Bajoraner, bis ihn nur noch seine geistliche Entourage umringte. Er blieb vor den Offizieren stehen und senkte kurz den Blick, um deren Respekt anzunehmen. „Nerys, Peter, ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen“, eröffnete er, „und ich bin schon ausgesprochen gespannt darauf, was mich in den nächsten Tagen erwartet.“

 

Während Kira ihrem geistigen Führer den Weg wies und ihn in ein kurzes Gespräch über die Geschehnisse auf der Station und die Aussichten auf der Hekate verwickelte, nahm Vedek Alenis Gaheris beiseite. Der Adjutantin des Kai lag es noch schwerer im Magen als Kira, dass sie den Kai lediglich in Begleitung eines menschlichen Offiziers entlassen musste. Doch Captain Odhran hatte es deutlich gemacht, dass die Hekate kein Passagierschiff war und er alleine schon aus Gründen der Unterbringung lediglich eine Person als Begleitung des Kai zulassen würde. Sarius hatte sich Lieutenant Gaheris erbeten, nach außen die logische Wahl, da der Mann als wissenschaftlicher Berater mit bajoranischen Interessensgebieten der beste Übersetzer dessen war, was sie in den nächsten Tagen erwartete. Weder Kira noch einer der Geistlichen wären von der wissenschaftlichen Seite dazu imstande gewesen.

 

In den nächsten Minuten sah sich Gaheris einer erneuten Reihe von Ermahnungen gegenüber, welche ihn sein vorheriges Gespräch mit Kira sehnlichst zurückwünschen ließen.

 

* * *

 

„Der Kai darf nicht berührt werden, wenn er es nicht von sich aus anregt“, las Commander Reka Kesmarki die Information von dem PADD ab, während sie versuchte, mit ihrem Captain Schritt zu halten. Dicht hinter dem Kommandanten und seinem Ersten Offizier gingen der Sicherheitschef, Lieutenant Commander Cerovic, und die insektoide Mora Hekate, die zivile Sensorspezialistin des gleichnamigen Forschungsschiffs. Captain Odhran strebte sichtlich unbehaglich auf den Turbolift zu, der die Crew zur Andockstelle des Tiefraumforschungsschiffs U.S.S.-Hekate am oberen Pylon 2 bringen würde, wo sie in weniger als einer Stunde zu einer erneuten Mission durch das Wurmloch aufbrechen würden. Er freute sich normalerweise darauf, wenn die Hekate wieder loslegen konnte, doch dieses Mal lag ihm die Mission im Magen.

 

„Passt zu Hekate“, ließ sich Lieutenant Commander Cerovic hinter ihnen vernehmen. Der dunkelhaarige Mann mit betazoidischen Wurzeln war weder außer Atem noch aus der Ruhe zu bringen. Dahingegen rannte die zierliche Insektoide, auf die er sich bezogen hatte, beinahe neben ihm. Ihre chitinummantelten Füße klickten leise auf dem glatten Boden des Korridors.

 

„Kannst du ein bisschen langsamer gehen, Ciaran?“, bat Kesmarki, während sie den nächsten Punkt aufrief. „Das Schiff fliegt nicht ohne uns ab.“

 

Odhran blieb stehen. So plötzlich, dass seine wissenschaftliche Leiterin bereits zwei Schritte weiter gegangen war, bevor sie es bemerkte. Cerovic war derlei Verhalten von seinem Vorgesetzten gewohnt und stoppte ohne mit der Wimper zu zucken. Sein Arm hob sich automatisch zur Seite, so dass er eine natürliche Barriere bildete, um zu verhindern, dass Hekate in den Captain hinein lief.

 

„Entschuldigt.“ Odhran setzte sich wieder in Bewegung, dieses Mal in Schritttempo. „Zivilisten auf meinem Schiff machen mich nervös. Vor allem bei einer solchen Mission, wo wir selbst nicht die geringste Vorstellung davon haben, was uns erwartet.“

 

Cerovic hob die Augenbrauen. „Hekate ist eine Zivilistin.“

 

Der Captain schnitt ihm eine Grimasse. Sein Sicherheitschef war unschlagbar darin, ihn mit dem Feststellen einfacher Tatsachen auf die Palme zu bringen. Wenn Cerovics Gesicht dabei nicht immer so unbeweglich wäre, könnte Odhran wetten, dass es ihm Spaß machte, seinen Vorgesetzten aufzuziehen. „Hekate ist Hekate!“ Er winkte Kesmarki zu, dass sie weitermachen solle.

 

„Er wird mit Eure Eminenz und einem Neigen des Kopfs angesprochen.“

 

Einem Neigen des Kopfes!“ Abermals blieben alle stehen. „Also Leute, das ist nicht deren Ernst. Das ist mein Schiff, an Bord bin ich der Herr über Leben und Tod. Da verbeuge ich mich doch vor niemandem.“

 

„Es reicht ein leichtes Neigen des Kinns in Richtung Brust“, erklärte Cerovic neutral.

 

Odhran kniff die Augen zusammen und unterzog ihn einer genauen Musterung. Irgendwann würde er ihn dabei ertappen, wie seine Mundwinkel zuckten, irgendwann. Stattdessen wandte er den Kopf zu seinem Ersten Offizier. „Ich kann sehen, dass du grinst, Reka.“

 

Kesmarki schürzte die Lippen. „Es ist ein wenig schwierig, es nicht zu tun, Ciaran …“

 

„Er kann es“, deutete Odhran auf Cerovic, doch auch seine Lippen begannen sich leicht zu verziehen. Er konnte sich vorstellen, wie er momentan auf seine Offiziere wirken musste.

 

„Ich denke Avram weiß gar nicht, wie man lächelt, das gilt nicht.“

 

„Doch, Avram kann lächeln.“

 

Drei menschliche Augenpaare wandten sich den großen Facettenaugen der Mora zu. Hekates Mimik war wesentlich starrer als diejenige der meisten Humanoiden, daher war es fast nicht möglich, Emotionen in ihrem Gesicht abzulesen. Die Mora übermittelten Empfindungen über Schwingungen in der Stimme – was der Universalübersetzer nicht wiedergeben konnte – oder über ihre Körpertemperatur, was die meisten Humanoiden nicht wahrnehmen konnten. Dennoch bekamen die drei Offiziere den Eindruck, dass sie den Sicherheitschef jetzt erschrocken anblickte. „Hätte ich das nicht verraten sollen?“

 

„Alles in Ordnung“, versicherte Odhran. „Wir meinen das alles nicht ernst, das ist unsere Art uns zu … Ha!“ Sein Finger deutete auf Cerovic. „Ich habe es gesehen. Du hast sie angelächelt, du hast sie angelächelt!“ Er konnte gerade noch seine Hände davon abhalten, Hekates Schultern zu fassen, als er sich in Erinnerung rief, dass die Mora ebenfalls eine Person war, die nicht berührt werden durfte. „Irgendwann verrätst du uns, wie du es hinbekommst, dass dieser Klotz bei dir weich wird.“

 

„Ich …“ Hekate blickte zwischen den beiden Männern hin und her. Um ihre Verwirrung zu sehen, war keine besondere Wahrnehmung nötig.

 

„Ignorier ihn einfach.“ Cerovic legte ihr die Hand auf einen ihrer vier Oberarme, das einzige Wesen innerhalb der letzten tausend Jahre, dem diese Berührung erlaubt war. Wie stets durchlief ein kurzes Zittern ihren Körper bei diesem Kontakt.

 

„Können wir weitergehen?“ Kesmarki schwenkte das Padd in Richtung des Turbolifts. Dann wandte sie sich direkt an ihren Captain. „Wir ändern nichts daran, dass wir einen Beobachter dabei haben, Ciaran. Lieutenant Gaheris ist sein direkter Kontakt, unsere Mission wird dadurch nicht beeinträchtigt.“ Sie schenkte ihm einen herausfordernden Blick. „Und du wirst es wohl hinbekommen, dich mit Kai Sarius zu unterhalten, ohne eine Grundsatzdiskussion über deine Meinung zu Religion vom Zaun zu brechen.“

 

„Bin mir nicht sicher“, murmelte Odhran. Er trat vor den Turbolift und betätigte den Sensor. „Mir ist dieser ganze bajoranische Glauben suspekt“, gestand er ein.

 

„Mit Colonel Kira scheinst du dich doch blendend zu verstehen.“ Kesmarki betrat die Liftkabine, die anderen folgten ihr, Cerovic achtete darauf, dass er zwischen Hekate und den anderen stand.

 

„Wir klammern das Thema Religion auch weitläufig aus“, erklärte Odhran, nachdem er dem Computer das Ziel angegeben hatte. „Aber mach das mal bei einem Priester.“

 

„Der ist auch nur ein Mensch“, versicherte Kesmarki.

 

„Bajoraner.“

 

Jetzt war es an Odhran zu grinsen, während Kesmarki dem Sicherheitschef einen vernichtenden Blick zuwarf.

 

Als die Türen des Turbolifts sich am oberen Pylonen wieder öffneten, war alles Gezänk vergessen und Captain Ciaran Odhran trat, gefolgt von seinen leitenden Offizieren und Hekate, hinaus. Seine wasserhellen Augen streiften über die Gruppe, die sich bereits vor der Andockschleuse versammelt hatte, die von zwei Leuten des Sicherheitspersonals der Hekate bewacht wurde. Er lächelte Colonel Kira zu, dann verneigte er sich formvollendet vor dem Kai. „Eure Eminenz, Sie ehren uns mit Ihrer Gegenwart.“

 

Der Kai wandte sich ihm zu. Er war kein großer Mann, doch ihn umgab eine gewisse Aura von Erhabenheit, die ganz automatisch einen gewissen Respekt auslöste. Seine goldfarbene Robe raschelte ein wenig, als er einen Schritt auf die Gruppe zu tat und ebenfalls den Kopf neigte. „Captain Dr. …? Verzeihen Sie mir, wie ist die korrekte Anrede in Ihrem Fall?“

 

Odhran musste sich nicht zu einem Lächeln zwingen, auch das stellte sich automatisch ein. „Captain. Der militärische Rang steht über dem wissenschaftlichen Titel. Wie das auch bei Lieutenant Gaheris der Fall ist“, bemerkte er mit einer kleinen Handbewegung zu dem Wissenschaftsoffizier.

 

Der Kai warf seinem Begleiter einen kurzen überraschten Blick zu, dann wandte er sich wieder an Odhran. „Die Ehre liegt auf meiner Seite, Captain. Ich bin Ihnen dankbar, dass ich Sie begleiten darf und hoffe, dass ich Ihnen nicht im Weg sein werde.“

 

„Ganz sicher nicht“, versicherte der Kommandant der Hekate diplomatisch. Er blickte zu Gaheris.

 

Der Lieutenant nahm Haltung an. „Erbitten die Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen, Sir.“

 

„Erlaubnis erteilt.“

 

Cerovic gab seinen Leuten die Anweisung, die Schleusen frei zu geben.

 

Odhran signalisierte dem Kai, dass er den Vortritt hatte.  

 

Colonel Kira und den anwesenden Vedeks war es anzusehen, wie zwiespältig für sie das Gefühl war, das geistliche Oberhaupt in das Unbekannte ziehen zu lassen, doch schließlich schlossen sich sie Schleusentore hinter der kleinen Gruppe und sie waren von bajoranischem Hoheitsgebiet auf Föderationsgebiet übergetreten, visuell deutlich daran erkennbar, dass die Helligkeit und Farbgebung der Korridore im Schiff um einiges freundlicher war.

 

„Commander Kesmarki wird Ihnen Ihre Quartiere zeigen, dort können Sie Ihre Sachen ablegen. In einer Viertelstunde legen wir ab. Ich denke, Sie wollen bei der Passage auf der Brücke sein?“

 

„Auf jeden Fall“, antwortete Gaheris.

 

Kesmarki forderte die beiden Männer auf, sie zu begleiten, während der Rest der Hekate-Mannschaft in Richtung Brücke davon ging.

 

„Wir sind nicht auf Passagiere ausgelegt“, erklärte die Offizierin im Gehen, ihr langer, kastanienbrauner Zopf wippte dabei. „Von den beiden freien Quartieren ist eines von Hekate belegt, seit sie zu uns gestoßen ist. Das andere haben wir für Sie herrichten lassen, Eure Eminenz. Lieutenant, Sie werden für die Dauer der Mission bei Lieutenant Rakeem …“ Sie verstummte, als der Kai seine Hand hob.

 

„Ich habe zwei Anmerkungen an Sie, wenn es Ihnen nicht zu ungehörig erscheint, Commander. Ich hätte gerne, dass Lieutenant Gaheris bei mir einquartiert wird, da für mich alles völlig neu ist und ich abends das wissenschaftliche Gespräch mit meinem Berater suchen möchte, der mir sicherlich Vieles wird erklären müssen. Und dann ist es nicht nötig, dass Sie mich mit Eure Eminenz ansprechen.“

 

Kesmarki hob erst die Augenbrauen und dann ihr Padd. „Die Protokolle, die wir von der Vedekversammlung übermittelt bekommen haben, sagen da etwas anderes aus.“

 

Sarius lächelte verständnisvoll. „Sie müssen das Vedek Alenis nachsehen. Sie ist sehr auf Tradition bedacht, doch wir können nicht an Föderationsbürger die gleichen Anforderungen stellen, wie sie bei meinem Volk üblich sind.“

 

Sie machte sich eine Notiz auf dem Padd. „Das wird den Captain freuen zu hören. Hier entlang zu ihrem Quartier, bitte.“

 

* * *

 

„Nur für einen Tag hätte ich gerne deine Gelassenheit.“ Gaheris warf seine Tasche auf das breite Bett im Gästequartier. „Ich hätte vorhin garantiert mit Stottern angefangen.“

 

„Und deine Ohrenspitzen wären rot geworden.“ Der Kai stellte sein weniges Reisegepäck auf einem Sideboard ab und setzte sich auf die Bettkante.

 

Gaheris‘ Hand hob sich reflexartig zu seinem rechten Ohr. „Oh, passiert mir das öfters?“

 

Der Bajoraner lächelte sanft. „Ehrlich gesagt ziemlich oft, wenn du in meiner Gegenwart versuchst, die Contenance zu wahren.“

 

Mit theatralischem Seufzen ließ Gaheris sich, Gesicht voran, auf das Bett fallen, dabei hüpfte seine Tasche auf und fiel über die Kante auf den Boden. „Die Leute müssen mich für einen Trottel halten“, murmelte er in die Bettwäsche.

 

Eine Hand strich über den Teil seiner Schläfe, der sichtbar war. „Ich glaube nicht, dass es jemand bemerkt, der dich nicht genau beobachtet. Es ist nur der obere Rand, hier.“ Zwei Fingerkuppen fuhren sanft den äußeren Rand seines Ohrs entlang. Bereits bei früheren Berührungen dieser Art war es Gaheris gewesen, als ob er etwas mehr als nur die einfache Berührung empfinden würde. Für einen Moment hatte er das Gefühl, dass die Ruhe des Kai auch durch ihn strömte. Dann nahm Sarius die Hand fort und das Gefühl war vorbei. Er rollte sich auf die Seite und stützte sich auf den Ellbogen auf. „Sag mal … wenn bajoranische Geistliche das Pagh erfühlen … macht ihr dann was?“

 

„Eine sehr präzise wissenschaftliche Fragestellung, Dr. Gaheris.“ Der Kai legte den Kopf ein wenig schräg und betonte den Titel, um seinem Partner klar zu machen, dass er ihm etwas vorenthalten hatte.

 

„Lediglich allgemeine Exo-Zoologie. Wie Odhran gesagt hat, hat das in der Sternenflotte nicht den gleichen Stellenwert wie in der zivilen Wissenschaft“, winkte der Terraner ab. „Du lenkst ab.“

 

„Das war nicht meine Absicht.“ Sarius erhob sich und ging zur Quartierstür. „Zeig mir den Weg zur Brücke. Ich erkläre es dir unterwegs.“

 

Es war nicht Gaheris‘ erster Aufenthalt auf der U.S.S.-Hekate, so dass er keine Informationen über den Weg abrufen musste, sondern gezielt los ging.

 

„Manche Geistliche sind schwache Kontaktempathen. Deinem Gesicht entnehme ich, dass dieser Umstand es noch nicht in die allgemeinen Datenbanken der Föderation geschafft hat.“

 

„Ich höre zum ersten Mal davon.“ Gaheris rief den Turbolift.

 

Sarius nickte. „Das Erfühlen des Pagh ist keine leere Geste, sondern entspringt einer langen Tradition. Wann immer diese Mutation in der Bevölkerung aufgetreten ist, wurde das entsprechende Kind in den nächsten Tempel zum Dienst an den Propheten geschickt. Mit der Einführung des Kastenwesens, der D’Jarra, kam es dann, dass diese Fähigkeit fast vollständig in der Priester-Kaste vererbt wurde. Immer mehr Geistliche waren imstande, die Emotionen ihres Gegenübers durch Berührung zu erfassen. Daraus entwickelte sich der traditionelle Ritus, in dem ein Bittsteller sozusagen dem Geistlichen erst einmal sein Inneres offenbaren musste.

 

Die cardassianische Besatzung hat die D’Jarra aufgelöst, und damit den geistlichen Dienst für alle Bevölkerungsgruppen geöffnet. Seitdem gibt es vermehrt Vedeks, welche diese Fähigkeit nicht besitzen und den Spruch ‚Dein Pagh ist stark‘ tatsächlich nur als solchen abspulen. Mein Mentor, Vedek Bareil, hatte deswegen damit begonnen, die Erfühlung des Pagh abzuschaffen.“

 

Sie betraten den Lift, nachdem sich die Türen geöffnet hatten. „Bajoraner stecken voller Geheimnisse“, merkte Gaheris mit Begeisterung an. „Und du kannst das noch?“

 

Der Kai nickte. „Ich bin in der D’Jarra geblieben, in die ich hineingeboren wurde.“

 

Der Lieutenant stutzte einen Moment. „Heißt das, du kannst meine Gedanken lesen, wenn du mich berührst?“

 

Sarius schüttelte den Kopf über den leicht panischen Ausdruck seines Partners. „Nein, wir sind nur ganz schwache Empathen. Ich kann lediglich ein wenig Ruhe vermitteln und dein Befinden erspüren.“ Er erlaubte sich ein verschmitztes Lächeln. „Aber das kann ich auch, wenn ich deine Ohrenspitzen beobachte.“

 

„Das …!“

 

Die Turbolifttüren öffneten sich auf die Brücke der Hekate hinaus. Schlagartig verfiel der Kai wieder in seine in sich ruhende Haltung mit neutral-freundlichem Gesichtsausdruck, während Gaheris hinter ihm die Wärme in seinen Ohren aufsteigen spürte.

Rezensionen