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Knapp vorbei

von BlueScullyZ

Kapitel 1

Unschlüssig blickten die zwei Männer sich in der hell erleuchteten Bar der Raumstation 329 um. Es war nicht sonderlich voll, hier und da ließen sich ohne Probleme freie Plätze finden und auch am Tresen war nur jeder vierte Stuhl belegt. Trotzdem war es beiden ein Anliegen, zunächst einmal die Lage zu sondieren. Wer wusste schon, auf wen man hier so traf? Der Großteil aber waren Humanoiden, wie sie beide auch - Und auf den ersten Blick keiner exotischen Herkunft. Viele waren sogar Sternenflottenoffiziere wie sie selbst. Man konnte also fast sagen, sie befanden sich in guter und bekannter Gesellschaft.
„Wohin?“, fragte Sulu seinen Begleiter. Die Auswahl an freien Plätzen war wirklich beachtlich, was hoffentlich nicht auf die Qualität der Drinks zurück zu führen war. Wer vier Monate am Stück immer nur den einen, immer selben Platz gewählt hatte, konnte damit schon einmal beeindruckt werden. Außerdem gebot es ihm die Höflichkeit, nach Platzwünschen des Jüngeren zu fragen.
Der wiederum legte noch weniger Leidenschaft an den Tag als er. „Nun ...“, begann er und sah sich abermals um, ehe er offenbar willkürlich auf einen freien Tisch gegenüber der Theke an der Wand deutete. „Dort?“
Synchron zuckten beide mit den Schultern, als Zeichen der Zustimmung. Der Platz war so gut wie jeder andere.

Chekov seufzte, als er endlich saß. Der erste Landgang seit vier Monaten. „Endlich mal wieder neue Gesichter“, meinte er erleichtert und lehnte sich zurück.
Verhalten lachte Sulu. Er wusste, dass der Ensign es nicht böse meinte. Aber alle paar Wochen ein Tapetenwechsel tat gut.
„Kann ich Ihnen etwas bringen?“, fragte die Bedienung, die gerade an ihnen vorbei kam.
„Zwei Bier“, bestellte Sulu. Was genau auf der Karte stand, konnten sie ja gleich noch genauer unter die Lupe nehmen.
„Haben Sie Wodka?“, fragte Chekov vorsichtig optimistisch.
Die Bedienung nickte. „Also zwei Bier und ein Wodka?“
„Denken Sie dran, dass wir gleich noch auf dem Schiff die Feier haben“, wurde Chekov von Sulu nicht allzu streng erinnert.
Dennoch brachte der junge Navigator eine Verteidigung hervor. „Ich habe einen bestellt und keine zehn.“
„Zwei Wodka“, korrigierte Sulu die Bestellung, wonach die Bedienung dann auch verschwand. Der Navigator sah zu seinem Begleiter, der diese Wendung nicht hatte kommen sehen. „Vielleicht schmeckt es ja.“ Und das hier war eine Gelegenheit es mal zu testen, ohne dass es in einen Glaubenskampf Scotch gegen Wodka ausartete.
Unglaube breitete sich auf der Miene seines Gegenübers aus. „Sie haben noch nie Wodka getrunken? In Russland würden wir jetzt sagen, es verrät sehr viel über jemanden.“
„So?“, fragte Sulu mit mäßigem Interesse, aber einer unleugbaren Portion Amüsements.
Gewichtig nickte Chekov. „Ja. Überhaupt haben wir ja ein angeborenes Gespür für so was. Ein Blick und man weiß eine ganze Menge über einen Menschen. Zum Beispiel der dort“, begann der Ensign, der mit Blick zur Theke saß und deutete auf einen Herrn, der dort Platz genommen hatte. Er sah den Kerl nur von hinten und damit nicht viel.
Stoffjacke, weite Stoffhose, blonde Haare und einen Scotch on the Rocks vor sich. Die Kleidung verbarg einen Teil der Statur gut, aber mittelgroß und mittelschwer trafen es mit hoher Wahrscheinlichkeit.
Skeptisch beäugte Chekov ihn und schüttelte langsam den Kopf, während er sich nachdenklich über das Kinn strich. „Ich hab kein gutes Gefühl bei dem.“ Er verschränkte die Arme und lehnte sich zurück, nicht ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Ich weiß nicht, nur so ein Gefühl, aber es würde mich nicht wundern, wenn er ein Schmuggler wäre.“
Verstohlen sah Sulu über die Schulter an den Tresen und musterte den Gemeinten von hinten. Sein Blick, als er wieder zurück schaute, zeigte deutlich, dass er nicht überzeugt war. „Ein Schmuggler? Ist das nicht ein bisschen übertrieben?“ Und woran erkannte man überhaupt Schmuggler? Wenn sie gut waren, dann nicht an ihrer Kleidung.
„Ich wette!“, beharrte Chekov auf seiner Theorie und betrachtete den Typen nachdenklich, wie ein Kunstkenner in einem Museum, der auf die Mona Lisa starrte. „Wer sonst, läuft mit so einer Frisur durch die Gegend?“
Sulu schmunzelte. Nun, Chekovs Haarschnitt war auch nicht gerade die neuste Mode. Oder gerade wieder im Kommen? Man wusste so was ja nie. Und die blonde Tolle des Fremden sah man auch des Öfteren.
„Allein das ist ja schon kriminell“, unkte der Ensign mit gesenkter, verschwörerischer Stimme weiter. „Dann die gerade Haltung, als wäre er bei der Sternenflotte. Vielleicht ist er verbittert, weil er den Test nie bestanden hat?“ Mit zusammengekniffenen Augen musterte er den Mann weiter.
Räuspernd gab auch Sulu seinen Senf dazu, wenn seine Begleitung sich schon in ziemlich weit hergeholten detektivischen Theorien erging. „Vielleicht ist er auch bei der Flotte und nur in Zivil hier?“ Aber das war nur so ein Gedanke. Oder aber er hatte überhaupt nichts mit der Flotte zu tun und einfach keinen Rückenschaden.
„Das macht doch kaum einer“, hielt Chekov dagegen. Sie beide, beide in Uniform, waren das beste Beispiel. Es gab sogar einige, die gar keine Privatsachen mit an Bord nahmen. Aber für einen Kurztrip für ein paar Stunden kramten die Wenigsten ihr eigenes Zeug hervor. „Ein Söldner, verwegen, verschlagen. Vielleicht ein Spion? Bereitet sich auf seine Rolle vor, um uns zu infiltrieren.“
Sollte er belustigt mitmachen oder sich um seinen Begleiter sorgen? Wie würde das erst werden, wenn sie ihre Getränke hatten? Sulu konnte sich in dem Moment nicht entscheiden. Vielleicht gab es einen guten Mittelweg? „Gehen Sie doch rüber und fragen Sie ihn.“ Obwohl er diesen Vorschlag im nächsten Moment auch schon bereute. Er traute es ihm tatsächlich zu.
„Brauch ich nicht.“ Was er mit fehlenden Ausführungen nicht wett machen konnte, glich Chekov durch Sturheit aus. „Ich bin mir ganz sicher ...“ Weiter kam er nicht, sondern erstarrte mitten im Satz. Die weit aufgerissenen Augen, die im Satz gefrorenen Lippen, als hätte jemand auf Pause gedrückt, ließen Sulu glauben, der Ensign habe einen Geist gesehen.
Verwundert betrachtete er erst Chekov und sah dann vorsichtig über die Schulter. Der Mann hatte sich umgedreht. Und was er sah, hätte Sulu beinahe ein sehr breites Grinsen aufs Gesicht gezaubert. Da er sich allerdings beherrschen konnte, wurde daraus ein freundliches Lächeln und ein Nicken zum Gruß, ehe er sich wieder zum Tisch drehte. „Sie haben es nicht gesehen?“, fragte er, sich das Lachen verkneifend. Die Höflichkeit gebot ihm das einfach. Auch wenn es schon beachtlich war, dass es dem Ensign nicht aufgefallen war, obwohl er ihn die ganze Zeit angestarrt hatte.
„Nein“, presste Chekov, immer noch vollkommen erstarrt, hervor. „Sie etwa?“
„Nein“, gab Sulu mit beinahe gebotenem Ernst zu. Er selbst hatte ja nur kurz einen Blick riskiert.„Aber ich hab auch nicht behauptet, seine Frisur wäre kriminell.“ Den Kommentar konnte er sich einfach nicht verkneifen und verschluckte sein Lachen.
„Bitte seien Sie still“, flehte Chekov panisch, den Blick auf den Tisch geheftet, kurz vor ein Schatten auf den Tisch fiel.
„Ihre Getränke“, sagte der Kellner und stellte zwei große Gläser und zwei Pinchen auf den Tisch.
„Danke“, brachten beide unisono hervor.
„Na, genießen Sie Ihren Landgang?“, fragte eine weitere Stimme. Der Mann vom Tresen war zu ihnen gekommen und sah sie nun freundlich lächelnd an.
„Ja, es ist wirklich … mal entspannend“, antwortete Chekov hölzern - und entspannt, war das letzte Wort, was sein Gehabe beschrieb.
Doch der Mann, die Arme nun vor der Brust verschränkt, nickte zufrieden. „Das freut mich. Dann wünsche ich Ihnen beiden noch einen besinnlichen Abend und vielleicht bis später.“ Er zwinkerte. „Frohes Fest.“ Und ging.
Zurück ließ er einen immer noch grinsenden Sulu und aufgelösten Chekov.
„Ihnen auch, Captain“, rief Sulu ihm noch hinterher und hob sein Glas in seine Richtung, als er sich noch einmal umdrehte und dann aus der Bar trat.
Mit dem Verschwinden Kirks, brach auch der Schweigebann um den jungen Navigator. „Er ist immer in Uniform!“, brachte er verzweifelt hervor. „Immer!“
„Heute nicht.“ Lachend, das Glas immer noch in der Hand haltend, beugte Sulu sich über den Tisch und klopfte ihm auf die Schulter. „Er hat es nicht mitbekommen“, versicherte er Chekov. „Und jetzt trink!“
Mit vorsichtiger Erleichterung griff nun auch Chekov zu seinem Glas und stieß mit Sulu an. „Auf Weihnachten.“
„Auf Weihnachten und noch zwei weitere Feste dieser Art in den unendlichen Weiten des Weltraums.“
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