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Sturm 9.07 - Der Glaube an das Licht

von Gabi

II - Das glauben Sie wirklich?

II – Das glauben Sie wirklich?

 

 

 

Auf dem großen Frontmonitor war der benachbarte Pylon und ein Teil der Station zu sehen. Der Captain wandte sich in seinem Sessel um, als sich die Turbolifttüren öffneten. „Wir haben soeben die Startfreigabe von Deep Space Nine erhalten“, informierte er seine Gäste. „Sind Sie schon einmal in Ihrem Himmelstempel gewesen, Eure Eminenz?“

 

Der Kai blickte fragend zu Commander Kesmarki hinüber, die an der Wissenschaftsstation Platz genommen hatte. „Ich habe  ihm gesagt, dass Sie nicht auf die Anrede bestehen“, erklärte sie schulterzuckend.

 

„Nein, ich hatte noch nie die Ehre, den Himmelstempel zu betreten“, wandte sich der Geistliche an den Captain. „Mein Dienst hält mich die meiste Zeit auf Bajor. Weiter als bis zur Raumstation bin ich noch nicht gereist.“

 

Odhran nahm die Information mit einem Nicken entgegen. Für ihn als Weltraumnomaden, der Planeten nur betrat, um sie zu erforschen, erschien diese Art des Lebens unglaublich eingeschränkt. „Keine religiösen Konferenzen? Keine Symposien zur Diskussion unterschiedlicher Dogmen?“

 

Sarius lächelte. Ihm entging die Skepsis des Wissenschaftlers nicht. „Bislang noch nicht, doch ich bin sicher, dass mit Beitritt zur Föderation sich derartige Gelegenheiten bieten werden. Bajor beginnt sich erst allmählich nach außen zu öffnen.“ Er machte eine kurze Pause, sein Lächeln gab nichts von dem preis, was er dachte. „Sie müssen uns für kleingeistig halten, Captain.“

 

Die beiden Männer blickten sich an. Ungesagt hing in der Luft, dass der Kai den Nagel auf den Kopf getroffen hatte, doch die Diplomatie verlangte es, dass keine der beiden Seiten dies so stehen lassen konnte.

 

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte Odhran daher freundlich. „Es wundert mich nur, dass das Wurmloch nicht zu einer Art Pilgerstätte geworden ist, das die Gläubigen durchfliegen, einfach nur, um dort gewesen zu sein.“

 

Der Kai lachte leise auf, was alle Blicke auf der Brücke in seine Richtung lenkte. „Ich muss gestehen, Captain, dass uns diese Idee noch gar nie in den Sinn gekommen ist. In dieser Hinsicht sind wir Bajoraner wohl nicht geschäftstüchtig genug, um Pilgerreisen ins Leben zu rufen.“

 

Odhran grinste verhalten. „Im Hauptquartier würden sie einen Herzinfarkt bekommen, wenn stündliche Touristenfahrten durch das Wurmloch abgehalten würden.“ Er zwinkerte dem Kai zu. „Sagen Sie bitte nicht, dass ich Sie auf diese Idee gebracht habe. Ich habe auch so schon genügend Probleme mit der Admiralität.“

 

Sarius deutete ein Kopfneigen an. „Ich werde es als göttliche Eingebung deklarieren, sollte ich auf die Idee kommen, diesen Vorschlag der Vedek-Versammlung zu unterbreiten.“

 

Lieutenant Gaheris lehnte neben Kesmarki an der Wissenschaftsstation. „Ich glaube, die beiden kommen besser miteinander aus, als wir das gedacht haben“, flüsterte er ihr aus dem Mundwinkel zu. Sie nickte bedächtig und erwiderte ebenso leise: „Ciaran braucht jemanden, mit dem er sich streiten kann. Wenn das auf Augenhöhe geschieht, dann fühlt er sich umso wohler. Wenn der Kai es schafft, seinen Mann zu stehen, dann stehen die Chancen gut, dass er sich einen neuen Freund auf dieser Mission verdient.“

 

„Oh, er wird seinen Mann stehen!“, erwiderte Gaheris leidenschaftlich, was ihm sowohl einen überraschten Blick der Kollegin einbrachte und als sicherlich auch leicht gerötete Ohrenspitzen. Odhrans Befehl zum Ablegen hielt Gaheris davon ab, sich durch unpassende Erklärungen zu verhaspeln.

 

Während die Hekate in einem Bogen wendete, um sich in Position zum Wurmlocheintritt zu bringen, wandte sich der Captain an die Wissenschaftsstation. „Lieutenant Gaheris, Sie besetzen für die Mission die sekundäre Station und arbeiten mit Commander Kesmarki zusammen.“ Dann blickte er wieder zum Kai, der immer noch im Raum zwischen Wissenschaftsstation und Kommandobereich stand. „Eure Eminenz, wenn Sie möchten, nehmen Sie an meiner Seite Platz.“ Odhran erhob sich aus dem Captainsessel und klappte aus der Einfassung, die den Kommandobereich von den seitlichen Stationen trennte, einen Sitz aus.

 

„Oh, oh“, raunte Kesmarki. „Erst regt er sich wie ein Ferengi auf, und jetzt spielt er den formvollendeten Gastgeber.“

 

Gaheris meldete sich grinsend an seiner Station an. Ihm war schon bei seinem ersten Aufenthalt auf dem Forschungsschiff positiv aufgefallen, wie vertraut die Führungscrew miteinander umging, ohne dabei an Effizienz einzubüßen. Ein solches Zusammenspiel konnte er sich zwischen Kommandantin und Erstem Offizier auf Deep Space Nine nicht vorstellen. Die erste Hürde war genommen und er freute sich auf die bevorstehende Mission und vor allem darauf, dass Sarius die Gelegenheit bekam, seinen Göttern nah zu sein.

 

Dankend nahm der Kai den dargebotenen Platz an.

 

Der Pilot hatte die Hekate in der Zwischenzeit mit einem Achtel Impuls knapp vor den Ereignishorizont des Wurmlochs gebracht und dort die Maschinen gestoppt. Nun stand er auf und gab das Steuer frei.

 

Von der taktischen Station umrundeten Lieutenant Commander Cerovic und Hekate den Kommandobereich. Der Sicherheitschef ließ sich in den Pilotensessel fallen. Die Mora stellte sich neben ihn und legte ihm eine ihrer vier Hände auf die Schulter.

 

„Die meisten Humanoiden können im Wurmloch nicht navigieren“, erklärte Odhran den ungewöhnlichen Wechsel. „Normalerweise gleitet ein Schiff über den Ereignishorizont und wird sozusagen durch die Verwerfung hindurch geschleust und auf der anderen Seite wieder ausgespuckt. Da sich das Wurmloch nun jedoch unerklärlicherweise gegabelt hat, ist die Wahrscheinlichkeit, im Gamma-Quadranten herauszukommen, um einiges höher als in Galaxie M35. Wir müssten zig Mal hin und her fliegen, um rein statistisch gesehen einmal die gewünschte Gabelung zu treffen. Jetzt haben wir jedoch den großen Vorteil, Hekate an Bord zu haben. Ihre Spezies hat ein gänzlich anderes Wahrnehmungsspektrum als wir Humanoide. Sie kann die Struktur des Wurmlochs sehen und somit auch die Abzweigung und das um einiges präziser und intuitiver als unsere Sensoren das vermögen. Commander Cerovic hat einen ganz besonderen Draht zu ihr und kann auf ihre Anweisung hin im Wurmloch navigieren, bis Hekate die Grundzüge der Steuerung erlernt hat und selbst als Pilotin übernehmen kann.“

 

„Das ist beeindruckend“, merkte Sarius an. „Allerdings ist die Gabelung nicht unerklärlich.“

 

Odhran hob die Augenbrauen und nahm seine Aufmerksamkeit von dem Pilotenduo fort, das auf seine Anweisung wartete. „Sie haben eine Erklärung für die Gabelung?“ Seinem Tonfall war zu entnehmen, dass er das nicht für wahrscheinlich hielt. „Darüber reden sich die führenden Astrophysiker die Köpfe heiß.“

 

Wie so oft lächelte der Kai dieses enigmatische Lächeln, das rein gar nichts von seinem Innenleben preisgab. „Durch die Zusammenführung ihrer antagonistischen Mächte haben die Propheten wieder die Kraft erlangt, einen Durchgang zu ihrer Heimat zu öffnen. Doch da sich in der Zwischenzeit ihre Kinder im Gamma-Quadranten niedergelassen haben, konnten sie die alte Verbindung nicht ersetzen, denn sie hätten Neu-Bajor damit einem ungewissen Schicksal überlassen. Daher haben die Propheten den Pfad durch den Himmelstempel gegabelt.“

 

In die nun eintretende Stille hob Odhran die Augenbrauen. „Sie wollen mir erklären, dass die alte Passage in den Gamma-Quadranten nur noch existiert, weil sich Bajoraner dort angesiedelt haben?“ Er machte eine Pause, um dem Kai die Gelegenheit zu geben, seine wilde Theorie zu relativieren.

 

Der Geistliche tat ihm diesen Gefallen nicht. Stattdessen schien dessen ruhige Mimik den Captain herausfordern zu wollen.

 

Odhran schüttelte den Kopf. „Das glauben Sie wirklich“, bemerkte er mit einem gewissen Maß an Verblüffung.

 

„Sie präsentieren mir eine Ihrer wissenschaftlichen Erklärungen zu dem Sachverhalt und ich bin gerne bereit, mit Ihnen in die Diskussion darüber einzusteigen.“

 

„Wir haben noch keine wissenschaftliche Erklärung, wie ich bereits anmerkte.“

 

Der Kai neigte den Kopf ein wenig. Wie er dort saß, die Knie geschlossen, die Hände im Schoß gefaltet, wirkte er demütig. Lediglich das sphinxartige Lächeln wollte nicht so ganz zu der Haltung passen. „Dann steht es – wie Ihr Volk so schön sagt – momentan Eins zu Null für mich.“

 

Gaheris wandte sich rasch von der Szenerie in der Brückenmitte ab, so dass sein breites Grinsen lediglich von der neben ihm sitzenden Commander Kesmarki zu sehen war. Die Wissenschaftlerin beugte sich ein wenig nach vorne und senkte ihre Stimme. „Sie unterstützen die Theorie des Kai, Peter?“

 

Er zuckte mit den Schultern. „Irgendwie klingt sie mir plausibel.“

 

Kesmarki schenkte ihm ein halbes Lächeln. „Unser Job ist es, auf unseren Missionen handfeste Fakten zu sammeln. Bevor wir die nicht haben, sollten wir uns als Wissenschaftler keinerlei Theorien hingeben.“

 

„Aye, Commander.“ Doch er behielt seine gute Laune bei, als er sich wieder in seinem Stuhl umdrehte, um das Geschehen im Kommandobereich zu beobachten.

 

Captain Odhran hatte seinem Sicherheitschef den Befehl zum Start gegeben.

 

Sie glitten über den Ereignishorizont. Die meisten Brückenoffiziere beobachteten den Sicherheitschef, wie er konzentriert die Steuerung bediente, geleitet durch die Berührung der Mora.

 

Gaheris jedoch beobachtete den Kai. Von seiner Position aus konnte er ihn nur schräg von hinten sehen, was er sehr bedauerte. Er wäre jetzt gerne an seiner Seite für diesen Moment, da der Geistliche zum ersten Mal den Tempel seiner Götter betrat. Er konnte sehen, wie Sarius mit aufrechtem Oberkörper da saß, seine Aufmerksamkeit gänzlich auf den Monitor gerichtet. Ob er etwas anderes in den Verteronwirbeln erkannte als der ungläubige Rest der Anwesenden? Gaheris glaubte zu erkennen, dass der Kiefer des Kai angespannt war, doch er war sich nicht sicher.

 

Auch Odhran warf dem Kai einen Seitenblick zu. Der Captain runzelte leicht die Stirn. Dann glitt die Hekate am anderen Ende in den Filamentraum hinaus.

 

Ein Zittern durchlief den Körper des Kai und er schwankte ein wenig. Odhran erhob sich halb aus seinem Sessel, doch Gaheris war schneller. Der Stuhl an der sekundären Wissenschaftsstation wackelte noch von dem plötzlichen Impuls, als der Lieutenant bereits neben dem Kai in die Hocke ging. „Ist alles in Ordnung?“ Seine Hand berührte den Unterarm des Bajoraners. „... eure Eminenz?“, fügte er rasch hinzu, um den Moment für Außenstehende nicht zu privat wirken zu lassen.

 

Der Kai schüttelte leicht den Kopf, was nicht als Antwort auf die Frage gedacht war. „Wir sprechen später, Peter“, wandte er sich leise an den Offizier. Für alle vernehmbar fügte er lauter hinzu: „Es war ein überwältigendes Erlebnis. Vielen Dank für diese Gelegenheit, Captain Odhran.“

 

Der Kommandant musterte ihn neugierig. „Sie haben gerade mehr in dem Wurmloch gesehen.“ Es war nicht als Frage formuliert.

 

Der Kai nickte bedächtig.

 

„Was?“

 

Der Bajoraner ließ sich einen Moment Zeit, bevor er seine Antwort formulierte: „Ich möchte es sich gerne ein wenig setzen lassen, bevor ich darüber spreche, wenn Ihnen das recht ist, Captain. Spirituelle Erfahrungen sind bei meinem Volk etwas sehr Persönliches.“

 

Odhran hob die Augenbrauen. Seine Neugierde forderte eine rasche Antwort, dennoch erwiderte er: „Aber natürlich.“ Sein Blick ruhte noch einen Augenblick länger auf dem Kai, in der Hoffnung, dass der Mann sich doch noch äußern würde. Dann jedoch schenkte er seine Aufmerksamkeit wieder der Conn. Cerovic hatte bereits gestoppt. Die Hekate fand sich von sanft schwebenden Gaspartikelsträngen umgeben.

 

Gaheris hockte immer noch neben dem Kai. Er wollte ihn noch nicht alleine lassen, da er spürte, dass ihn die Passage durch das Wurmloch aufgewühlt hatte. So nutzte er den Ausblick, um seine verzögerte Rückkehr an seine Station zu rechtfertigen. „Diese Gasfilamente bedecken nach den bisherigen Messungen einen Bereich von etwa Null Komma Zwei Lichtjahren rund um die Austrittsstelle des Himmelstempels.“ Er streckte den rechten Arm in Richtung des Monitors aus, was natürlich völlig überflüssig war, da der Kai ohnehin in diese Richtung blickte. Doch die Armbewegung kaschierte die Tatsache, dass seine linke Hand immer noch auf dem Knie des Geistlichen ruhte. „Mit vollem Impuls benötigen wir einige Wochen, um das Phänomen zu durchfliegen und in den freien Raum zu gelangen. Den Warpantrieb können wir hier nicht nutzen, da die Gase mit dem Warpfeld interferieren und keinen stabilen Aufbau zulassen.“

 

Sarius wandte den Blick vom Monitor ab und schaute den Lieutenant an. Er wirkte verwundert, jedoch auch wieder wesentlich gefasster als noch vor wenigen Minuten. „Das heißt, das Schiff sitzt hier fest und erforscht auf seiner Kurzmission diese Filamente?“ Er wandte sich an den Captain auf seiner anderen Seite. „Die Hekate wird doch nicht mehrere Wochen hier unterwegs sein?“, erkundigte er sich sicherheitshalber. „In der Missionsbeschreibung, die meinem Büro vorliegt, war von ein paar Tagen die Rede.“

 

Captain Odhran zuckte mit den Mundwinkeln. „Keine Angst, eure Eminenz, Sie werden wieder rechtzeitig auf Deep Space Nine zurück sein. Und gleichzeitig haben wir auch nicht vor, Sie auf dieser Mission mit der Erfassung von Gasfilamenten zu langweilen.“ Es war dem Captain deutlich anzusehen, wie stolz er war, die Fähigkeiten seiner Mannschaft und ihre bisherigen Erkenntnisse vorzuführen. „Zwar funktionieren Antrieb und Streckenbewältigung aus unserer Galaxis mehr oder weniger auch hier, doch zu den physikalischen Gesetzen kommt hier noch ein, nennen wir es paraphysikalisches, Gesetz hinzu: Die Schranken unserer Bewegungsfreiheit werden durch die Grenze unseres Geists gebildet.“

 

Sarius hob die Augenbrauen, nickte jedoch. „Peter hat mir davon berichtet. Ich finde das unglaublich faszinierend. Sie stellen sich etwas vor, und das Schiff bewegt sich mehr oder weniger übergangslos an diesen Ort. Habe ich das richtig verstanden?“

 

Sowohl der links von ihm sitzende Captain, als auch der immer noch rechts neben ihm hockende Lieutenant nickten. „Wir stehen noch ganz am Anfang des Verständnisses, doch wir vermuten, dass diese Galaxis über und über von Dimensionsschleifen durchzogen ist, die auf die Frequenz humanoider Hirnströme reagieren“, versuchte Gaheris das zu erklären, was ihnen bislang in der Funktion ein Rätsel war.

 

„Das Problem, welches das mit sich bringt“, fuhr Odhran fort, „ist auf der einen Seite, dass das Gehirn der meisten uns bekannten Spezies dafür nicht ausreicht. Wir haben die ersten Wochen hier damit zugebracht, jedes Mitglied meiner Mannschaft daraufhin zu testen, inwieweit die entsprechende Person in der Lage ist, das Schiff zu bewegen. Doch nicht einmal bei recht starken Kontakttelepathen wie Vulkaniern haben wir einen nennenswerten Erfolg verbuchen können. Lediglich unser creweigener Halbbetazoide“, er beschrieb mit dem Arm einen eleganten Bogen in Richtung der Conn, „besitzt die notwendigen paranormalen Hirnaktivitäten.“ Er nickte Cerovic zu, der sich mittlerweile im Pilotensessel zu ihm umgedreht hatte. „Es läuft derzeit eine Anfrage beim Oberkommando auf Versetzung eines volltelepathischen Piloten zur Hekate.“

 

Sarius nickte. „Und auf der anderen Seite?“

 

„Auf der anderen Seite“, lächelte Odhran reumütig, „fehlt uns die Vorstellung, was wir uns vorstellen sollen, um irgendwo hin zu gelangen.“

 

Der Kai hob die Augenbrauen. „Ich verstehe. Zum Wurmloch finden Sie zurück, weil Sie wissen, wie es aussieht, und sich sozusagen dorthin wünschen können.“

 

„Ganz genau“, bestätigte der Captain. Er gab Cerovic einen Wink, der sich daraufhin wieder dem Steuerpult zuwandte. „Bislang haben wir es so gemacht, dass wir uns freien Raum ausgesucht haben, um aus diesem Feld hier herauszukommen, und uns dann dort umgesehen haben. Wir haben die Umgebung kartographiert, um erste Basisdaten für eine Sternenkarte zu erhalten. Aber wir konnten bislang keinen Bereich ein zweites Mal anfliegen, weil wir uns nicht bewusst dorthin begeben konnten.“ Er hob den Kopf in Richtung der Wissenschaftsstationen, runzelte kurzzeitig die Stirn, weil sich Lieutenant Gaheris immer noch nicht wieder an seinem Platz befand, wandte sich dann jedoch an Commander Kesmarki. „Reka, wenn ich bitten darf.“

 

Die Wissenschaftlerin betätigte einige Felder an ihrer Konsole, woraufhin sich die Darstellung des Hauptmonitors änderte. Das gleichmäßige Filamentfeld wurde durch klaren Weltraum ersetzt mit einem bläulich schimmernden Planeten in der Bildmitte, dessen Oberfläche von weißen Wolkenschleiern überzogen war.

 

„Bei unserer letzten Kartographierung hatten wir Glück und haben einen Planeten entdeckt, der sich bei erster oberflächlicher Sondierung als Klasse M herausstellte. Das ist das erste Mal, dass wir ein konkretes Ziel vor Augen haben. Wir wollen heute versuchen, ob es uns gelingt, diesen Planeten erneut anzufliegen.“ Er nickte nun wieder dem Kai zu. „Ich dachte mir, es ist für Sie sicherlich ein wenig interessanter bei einer Planetenerkundung zugegen zu sein, als bei astrometrischen Kartographierungen des nächsten, für Nicht-Wissenschaftler doch eher uninteressanten, Weltallsektors.“

 

Der Kai rückte sich ein wenig auf seinem Sitz zurecht, das einzige äußere Anzeichen einer gewissen Aufregung in seiner ansonsten ruhigen Erscheinung. Das irritierte Gefühl nach der Wurmlochdurchquerung schien für den Moment völlig durch gespannte Erwartung ersetzt worden zu sein. „Alles, dem ich hier Zeuge werden darf, wird für mich interessant sein, Captain. Ich kann es nicht verleugnen, dass ich aufgeregt bin“, entgegnete er mit einem entschuldigenden Lächeln.

 

Odhran zwinkerte ihm zu. „Willkommen in der Welt der Forschung, Eure Eminenz!“ Dann richtete er sich in seinem Sessel auf. Auch ihm war eine gewisse Aufregung nicht abzusprechen. „Monitor zweiteilen.“

 

Der Planet rückte nach rechts. Auf der linken Seite war wieder das Filamentfeld zu erkennen. „Avram, wann immer du bereit bist.“

 

Gaheris richtete sich auf. Er konnte sich besser konzentrieren, wenn er nicht gleichzeitig die Balance in der Hocke halten musste. „Wir stellen uns jetzt alle diesen Planeten auf dem Bild dort vor“, erklärte er leise dem neben ihm sitzenden Kai. „Inwiefern das für den eigentlichen Transit von Bedeutung ist, wissen wir noch nicht, aber es hilft auf jeden Fall Cerovic, wenn er weiß, dass er nicht alleine auf dem Präsentierteller sitzt.“

 

Der Sicherheitschef war nur von hinten zu sehen. Die Anspannung der Nackenmuskeln deutete auf dessen Konzentration hin. Auf der Brücke war kein Laut zu vernehmen außer dem ständigen sanften Basisbrummen des Schiffs selbst.

 

Obwohl alle Blicke auf die Darstellung des Planeten gerichtet waren, um ihn möglichst plastisch vor dem inneren Augen entstehen zu lassen, entging niemandem die Veränderung in der linken Monitorhälfte. Für einen Moment schienen die Filamente zu schwanken, dann zu verwirbeln und schließlich musste man den Blick aktiv von der linken Hälfte abwenden, um ein Übelkeit bereitendes Gefühl zu unterdrücken. Gaheris‘ Hand legte sich unbewusst auf die Schulter des neben ihm sitzenden Kai. Als sich die linke Monitorhälfte wieder klärte, war er nicht der einzige, der den Kopf schüttelte, um ihn von dem seltsamen Gefühl frei zu bekommen.

 

„Vollbild!“

 

Die linke Hälfte schob sich über den gesamten Schirm. Auf der Brücke war ein kollektives Ausatmen zu vernehmen, als der Planet in Sensorreichweite kam.

 

Im Pilotensitz wandte sich Cerovic um. Nicht einmal seine stoische Natur konnte dieses Mal den Anflug von Zufriedenheit in den schwarzen Augen verhindern.

 

„Saugut gemacht, Avram!“, ließ sich der Captain wenig protokollgerecht, jedoch aus tiefstem Herzen vernehmen.

 

„Ich bin tief beeindruckt, Lieutenant Commander“, befand auch der Kai.

 

Cerovic nahm das Lob mit einem Nicken entgegen. Er erhob sich aus dem Pilotensitz, um dem eigentlichen Steuermann wieder seinen Posten zu überlassen. Gemeinsam mit Hekate, welche die ganz Zeit über neben ihm gestanden hatte, kehrte er zur taktischen Station zurück.

 

Odhran stand ebenfalls auf. Er klatschte in die Hände. „So, Leute. Auf geht’s. An die Stationen.“ Er wandte sich an Gaheris. „Auch Sie, Lieutenant, ich werde seiner Eminenz das weitere Vorgehen erklären.“

 

„Aye, Sir!“ Obwohl die Atmosphäre auf der Brücke der Hekate relativ locker war, überkam Gaheris in Odhrans Gegenwart immer das Gefühl salutieren zu müssen. Mit einem letzten, hoffentlich unverfänglichen, Lächeln an seinen Partner kehrte er an die Seite von Commander Kesmarki zurück. Die Wissenschaftlerin hatte sich bereits mit der Technik kurzgeschlossen, um die ersten Sonden bereitstellen zu lassen. Sie blickte kurzzeitig auf, als Gaheris neben ihr wieder Platz nahm.

 

„Ist er in Ordnung?“, fragte sie leise, so dass es nicht auf dem Rest der Brücke zu verstehen war. Ihre Finger glitten über Gaheris‘ Konsole, um die Parameter einzustellen, die der Lieutenant ab Eintreffen der ersten Daten zu bearbeiten hatte.

 

„Ich denke schon.“ Er nickte ihr zu, um ihr zu signalisieren, dass er seine Aufgabe verstanden hatte.

 

„Ich würde zu gerne wissen, was er gesehen hat“, gestand sie ihre Neugierde ein.

 

Gaheris schaltete eine direkte Datenleitung zum wissenschaftlichen Labor fünf, wo das Gros der Rohdaten aus den Sonden vorbereitet werden würde, bevor es seiner Station zur Verfügung gestellt wurde. „Wenn es uns betrifft, wird er es uns mitteilen, ansonsten sind religiöse Erfahrungen bei Bajoranern etwas sehr Privates“, flüsterte er. Er bestätigte die Rückmeldung von Labor fünf. „Okay, Verbindung steht. Wegen mir können die Sonden los.“

 

„Alles klar“, verkündete Kesmarki für alle hörbar. „Wir beginnen mit dem Sondenabschuss.“ Sie gab die entsprechende Anweisung an die Hangartechnik weiter. Dann beugte sie sich wieder nach vorne und sprach weiter leise mit Gaheris: „Religiöse Erfahrung?“

 

Er verschränkte die Arme auf der Konsole und legte sein Kinn auf, darauf bedacht, nicht aus Versehen damit eine  Funktion auszulösen. „Wie wollen Sie es denn sonst nennen, im Himmelstempel, bei den bajoranischen Göttern?“

 

Sie spiegelte seine Haltung. „Um es irgendwie nennen zu können, würde ich eben gerne erfahren, was er erlebt hat …“ Zwischen ihren beiden Köpfen blinkte eine Meldung. Beide Wissenschaftsoffiziere richteten sich auf ihren Plätzen auf. Kesmarki schaltete zwei Monitore an den Konsolen gleich, auf denen die Basiswerte des letzten Besuchs der Hekate als Richtwerte angezeigt wurden. Gaheris empfing die ersten Messungen und die relativ monotone Datenauswertung begann, die einen Großteil der täglichen Arbeitszeit von Wissenschaftlern auf Kartographierungsmissionen ausmachte. Der Wissenschaftsoffizier von Deep Space Nine freute sich jedoch auf diese Routinearbeit, denn das war etwas, was aufgrund der Lage und Funktion der Raumstation nur selten auf seinem Tagesplan stand. Die Freude über diese Abwechslung übertraf sogar das Bedauern darüber, dass es nun Captain Odhran war, der in seinem Rücken den Kai den Rest der Schicht herumführen durfte, um das zu erklären, was in den jeweiligen Augenblicken an den Stationen vor sich ging.

 

Auf diese Weise verging der Bordnachmittag relativ zügig, bis Odhran in die Hände klatschte, die bereits seit zwei Stunden überzogene Schicht für diesen Tag für beendet erklärte und die Gäste zum Dinner in der Captainsmesse einlud.

 

 

 

 

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