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Ein Schritt

von werewolf

Kapitel 1

Er wachte auf.
Der Schmerz, den Ayel erwartet hatte, kam nicht. Er war mit einem Disruptor angeschossen worden und mehrere Meter tief gestürzt, aber er fühlte davon nichts. Vermutlich lag es am Schock, aber er hoffte, dass dieser Zustand noch etwas anhalten würde.
Im Stillen bedankte er sich bei der Narada, dass er nach seinem Sturz auf einer kleineren Plattform angekommen war, die vielleicht zwei Meter unter derjenigen lag, auf der er gegen den Menschen gekämpft hatte.
Wäre er auch nur etwas weiter rechts abgestürzt, wäre er mehrere hundert Meter tief gefallen.
Dieses Schiff hatte ihn schon immer beschützt. Wie hatte er daran zweifeln können?

Das Nächste, was er feststellte, war, dass er sich nicht bewegen konnte. Keinen Zentimeter.
Er zwang sich mit äußerster Disziplin, ruhig zu bleiben. Ein Sturz aus zwei Metern Höhe konnte eine gesunde Person seiner Spezies einigermaßen unverletzt überstehen und er war nicht mit dem Kopf zuerst aufgeschlagen. Es musste also andere Gründe dafür geben. Vielleicht hatten sich seine Muskeln durch den Aufprall so stark verspannt, dass sie ihn an jeder Bewegung hinderten.

Zuerst konzentrierte er sich darauf, den Daumen der rechten Hand zu bewegen. Zuerst ohne Erfolg, aber irgendwann klappte es. Dann folgte der Zeigefinger, und einige Zeit später schaffte er es, die Hand zur Faust zu ballen und wieder zu entspannen.
Greifen. Strecken. Greifen. Strecken.

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis er sich endlich erheben konnte. Ihm war schwindelig, und er musste einen Moment die Augen schließen, bis seine Umgebung sich nicht mehr zu drehen schien.

Schon der Weg auf die obere Plattform erschöpfte ihn. Normalerweise ermöglichte es ihm seine Kondition, die er als Bergmann erworben hatte, mühelos von einer Plattform zur nächsten zu springen und dabei erst nach einigen Minuten die Anstrengung auch nur zu spüren.
Der Schuss hatte wohl seine Lunge verletzt.
Aber er hatte keine Wahl. Er musste seine Kameraden retten, sofern das noch möglich war. Mit ihnen hatte er Freude und Leid geteilt, Krisen ausgestanden und Gefahren überwunden. In ihren Adern floss das gleiche Blut, das Blut der Rihannsu, ein so stolzes Volk, von dem nur noch so Wenige übrig waren.

Hätte er den Menschen nur nicht gerettet. Wie schon des Öfteren war die Gnade seine größte Schwäche. Früher vielleicht eine lobenswerte Eigenschaft, heute aber…
Er unterbrach diesen unerfreulichen Gedanken. Die aktuelle Lage war schon deprimierend genug, da musste er sich nicht noch mit dieser Art der Gegenwartskunde befassen. Der Kontrollraum. Wenn er seiner Crew helfen wollte, musste er dorthin gelangen.

Das Schiff hatte einigermaßen gelitten, wie er feststellen musste. Zum Glück hatte er noch keine Leichen gesehen, auch wenn das vermutlich nicht zu vermeiden war.

Er fragte sich, was mit der Roten Materie geschehen war. Ein instabiles Material, dessen Reaktionen in weiten Teilen nicht vorauszusagen waren. Er hatte einmal mit Nero heftig darüber diskutiert. Ayel selbst hatte es nie für klug gehalten, mit einer so wenig erforschten Substanz, die aus Gründen der Rache mitgeführt wurde, Schiff und Crew zu gefährden. Aber der Anführer hatte nicht auf ihn gehört und so war die Rote Materie an Bord genommen worden.
Als er an dem Raum ankam, in dem das so rätselhafte und zugleich machtvolle Material aufbewahrt wurde, musste er sich setzen. Das Atmen fiel ihm immer schwerer, und er wusste, dass seine Lebenszeit zu Ende ging. Inzwischen schmerzte auch die Schusswunde deutlich.

Er würde es nicht zum Kontrollraum schaffen. Der war noch fünf Decks entfernt, und schon drei Gänge bildeten die Obergrenze seiner Belastbarkeit. Er hatte also noch eine Chance, eine letzte. Mit einem unwohlen Gefühl, das nichts mit seiner Verletzung zu tun hatte, öffnete er die Tür.

Was er sah, schockierte ihn. Die Rote Materie schien aus dem Behälter entwichen zu sein und bildete ein seltsames Phänomen in der Mitte des Raumes. Ayel wusste nicht, worum es sich handelte, aber es dehnte sich sichtbar aus und schien das Schiff irgendwann verschlingen zu können.

Eine Chance.
Die letzte.

Allen Mut zusammennehmend, ging er auf das Gebilde zu.
Ein Schritt.
Ein weiterer.
Noch einer.
Ein letzter.

Von dem Phänomen ging ein eigenartiger Sog aus, der nicht nur physischer Natur war. Allerdings konnte er unmöglich beschreiben, was für ein Gefühl es war, das durch die Rote Materie entstand. Aber es sagte ihm, dass es eine gute Idee war, auf deren Kraft zu hoffen.

Mit einem letzten Gedanken an die glücklichen Zeiten in der Heimat trat er noch einen Schritt vorwärts.

Dann nichts mehr.


Er wachte orientierungslos wieder auf. Stimmen umgaben ihn, aber er konnte nicht sagen, wer sprach oder worum es ging. Die Worte zogen an ihm vorbei.

Mit großer Mühe öffnete er die Augen.
Er schien in einer Art Krankenhaus zu sein, aber das ergab keinen Sinn. Warum nicht, fiel ihm aber nicht ein.

„Wo…bin…ich?“ Das Sprechen fiel ihm schwer.
Eine Frau trat auf ihn zu. Seine Frau.
„Endlich bist du wach. Ich habe mir ja solche Sorgen gemacht. Du bist im Krankenhaus unserer Heimatstadt.“
„Warum?“
„Du hast eine schwere Kopfverletzung, deswegen kannst du dich noch an nichts erinnern. Mach dir keine Sorgen deswegen. Ein Unfall beim Bergbau. Die Sprengung kam zu früh und du konntest dich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen. Eine Woche ist das jetzt her. Aber die Ärzte sagen, du wirst wieder vollständig gesund werden.“
Er legte die Hand auf eine Stelle etwas links von seinem Brustbein, von der ein dumpfer Schmerz ausging. Fast wie eine Schussverletzung, aber woher sollte er eine bekommen haben?
„Wir geben Ihnen gleich etwas gegen die Schmerzen“, meinte einer der Ärzte. „Sie haben wirklich Glück im Unglück gehabt. Ein Gesteinssplitter hat Ihre Lunge gestreift, aber nicht direkt verletzt. Dennoch sollten Sie sich die nächsten Tage noch schonen. “
„Was…ist mit meinen Kameraden?“
„Bis auf ein paar unwesentliche Verstauchungen und Prellungen ist ihnen nichts passiert. Sie waren mehrmals hier, um Sie zu besuchen.“

Als der Arzt gegangen war, wandte er sich wieder an seine Frau. „Ist bei dir…alles in Ordnung?“
„Ja.“ Sie lächelte, bevor sie weitersprach. „Mehr als das sogar. Wir werden Eltern.“
„Das ist ja…“ Ihm fehlten vor Freude die Worte.
„Wunderbar, herrlich, unglaublich…“
„Genau das…wollte ich sagen.“ Der Arzt hatte ihm davon abgeraten, sich aufzusetzen, also griff er nach ihrer Hand und drückte sie.

Später, als er wieder allein war, versuchte er festzustellen, woher diese Gedankenfetzen kamen. Von einem zerstörten Schiff, einem Angriff auf seine Kameraden. Schlimmer noch, von der Auslöschung eines großen Teils seines Volkes.

Es musste ein Alptraum gewesen sein. Ayel beschloss, einfach nicht mehr daran zu denken. Es war ein schöner Tag heute, er hatte erfahren, dass er Vater wurde, seinen Kameraden war bei dem Unglück nichts Schlimmes geschehen und die Sonne schien so herrlich durch das Fenster. Kein Grund, über solche pessimistischen Bilder nachzudenken.

Das Leben meinte es gut mit ihm. Warum zweifeln?

Danke fürs Lesen :) wie immer freue ich mich über Kommentare.
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