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Schatten

von werewolf

Kapitel 1

Die ersten Strahlen der Sonne fielen auf den sandigen Boden. Das eher karge Gras, das wie immer nicht gekürzt worden war, wehte im noch kühlen Wind. Tau lag auf den Pflanzen und ein leuchtend roter Sonnenaufgang begann, den Himmel zu zieren.
Es war eher kalt, aber der Tag würde warm werden. Sehr warm sogar.
Kiar zog die Jacke etwas fester um sich. Dabei wünschte er sich, dass die Sonne jetzt schon die langen Schatten vertreiben würde.
Er fror. Aber das hatte nicht nur damit zu tun.

Mirja trat aus dem Haus und reichte ihm ein Glas Wasser. „Geht es wieder?“
Er nahm das Glas mit einem dankbaren Lächeln entgegen, schwieg aber. Sein schwacher Magen hatte dazu geführt, dass er seine letzte Mahlzeit hatte erbrechen müssen.
Die Übelkeit war seitdem verschwunden, aber das war es auch nicht, was ihm das Herz schwer machte und dafür sorgte, dass er nichts sagen wollte aus der Angst heraus, dann den Rest seiner Selbstbeherrschung zu verlieren.
Die Beherrschung, auf die er stolz war und die er nur noch mit Mühe aufrechterhalten konnte.
Er wollte fragen, wie spät es war, unterließ es aber. Die Antwort würde er wohl nicht ertragen.

Sommer. Die Jahreszeit, die er immer am meisten gemocht hatte. Erst recht, seit sie Kinder hatten.
Roja und Kidas. An den beiden hing sein Herz, und an seiner Frau. Er wollte nichts mehr, als bei ihnen bleiben.

Sie griff nach seiner Hand und drückte sie. „Mach dir keine Sorgen. In ein paar Monaten bist du wieder zurück. Dann ist es noch nicht einmal Herbst und wir können noch hier draußen sitzen, das Wetter genießen und mit den Kindern etwas unternehmen.“ Ihre Stimme verriet, dass sie selbst nicht daran glaubte. Er ja auch nicht.
Kiar wusste, wie hoch die Anzahl der Soldaten war, die nicht wieder zurückkehrten von Bajor.

Als er die Zeilen erhalten hatte, die ihm sagten, dass er demnächst ein toter Mann sein würde, hatte es ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Ein Sprichwort, dessen Bedeutung er erst dann wirklich verstanden hatte.
Der Einziehungsbescheid.

Es war verrückt. Es war einfach nur verrückt. Soldat hatte er nie werden wollen, niemals, hatte nicht geglaubt, was man ihnen weismachen wollte. Heldentum, Ehre, Kampf für die Freiheit.
Der einzige Grund, warum er sich in die Reserve gemeldet hatte, war, dass er das für seinen Beruf benötigte. Ein Beruf, der seine Familie ernähren sollte.
In das Register der Reserve waren mehr als acht Milliarden Personen gemeldet, überwiegend Männer, aber nicht nur, größtenteils jünger als er.
Für Bajor gezogen hatte man seines Wissens nach in diesem Durchgang fünftausend. Das ergab eine Wahrscheinlichkeit von 0,000625 Prozent, unter den Totgesagten zu sein.
Ein unglaubliches Pech, das er gehabt hatte. Ganz unglaublich.

„Es tut mir leid“, meinte sie, „du weißt, wir haben alles versucht, um das zu verhindern.“
Er nickte nur. Das hatten sie wirklich.
Seine Frau hatte es sogar geschafft, den Gul damit zu beeindrucken, dass sie ihre freiwillige Meldung angeboten hatte, wenn man ihn dafür nicht einzog.
Es hatte nichts genützt. Er hätte es auch nicht zulassen können, dass sie sich seinetwegen dafür opferte. Frauen hatten es noch schlechter als Männer, wenn es um den Einsatz ging.
Er liebte sie zu sehr, um zu erlauben, dass ihr etwas passierte.

„Du musst dich nicht entschuldigen.“ Er schloss die Augen im Versuch, sich zu sammeln. „Danke. Für alles, was du je für mich getan hast. Es ist eine Menge und ich glaube nicht, dir genug danken zu können.“
„Kiar…“
„Ich meine es ernst. Du hast immer zurückgesteckt, damit ich im Beruf vorankomme. Hast mich immer unterstützt und beraten, Wichtiges mit mir besprochen. Dafür gesorgt, dass ich die Dinge klarer sehe und mir Mut gemacht, wenn ich selbst keinen hatte. Meine Schwächen und Fehler ertragen und nie an mir gezweifelt. Mich nie belogen oder hintergangen. Du warst nie untreu oder hast gegen mich gehandelt. Und nicht zuletzt, auch wenn das von alldem das Größte ist, mir zwei wunderbare Kinder geschenkt. Ich habe mit dir die schönste Zeit meines Lebens verbracht und das Einzige, was ich bedauere, ist, dass sie nicht länger gedauert hat.“ Er wollte ihr noch so viel mehr sagen, aber er konnte nicht.
„Ich bereue auch keinen Moment mit dir. An deiner Seite zu sein war das, was ich mir gewünscht hatte, seit wir uns kennen, und dieser Wunsch hat für keinen Tag geendet. Ich würde so ziemlich alles für dich tun. Du bist mehr als mein Partner und Ehemann. Du bist mein Gefährte und ich weiß das Glück zu schätzen, das ich hatte, indem ich dich kennen lernen durfte.“
Die Gefährtenbindung. Es gab nichts Höheres.
Sie fielen sich in die Arme, wohl wissend, dass es wahrscheinlich das letzte Mal war, dass sie sich sahen und die Gelegenheit dazu hatten.

Lange standen sie so da. Die Sonne ging inzwischen auf und sandte ihre wärmenden Strahlen über die Welt, der er den Rücken kehren musste.
Wenn es ihm doch nicht so schwerfallen würde.
Manchmal wünschte er sich, er könnte das glauben, was sie ihm erzählten und den Krieg als hohen Auftrag, als ehrenvolle Pflicht sehen.
Dann würde er vielleicht sogar gerne gehen. Manchmal war die Unwissenheit, die Verblendung ein Segen.
Er hatte gehört, dass die Soldaten manchmal, wenn die Befehlshaber wussten, dass er Kampf aussichtslos war, angeblich leistungssteigernde Mittel bekamen, die in Wirklichkeit Drogen waren. Dann starb es sich leichter. Ohne Angst und dieses Gefühl von Wut.
Eine wirkliche Gnade.

„Du musst…“ Sie brauchte nicht weiter zu reden.
Mit hängenden Schultern betrat er ein letztes Mal das Haus, griff nach Rucksack und Gewehr und machte sich auf den Weg.
„Soll ich nicht doch mitkommen?“
Er schüttelte den Kopf. „Dann schaffe ich das nicht. Aber danke.“

„Kiar“, rief sie ihm noch nach, als er bereits einige Schritte gegangen war.
Er drehte sich um und beschloss, es sich für immer einzuprägen, wie sie dort stand, im ersten Licht der Morgensonne.
„Ich bin stolz, dass du das auf dich nimmst und nicht den letzten Ausweg gewählt hast. Das wollte ich dir noch sagen.“
„Schon die kleinste Aussicht, wieder zurückzukehren, ist es mir wert.“ Er musste sich wirklich beherrschen, um weiterreden zu können. „Ich wünsche euch einen schönen Sommer und…erzähl den Kindern von mir, wenn sie alt genug sind.“ Der nächste Satz fiel ihm wirklich schwer. „Du musst nicht dein Leben lang alleine bleiben. Ich möchte, dass du glücklich bist und verlange nur eins…dass du mich nicht vergisst.“
„Wie könnte ich dich vergessen.“ Sie versuchte ein Lächeln. „Bis bald, Kiar.“
„Bis bald.“

Er hatte eigentlich einen anderen Abschied gewollt. Hatte eigentlich sein Schicksal gefasst ertragen wollen.
Aber wer konnte das verlangen?

Die Schatten wurden immer kürzer, als er ging und nicht mehr zurücksah.


Kiar,
ich hoffe, dieser Brief wird dich erreichen und nicht irgendwo verloren gehen. Ich hoffe, du bist noch am Leben und der Grund, warum du mir nicht antwortest, ist ein anderer.
Der Sommer neigt sich inzwischen seinem Ende zu. Der Tag, an dem du gegangen bist, ist der schönste Sommertag gewesen, mit klarem Himmel und warmen Sonnenschein. Aber was bedeutet mir das ohne dich? Komm wieder.
Ich hoffe, auf Bajor ist zumindest das Wetter nichts, was sich gegen dich stellt.
Man hört nichts Gutes (darüber). Es soll ja Widrigkeiten und sogar Stürme geben, wie man sagt. Aber man sagt auch, dass das da normal ist (im Sommer). Hoffen wir, dass der Regen nicht so bald kommt, wie sie sagen. Oder regnet es schon? Wenn ja, wünsche ich dir, dass du dich dann irgendwo unterstellen kannst und nicht die ganze Zeit auf einer freien Fläche warten musst. Ich weiß, du bist eine hilfsbereite Person, aber vielleicht solltest du dann auch nicht auf die Idee kommen, jemandem die Jacke zu leihen.
Den Kindern geht es gut. Mach dir um uns keine Sorgen.
Ich warte auf deine Heimkehr und habe dich nicht vergessen.

Mirja



Mirja,
endlich habe ich die Gelegenheit, dir zu antworten.
Das Wetter hier ist im Moment gut, sogar sonnig ist es. Geregnet hat es zwar kürzlich, aber jetzt nicht mehr. Der Sommer hält hier noch an und wie es aussieht, wird es bis zum Herbst noch dauern.
Ich frage mich, wie der Winter werden wird.
Mir geht es gut und es tut mir leid, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast. Es ist schön zu hören, dass du mich noch immer in Erinnerung hast. Ich denke auch oft an dich. Wie schön es wäre, wenn es nicht nur bei der Erinnerung bleiben würde.
Es hat mich gefreut, zu hören, dass bei euch alles in Ordnung ist. Hoffentlich gehst du noch manchmal in das Theater oder gönnst dir sonst eine Freude.
Ich hoffe, dass ich nächstes Mal schneller antworten kann, aber die Umstände haben das dieses Mal nicht erlaubt.
Egal, was passiert, ich werde dich auch nicht vergessen.
(Auf meine Heimkehr freue ich mich).
Grüß die Kinder von mir, auch wenn sie das ja noch nicht verstehen. Ich hoffe, ich kann es ihnen eines Tages selbst erklären.
Bis zu deinem nächsten Brief, der hoffentlich bald kommt,
Kiar.
Nachtrag: Habe gehört, dass einige Briefe verloren gegangen sind. Hoffentlich war keiner von dir dabei.

Danke fürs Lesen :) Kommentare wie immer erwünscht.
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