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Die Tochter des Meisters

von Martina Strobelt

Kapitel 3

Daten über Daten. Jadzias Augen brannten vor Müdigkeit. Es wäre einfacher gewesen, hätte sie gewusst, wo sie suchen sollte. Ruvok hatte die Vermutung geäußert, Li Kerim könnte vielleicht erfahren haben, dass Verwandte von ihm noch irgendwo auf Bajor oder auf einer anderen Welt lebten und sich auf die Suche nach ihnen gemacht haben. Obwohl die Trill dies für unwahrscheinlich hielt, hatte sie die halbe Nacht damit zugebracht, diese Möglichkeit zu überprüfen. Ohne Erfolg. Wenn wirklich noch Angehörige der Familie Li irgendwo existierten, waren sie nirgends erfasst worden. Die bajoranischen Daten waren unvollständig. Die der Föderation waren zwar genauer. Aber Bajoraner waren damals in alle Teile des Quadranten geflohen, nicht nur in jene, die zum Hoheitsgebiet der Föderation gehörten.
Eine Hand tauchte in Jadzias Blickfeld auf und deaktivierte das Display ihres Terminals, bevor sie protestieren konnte. „Worf!“
„Du brauchst Schlaf, Jadzia.“
„T’Kara ringt mit dem Tod. Wie kann ich da an etwas Banales wie Schlaf denken?“
„Du übertreibst. Wie gewöhnlich.“
„Was soll das heißen?!“
„Doktor Bashir gibt T’Kara noch mindestens zwei Tage.“
„Wie überaus beruhigend! Da kann ich mich ja getrost ins Bett legen!“
„Das solltest du. Jadzia, das alles führt zu nichts, und das weißt du auch.“
„Was soll ich deiner Meinung nach tun? Sie sterben lassen?“
„Nein. Aber du solltest aufhören, krampfhaft nach einer logischen Erklärung zu suchen. Du bist keine Vulkanierin. Überlass es Ruvok, Li Kerims Verschwinden anhand der Gesetze der Logik zu betrachten. Du bist mehr als nur eine Wissenschaftlerin. Du bist eine Kriegerin. Vertrau deinen Instinkten. Lasse dich von ihnen leiten. Selbst wenn sie dich in eine andere Richtung führen als deine logischen Überlegungen.“
Dax schloss ihre Augen und dachte schweigend über seine Worte nach. „Ich möchte ja auf meine Instinkte hören. Doch wie soll ich das, wenn sie sich nicht rühren?“
„Du brauchst Schlaf“, wiederholte Worf. „Wache Instinkte anstatt Übermüdung.“
Gegen Jadzias Willen stahl sich ein Lächeln auf ihre Züge. „Du klingst nicht gerade wie ein wilder Klingone.“
„Ich bin mit einer Trill verheiratet. Ich habe gelernt, mich anzupassen.“
Worf legte seine Arme von hinten um ihre Schultern. Jadzias Wange lag an dem rauen Leder seiner Weste. Tief sog sie den Geruch des Materials ein. Sie liebte diesen Duft. Er gehörte zu Worf. Mit einem Seufzen kuschelte sie sich an seine Brust. In der Geborgenheit seiner Umarmung fiel die Anspannung der vergangenen Stunden allmählich von ihr ab. Solange er an ihrer Seite stand, stark und unerschütterlich, würde sie jedes Problem bewältigen.
Zwei stolze Seelen, füreinander erschaffen. Zwei leidenschaftliche Herzen, unüberwindlich durch die vereinte Kraft ihres gemeinsamen Schlages.
„Dieses Schiff“, meinte Worf unerwartet.
„Welches Schiff?“, murmelte Dax schläfrig.
„Das Li Kerim nach Bajor gebracht hat. Hatte es eine vulkanische Besatzung?“
„Ja, vermutlich.“ Schlagartig war Dax hellwach, als ihr die Bedeutung seiner Frage bewusst wurde. War es ein vulkanisches Schiff gewesen? Weder T’Kara noch Ruvok hatten ein Wort über die Nationalität verloren. Ruvok hatte lediglich die Auskunft des Captains mitgeteilt, Li Kerim wäre sicher auf Bajor angekommen. Das Wort eines Vulkaniers würde sie nicht in Zweifel ziehen. Doch wie stand es mit dem eines anderen? Hatten sie womöglich die ganze Zeit eine falsche Spur verfolgt? Was wäre, wenn Li Kerim nicht erst auf Bajor, sondern bereits vorher, irgendwo auf der Reise von Vulkan etwas zugestoßen war?
Vertrau deinen Instinkten.
Dax wand sich aus Worfs Armen. „Du hast recht. Ich weiß nicht, welche Nationalität das Schiff hatte. Doch“, sie aktivierte ihr Terminal wieder, „das lässt sich leicht feststellen.“

***

Julian Bashir war es gelungen, T’Kara mit Hilfe von Medikamenten soweit zu stabilisieren, dass sie sich und ihre Emotionen wieder unter Kontrolle hatte, zumindest für den Moment. Dennoch hatte der Arzt darauf bestanden, dass die Vulkanierin auf der Krankenstation blieb. Da sein Ansinnen logisch war, hatte T’Kara sich gefügt. Nun saß sie auf einer Diagnoseliege und lauschte stumm und scheinbar ohne Regung Jadzias Bericht.
„Kerim befand sich an Bord eines Ferengi-Frachters“, sagte Dax gerade. „Wussten Sie das?“
„Nein. Er hat es nicht erwähnt.“
„Finden Sie das nicht ungewöhnlich?“
„Es war sein Recht, es für sich zu behalten.“
Die Trill hob abwehrend ihre Hände. „Das habe ich nicht gemeint. Meine Frage bezog sich auf das Schiff. Vulkanier sind nicht gerade die begehrtesten Kunden der Ferengi. Im Gegenteil. Ein logisch arbeitender Verstand gepaart mit einem Mangel an Bedürfnissen und Emotionen, die man ausnutzen könnte, dürfte jeden Ferengi-Händler abschrecken, da all dies einem profitablen Geschäft nur hinderlich sein kann. Daher wette ich, dass sich Schiffe von Ferenginar nur äußerst selten in den Orbit von Vulkan verirren. Noch unwahrscheinlicher erscheint es, wenn man das Ziel des Schiffes bedenkt. Vulkan liegt weit abseits der direkten Route nach Bajor. Der Frachter hat einen erheblichen Umweg genommen. Da fragt es sich, wieso? Merkwürdig ist bei dem Ganzen auch, dass die Ferengi keinen Zwischenstopp auf DS9 gemacht haben. Das ergibt keinen Sinn. Bajor ist alles andere als eine reiche Welt. Wer hohe Profite erzielen will, der kommt nach DS9. Bajor und DS9. Das wäre aus Ferengi-Sicht logisch. Aber Bajor allein? Alles in allem betrachtet, sehe ich hier eine Menge Ungereimtheiten. Zufällig befindet der Frachter sich gerade im Orbit von Vulkan als Kerim eine Passage nach Bajor sucht. Was zufällig das Reiseziel der Ferengi ist. Für meinen Geschmack sind das zu viele Zufälle, als dass ich hier an Zufall glauben will.“

***

Sand wohin das Auge reichte. Endlose Weite, Berge aus Stein und Staub. Die Hitze, die über allem hier lag, hatte etwas Lähmendes. Dax hielt schützend ihre rechte Hand an ihre Stirn, als sie ihren Blick langsam über die Wüste gleiten ließ.
Wie lange war sie nicht mehr hier gewesen.
Jahre zogen an ihrem geistigen Auge vorbei, Jahrzehnte. So viel hatte sich verändert. Doch hier schien es so, als wäre die Zeit stehen geblieben.
War es wirklich schon über ein Jahrhundert her, seit sie das letzte Mal den heißen trockenen Wind auf ihrer Haut gespürt, sein leises Klagen in den Schluchten der sandigen Täler vernommen hatte?
So viele Erinnerungen.
Sujaks liebevoller Blick, der auf seinem Freund ruhte, jeder seiner Bewegungen folgte. Ein Kreis aus Steinen. Fackelschein, der über zwei Gesichter zuckte. Ein gegenseitiges Versprechen.
Energisch verbannte Dax diese Gedanken in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins. Später vielleicht würde sie es sich erlauben, die Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen. Hier und jetzt hatte sie Wichtigeres zu tun.
Die letzte Unterhaltung mit Ruvok klang in Jadzias Ohren.
„Meister Sujak hat mir die Verantwortung für T’Karas Leben für den Fall übertragen, dass wir Kerim nicht rechtzeitig finden.“
„Heißt das, Sie sollen Kerim ersetzen?“
„Eine logische Alternative. Ich bin Vulkanier, ungebunden und Vater und Tochter in allen Ehren zugetan. Meister Sujak befürchtete, dass sie unser Vorhaben misslingen könnte. Nur aus diesem Grund forderte er mich auf, T’Kara zu begleiten, um sie durch unsere Verbindung zu retten, sollte es nötig werden.“
„Was ist, wenn T’Kara sich weigert?“
„Sie ist Vulkanierin. Es liegt keine Logik darin, einen sinnlosen Tod zu wählen. Ihr Vater hat das einst erkannt und eine logische Entscheidung getroffen. T’Kara wird dies ebenfalls tun, sollte die Situation es erfordern.“

Ruvoks Worte hatten Dax in der Absicht bestärkt, Kerim um jeden Preis rechtzeitig aufzutreiben. Bevor T’Kara gezwungen war, sich ohne Liebe an einen Mann zu binden, für den dies nichts weiter als eine logische Entscheidung war.
Ihre Suche hatte Jadzia nach Last Chance, dem berühmt-berüchtigtem Schmugglernest geführt. Dort hatte sie schließlich den Ferengi-Captain gefunden und ihn überzeugt, dass es besser war, keine Geheimnisse vor ihr zu haben.
Von Natur aus waren Ferengi geborene Lügner. Aber ihr Überlebensinstinkt war nicht weniger stark ausgeprägt. Daher war die Trill sicher, dass Tog ihr die Wahrheit gesagt hatte.
Li Kerim war auf Bajor nicht von Bord des Frachters gegangen. Mit dieser Auskunft hatte Jadzia gerechnet. Der Grund indessen, war mehr als überraschend gewesen.
„Er hätte das Schiff gar nicht verlassen können, weil er überhaupt nicht an Bord war.“
„Soll das heißen, dass er ein anderes Schiff genommen hat?“
„Nein, ich meine, dass er die Reise nicht angetreten hat.“

Auch wenn es Jadzia schwerfiel. Sie glaubte Tog. Blieb die Frage nach dem Wieso. Der Ferengi hatte ihr keine Erklärung liefern können. Auffällig war jedoch, dass die Buchung der Passage durch Kerim persönlich erfolgt war, die Stornierung hingegen durch einen Freund, der sich nicht vorgestellt hatte. Da der Unbekannte ihm eine stattliche Entschädigung dafür gezahlt hatte, dass er den Umweg nach Vulkan gemacht hatte und darüber hinaus zum überhöhten Preis eine Fracht für Bajor aufgegeben hatte, war Tog zufrieden gewesen. Die Hintergründe hatten ihn nicht interessiert. Natürlich war es ungewöhnlich, einen Frachter von Ferenginar für eine Reise von Vulkan nach Bajor anzuheuern, um es sich dann anders zu überlegen. Andererseits, vermutlich hatte die Buchung der Passage lediglich ein Ablenkungsmanöver dargestellt, während es tatsächlich immer nur um die Fracht gegangen war. Tog war dies mehr als gleich gewesen.
Im Gegensatz zu Jadzia, die alles verwirrend und sehr verdächtig fand. Sie hatte ganz Bajor nach Kerim abgesucht. Sie wäre bereit gewesen, den ganzen Alpha-Quadranten abzusuchen, ohne sich dabei träumen zu lassen, wohin ihr Weg sie am Ende führen würde.
Vulkan.
Erneut drohten Erinnerungen sie zu überwältigen. Die meisten Andersweltler kamen mit dem Klima des Planeten nicht zurecht, der Hitze und dem akuten Mangel an Wasser. Hier gab es so gut wie keine Vegetation. Gärten waren den Vulkaniern fremd. Niemand wäre auf die Idee gekommen, kostbares Nass an Pflanzen zu verschwenden, deren Zweck sich darin erschöpfte, eine Zierde zu sein.
Dax jedoch hatte Vulkan vom ersten Moment an geliebt, als Tobin seinen Fuß auf diese rote Erde gesetzt hatte. Jadzia dachte an die vielen Jahre, die Tobin Dax hier verbracht hatte, daran wie er sich nach und nach an die vulkanische Art zu denken und zu leben angepasst hatte. Denn mehr war es nicht gewesen. So bitter die Erkenntnis auch war. Verinnerlicht hatte er die vulkanischen Werte nie. Sonst hätte er Sujak nicht aus einem unüberlegten Gefühl heraus sein Wort gegeben, um es später zu brechen. Wahrscheinlich war es Dax’ Schicksal, von fremden Lebensweisen magisch angezogen zu werden, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Damals war es die vulkanische Lebensart gewesen. Im Moment war es die klingonische. Dazwischen hatte es viele andere gegeben.
Jadzia schlug die Kapuze ihrer langen weißen Robe zurück. Vulkanische Kleidung war alles andere als praktisch. Aber Dax wollte so wenig wie möglich auffallen. In Sujaks Schule hatte man ihr seinen momentanen Aufenthaltsort nicht nennen können. Taktvoll hatte man jeden Hinweis auf seine Krankheit vermieden und sich auf die Mitteilung beschränkt, dass er Ruhe und Einsamkeit wünsche. Auch Sujaks Gattin, eine stolze, würdevolle Vulkanierin, hatte Jadzia keine Auskunft geben können. Sofern sie dies überhaupt gewollt hatte.
Im Grunde benötigte Jadzia diese Information ohnehin nicht. Sie war sicher, wo sie Sujak finden würde.
Lasse dich von deinen Instinkten leiten.
Dax orientierte sich kurz. Dann ging sie entschlossen der grauen Felskette entgegen. Dem einzigen, dem weder die Hitze noch die Sandstürme etwas anhaben konnten.

***

Besorgt beugte Julian Bashir sich über das schweißüberströmte Gesicht seiner Patientin. T’Karas Zustand hatte sich innerhalb der letzten Stunden zusehends verschlechtert. Der Arzt presste einen Injektor an den bleichen Hals der Vulkanierin. Zischend entlud sich die Ladung.
T’Kara atmete wieder etwas ruhiger. Doch Bashir war weit davon entfernt, sich trügerischen Hoffnungen hinzugeben. Das Medikament mochte ihr Erleichterung verschaffen. Aber am Ende gab es nur ein Heilmittel, das ihr Leben würde retten können.
Ruvok, der neben ihn an T’Karas Krankenlager stand, betrachtete sie ausdruckslos. „Die Chancen, dass Commander Dax mit ihrer Mission Erfolg hat, werden immer geringer. Die Logik verlangt eine vernünftige Entscheidung.“
„Es tut mir leid“, meinte Bashir. „Ich kann eine solche Entscheidung nicht treffen. Nicht gegen den ausdrücklichen Willen meiner Patientin!“
„Bei allem Respekt, Doktor. T’Karas Fähigkeit, logisch zu denken wird durch das Pon Farr beeinträchtigt. Sie sind Arzt. Es ist Ihre Pflicht, Ihrer Patientin zu helfen.“
„Es ist überflüssig, mich über meine Pflichten zu belehren. Ich kenne sie genau“, sagte Bashir mit ungewollter Schärfe. „Entschuldigen Sie“, fügte er versöhnlich hinzu. „Diese Sache geht mir sehr nahe. Das dürfen Sie mir glauben. Doch T’Karas Wunsch war eindeutig. Sie akzeptiert keine andere Bindung. Selbst wenn dies ihren Tod bedeutet. So sehr ich Ihren Standpunkt verstehe. Ich kann nicht gestatten, dass Sie sich über T’Karas Willen hinwegsetzen.“
„Ich bedaure dies sehr, Doktor. In diesem Fall bleibt mir leider keine andere Wahl.“ Ruvoks Rechte schoss vor und schloss sich um den Nacken Bashirs.
Unter dem vulkanischen Nervengriff brach der Arzt bewusstlos zusammen.
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