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Zwei Arten, sich für seine Gefühle zu schämen

von werewolf

Ein schicksalhafter Morgen

Mirja erwachte früher als sonst, ohne den Grund dafür zu kennen.
Als sie sich erhob, fiel ihr Blick aus dem Fenster. Eigentlich war Frühling, aber einige Nebelschwaden ließen den noch trostlosen Garten in einem winterlichen Licht erscheinen.

Wie jeden Morgen galt ihr erster Gedanke Kiar, wie auch der letzte am Abend.
Ob er die kalte Jahreszeit überlebt hatte, wie es ihm ging. Warum er nicht auf ihre Briefe antwortete. Wo er war, und ob er noch an seine Familie dachte.

Als sie den Tisch deckte, musste sie sich wie immer an einen schmerzhaften Punkt erinnern. Nur für drei Personen.
Noch immer fiel ihr Blick zur Tür. Jeden Morgen, bei jedem Wetter war er um ziemlich genau 0620 hereingekommen, nachdem er den Reithund spazieren geführt hatte, und die Stiefel rechts neben die Tür gestellt. Meistens hatte er sich während des Gangs über irgendetwas Gedanken gemacht, sei es nun über die Tagespolitik oder über den Holofilm, den sie am Vortag gesehen hatten, und eine angeregte Diskussion darüber begonnen.
Seit er fort war, hatte das Tier nur noch den Zwinger und den Garten. Ihr fehlte die nötige Kraft, um es zu bändigen, und so hing die grüne Leine nur an ihrem Haken.
Und sie hatte morgens nur die Stille.
Manchmal war sie verärgert gewesen, dass er die Tür nicht immer leise schloss und sie befürchtet hatte, dass er die Kinder weckte.

Ihretwegen konnte er die Tür so heftig zuschlagen, wie er wollte, wenn er nur wiederkommen würde.

Heute hatte sie erst am Nachmittag Schicht, sodass sie Roja und Kidas zwar den halben Weg zur Schule begleiten konnte, sie aber am Nachmittag alleine wären. Wie zu oft.
Wie schön es wäre, wenn sie es sich leisten könnte, weniger zu arbeiten und mehr Zeit mit den beiden zu verbringen.
Aber sie beklagte sich nicht. Es nützte nichts. Und Kiar hatte es wahrscheinlich gerade um Einiges schlechter als sie.

Iora, eine langjährige Freundin von ihr und wohl die Einzige, die ihr treu ergeben war, bewunderte sie offen für ihre aufrechte Haltung, für ihre Unermüdlichkeit und ihre Zuversicht. Nun, diese war nicht immer so groß, wie sie den Anschein erweckte, aber man musste ja nicht jeden Zweifel direkt aussprechen.

Sie kannten und schätzten sich schon lange, trotz ihrer Unterschiede.
Sie selbst lebte ziemlich genau der gesellschaftlichen Vorstellung entsprechend. Hatte geheiratet, war erst dann mit ihrem Mann zusammengezogen und auch erst dann war das erste Kind geboren worden. Sie hatte Roja und Kidas auf dem natürlichen Weg zur Welt gebracht, was wahrlich kein Vergnügen gewesen war, und sich dabei so beherrscht gezeigt, dass man ihr noch Jahre später Respekt dafür ausgesprochen hatte.
Hatte beruflich für die Familie zurückgesteckt und mit Kiar gemeinsam die verschiedensten angesehenen Veranstaltungen besucht. War nie fremdgegangen oder hatte eine Scheidung hinter sich. Stellte das Wohl ihrer Kinder über ihr eigenes. Kiars Karriere über die eigene.
Zu ihren Eltern und ihrem Bruder hatte sie ein gutes, wenn auch eher distanziertes Verhältnis. Sie besuchten sich, wenn auch eher wenig, zeigten nach außen hin aber den Zusammenhalt, den man sehen wollte.
Die ideale Familie. Die ideale Ehefrau und Mutter.

Iora hingegen war eine der wenigen Frauen, die freiwillig ungebunden und kinderlos lebten. Nicht ohne männlichen Umgang, im Gegenteil, diese hatte viele Verehrer, aber keinen davon zog sie ernsthaft als Ehemann in Betracht. Beruflich war Iora sehr erfolgreich und stand auch gerne dazu, reiste viel und amüsierte sich gern und suchte in ihrem Leben vor allem die Abwechslung.
Eine dem eigentlichen Ideal entgegengesetzte Lebensweise, aber sie zog mit ihrer leuchtenden Persönlichkeit und einer starken Anziehungskraft jeden unweigerlich in ihren Bann. Deswegen respektierte man sie, auch wenn in der Öffentlichkeit manche Personen kein Wort mit ihr sprachen und Iora im Theater stets einen Platz in der letzten Reihe bekam.

Dennoch standen sie sich sehr nahe, und sie konnte sich stets auf ihre Freundin verlassen. Roja und Kidas betreute diese gern einmal für einen Nachmittag und verstand sich gut mit ihnen. Auch wenn ihre Freundin das stets leugnete, hatte diese ein gewisses Talent im Umgang mit Kindern.
Mirja brachte die beiden nicht selten zu ihr und war sehr dankbar dafür, dass sie nicht immer allein sein mussten.
Generell hatte Iora viel Verständnis für sie. Obwohl diese einmal selbst zugegeben hatte, niemals einen auch nur entfernt ähnlichen Schmerz wie den Ihren empfunden zu haben, zeigte ihre Freundin mehr Verständnis für sie als viele andere. Nicht, weil sie das Gefühl kannte, sondern weil sie Mirja kannte und wusste, wie wichtig Kiar für sie gewesen war.

Manchmal, für einen sehr kurzen Moment, beneidete Mirja sie. Keine tiefen emotionalen Bindungen, keine schweren Verluste.
Aber dann verwarf sie diesen Gedanken sofort wieder. Sie hatte sich für dieses Leben entschieden, und würde es jederzeit wieder tun. Es war der einzige richtige Weg für sie.

Wie jeden Morgen führte ihr erster Gang sie zum Postfach.
Mirja ging die verschiedenen Schreiben durch. Monatlicher Bericht der Schule, Theaterprogramm, eine Ansichtskarte.

Und ein brauner Umschlag. Nein. Das durfte nicht sein.
Etwas Schlimmeres konnte nicht mit der Post verschickt werden.
Das konnte nur eins bedeuten.
Kiar.
Kiar war…

Ab hier gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, wie es weitergeht.
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