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Die längste Nacht

von Janora

~Oneshot~

Jim liebte sein Leben an der Akademie.
Es war hart, gewiss, denn immerhin musste er den Stoff und die Leistungen von vier Jahren in drei unterbringen. Aber die ersten drei Monate seiner neuen Laufbahn hatte er gut durchgestanden, und seine Stimmung war ungetrübt. Nicht zuletzt, weil er es sich oft erlaubte abends feiern zu gehen.
Die Stadt hatte hübsche Ladys, die er nur zu gerne auf einen Drink einlud. Und die Männer waren auch nicht zu verachten.

Heute Nacht hatte er sich bisher aber noch niemand bestimmten rausgesucht. Er wollte einfach nur Spaß haben, ignorieren, dass er noch eine unbeantwortete Nachricht seiner Mutter auf seinem PADD hatte.
Und sein Plan ging bisher auf: Jim war sturzbetrunken, und gab gerade seine eigene Interpretation eines aktuellen Popsongs zum Besten. Dass er sich dabei gar nicht in einer Karaoke Bar, sondern einem eher zwielichtigen Schuppen befand, störte ihn dabei wenig. In seinem Zustand hätte er auch nicht mehr sagen können wie er hergekommen war. Oder warum.
Nun, letzteres wohl schon noch. Die Antwort war: Alkohol.
Jim verbeugte sich am Ende seiner Show vor seinem nicht vorhandenen Publikum und stieg dann wankend vom Stuhl. Er fand sich umwerfend.

Auf dem Weg zurück zur Theke stieß er zwischen all den Leuten mit Jemanden zusammen, dessen Getränk er verschüttete.
„'Tschuldigung“, lallte Jim und blickte hoch in ein missmutiges Gesicht. „Bones!“ Dass er ihn überhaupt noch erkannte, war ein Wunder. Vielleicht sprach es auch für seinen brillanten Geist, den er trotz Volltrunkenheit hatte. Teilweise.
Leonard zog verwirrt eine Braue hoch, bevor er sich an den jungen Kadetten erinnerte, den er vor einigen Wochen im Shuttle zur Akademie und seinem neuen Leben kennengelernt hatte. „Jim Kirk.“ Es war nicht gerade Begeisterung, die da aus ihm sprach. Konnte aber auch auf dem Alkohol auf seinem Oberteil liegen. Apropos ...
„Sorry, wegen desch Drinks.“ Betroffen betrachtete Jim, was er da angerichtet hatte. „Isch beschorg dir 'n neuen.“ Er stolperte in Richtung seines ursprünglichen Ziels, doch Leonard winkte ab.
„Nicht nötig. Ich hatte sowieso genug heute.“ Er musterte den Blonden etwas genauer. „Und du scheinbar auch.“
Jim schüttelte den Kopf.
„Die Nacht ischt noch jung“, grinste er und torkelte weiter zur Bar, wo er sich gleich noch ein Bier bestellte.
In merkwürdigen Hinterhofkneipen hatte man den Vorteil, dass einem der Alkohol nie verweigert wurde, so lange man noch auf eigenen Beinen welchen bestellen konnte.

Auf dem Barhocker neben Jim saß ein Mann in bereits älteren Jahren, der seine Aufmerksamkeit dem hübschen Blonden zuwandte. „Na Hallo. Ich hab deine Einlage eben gesehen. Nicht schlecht.“ Ungeniert blickte er auf das halboffene Shirt des Kadetten. Dieser grinste schief. Der Kerl war zwar definitiv nicht sein Typ, aber er war heute im Flirt-Modus, und vielleicht sprang ja noch etwas zu trinken dabei raus.
„Danke“, zwinkerte er daher und drehte sich zu ihm.
„Was hast du heute noch so vor?“
Bevor Jim antworten konnte, legte sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter.
„Sorry, Kumpel, aber er hier hat jetzt ein Date mit seinem Bett.“ Leonard hatte eigentlich nur sein leeres Glas wegbringen wollen, als ihm dieser eklige Kerl mit seinem lüsternen Blick bei Jim aufgefallen war, und er hatte instinktiv gehandelt. Jim war viel zu voll um selbst noch irgendwie zu denken, und sein Beschützerinstinkt hatte sich gemeldet. Er wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass dieser tot in einer Nebenstraße aufwachte, wenn er es hätte verhindern können.
Jetzt blickte der Kerl ihn prüfend an und zuckte dann mit den Schultern. Es war ihm keinen Streit wert.
Jim allerdings sah das anders.
„Hu, wasch soll dasch, Bonesch?“, protestierte er, als er von ihm gepackt und zur Tür gezogen wurde.
„Ich bring dich nach Hause“, erwiderte Leonard.
„Zu mir oder zu dir?“, wollte Jim einfach nur wissen, als wäre es vollkommen normal.
„Zu dir natürlich“, schimpfte der Arzt „Und da bleibst du alleine und ich geh in meine Wohnung, wo ich endlich meinen wohlverdienten Schlaf bekomme.“
Sie hatten die Bar verlassen und waren an der Straße angekommen. Jim breitete die Arme aus und sog die kühle Nachtluft ein. Sie tat seinem erhitzten Gesicht gut. Dann drehte er sich zu Bones.
„Warum? Hat dir meine Show nicht gefallen?“, fragte er und lallte nicht mehr ganz so schlimm. Aber sein Blick war immer noch gleich benebelt.
„Du meinst deinen 'Gesang'?“ Leonard hob seine Finger und machte Anführungszeichen in die Luft. „Hab ich gesehen. Es war schrecklich.“ Jim verzog das Gesicht zu einem Schmollmund, wurde jedoch ignoriert. „Also, in welcher Richtung wohnst du?“, fragte Leonard.
„Da lang“, zeigte Jim die Straße hinauf und wurde in die Richtung gezogen. „Ich kann auch alleine laufen“, beschwerte er sich und riss sich los. Leonard ließ ihn gewähren, weil Jim tatsächlich von selbst hinter kam.

Eine Weile herrschte Schweigen. Leonard gehörte nicht unbedingt zu jener Art Menschen, die unter allen Umständen ein Gespräch am Laufen halten mussten. Und Jim, nun ja, der schmollte noch eine Weile. Dass seine theatralische Miene dabei nicht beachtet wurde, machte es nicht besser.
Auf der anderen Seite hatte seine Geduld, vor allem wenn er betrunken war, nicht gerade die größte Ausdauer und so ließ er sich bald ablenken.
„Schau mal, Bones, ein Springbrunnen!“
Und damit war er auch schon weg.
Fluchend lief Leonard hinter ihm her auf einen großen freien Platz, der wahrscheinlich zum Gedenken an jemanden errichtet wurde und in dessen Mitte verschiedene Fontänen in einem Intervall aus dem Boden schossen. Und genau auf die hielt der Blonde mit kindlicher Freude zu.
Erst auf den letzten Meter holte McCoy ihn ein, packte ihn und brachte ihn zum Stehen.
„Hier geblieben!“
„Meeensch, Bones. Was machst du?“
„Ich halte dich davon ab nass zu werden und dich zu erkälten, du hirnloser Idiot.“
Jim blickte ihn an. „Du bist ein Spaßverderber. Du solltest ein T-Shirt tragen auf dem 'Spaßbremse Bones' steht“, erwiderte er missmutig und schmollte wieder.
„Wenn es dir Spaß macht, kannst du dich daheim in der Dusche ersaufen. Aber erst mal musst du dorthin. Also, wo lang?“
Der Blonde vergrub seine Hände in der Hosentasche und drehte sich suchend einmal um seine eigene Achse, bevor er in eine Richtung deutete, in die er dann auch einfach losging.
„Da lang.“
Leonard betete, dass das auch stimmte. Er hatte kein gutes Bauchgefühl dabei, und das trügte ihn eigentlich nie. Aber möglicherweise konnte es auch der Alkohol sein.

„Sag mal“, riss ihn Jim nach einer Weile aus seinen Gedanken „Warum machst das eigentlich?“
„Was genau?“
„Mich nach Hause bringen. Es könnte dir doch egal sein, wo ich lande.“ Interessiert blickte er zu dem Dunkelhaarigen.
„Stimmt, aber ich bin Arzt und habe eine Fürsorgepflicht. Und du solltest eigentlich wissen, dass es verdammt gefährlich ist volltrunken nachts mit irgendwelchen älteren Typen mitzugehen, die du kein Stück kennst!“, schimpfte dieser.
„Du meinst, so wie ich gerade mit dir mitgehe?“
Jim blieb stehen und Leonard drehte sich zu ihm um.
„Das ist etwas Anderes. Ich bin- ...“
„Arzt“, unterbrach der Blonde und trat plötzlich viel zu nahe an ihn heran. „Das spricht doch nur für deine geschickten Hände und dein anatomisches Wissen.“ Seine Stimme hatte einen tieferen Klang angenommen und auch seine Augen waren eine Spur dunkler geworden. Leonard erkannte dennoch blau. „Ich ...“ Er räusperte sich, weil sein Hals plötzlich staubtrocken war. „Ich bin nicht interessiert an laufenden Schnapsleichen“, brachte er dann hervor und drückte Jim von sich weg, um ein wenig Abstand zwischen sie zu bekommen.
Für einen Moment schien dieser unentschlossen, beinahe verletzt. Doch ihm war nicht Bones Gesichtsausdruck entgangen, das zwar überrumpelt wirkte, aber nicht abgeneigt.
„Wenn wir nüchtern sind, ist es also etwas Anderes?“, stellte er mehr fest als zu fragen.
„Was? ... Nein! Das habe ich nicht gesagt!“
Doch Jim lief schon grinsend an ihm vorbei.
„Ich freu mich schon auf morgenfrüh.“
„Es gibt kein morgenfrüh!“
„Willst du damit etwa sagen, dass heute Nacht die Planeten untergehen?“
„Hör auf mir die Worte im Mund zu verdrehen“, knurrte Bones und beeilte sich zu ihm aufzuholen.
„Ich würde dir lieber etwas Anderes im Mund verdrehen“, zwinkerte Jim ihm zu und der Ältere schluckte schwer. Gegen alle Erwartungen erwiderte er nichts mehr darauf, zog bloß seine Brauen zusammen. Aber der Blonde betrachtete es so oder so als Sieg und sein Grinsen schien in seinem Gesicht angewachsen.

So spazierten sie weiter durch die Innenstadt. Man merkte, dass hier viele Studenten und Kadetten in der Nacht unterwegs waren. An den Eingängen zu Clubs standen sie rauchend zusammen und einige andere kreuzten ihren Weg, weil gerade bei einem Locationwechsel waren. Manche gingen auch einfach nach Hause. Und hin und wieder hörte man den dumpfen Bass von Partys.
An einer Ecke blieb Jim stehen.
„Lass uns da rein gehen“, forderte er und zeigte auf einen Clubeingang, vor dem zwei Türsteher standen.
„Was an 'nach Hause gehen' verstehst du eigentlich nicht?“
„Kannst du es buchstabieren?“
Bones schloss die Augen und zählte langsam bis zehn, bevor er tief durchatmete. Es beruhigte ihn nur wenig, und er hatte keine Ahnung warum er das seinen Patienten immer wieder zur Stresstherapie vorschlug. Dennoch hatte sich sein Problem verflüchtigt, als er die Augen wieder öffnete. Jim stand nämlich nicht mehr neben ihm.
Suchend drehte er sich um.
Nichts.
Vielleicht hatte er sich ja alles nur eingebildet, war jetzt wieder clean und konnte endlich heim in sein Bett gehen.
Oder Jim war in diesen verdammten Club gegangen.
Eigentlich müsste es ihn ja gar nicht kümmern. Der Junge war alt genug und Leonard war bestimmt nicht sein Babysitter. Aber dann fiel ihm wieder ein wie betrunken der Blonde war und mit welch lüsternen Blicken er bedacht worden war. Bones wusste, wo das endete. Er hatte schon genug Fälle gehabt, die so anfingen, und die gar unschön ausgingen. Das wollte er Jim einfach nicht antun. Nicht diesen strahlenden Augen.
„Ich werde das sowas von bereuen“, murrte er und ging auf den Club zu.

Jim amüsierte sich großartig. Er hatte sich noch einen Drink gegönnt und einen weiteren bereits in der Hand. Und außerdem tanzte er mit einer wunderschönen Lady. Und das sehr nahe.
Es war eine Alienrasse, deren Name er nicht mehr wusste, aber sie hatte katzenartige Züge und gelb leuchtende Augen. Und außerdem einen Katzenschwanz, der sich um Jims Taille schlang. Er war ein wirklicher Glückspilz.
Zumindest so lange, bis ihr Freund plötzlich auftauchte und scheinbar etwas gegen die Nähe hatte. Sauer fauchte er Jim an.
Dieser sah es aber gar nicht ein, vernünftig zu sein.
„Hey, was soll das Drama, Kätzchen. Mach schön sitz, platz, aus“, lallte er mit einer Fahne, dass die beiden Aliens die Nase rümpften. Oder zumindest eine Mimik machten, die so ähnlich aussah. Dann zischte auch schon eine Hand mit lächerlich scharfen Krallen nur ganz knapp an Kirks Gesicht vorbei. Und der einzige Grund, weswegen er nicht blutete war, weil er von hinten gepackt und weggezogen worden war.
„Bones, wo warst du so lange?“, fragte Jim, während er schnell tiefer in die Menge buchsiert wurde, in der Hoffnung, dass man davon absah ihm das Fell über die Ohren zu ziehen.
„Ich hätte dich ja schneller gefunden, wenn du mir gesagt hättest, wo du hingehst.“
„Ahw, du hast dir Sorgen um mich gemacht“, grinste Jim.
Leonard blickte ihn an, als würde er an Jims Verstand zweifeln.
„Hörst du dir eigentlich selbst zu?“, fragte er.
„Ich höre dir zu, Bones. Deine Stimme ist wirklich schön zum Zuhören.“ Er zwinkerte, wie schon so oft heute.
„Ich hau dir gleich ein Hypo mit einem Beruhigungsmittel rein und schleif dich nach Hause.“
Der Blonde blickte ihn prüfend an. „Du hast gar keines dabei.“
„Ich besorg eines. Verlass dich drauf.“
„Wenn du mich heimträgst, komme ich auch ohne Drogen mit.“
„Vergiss es!“
„Ich muss aufs Klo.“
Jim drehte sich um, doch dieses Mal kam Bones direkt hinter her. Wenn der Blonde schon nicht hören wollte, so konnte er trotzdem aufpassen, dass er sich nicht in sein Verderben stürzte. Vor den Türen der Toilette blieb er allerdings stehen. Das würde Jim dann doch alleine schaffen müssen. Und falls nicht, konnte er immer noch seine Drohung wahrmachen und ihn nach Hause schleifen.
Leonard lehnte sich gegen eine Wand und betrachtete den Club. Es war ihm hier zu laut und auch zu voll. Er bevorzugte ruhigere Bars, in der man nicht jeden Meter auf einen schwitzenden Körper traf.
Plötzlich ertönte ein Frauenschrei irgendwo hinter ihm und dann direkt noch ein zweiter. Alarmiert wirbelte er herum und sah, wie Jim aus der Damentoilette geschubst wurde. Gleich drei der wütenden Spezies verfolgten ihn. Leonard hatte nicht mal Zeit zum Fluchen, da packte Jim ihn auch schon an der Hand und zog ihn mit sich. Während sie flohen erzählte er etwas von „falscher Tür“ und „weg hier“. Über der Musik war es kaum zu verstehen, aber der Arzt konzentrierte sich sowieso mehr auf einen Gorilla von Kerl, der ganz offensichtlich von der Security war, und sie beide als wiederholte Störenfriede ins Auge gefasst hatte.
Sie machten, dass sie wegkamen und stürmten aus dem Club. Leonard hörte Jim laut lachen, während dieser ihn quer über die Straße riss. Zum Glück war kein Fahrzeug in der Nähe.
Erst einen Block weiter kamen sie langsam zum Stehen.
„Du ... bist verrückt“, keuchte McCoy außer Atem.
„Das war lustig“, erwiderte Kirk weiterhin lachend. Da aber auch er nach Luft schnappte, klang es jetzt mehr wie ein ungesundes Schnaufen. „Komm, hier geht es lang.“ Als wäre nichts groß passiert, nahm er den Weg wieder auf.
Leonard folgte ihm wie ein großer, müder Wachhund.

So liefen sie ein paar Straßen entlang. Jim hatte angefangen zu reden wie ein Wasserfall. Er erzählte diese und jene Geschichten, die ihm gerade einfielen. Dabei schien es ihn gar nicht zu stören, dass Leonard ihm gar nicht zuhörte. Es war bei dieser Menge an Worten und dem Alkoholpegel des Jüngeren auch einfach zu anstrengend ihm zu folgen.
„... und wusstest du, dass Greg aus der Mensa dir romulanisches Ale besorgen kann? Also Greg mit den Fühlern auf dem Kopf. Nicht Menschen-Greg. Wenn du den darauf ansprichst, wirft er Besteck nach dir. Aber wie auch immer, du musst unbedingt- ...Oh Hallo, schöne Frau.“
Eine junge, schwarzhaarige Schönheit hatte ihren Weg gekreuzt und blickte Jim im Vorbeigehen kess an, als der sie ansprach. Wieder allen Erwartungen blieb sie sogar stehen, als ihr gefiel, was sie sah.
„Wohin des Weges?“, fragte sie. Leonard konnte es kaum glauben, dass so etwas funktionierte.
„Wir sind einfach unterwegs das Leben zu genießen“, versuchte Jim sich an einer tiefgründigen Antwort.
„Nach Hause“, widersprach Leonard.
Die Schwarzhaarige blickte kurz zwischen den beiden hin und her. „Wie wäre es mit einem Abstecher zu mir?“
Bevor McCoy jedoch etwas sagen konnte, lehnte Jim ab. „Tut mir leid, aber mein Freund fände das nicht gut.“ Er hakte sich bei dem Älteren ein und lächelte entschuldigend.
Leonard wandte sich aus seinem Griff heraus. „Jim, ich- ...“
„Shh“, wurde er unterbrochen als der Blonde ihm einen Zeigefinger auf die Lippen legte. „Das muss dir nicht peinlich sein, Bones. Ich versteh das.“
Die Frau beobachtete das Ganze amüsiert. „Trotzdem noch viel Spaß euch beiden“, verabschiedete sie sich und lief weiter.
Leonard schlug Jims Hand beiseite. Dieser brach in schallendes Gelächter aus.
„Lass den Scheiß“, beschwerte sich Leonard, bekam jedoch nur ein Klopfen auf die Schulter.
„Mach dich mal locker, Bones.“
„Ich habe aber keine Lust mich locker zu machen. Ich bin müde und ich will nach Hause.“
„Dann geh“, erwiderte Jim die Augen verdrehend und in die Richtung deutend, aus der sie gekommen waren. „Niemand zwingt dich bei mir zu bleiben.“
„Und dich in deinem Zustand irgendwo anfahren lassen? Ich glaube nicht.“ Leonard stemmte die Hände in die Hüfte. „Wer weiß wo du sonst noch landest.“
Doch Jims Miene verhärtete sich. „Ich brauche keinen Aufpasser.“
„Ach ja? So leichtsinnig wie du dich anstellst, wäre ich mir da nicht so sicher. Ich seh doch, wie du ständig Ärger am Hals hast“, entfuhr es dem Älteren.
„Und wenn schon“, giftete Jim, dessen Laune in den Keller gerutscht war. „Vielleicht genieß ich ja mein Leben. Vielleicht ist es mir nicht so wichtig, wo ich morgen aufwache, weil ich einfach etwas Spaß haben will.“ Er warf ihm all das wütend an den Kopf, das er ständig fühlte, wenn ihm jemand mit dieser Art Moralpredigt kam. „Ich hab mein ganzes Leben lang allein auf mich aufgepasst. Und du brauchst nicht plötzlich auftauchen und dich so aufspielen. Du bist nicht meine Mutter!“
„Na, ein Glück. Du wärst eine ziemliche Enttäuschung!“
Jim starrte ihn an und Leonard bereute seine letzten Worte sofort als den Schmerz im Gesicht des Jüngeren sah. Dann drehte Jim sich um. „Fick dich doch“, rief er und rannte los.
„Jim ...!“
McCoy kam nach, wollte noch etwas zu seiner Verteidigung sagen. Zu seiner Entschuldigung.
Der Blonde stürmte auf eine Kreuzung, blieb erst stehen, als er erneut gerufen wurde. „Hau ab!“ Er drehte sich zu ihm und funkelte ihn an. „Lass mich endlich in Ruhe!“ Jim war wütend, der Alkohol machte es nur schlimmer. Er ballte die Fäuste und hörte nicht das Fahrzeug, das um die Ecke gebogen kam.
„Jim!“
Leonard machte einen Satz nach vorne, doch er was zu weit entfernt. Jim sah die Scheinwerfer, schaffte es nur noch einen geschockten Schritt zurück zu machen, als der Fahrer laut hupte und das Steuer herumriss. Jim fiel nach hinten und das Fahrzeug versperrte Leonard für einen Moment die Sicht.
„Jim, scheiße verdammt!“
Kaum war die Straße frei, rannte er zu ihm. Der Blonde setzte sich auf und schaute ihn mit großen Augen an. Er war nicht tot. Ein unglaublich großer Stein fiel von Leonards Herzen, und er unterließ es ihm einen Vortrag darüber zu halten wie leichtsinnig es war einfach auf die offene Straße zu rennen und sich vor Fahrzeuge zu werfen. Besorgt musterte er ihn. „Wo hat es dich getroffen?“
Jim schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht.“
Er wurde auf die Beine gezogen und erst einmal in Sicherheit gebracht, bevor noch etwas angefahren kam. Auf ein paar Stufen vor einem nahen Hauseingang setzte Leonard ihn hin und hielt ihm ein paar Finger vor das Gesicht und bekam die richtige Anzahl genannt. Danach begann er vorsichtig Jims Kopf, Torso und die Knöchel abzutasten. „Es tut mir leid, Jim. Ich hätte das nicht sagen sollen“, entschuldigte er sich.
Jim hielt ihn am Handgelenk fest und stoppte ihn in seiner Untersuchung. „Können wir jetzt nach Hause gehen?“ Ihre Blicke trafen sich und Leonard nickte, da Jim scheinbar mehr Glück als Verstand gehabt hatte. Er würde ihn aber trotzdem noch genauer untersuchen, sobald er einen Trikorder zur Hand hatte.
Er half ihm auf die Beine.
„Wo lang?“, fragte er den Blonden.
„Ich habe keine Ahnung“, gab Jim zu. Leonard zog die Brauen zusammen und überlegte, ob er nicht doch was am Kopf abbekommen hatte. Er war sowieso verdächtig ruhig geworden.
„Ich habe nicht darauf geachtet, wo wir heute herumgelaufen sind“, fügte der Jüngere beichtend hinzu und bestätigte damit Leonards frühere Befürchtung.
„Wir gehen zu mir“, beschloss dieser.
„Okay.“
Jim ließ sich einfach mitziehen.

Leonard hatte sich, obwohl er als Kadett in die Akademie eingeschrieben war, das Privileg als Arzt eine eigene Wohnung zu bekommen, die größer war als die typischen Studentenzimmer, die es hier gab.
Wahrscheinlich wäre es von dort aus auch nicht mehr weit bis zu Jim gewesen, immerhin lag alles auf dem Campus der Akademie, aber keiner der beiden hatte, als sie durch Bones Tür traten, noch Lust weiter durch die Gegend zu laufen. Am Horizont hatten sie eben schon ein helles Licht am östlichen Horizont entdecken können.

„Puh“, stöhnte Jim und ließ sich gleich erschöpft aufs Bett fallen. „Hey, jetzt bin ich ja doch bei dir gelandet“, grinste er Leonard an.
„Raus da, sofort“, schimpfte dieser, doch Jim kuschelte sich demonstrativ ins Kissen.
„Aber es ist so bequem.“
„Ich weiß. Es ist mein Bett.“
„Hey, Bones.“
„Hm?“, fragte der Arzt genervt.
„Danke.“
„Wofür?“
„Dass du mich gerettet hast.“
„Welches Mal?“
Jim lächelte. „Jedes Mal.“
Leonard nickte bloß, aber seine Züge wurden weicher. Er verschwand kurz ins Bad, um in seinem medizinischen Notfallkoffer nach einem Trikorder zu kramen. Außerdem warf er noch einen Blick in den Spiegel, was er aber auch hätte bleiben lassen können. Er sah fertiger aus, als er sich fühlte.
Als er zurück ins Schlafzimmer kam, hörte er leises Schnarchen.
„Unglaublich“, knurrte Leonard. Der Bengel war doch tatsächlich mitten auf seinem Bett weggeratzt.
Er nutzte die kurze Ruhe, um seine Untersuchung abzuschließen und mit dem Trikorder über ihn zu fahren. Erleichtert stellte er fest, dass Jim nichts abbekommen hatte, das über ein paar Schrammen und blaue Flecken hinausging. Und außerdem 1,2 Promille.
Jetzt musste er ihn nur noch von seinem Bett werfen. Sollte er doch auf dem Teppich oder sonst wo schlafen, ihm war das jetzt egal. Er ließ sich auf seinen Sessel fallen und zog die Schuhe aus. Gott, tat es gut zu sitzen. Er hatte das Gefühl einen Marathon gelaufen zu sein. Wie viele Stunden waren sie eigentlich unterwegs gewesen? Leonard wusste es nicht, und lehnte sich zurück, um für einen Moment die Augen zu schließen, bevor er sich um den Blonden kümmerte. Nur einen Moment Entspannung.


Jim wachte am nächsten Vormittag als erstes auf und hatte keine Ahnung, wo zum Teufel er war oder wie er hergekommen war. Sein Magen sagte ihm bloß, dass eine Menge Alkohol im Spiel gewesen sein musste.
Nachdem er sich ein wenig gesammelt hatte, kletterte er aus dem Bett, das nicht seines war, und bemerkte, dass er nicht alleine war. Ein Dunkelhaariger Kerl, Bones rief sich Kirk in Erinnerung, grummelte auf einem Sessel schlafend vor sich hin. Die Beine über eine Lehne hängend und einen Arm als Kissen missbrauchend. Sah unbequem aus. Bruchstücke aus letzter Nacht kamen wieder hoch, allerdings noch zu verschwommen und wirr, als dass er sich darauf konzentrieren wollte.
Er beschloss Bones noch etwas schlafen zu lassen und schaute sich neugierig das Apartment an. Einen Raum weiter fand er schließlich die Küche, sogar mit einem eigenen, altmodisch aussehenden Kühlschrank. Doch darin stand nicht mehr als eine Packung Eier, eine Tüte Saft und eine halbe Flasche Bourbon. Das war recht mager.


Als Leonard erwachte, war sein erster Gedanke, dass das Haus brennen musste, weil es so stark nach Rauch stank. Aber als er zerknittert in der Küche ankam, war sein zweiter Gedanke, und den fand er viel schlimmer, dass dieser verdammte Idiot ja noch immer in seiner Wohnung war.
Dieser machte Spiegelei mit ein paar alten Scheiben Brot, die er noch gefunden hatte. In der Spüle stand allerdings eine Schüssel, aus eben der es so qualmte. Das waren die ersten beiden Ei-Versuche gewesen. Als Jim ihn entdeckte, stellte er schnell einen Deckel drauf.
„Morgen“, grüßte er Leonard und bekam ein Grummeln als Antwort, was ihn allerdings nicht zu beeindrucken schien. Dafür schaufelte er Ei und Brot auf zwei Teller. Auf dem Tisch standen bereits zwei Gläser mit einfach gemixten Cocktails. Denn ein wenig Schnaps am Morgen vertrieb Kummer und Sorgen. Oder zumindest den Kater danach. „Kannst du mir sagen, wo ich hier bin?“, fragte er dann den Älteren.
Dieser rieb sich müde seine Augen und seufzte dann ergeben. „Wir sollten uns dringend über dein Trinkverhalten unterhalten.“ Sein Blick fiel aufs Essen. „Nach dem Frühstück.“
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