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Die Tochter des Meisters

von Martina Strobelt

Kapitel 2

Worfs Blick folgte seiner Frau bei ihrer unruhigen Wanderung von einer Seite der Kabine zur anderen. Jadzia hatte ihm in groben Zügen von ihrem Treffen mit Vedek Milan berichtet. Auf Einzelheiten war sie nicht eingegangen. Aus Rücksicht auf T’Karas Gefühle. Und ihre eigenen, die in einer Mischung aus Enttäuschung und Verärgerung bestanden. Zu frisch war die Erinnerung an das unerfreuliche Gespräch, das sie mit der Vulkanierin auf dem Rückflug nach DS9 im Shuttle geführt hatte.
„Sie wussten von Kerims Absichten? Sind Sie die Frau, die er heiraten wollte?“
„Ja.“
„Ist das alles? Einfach nur - ja? Warum haben Sie mir das verschwiegen?“
„Es gab keinen logischen Grund, Sie davon in Kenntnis zu setzen. Die Tatsache, dass Li Kerim und ich eine Bindung beabsichtigen, ist Teil unserer Privatsphäre. Zwischen ihr und Kerims Verschwinden existiert kein Zusammenhang.“
„Ach ja, meinen Sie? Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, Vedek Milan könnte mit seiner Vermutung recht haben, dass er aus Angst vor der Tragweite seiner Entscheidung seinen Entschluss geändert hat?“
„Diese Schlussfolgerung mag aus Ihrer Sicht möglich sein. Hätten Sie auch nur entfernt eine Vorstellung von seinem in jeder Hinsicht einwandfreien Charakter, würden Sie diese Argumentation als ebenso unlogisch ablehnen wie ich. Kerim hat ein Versprechen gegeben. Er würde es niemals brechen. Indem Sie ihm einen derart schamlosen Verrat unterstellen, entwürdigen Sie nicht nur sein Ansehen, sondern auch meines!“

Nach diesem für vulkanische Maßstäbe heftigen Streit, hatten sie den Rest des Rückfluges schweigend verbracht. Wieder auf der Station hatten sie sich getrennt, ohne ein weiteres Treffen zu vereinbaren.
Dax war froh gewesen, Worf in ihrem gemeinsamen Quartier vorzufinden. In Momenten wie diesem brauchte sie jemanden, um sich alles von der Seele zu reden. Und entgegen dem, was viele behaupteten war Worf alles andere als unsensibel. Außerdem war er ein guter Zuhörer, der wusste, wann auf seinen Rat Wert gelegt wurde. Zumindest meistens.
Abrupt blieb die Trill stehen. „Wie soll ich ihr helfen, Li Kerim zu finden, wenn Sie mich wie einen Feind behandelt? Wenn sie mir nicht vertraut?“
„Vertrauen wird nicht verschenkt, Jadzia. Man muss es sich durch seine Taten verdienen. Hast du das getan?“
Worf hielt dem Zorn in den Augen seiner Frau stand.
Dax senkte ihren Blick als erste. „Nein“, räumte sie widerwillig ein. „Wie hätte ich das tun sollen? Sie hat mir von Anfang an keine Gelegenheit dazu gegeben.“
„Wie kannst du von einer Fremden Vertrauen erwarten, wenn du selbst nicht einmal dort vertraust, wo es mehr als gerechtfertigt wäre?“
Jadzia starrte Worf groß an. „Wie meinst du das?“
„Wer ist Sujak? Welche Rolle spielt er in deinem Leben?“
„Keine.“
„Wirklich? Da habe ich anderes gehört.“
„Du hast mir nachspioniert?!“
„Ich habe mich informiert. Was nicht nötig gewesen wäre, hättest du mich ins Vertrauen gezogen. Wie ich es als dein Ehemann erwarten durfte.“
Dax wollte zornig auffahren, besann sich jedoch eines Besseren. Sie hatte im Moment nicht genügend Kraft, um sich mit Worf zu streiten. Außerdem hatte er mit seinem Vorwurf nicht ganz unrecht. Natürlich war das keine Entschuldigung dafür, dass er ihr nachspioniert hatte. Aber darüber würden sie später in aller Ruhe sprechen. Für den Moment beschloss sie sich darauf zu beschränken, seine Behauptung zu widerlegen, sie würde ihm nicht ausreichend vertrauen.
„Sujak ist Teil meiner Vergangenheit. Ich habe dir nichts von ihm erzählt, weil er für uns und unsere Beziehung keine Bedeutung hat.“
„Du wolltest mit ihm eine Bindung eingehen!“
„Das war nicht ich, Worf. Es ist auch nicht gestern gewesen. All das ist jetzt“, Jadzia hielt inne und rechnete, „ungefähr 120 Jahre her. 120 Jahre!“ Jadzia ließ die Zahl über ihre Zunge rollen. War das wirklich schon so lange her? „Der damalige Wirt von Dax, Tobin, hatte in seinen jungen Jahren den Ehrgeiz, bei einem der berühmtesten vulkanischen Meister der Philosophie in die Lehre zu gehen. In jenen Tagen war es auf Vulkan alles andere als üblich, Studenten anderer Welten zu unterrichten. Tatsächlich war Tobin Dax der Erste, dem es je gestattet wurde. Dies verdankte er im Wesentlichen der Fürsprache des besten Schülers eben jenes berühmten Meisters, der ihn in den folgenden vier Jahren ausbildete.“
„Meister Sujak?“
„Schüler Sujak. Damals war er noch kein Meister. Sujak setzte sich für Tobin Dax ein. Sie wurden Freunde. Mehr als das. Mit der Zeit kamen Sujak und Tobin sich immer näher. Schließlich waren sie sicher, den Rest ihres Lebens gemeinsam verbringen zu wollen. Sie beschlossen, sich gemäß den Traditionen Vulkans zu binden.“
Worfs Brauen zogen sich zusammen. „Einer deiner männlichen Wirte wollte einen anderen Mann heiraten?“
Unwillkürlich musste Jadzia lächeln. „Auf Vulkan sind solche Kriegerbindungen nicht weniger üblich als jene zwischen Partnern unterschiedlichen Geschlechts. Ungewöhnlich war insoweit nur die Tatsache, dass ein Vulkanier sich an jemanden binden wollte, der einer anderen Rasse angehörte. Es war nicht verboten. Doch gesellschaftlich waren solche Bindungen verpönt. Nur wenige, wie zum Beispiel Botschafter Sarek, hatten den Mut, sich nicht um die Traditionen und starren Konventionen zu kümmern, sondern ganz und gar unvulkanisch dem Ruf ihres Herzens zu folgen. Sujak gehörte zu diesen Wenigen. Ihr Meister stellte ihn und Tobin vor die Wahl, entweder ihre Beziehung zueinander zu beenden oder ihre Lehre bei ihm. Sie entschieden sich für Letzteres. Tobin erhielt kurz darauf das Angebot zur Durchführung eines wissenschaftlichen Forschungsprojektes auf einer weit entfernten Station der Föderation. Sujak war bereit auf seinen Traum, Gelehrter zu werden, zu verzichten und Tobin zu begleiten. Indessen es war ein geheimes Projekt. Die Föderation verweigerte aus Sicherheitsgründen ihre Erlaubnis, einem Zivilisten den Aufenthalt auf einer Militärbasis zu gestatten. Zudem waren nur ungebundene Mitarbeiter erwünscht. Tobin hätte die Übernahme der Aufgabe ablehnen können. Er tat es nicht. Sein Ehrgeiz wollte sich beweisen. Außerdem sollte das Projekt nur 12 Monate dauern. Danach wollte Tobin nach Vulkan zurückkehren, wo Sujak auf ihn warten sollte. Die Arbeit für die Föderation faszinierte Tobin. Er verzichtete auf Urlaub, und als das Jahr vorbei war, verpflichtete er sich für ein weiteres auf einer Station, die noch weiter entfernt war. Die Zeit verging. Einem Projekt folgte das nächste. Während Sujak auf Vulkan von jedem Meister, bei dem er sich um eine Ausbildung bemühte, eine Absage erhielt, machte Tobin sich in der Wissenschaft einen Namen. Der Kontakt zwischen ihnen riss zwar nicht ab, doch innerlich entfernte Tobin sich immer mehr von Sujak und Vulkan. Dann erreichte Tobin ein verzweifelter Hilferuf. Fünf Jahre waren vergangen, und Sujak hatte sein erstes Pon Farr erreicht. Zu dieser Zeit vermochte Tobin sich kaum daran zu erinnern, wie er jemals auf die Idee gekommen war, sich an einen Vulkanier binden zu wollen. Er hatte eine Arbeit, die ihn ausfüllte. Er wollte keine Beziehung. Schon gar keine, die eine Verpflichtung für den Rest seines Lebens darstellte. Daher sandte Tobin seinem früheren Geliebten eine Nachricht, in der er ihm mitteilte, dass seine Gefühle sich geändert hätten und Sujak sich jemand anderen suchen sollte. Es war eine aufgezeichnete Botschaft, da ihm der Mut für ein persönliches Gespräch fehlte. Dreimal versuchte Sujak, Kontakt mit Tobin aufzunehmen. Dreimal ließ dieser sich verleugnen. Dann kamen keine Transmissionen von Vulkan mehr. Tobin war erleichtert. Er vergaß die Sache. Dax jedoch vergaß nie. Sein nächster Wirt war ein sensibler Künstler. Die Erinnerung an Sujak belastete ihn. Er reiste nach Vulkan. Dort erfuhr er, dass Sujak sich geweigert hatte, eine andere Bindung einzugehen. Seinem Wunsch entsprechend hatte man ihn in der Wüste ausgesetzt, als das Pon Farr jenes Stadium erreichte, in der es lebensbedrohlich und der Betroffene eine Gefahr für seine Umgebung wurde. Niemand hatte jemals wieder etwas von ihm gehört. Alle nahmen an, dass er allein und einsam im Fieberwahn gestorben war. Dax vergab sich nie, auch wenn er lernte mit der Schuld zu leben.“
Jadzia sah Worf an, dass ihm T’Karas Misstrauen und ihre Ablehnung angesichts all dessen verständlich erschienen. Sie war ihm dankbar, dass er diesen Gedanken nicht laut aussprach. Eine Weile blieben beide stumm. Dann ergriff Worf das Wort: „Es war Tobins Entscheidung, nicht deine. Sujak hat zugelassen, dass du dich wegen seines Todes schuldig gefühlt hast, obwohl er noch am Leben war. Er hat seine Rache gehabt. Was immer in der Vergangenheit geschehen ist. Ihr seid quitt.“
Dax lächelte schief. „Ganz so einfach ist es leider nicht. Ich bezweifle, dass Sujaks Schweigen das Ziel hatte, Dax zu bestrafen. Tobin fühlte sich vom Ausbleiben einer Nachricht nicht bestraft, sondern vielmehr in seiner Meinung bestätigt, Sujak hätte sich anderweitig gebunden. Außerdem ist ein solches Prinzip der Bestrafung emotional und damit unvulkanisch. Sujak überlebte und brach mit Tobin Dax. Es ist logisch, eine Beziehung zu beenden, die keine mehr ist. Das ändert nichts daran, dass ich T’Kara helfen muss, auch wenn meine Hilfe unerwünscht ist. Ihr Vater hat mich darum gebeten. Damit gibt er mir die Gelegenheit, Tobins Schuld zu begleichen. Ich werde diese Chance nicht verspielen, nur weil T’Kara sich dagegen sträubt.“
„Dann glaubst du also ebenfalls nicht, dass Li Kerim sie aus freien Stücken verlassen hat?“
„Ich weiß es nicht. Aber ich werde nichts unversucht lassen, ihn ausfindig zu machen. Der Rest ist eine Sache zwischen ihm und T’Kara.“

***

Vorsichtig stellte Ruvok den Teller mit heißer Plomeek-Suppe auf dem kleinen Tisch ab, bevor er gegenüber T’Kara Platz nahm. „Sie müssen Nahrung zu sich nehmen“, forderte er sie auf. „Die Logik verlangt, dass Sie alles tun um bei Kräften zu bleiben.“
Die Vulkanierin nahm den Löffel, den er ihr hingelegt hatte. Dann ließ sie ihn wieder sinken.
„Nein.“ Ihre Stimme war ebenso ruhig wie ihr Blick, der ihm unmissverständlich sagte, dass sie bei ihrer Weigerung bleiben würde.
„Es ist unlogisch, sich logischen Argumenten zu verschließen.“
„Sprechen Sie von der Suppe?“
„Unter anderem. T’Kara, Sie sind die Tochter meines ehrwürdigen Lehrmeisters. Ich weiß, es steht mir als Schüler Ihres Vaters nicht zu, Sie zu kritisieren.“
„So ist es.“
„Andererseits fühle ich mich für Sie verantwortlich, da Ihr Vater mich damit betraut hat, Sie zu begleiten. Daher halte ich es für meine moralische Pflicht, Sie davor zu bewahren, sich unlogisch zu verhalten.“
„Dafür besteht keine Veranlassung.“
„Bitte verzeihen Sie, dass ich in diesem Punkt anderer Ansicht bin als Sie. Li Kerims Reise nach Bajor verlief plangemäß. Die hiesigen Behörden haben keine Kenntnis von einem Unfall oder einem Verbrechen, dem er zum Opfer gefallen sein könnte. Wofür es auch sonst keine Anzeichen gibt. Vedek Milans Erklärung für Li Kerims Verschwinden, so schmerzvoll sie für Sie auch sein mag, entbehrt nicht der Logik. Mehr noch, betrachtet man alles zusammen, dann erscheint es mir als die einzige logische Erklärung. Li Kerim ist kein Vulkanier. Seine Mentalität unterscheidet sich von der unseren, er ...“
„Schweigen Sie!“, fiel T’Kara Ruvok so heftig ins Wort, dass er zusammenzuckte. „Li Kerim würde mich niemals verlassen!“
Eine winzige Schweißperle hatte sich auf der Stirn der Vulkanierin gebildet, die an ihrem Haaransatz hinabrann als sie abrupt aufstand. „Ich möchte jetzt allein sein.“
Ruvok erhob sich. „Wie Sie wünschen. Falls Sie mich brauchen sollten, wissen Sie wo Sie mich finden.“
T’Kara wollte etwas erwidern, wurde jedoch durch das Summen des Türmelders daran gehindert. Auf ihr „Herein!“ hin betrat Jadzia Dax das Quartier.
„Was wollen Sie?“
Dax ignorierte die für einen Vulkanier untypische Unhöflichkeit dieser Begrüßung. „Ich bin gekommen, um Sie um Verzeihung zu bitten, T’Kara. Ich habe Ihre Würde und die Ihres Th’yla verletzt, indem ich voreilig eine Schlussfolgerung zog, für die es keine eindeutigen Beweise gibt. Das tut mir aufrichtig leid.“
„Ich akzeptiere Ihre Entschuldigung“, sagte die Vulkanierin nach kurzer Überlegung.
„Dann sind Sie bereit, meine Unterstützung weiterhin in Anspruch zu nehmen?“
„Ja.“
Jadzia runzelte leicht die Stirn. Irrte sie sich, oder hatte T’Karas Stimme bei ihrer Antwort geschwankt. „Fühlen Sie sich nicht wohl?“
„Es geht mir gut, danke. Der Flug nach Bajor hat mich lediglich ein wenig ermüdet, daher ...“
T’Karas Satz blieb unbeendet als die Vulkanierin in sich zusammensackte und ohnmächtig auf den Boden des Quartiers sank.

***

Besorgnis lag in Julian Bashirs Miene. Er hatte die Untersuchung der Vulkanierin mit einigen Injektionen beendet. T’Kara hatte das Bewusstsein noch immer nicht wiedererlangt. Und der Ausdruck in Bashirs Zügen war mehr als beunruhigend.
„Was fehlt ihr?“, fragte Jadzia, obwohl sie fürchtete, die Antwort bereits zu kennen.
Julian streifte seine medizinischen Handschuhe ab. Sein Blick suchte denjenigen Ruvoks. „Sind Sie Ihr Bindungspartner?“
„Wenn ich es wäre, befände sie sich nicht in diesem Zustand“, bemerkte der Vulkanier steif.
Der Arzt errötete leicht. „Natürlich. Das war unüberlegt von mir. Bitte entschuldigen Sie.“
Dax atmete tief durch. „Sie befindet sich im Pon Farr, nicht wahr?“
Bashir nickte. „Erstaunlich, dass sie sich bisher so gut unter Kontrolle hatte. Vermutlich hat sie sich mit Medikamenten selbst behandelt. Viel mehr kann ich leider auch nicht für sie tun. Der Einzige, der ihr in diesem Zustand helfen kann, ist ihr Bindungspartner. Sie hat doch einen?“
„Nicht ganz“, antwortete Dax. „T’Kara stand im Begriff, eine Bindung mit einem Bajoraner einzugehen, die bisher jedoch noch nicht vollzogen wurde.“
„In dem Fall sollte das schnellstens geschehen. Ihr Zustand fängt an, kritisch zu werden. Also schaffen Sie ihren Verlobten her.“
„Bedauerlicherweise ist sein derzeitiger Aufenthaltsort unbekannt“, sagte Ruvok.
Julian starrte ihn an. „Soll das heißen, Sie wissen nicht, wo er steckt?“
„So könnte man es ausdrücken.“
„Dann finden Sie ihn. Ohne einen Partner wird sie sterben. Das ist Ihnen hoffentlich klar?“
„Vollkommen.“ Jadzia zwang sich, ihren Blick von der reglosen Gestalt auf der Liege zu lösen. Wie grausam die Ironie des Universums war, in dem sich alles irgendwann wiederholte ...
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