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Eine Frage der Ethik

von Gabi

Das Problem

„Wir haben ein Problem.“ Lieutenant Peter Gaheris trat von der Transporterplattform der Rio Grande. Seine Miene wirkte nachdenklich. Sobald alle Moleküle wieder an ihren angestammten Plätzen waren, fuhr seine Hand unbewusst zu seinem Stoppelbart und kratzte am Kinn.

Lieutenant Ezri Dax wandte sich von der kleinen Transporterkonsole um. Ihre Augenbrauen hoben sich fragend, so dass sie unter den frechen Fransen ihrer Haare verschwanden. „Was für ein Problem?“ Und mit einem Blick auf Gaheris‘ unglückliche Miene fügte sie hinzu: „Will ich das überhaupt wissen?“

Das Runabout befand sich seit zwei Tagen im Orbit um Dandroka RS IV, um Verhandlungen zu führen. In den Nachwehen des Dominion-Krieges hatte sich im Bereich des Argolis-Clusters auf ein paar Welten eine Infektion durch im Krieg verseuchtes Grundwasser ausgebreitet. Da die Krankheit sich sehr langsam und im Anfangsstadium harmlos ausbreitete, war sie nicht frühzeitig entdeckt worden. Jetzt hatte es bereits die ersten Todesfälle gegeben und die Föderation suchte händeringend nach einem wirksamen Medikament, das nicht nur die Symptome linderte, sondern tatsächlich die Ursache bekämpfte.

Lieutenant Commander Julian Bashir hatte sich in die Materie eingearbeitet und hatte die Leitung der Forschungsgruppe übertragen bekommen. So war es nur folgerichtig, dass er die Zusage erhielt, das Team zusammenzustellen, das den Kontakt mit demjenigen Volk aufnehmen sollte, das nach wochenlangen Literaturrecherchen und Laborversuchen sich als das bislang einzige herausgestellt hatte, das ein wirksames Medikament synthetisierte. Bashir hatte Dax in ihrer Eigenschaft als Counselor und Diplomatin und Gaheris, den Wissenschaftsoffizier von Deep Space Nine, für den Kontakt ausgewählt. Die Theorie war es gewesen, dass Dax die Gespräche führen sollte und Gaheris dem Arzt vor Ort mit den abschließenden verifizierenden Tests zur Seite stand. Leider hatte sich die Praxis als nicht so einfach planbar erwiesen.

Die Dando, wie sie sich selbst nannten, waren der Föderation zwar nicht gänzlich unbekannt, doch der bisherige Kontakt hatte sich auf ein Minimum beschränkt, an dem bislang offensichtlich zufälligerweise lediglich männliche Sternenflottenoffiziere teilgenommen hatten. Denn wie sich sehr rasch herausstellte, verspürten die zuständigen Argachen der Dando, diejenige Gruppe, die für den interstellaren Handel zuständig war, überhaupt keine Neigung dazu, die Trill als gleichwertige Gesprächspartnerin anzuerkennen. Dax hatte ihr Bestes gegeben, doch erst als Gaheris sich in die Gespräche eingeschaltet hatte, waren sie einen Schritt weiter gekommen. Da der Wissenschaftsoffizier allgemein einen sehr umgänglichen, unaufgeregten Charakter besaß und die Counselor sich mit der medizinischen Materie gut genug auskannte, hatten Dax und er kurzerhand die Rollen gewechselt. Ein Arrangement, das bis gerade eben eigentlich perfekt erschienen war. Gaheris und der oberste Argach waren sich innerhalb eines Tages handelseinig geworden, während Bashir mit den ersten Proben des Medikaments bereits Testreihen im Labor der Rio Grande laufen ließ, die vielversprechend angingen.

„Nein, ich denke, vor allem du möchtest das nicht wirklich wissen“, antwortete der Mann kryptisch und nickte mit dem Kinn in Richtung des Labormoduls. Durch diese Bewegung schien er zum ersten Mal wahrzunehmen, dass er sich am Bart kratzte, und nahm die Hand herunter. „Ist Julian noch an den Proben?“

„Ja, das ist er. Jetzt rück schon raus mit der Sprache, Peter!“

„Lass uns rüber gehen, dann muss ich es nicht zweimal erklären.“

Dax folgte Gaheris zum Zugang des Moduls. Ihre Neugierde forderte sie auf, den Mann auf die Schulter zu tippen und ihn zur sofortigen Herausgabe der Informationen zu nötigen, doch sie widerstand diszipliniert. Es waren nur wenige Schritte, bis sie das kleine Labor erreichten, so lange konnte sich sogar eine Dax gedulden.

Auf das Zischen der Türen wandte sich Bashir von der Sterilbox ab. Seine Miene drückte ungetrübte Begeisterung aus. „Die Viren reagieren sofort. Es ist fantastisch! Ich habe im Kopf überschlagen, dass wir etwa 53.376 Einheiten benötigen, dann haben wir die Seuche innerhalb der nächsten Woche im Griff. Manches Mal meint das Schicksal es doch …“ Er stockte, als er Gaheris‘ Haltung bemerkte. „Es gibt ein Problem“, seufzte der Arzt.

„Es gibt ein Problem“, bestätigte Gaheris mit unglücklichem Nicken.

Dax hob auf Bashirs fragenden Blick in ihre Richtung lediglich die Schultern. „Er hat es mir noch nicht verraten.“

Gaheris ließ sich auf den einzigen freien Laborstuhl fallen, so dass Dax nichts anderes übrigblieb, als sich mit verschränkten Armen gegen die Wand zu lehnen. „Der Argach ist mit den Zahlungsmodalitäten einverstanden, ich habe heute auch bereits meinen gesamten Notvorrat an Kopfschmerzmitteln aufgebraucht, weil es unbedingt dazu gehört, auf die gelungenen Verhandlungen zu bechern …“

Dax verzog mitfühlend das Gesicht. Gaheris vertrug keinen Alkohol und machte daher im Allgemeinen um alles, außer einem kleinen Gläschen leichten bajoranischen Frühlingsweins einen riesigen Bogen.

„… leider rückte er dann mit der Sprache raus, was noch unabdingbar zu einem Vertragsabschluss mit den Dando gehört.“ Er stockte, so als wolle er das Folgende nicht äußern.

„Was?“, hakte Bashir nach. „Sollen wir irgendeiner Gottheit die Füße küssen? Nackt einen Regentanz aufführen? Barfuß über die glühenden Kohlen der rituellen Reinheit tänzeln? Spuck’s aus, Peter! Das Medikament ist so wirksam, dass ich alles dafür mache.“

Gaheris‘ Blick huschte zu Dax hinüber. „Du musst gar nichts dafür machen, Julian, sondern Ezri.“

Die Trill richtete sich aus ihrer lässigen Haltung an der Wand auf, und die Veränderung in Bashirs Blick machte klar, dass er ahnte, was kommen musste.

„Du bekommst für eine Nacht die Frau des Argachen, Julian, und er verbringt eine Nacht mit Ezri …“

„Auf keinen Fall!“ Bashir sprang auf und durchquerte das Labor, um sich neben die Trill zu stellen und ihr schützend einen Arm um die Schulter zu legen, auch wenn es in diesem Raum nichts gab, wovor sie zu beschützen war. „Das ist unethisch und frauenverachtend!“ Er verstärkte den Griff um Dax‘ Schulter. „Wir finden einen anderen Weg.“

Gaheris ließ die Arme zwischen den Knien baumeln und hielt den Kopf gesenkt. „Meinst du, ich hätte nicht alles versucht?“, sprach er frustriert den Boden an. „Die letzten drei Stunden habe ich  versucht, dem obersten Argachen zu erklären, dass solch ein Verleihen von Frauen bei uns in der Föderation absolut nicht geht. Er meinte lediglich, dass uns dann wohl das Medikament doch nicht so wichtig sei.“ Er schüttelte den Kopf. „So freundlich die Leute sonst sind, so stur sind sie in ihren Ritualen.“

„Es muss einen anderen Weg geben“, beharrte Bashir. Er drückte Dax noch einmal versichernd die Schulter. Die Trill war schweigsam und bleich. „Wir sind so nah vor der Lösung der Krise.“ Er schüttelte den Kopf. Dass ihre bisherige Bilderbuchmission an  solch einem kulturellen Missverständnis scheitern sollte, konnte der Arzt nicht akzeptieren. Sie hatten zu hart dafür gearbeitet, und der Preis für ein Scheitern war viel zu hoch.

„Mir fällt keiner mehr ein.“ Gaheris stützte nun die Stirn in die Hände. Die letzten Injektionen ließen allmählich nach und die Nachwirkung des Alkohols machte sich mit dumpfem Schmerz bemerkbar. „Ich habe auch angeboten, dass ich Ezris Stelle einnehmen würde …“

„Du hast was?“ Dax und Bashir traten simultan einen Schritt auf den Wissenschaftsoffizier zu. Der Arzt legte ihm die Hand auf die Schulter, die Trill ging vor ihm in die Hocke, um wenigstens einen Teil der zerknirschten Miene erkennen zu können.

Gaheris zuckte mit den Schultern ohne jedoch den Kopf zu heben. „Ich denk, ich könnte es vielleicht ein bisschen besser wegstecken als du … aber auch das hat nichts genützt. Homosexualität ist absolut kein Thema, das man bei den Dando anschneiden sollte …“

Der ersten Reaktion auf diese Worte folgend, umarmte Dax ihn spontan. „Du Verrückter“, flüsterte sie. „Das musst du doch nicht auf dich nehmen.“

„Ich hätt’s getan …“ Ohne die Hände von der Schläfe zu nehmen, drehte er den Kopf in Richtung des neben ihm stehenden Bashir. „Julian, kannst du mir noch was geben, die Kopfschmerzen …“

„Natürlich.“ Bashir strich ihm noch einmal leicht über die Schulter, bevor er sich zum Koffer mit dem Notfallkit hinüberbeugte, der sich auf einer Ablage an der Wand befand. Er lud ein starkes Analgetikum auf und entleerte es in den Hals des anderen Mannes. Dann ging er zurück zu der Ablage. Er berührte ein Sensorfeld, was zum Ausfahren einer einfachen Liege führte. „Peter, du legst dich jetzt erst mal hin.“ Er half dem Mann vom Stuhl und zur Liege hinüber. Über die Schulter warf er seiner Partnerin einen Blick zu. Bashirs Lächeln war als Ermunterung gedacht, doch er konnte nicht verbergen, dass ihn die Bedingung der Dando zutiefst beunruhigte. „Ezri, du machst mit den Testreihen weiter. Ich beam runter und sprech nochmal mit dem obersten  Argachen.“

* * *

Dax musste nicht nachfragen, wie das Gespräch gelaufen war, als Bashir eine Stunde später wieder auf der Rio Grande materialisierte. Das Gesicht des Mediziners sagte bereits alles aus. Bevor er auch nur einen Ton äußerte, schlug er die geballte Faust gegen die Wand der Transportereinheit.

„Dieser verbohrte Kerl! Ihm ist das Schicksal der Infizierten vollkommen egal. Alles, worauf es ihm ankommt, ist, seinen Willen durchzusetzen! Er hat mich gefragt, ob es meine Landsleute seien, und als ich das verneinen musste, fragte er mich, warum es mich dann interessieren würde! Ist das zu fassen?!“ Bashirs Augen blitzten gefährlich auf, doch es gab nichts, worauf er hier seine Wut richten konnte. Nach allen Föderationsregeln waren ihnen die Hände gebunden. Wenn die Dando „nein“ sagten, dann gab es nichts, was sie tun konnten, wenn sie nicht Dax der Prostitution aussetzen wollten.

Gaheris, der sich mittlerweile wieder soweit erholt hatte, dass er die vertikale Lage vorziehen konnte, lehnte im Durchgang zum Labormodul. Er nickte leicht. „Genau dasselbe hat er mich auch gefragt. Ich hätte es dir sagen sollen…“

Bashir winkte ab. „Vergiss es, Peter. Ich glaube kaum, dass er seine Entscheidung geändert hätte, wenn ich behauptet hätte, die Betroffenen wären alles Menschen.“

„Was jetzt?“ Dax‘ Stimme war leise. Sie lehnte mit dem Rücken an der Transporterkontrolle. Das Gewicht der moralischen Entscheidung drückte schwer auf ihre Schultern. Im Prinzip ging es jetzt nur noch um ihre Ethik – und die Gesundheit von 53.376 Föderationsbürgern.

Beide Männer wandten sich ihr zu und warteten darauf, dass sie weitersprach …


Die folgenden Kapitel stellen Alternativen dar, je nachdem, wie Ezri Dax sich entscheiden wird. Jedes einzelne von ihnen stellt das Ende der Geschichte dar.

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