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Waffenbrüder

von Laurie

Kapitel 1

Als Pavel Chekov die Brücke zum ersten Mal betrat, war Hikarus allererster Gedanke, dass dieser Junge die Uniform eines Fähnrichs nur zufällig erhalten hatte und dass er einfach die falsche Tür geöffnet hatte auf dem Weg ... nun ja, auf dem Weg dorthin, wo auch immer man Verwendung für Kinder wie ihn hatte.

Niemand konnte ihm derartige Denkweisen verübeln, wirklich nicht. Immerhin sah der Fähnrich aus wie ein Kind – ungefähr wie fünfzehn, nicht einmal alt genug, um eine Ausbildung an der Akademie zu beginnen und sicherlich nicht alt genug, um sich während einer potentiell gefährlichen Rettungsmission an Bord eines Raumschiffs zu befinden.

(Hikaru änderte diese Meinung nicht, als er herausfand, dass sein neuer Kollege in Wahrheit siebzehn war. Siebzehn war immer noch zu jung, um die schwere Bürde der Verantwortung zu tragen, und es war ganz sicher zu jung, und die Dinge miterleben zu müssen, die auf sie zukamen.)

Er wusste nicht, warum die Sternenflotte es für eine geniale Idee hielt, Kinder wie dieses an Bord ihrer Schiffe zu erlauben. Vielleicht, sinnierte er, brauchten sie einfach anspruchslose Leute, um die Drecksarbeit zu erledigen, um den Reinigungskräftigen zu helfen oder als Laufburschen zu fungieren ... Er hatte diesen Gedankengang kaum beendet, als der Fähnrich die Brücke durchquerte und sich mit dem Selbstbewusstsein eines erfahrenen Weltallveteranen hinter der Navigationskonsole niederließ.

Hikaru zog die Augenbrauen hoch.

„Was machen Sie hier?“, fragte er, nicht in der Lage, sich zurückzuhalten. Glaubst du nicht, dass du hier ein wenig fehl am Platz bist, Kind?

Der Fähnrich zuckte nur mit den Schultern. „Ich wurde dieser Station zugewiesen“, antwortete er mit einem russischen Akzent, der Hikaru innerlich zusammenzucken ließ. Fast vierhundert Besatzungsmitglieder an Bord dieses Schiffes, und er durfte mit einem russischen Kind arbeiten, das wahrscheinlich noch nie zuvor das Steuer eines Raumschiffs berührt hatte ...

„Oh ... klar.“

Ihr erstes Gespräch endete in einem peinlichen Schweigen.


~°~



Es stellte sich heraus, dass Pavel Chekov sehr wohl wusste, wie man die Steuerkonsolen eines Raumschiffs bediente. Es war nicht er, der ihren Abflug verzögerte, indem er den idiotischen Anfängerfehler beging, das Abkoppeln des externen Trägheitsdämpfers zu vergessen; aber es war er, der sowohl James Kirk als auch Hikaru rettete, indem er sie in letzter Sekunde Bord beamte, bevor sie durch den Aufprall auf die Oberfläche des Planeten ein wenig ruhmreiches Ende finden konnten.

Hikaru zitterte noch immer dank seiner neuesten Nahtoderfahrung, als er neben Chekov trat, der nach wie vor hinter dem Bedienungspult des Transporterraums saß.

„Gute Arbeit, Fähnrich“, sagte er, und er meinte es völlig ernst. Nie wieder würde er den Fehler begehen, diesen Jungen zu unterschätzen.

„Es war das erste Mal, dass ich das außerhalb der Trainingssimulationen gemacht habe“, erwiderte Chekov bescheiden. „Ich hatte Glück, dass es funktioniert hat.“

„Also, ich hatte ganz bestimmt Glück.“

Sie tauschten ein erstes Lächeln aus; und dann hatten sie andere Probleme, als Spocks Mutter starb und Vulkan implodierte und generell die Hölle ausbrach.


~°~


„Es war nicht Ihre Schuld, das wissen Sie“, versicherte Hikaru ihm später, nachdem Ruhe eingekehrt und der erste Schock ein wenig abgeklungen war. Sie befanden sich auf dem Rückweg zur Erde, und sie ließen so viel mehr zurück als ein zerstörtes romulanisches Schiff und sechs Milliarden tote Vulkanier.

Chekov blickte ihn stumm an, mit diesen großen, hellen Augen, die ihn immer an einen Welpen erinnerten.

„Sie haben getan, was Sie konnten. Sie hätten sie nicht retten können, egal, wie sehr Sie es versucht haben.“

Er musste keine weiteren Erklärungen liefern. Sie beide wussten nur zu gut, wer mit sie gemeint war.

„Wenn ich ein paar Sekunden schneller gewesen wäre ...“

„Das hätte auch nichts genützt. Es war nicht Ihre Schuld.“

Chekov sah zur Seite, unwillig oder außerstande, seinen Blick noch länger zu erwidern.

„Ich glaube, ich gehe besser ins Bett ... der Captain hat gesagt, dass die Leute von der Betaschicht bald übernehmen werden.“

Hikaru glaubte nicht daran, dass irgendjemand von ihnen in dieser Nacht Schlaf fände, aber er verstand Chekovs Verlangen danach, alleine zu sein. Vielleicht würde es helfen. Vielleicht ...

„Fähnrich“, rief er ihm hinterher. Er war sich nicht sicher, was er sagen sollte, doch er hatte das Gefühl, dass er zumindest irgendetwas sagen sollte. Einige Worte des Trostes vielleicht ... Schließlich war Chekov immer noch ein Kind, obwohl er sich wie eine viel ältere Person verhielt. Auf gewisse Weise fühlte Hikaru sich für ihn verantwortlich. Und sie waren nun ein Teil desselben Teams, oder?

Chekov hielt nicht inne.

„Ich heiße Pavel“, sagte er, ohne zu ihm zurückzublicken, und verschwand im Turbolift.


~°~


Am nächsten Morgen nahmen sie ihr Frühstück am selben Tisch ein, hauptsächlich deswegen, weil der Rest ihrer Kollegen aus der Alphaschicht noch schlief und weil die einzigen anderen Anwesenden einige schlechtgelaunte Offiziere aus der Sicherheitsabteilung waren, mit denen keiner von ihnen sich anlegen wollte.

Sie aßen schweigend und tauschten nur die nötigsten Wörter aus. Sprechen war nicht erforderlich; sie beide wussten, wie der andere sich fühlte, sie wussten genauestens über die schlaflose Nacht und über die Schuldgefühle Bescheid, und das war genug.

Hikaru blickte Pavel hinterher, nachdem der junge Russe seine Mahlzeit beendet hatte und den Raum verließ – und ihm kam ein plötzlicher Gedanke, der ihn beinahe zum Lächeln brachte.

Jeder an Bord eines Raumschiffes brauchte einen oder zwei enge Freunde; und wenn man nach einem Freund suchte, schien Pavel Chekov keine schlechte Wahl zu sein.


~°~



Natürlich wurden sie am Ende Freunde, und Hikaru bereute das nie. Wie sich herausstellte, war die Arbeit mit einem russischen Wunderkind längst nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte. Diesem russischem Wunderkind gelang es, sich so mühelos einen Weg in Hikarus Herz zu bahnen, dass es beängstigend hätte sein können, hätte es sich nicht so richtig angefühlt.

„Ich habe mir immer eine Schwester gewünscht. Oder einen Bruder“, vertraute Pavel ihm eines Tages an, nachdem eine besonders unerfreuliche Mission sie alle an die Wichtigkeit ihrer Familien erinnert hatte.

Hikaru konnte nicht anders – er lächelte. Warum nur waren die Menschen so meisterhaft darin, blind gegenüber den meisten guten Dingen innerhalb ihrer Leben zu sein?

„Ich schätze, du hast Glück“, sagte er; es ließ sich nicht verkneifen. „Sieht so aus, als hättest du einen gefunden.“

Es dauerte einen Moment, bis die Bedeutung seiner Worte ankam – aber sobald Pavel verstanden hatte, machte das strahlende Grinsen, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete, die Wartezeit wett. Es ließ ihn um Jahre jünger aussehen, und zugleich ließ es ihn so lächerlich liebenswert aussehen, dass Hikaru spürte, wie sich sein Herz zusammenzog.

Falls irgendjemand Pavel Chekov jemals wehtun sollte, würde derjenige dafür bezahlen müssen. In dieser Hinsicht kannte ein großer Bruder keine Gnade.

Und das war der Moment, in dem Hikaru den stummen Schwur ablegte, diesen Jungen mit seinem Leben zu beschützen.



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