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Photonen brauchen Freiheit!

von Iska

Auf der Erde

„Es ist noch gar nicht lange her“, sagte der Doktor und blickte beschwörend in die Kamera, „dass die Organischen sich gegenseitig bekämpft haben. Sie haben einander den Wert, ja sogar die Existenzberechtigung abgesprochen, nur weil sie unterschiedlichen Spezies angehörten. Mittlerweile haben sie dazugelernt und viele dieser Dispute beigelegt. Und doch“- wieder warf er einen Blick in die Kamera - „frage ich mich und frage auch euch, liebe Brüder, liebe Schwestern – haben sie wirklich etwas gelernt? Wenn ja, warum behandeln sie uns Hologramme dann so? Wie Sklaven, wie Wesen zweiter Klasse, ohne eigene Rechte? Warum erkennen sie die Rechte anderer Spezies mittlerweile an, aber nicht unsere? Diese Ungerechtigkeit muss ein Ende haben. Und wenn wir alle uns gemeinsam dafür einsetzen, werden wir dieses Ende herbeiführen. Glaubt mir und glaubt an euch, liebe Brüder, liebe Schwestern – Photonen brauchen Freiheit!“ Der Doktor warf dramatisch beide Arme in die Luft, dann begann er, wie immer zum Abschluss seiner Reden, eine Opernarie zu singen.

„Wenn er wenigstens die Singerei lassen würde“, stöhnte Chakotay, der hinter Seven getreten war und über Sevens Schulter auf ihr PADD blickte.

Seven fuhr zusammen. Sie hatte sich gerade „Photonen brauchen Freiheit“ angesehen, ein Unterhaltungsprogramm, das der Doktor einmal wöchentlich im gesamten Föderationsraum ausstrahlen ließ. Es bestand hauptsächlich aus seinen Reden und Gesangseinlagen und war nach dem gleichnamigen Holoroman des Doktors benannt.

Seven warf Chakotay einen Blick zu und erwiderte: „Ich finde seine Singstimme recht angenehm.“

Chakotay lachte ungläubig. „Wirklich? Naja, die Geschmäcker sind verschieden. Und ich frage mich sowieso“, fügte er hinzu, „was er eigentlich mit diesen Reden bezwecken will. Wieviele Hologramme mit einem Bewusstsein gibt es denn überhaupt, die mit ihrer Situation unzufrieden sind? Ich wette, die kann man an einer Hand abzählen.“

„Das erscheint mir nicht zutreffend“, widersprach Seven. „Im Delta-Quadranten haben wir ja bereits einige unzufriedene Hologramme kennengelernt, somit ist davon auszugehen, dass es auch im Alpha-Quadranten einige gibt. Ich habe zum Beispiel gehört, dass -“

„Im Grunde kann es uns ja auch egal sein“, unterbrach Chakotay sie, „ Zum Glück sind wir beide echte Menschen aus Fleisch und Blut. Soll der Doktor von mir aus seinen Freiheitskampf weiterführen, wenn es ihn glücklich macht.“ Er gähnte herzhaft. „Ich bin hundemüde, Anni, ich gehe ins Bett. Kommst du auch?“

Seven verzog das Gesicht. Sie hatte ihm schon häufig gesagt, dass es ihr missfiel, wenn er sie so nannte. Sie konnte sich nach wie vor nicht mit ihrem menschlichen Namen identifizieren und mit diesem albernen Spitznamen schon gar nicht. „Ich komme gleich“, antwortete sie abweisend. „Gute Nacht.“

„Gute Nacht, Anni“, Chakotay gähnte erneut und ging ins Schlafzimmer, und Seven atmete erleichtert auf, als er die Tür hinter sich schloss.

Endlich allein. Sie hätte nie gedacht, dass sie das Zusammenleben mit einem Partner als so anstrengend empfinden würde. Als ehemalige Borg war sie schließlich an das Zusammensein mit anderen gewöhnt, und auch auf der Voyager hatte sie wenig Zeit für sich allein gehabt. Sie hatte es dort sogar als angenehm empfunden, ein Teil der Crew zu sein. Doch bei Chakotay und ihr war das etwas anderes. Je länger sie mit ihm zusammenlebte, desto mehr schienen sie sich voneinander zu entfernen.

Seven hatte geglaubt, diese Beziehung würde ihr dabei helfen, sich menschlicher zu fühlen. Physisch war sie mittlerweile vollkommen menschlich, nachdem alle Borg-Implantate entfernt worden waren und sie auch den Borg-Alkoven nicht mehr benötigte. Aber sie hatte trotzdem immer noch das Gefühl, nicht Fisch und nicht Fleisch zu sein, keine Borg mehr, aber auch kein echter Mensch. Sie war vollkommen anders aufgewachsen als andere Menschen. Ihre Kindheit endete, als sie sechs war und von den Borg assimiliert wurde. Sie hatte keine Eltern mehr gehabt, sie war nicht zur Schule gegangen, hatte nicht mit anderen Kindern gespielt und keine Pubertät erlebt. Ihre erste Liebe fand nur in einer Art Traumwelt statt, an die sie selbst sich hinterher nicht mehr erinnern konnte.

Statt das Leben eines Kindes und einer jungen Frau zu führen, war sie eine Drohne gewesen, Teil eines Kollektivs, ohne eigenen Willen, und hatte ohne jeden Skrupel unzählige Individuen assimiliert. Die Erinnerungen daran verfolgten sie und würden sie wohl nie mehr loslassen, obwohl Seven wusste, dass sie keine Schuld traf. Auch das enorme Wissen, das sie als Borgdrohne erworben hatte, war ein Teil ihrer selbst geworden, der ihr immer bleiben würde. Seven hatte zwar schon oft von diesem Wissen profitiert, doch es unterschied sie auch von allen anderen Menschen. Vermutlich, überlegte sie, würde sie nie genauso wie andere Menschen sein, auch wenn sie jetzt eine Beziehung führte und ihr Leben auf den ersten Blick ganz normal und menschlich war.

Sie spürte ihre Andersartigkeit auch jeden Tag an der Akademie der Sternenflotte. Und das lag nicht nur daran, dass sie zehn Jahre älter war als die anderen Studenten.

Seven merkte, dass sie Angst vor ihr hatten. Das war auch der Grund, warum sie nicht auf dem Campus übernachtete. Seven wollte ihnen mit ihrer Anwesenheit keine Angst einjagen. Die anderen Studenten flüsterten miteinander, wenn sie Seven sahen, sie zeigten manchmal mit dem Finger auf sie, wenn sie glaubten, sie merke es nicht, sie starrten sie mit großen Augen an, wenn sie an ihnen vorbeiging.

Seven konnte es ihnen nicht verdenken. Sie war eine Berühmtheit, nicht nur auf der Erde, sondern in der ganzen Föderation. Jeder kannte Seven of Nine, die Ex-Borg. Seven wusste, was sich alle fragten – sie hatte sie darüber tuscheln hören, und ein paar ganz Mutige hatten es ihr sogar einmal ins Gesicht gesagt – konnte man denn wirklich sicher sein, dass sie nicht irgendwann wieder reassimiliert wurde? Dass die Borg nicht wieder Kontakt zu ihr aufnahmen und dass Seven ihnen dann nicht half, die Erde, ja, vielleicht den ganzen Alpha-Quadranten, zu assimilieren? Auch wenn ihre Borg-Implantate mittlerweile entfernt waren, eine Kindheit und Jugend im Kollektiv ging nun einmal an niemandem spurlos vorüber. Sie hatte siebzehn Jahre bei ihnen gelebt und sich an unzähligen Assimilationen beteiligt – wer konnte da die Hand dafür ins Feuer legen, dass sie wirklich vollkommen menschlich und keine Borg mehr war?

Seven verstand die Ängste ihrer Kommilitonen, obwohl sie wusste, dass diese Befürchtungen unbegründet waren. Sie konnte nie wieder zu den Borg zurückkehren, und mittlerweile wollte sie das auch längst nicht mehr. Sie hatte es zu schätzen gelernt, ein Individiuum zu sein und würde ihre Individualität nie wieder freiwillig aufgeben. Doch sie wusste auch, dass die Zeit bei den Borg sie für immer geprägt hatte. Seven bezweifelte deshalb, dass sie sich je hundertprozentig menschlich fühlen würde. Sie seufzte leise.

***

Als sie ins Schlafzimmer ging, war Chakotay noch wach. Seven zog sich aus und schlüpfte zu ihm unter die Decke.

„Ich wünsche zu kopulieren“, informierte sie ihren Partner, während sie sich an ihn schmiegte und eine Hand in seine Unterhose schob. Sie hatten seit Wochen nicht mehr miteinander kopuliert, was nicht an ihr lag. Wenn Seven ehrlich zu sich war, war der Sex für sie immer noch das Beste an der Beziehung mit Chakotay. Doch in letzter Zeit fand er immer eine Ausrede.

Auch diesmal grunzte Chakotay nur unwillig. „Heute nicht, Seven, ich bin wirklich hundemüde.“ Er schob ihre Hand weg und drehte ihr den Rücken zu.

Seven seufzte erneut. Nichts lief so, wie sie es sich erhofft hatte, weder das Leben auf der Erde noch die Beziehung mit Chakotay. Auf der Voyager war alles so einfach gewesen, und jetzt erschien ihr alles kompliziert.

***

Seven unterdrückte ein Gähnen, als sie die Tür zu Chakotays Wohnung aufschloss. Es war ein langer Tag an der Akademie der Sternenflotte gewesen. Der Unterricht fiel ihr durch das Wissen, das sie sich als Borg angeeignet hatte, zwar leicht, aber seit sie ein Mensch war, ermüdete sie schneller. Eine Borg zu sein hatte doch einige relevante Vorteile mit sich gebracht, auch wenn die Nachteile überwogen, dachte Seven.

Chakotay hatte sie einmal gefragt, warum sie sich den Stress des Studiums an der Akademie überhaupt antat. „Du bist doch viel schlauer als all deine Professoren zusammen“, hatte er gesagt. „Warum willst du in deinem Alter noch unbedingt eine Ausbildung an der Akademie der Sternenflotte machen, für die du vollkommen überqualifiziert bist?“

Doch Seven wusste genau, warum sie das wollte: Sie wollte wieder auf einem Raumschiff arbeiten. Als Wissenschafts- oder Sicherheitsoffizier, vielleicht sogar irgendwann als Captain. Denn dort, so hoffte sie, würde sie sich wieder heimisch fühlen, so wie sie sich auf der Voyager heimisch gefühlt hatte. Dort war sie Teil eines Teams gewesen, hatte wichtige Arbeit geleistet und war respektiert worden. Und für eine Karriere bei der Sternenflotte war die Ausbildung an der Akademie nun einmal die Voraussetzung.

Während Seven die Wohnung betrat und noch ihren Gedanken nachhing, hörte sie plötzlich etwas, was sie innehalten ließ.

Chakotay stöhnte laut.

Seven wusste, bei welchen Anlässen er diese Laute von sich gab, auch wenn sie schon lange keine Gelegenheit mehr gehabt hatte, sie zu hören.

Sie näherte sich dem Schlafzimmer. Chakotays Stöhnen wurde noch lauter, und jetzt war auch das Stöhnen einer Frau zu hören: „Chakotay...“

Seven hätte schwören können, dass sie diese Stimme sehr gut kannte, aber das konnte natürlich nicht sein. Sie musste sich irren. Sie öffnete die Tür zum Schlafzimmer und blieb wie angewurzelt stehen, fassungslos von dem Anblick, der sich ihr bot.
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