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Nebel

von werewolf

Kapitel 1

Viel Spaß beim Lesen :) die Briefe am Schluss enthalten wieder eine versteckte Botschaft, die ich im Nachwort erkläre.
Der bajoranische Herbst brachte nichts Gutes für Kiar.
„Wenigstens regenfeste Kleidung hätten sie uns mitgeben sollen.“ Sein Vorgesetzter.
Die Beschwerde war nicht unberechtigt, nicht mal die Jacken hielten die Nässe wirklich ab. Sie kroch unter jedes Kleidungsstück, sorgte dafür, dass einer nach dem anderen krank wurde.
Er nickte nur und starrte weiter in den Nebel. Kiar hatte für diese Schicht die Wache am Tor des Militärlagers übernehmen sollen. Sinnlos. Man konnte nicht einmal bis zum angrenzenden Wald sehen und Überraschungsangriffe der Gegner hatten schon einige Leben gefordert.
Der junge Gul trat neben ihn. Gerade befördert und kaum über dreißig Jahre alt.
„Das erste Kommando und dann gleich sowas. Eben sind wieder zwei ins Lazarett gekommen. Wir haben vielleicht noch vierzig gesunde Leute. Tendenz fallend.“ Kurze Pause. „Das ist ohnehin sinnlos. Wir können nicht gewinnen.“
Er sah den anderen Cardassianer kurz an. Der leichte Regen, der schon seit Tagen dazu beitrug, die Moral der Soldaten zu senken, ließ diesem das Haar an den Schläfen kleben. Eine Verletzung an der Stirn zeugte noch von dem letzten Kampf.
Der Jüngere war der Verantwortung einfach nicht gewachsen. Seiner Meinung nach waren durch dessen Fehlentscheidungen Gefechte verloren worden, die eigentlich nicht aussichtslos gewesen waren. Leben, die man hätte retten können. Aber er wusste es auch nicht genau. Vielleicht wäre es nicht anders gegangen.
„Das sollten Sie lieber nicht zu laut sagen. Bei allem Respekt, natürlich“, meinte er nur.
„Ich weiß. Als Gul sollte ich mit gutem Beispiel vorangehen und so weiter. Aber ich bin ebenso dran wie Sie und wie alle anderen hier. Sie hätten vielleicht jemanden mit mehr Erfahrung schicken sollen, der hätte Ihnen wohl noch Mut machen können. Aber ich kann es nicht. So leid es mir tut. Ich habe sie alle auf dem Gewissen. Alle, die unter meinem Kommando sterben, und natürlich können sie es mir nicht verzeihen, aber ich möchte, dass zumindest Sie wissen, dass es mir leid tut.“
„Warum gerade ich?“
„Ich weiß es nicht.“

Er wollte noch etwas erwidern, aber es kam nicht dazu. Ein Geräusch war zu hören, wie ein Ast, der knickte, wenn jemand darauf trat.
Kiar hatte in Sekundenschnelle das Gewehr von der Schulter gerissen und angelegt. Ohne ein Ziel vor Augen zu haben.
Den Griff um die Waffe verfestigend, betätigte er den Alarmschalter zu seiner Rechten und hoffte, so rechtzeitig alle anderen vorgewarnt zu haben.
Ein weiteres Knacken, dieses Mal näher.
Seine Finger rutschten etwas auf der klammen Oberfläche des Gewehrs. Er konzentrierte sich, verdrängte das Gefühl der Panik. Das ihm sagte zu rennen, obwohl er verteidigen musste.
Er fragte sich, ob der Nebel eines bajoranischen Herbsttages das Letzte sein würde, was er sah.
Eine Bewegung an seiner linken Seite erschreckte ihn.
Der Gul war nicht mehr da.
Gerade sah er ihn noch in Richtung des Waldes verschwinden.
Der würde in sein sicheres Verderben laufen.
Er wollte dem anderen Cardassianer etwas nachrufen, besann sich aber eines Besseren. Dann wäre er ebenfalls tot.
Und dann erschien auch schon der erste Angreifer. Er dachte nicht mehr nach, sondern drückte ab.
Kämpfte um sein Überleben.

Später wusste er nicht, welchem Wunder er es zu verdanken hatte, dass die anderen Soldaten und er selbst überlebt hatten.
Der Nebel lichtete sich irgendwann. Sie fanden die Leiche des Guls und brachten sie zurück in das Lager.
Er wusste, dass das, was später als Heldenmut bezeichnet wurde, eine Art Selbstmord gewesen war.
Im Krieg gab es keine Helden und auch keine Gerechtigkeit. Es gab nur Opfer.
Nicht die Bajoraner hatten den anderen Cardassianer getötet. Diejenigen, die ihn losgeschickt hatten, waren es.
Wie konnte man nur einen unerfahrenen Anführer mit einer lächerlich geringen Truppenstärke und zudem völlig unpassender Ausrüstung in ein hart umkämpftes Gebiet schicken? Er würde es nie verstehen.
Irgendwie bedauerte er es, dass ihm von seinem Kommandanten nur dieses Gespräch bleiben würde.
Dieser war sicher ein fähiger Mann gewesen und einer, zu dem er hätte aufsehen können.

Es war eine besondere Art von Mut, die der andere Cardassianer bewiesen hatte.
Es gehörte innere Stärke dazu, sein Scheitern anzuerkennen und auch wenn der Suizid als Ausweg sehr extrem war, so konnte er es doch verstehen. Er selbst hatte auch daran gedacht, als er den Einziehungsbescheid erhalten hatte.
Das, was einige für Feigheit hielten, war auch eine Form der Tapferkeit. Nicht die Üblichste oder die, mit der viel Ruhm zu erlangen war, aber man konnte nicht sagen, dass dazu kein Mut nötig war.
Der Gul hatte sich bei ihm entschuldigt, für dessen Fehler, und er rechnete diesem das hoch an.
Sich bei seinen Untergebenen entschuldigen. Eine weitere Art, Tapferkeit zu beweisen.

Einige Zeit darauf entstand das Gerücht, dass ein Versorgungsfahrzeug vorbeikommen sollte.
Wilde Betriebsamkeit folgte, denn das war die Gelegenheit, einige Worte an die zu richten, die in der Heimat auf einen warteten.
Jetzt musste er nur noch Papier bekommen. Auch im 24. Jahrhundert schrieb man Feldpost noch per Hand. Wie sollte es auch anders gehen, hier, mitten im Nichts.

Bei der letzten Rationsverteilung hatte man ihnen auch Alkohol ausgegeben. Nicht viel, aber genug für ein paar Stunden des Vergessens.
Wenn sie das verteilten, musste es schlimm sein. Das wusste er inzwischen.
Und er wusste auch, dass man damit noch anderes tun konnte als sich für eine kurze Zeit der unliebsamen Realität zu entziehen.
Auch wenn er die Verlockung schon manchmal selbst verspürt hatte, versagte er es sich, dem nachzukommen, und bewahrte das stark nachgefragte Handelsgut lieber auf.

Früher hatte er dem Alkohol nie wirklich zugesprochen, er war das gewesen, was einige Leute vernünftig und andere langweilig nannten und er war zufrieden damit gewesen.
Aber jetzt wollte er manchmal einfach nicht mehr denken müssen. Er hatte Dinge gesehen und erlebt, die er stets in den hintersten Winkel seines Geistes zu verdrängen versuchte und die nachts manchmal hervorkamen und ihn nicht schlafen ließen.
In der ersten Zeit hatte er sich damit abzulenken versucht, sich seine Heimkehr vorzustellen, aber inzwischen ließ er das sein. Es machte ihn nur noch zusätzlich traurig.
Was ihn hingegen stets beruhigte, war, daran zu denken, dass es ihnen gut ging. Dass sie ein schönes Leben führten. Das war es, was ihn lächeln ließ.

Unauffällig beobachtete er die anderen Soldaten, bis er einen ausgemacht hatte, der noch ein Blatt übrig zu haben schien.
Langsam ging er auf diesen zu, um einen Tausch vorzuschlagen, auf den sein Gegenüber gerne einging.

Zufrieden setzte er sich. Für ihn war der so seltene Schriftwechsel mit seiner Frau die beste Möglichkeit, für einen Moment zu vergessen, dass er wohl nicht mehr lange leben und unter grässlichen Umständen sterben würde. Immerhin hatte er schon länger überlebt, als er zuerst gedacht hatte.

Trotz der Zensur der Briefe oder vielleicht auch gerade deswegen fühlte er sich ihr dann besonders nahe. Als ob sie niemand trennen konnte.
Einmal waren seine Briefe tatsächlich durchgesehen worden, aber sie hatten nur über das Wetter geschrieben. Das war vielleicht ein etwas seltsames Thema in diesem Zusammenhang, aber doch nichts Verwerfliches. Das hatte dann auch derjenige eingesehen, dessen Aufgabe es war, die Moral der Truppe aufrecht zu erhalten.
Als ob es da noch etwas gab, was man aufrechterhalten konnte oder musste.
Jeder wusste es, es schwebte über ihren Köpfen und keiner wollte es leugnen.

Mirja,
schön, wieder einmal von dir zu lesen. Es freut mich, dass es euch gut geht. Hoffentlich bleibt es so. Roja kommt bald in die Schule, oder?
Schreib dann nächstes Mal bitte, wie es ihr dort gefällt. Leider kann ich nicht dabei sein, wenn sie eingeschult wird, obwohl ich es sehr gerne wäre.
Cidas wird sie hoffentlich nicht zu sehr vermissen, wenn er sie nicht mehr den ganze Tag lang sieht.
Hast du sie eigentlich von mir gegrüßt? Tatsächlich hoffe ich, dass sie das verstehen, obwohl sie noch klein sind!
Das Wetter ist herbstlich hier, viel Nebel. Den die Sonne auch nicht immer ganz vertreibt. Manchmal hat man einfach nichts mehr klar vor Augen.
Geregnet hat es in letzter Zeit nur einmal, aber es sieht sehr danach aus, dass das jetzt wieder öfter passiert.
Du fehlst mir. Ich wünschte, ich könnte bei dir sein und bei den Kindern.
Ist es schon Herbst auf Cardassia? Ich hoffe auf deine baldige Antwort.
Kiar


Kiar,

deine Handschrift macht mir Sorgen. Aber es beruhigt mich, dass du noch am Leben bist.
Das mit dem Wetter verstehe ich wohl, hier ist inzwischen auch der Herbst eingekehrt. Sehr zur Freude von Roja und Kidas, im Übrigen. Ich selbst hätte allerdings lieber den Sommer noch eine Weile behalten.
Hast du eigentlich das Bild bekommen von den beiden? Ich glaube nicht, sonst hättest du sicher etwas dazu geschrieben. Ich werde dir nächstes Mal noch eines schicken.
Ich vermisse dich noch immer und das wird sich auch nicht ändern. Hoffentlich kommst du bald und vor allem gesund zurück.
Damit du mir wieder schreiben kannst, habe ich einige Blätter Papier dazugelegt.
Hier ist alles in Ordnung und vergiss bitte nie, dass ich in Gedanken immer bei dir bin. Du bist nie alleine.
Nachts betrachten wir den gleichen Sternenhimmel und eigentlich bist du gar nicht so weit weg.
Ich denke so viel an dich.
Mirja


Danke fürs Lesen :) freue mich wie immer über Kommentare.

Zur versteckten Bedeutung: Ich weiß, hier ist sie etwas schwierig zu finden, aber vielleicht hat es ja trotzdem jemand geschafft :)
Hätte ich es hinbekommen, einzelne Buchstaben fett zu markieren, wäre es wahrscheinlich einfacher.

Die Anfangsbuchstaben der Sätze im ersten Brief sowie das ch von "Schreib" und das e von "leider" ergeben zusammengesetzt "Sehr schlecht", das Ausrufezeichen markiert das Ende dieser Kodierungsart. Wie auch in den Briefen zuvor wird das Wetter teilweise als Synonym genutzt.

Im zweiten Brief wird "Handschrift" als Begriff genutzt, der deutlich macht, dass sie verstanden hat, was er meint.

Wie gesagt, mit der richtigen Formatierung wäre das einfacher gewesen.

Wenn noch Fragen sind, stehe ich gerne zur Verfügung :)

LG
werewolf
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