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Unterm Feuer

von werewolf

Kapitel 1

Das Schwirren der Insekten empfand der vierzehnjährige Chakotay heute als besonders aufdringlich, als er seinem Vater durch den nicht enden wollenden Urwald folgte. Der Pfad, auf dem sie gingen, führte auf umständlichen Wegen immer weiter von ihrer Siedlung fort und er wusste nicht einmal, wohin sie wollten.
Eigentlich war es aber weder das Gewicht des schweren Kanisters auf seinem Rücken noch die die drückende Luft, die ihm den Gang immer länger vorkommen ließ. Es war die Aufregung.
Eine Probe sollte es sein, hatte sein Vater gesagt. Wenn er sie bestünde, dürfe er in die Sternenflotte eintreten, wenn auch nur unter dessen Widerwillen.
Aber das war es, was er wollte, und er war bereit, alles dafür zu tun.

Morgen würde er fünfzehn Jahre alt werden, könnte gleich anfangen. Wenn er diesen Test bestand. Wenn. Sein Leben enthielt oft die Worte wenn und falls, ein Umstand, der ihn einigermaßen störte. Er war von einem heftigen Temperament, sagte man ihm oft, aber er fand das nicht. Er wollte etwas verändern, im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern seines Stamms, die sich nur beklagten über Dinge und widerstandslos sämtliche Repressalien hinnahmen. Die noch immer in der Vergangenheit lebten, damals, als noch alles ganz anders gewesen war, und nicht bereit waren, sich mit der Zeit zu verändern.


Nach einer längeren Zeit und sicherlich mehreren Kilometern gelangten sie an eine Art künstliches Wasserloch, vielleicht fünf mal zehn Meter in den Maßen und etwa vier Meter tief. Es musste lange gedauert haben, das nur mit Schaufeln auszuheben, kam ihm in den Sinn. Genauso, wie es ihm auffiel, dass sich kein Lebewesen darin befand. War das der Grund, warum er gestern einige Leute mit Eimern und Netzen hier entlang gehen gesehen hatte?
Aber was wollten sie hier? Sollte er schwimmen? Das konnte er gut, es würde keine wirkliche Schwierigkeit sein, das Gewässer zu durchqueren.

Mit einigem Erstaunen beobachtete er, wie Kolopak zwei Schwimmbarrieren aus Kunststoff aus dem Rucksack nahm und am Ufer fixierte. Nicht nur, dass es sich um moderne Materialien handelte, eine Seltenheit bei seinem Stamm, sondern auch der Sinn davon blieb ihm verschlossen.
Auf Geheiß seines Vaters umschritt er das Gewässer und zog die andere Seite des Ölbegrenzungsschlauchs an dem Rand des Teichs.
„Was wird das?“
„Das wirst du gleich sehen.“ Sein Vater ließ sich den Kanister geben. „Wie du sicher weißt, schwimmt Benzin auf dem Wasser und vermischt sich nicht. Wenn man es dann anzündet, brennt es eine kurze Zeit lang.“
Sicher wusste er das. Jeder wusste das. Aber was hatte das mit ihm zu tun?
„Du wirst darunter hindurchtauchen. Wenn du das tust, kannst du meinetwegen gleich morgen bei der Sternenflotte anfangen.“
Ein unsinniger Test, so dachte er. Welchen Zusammenhang gab es zu seiner Ausbildung? Absurd, wie eigentlich alles. Wie stummes Leiden, Festhalten an inhaltsleeren Traditionen oder Verträge, die seinem Stamm nichts brachten als Nachteile und die man dennoch unterschrieben hatte.

Dennoch nickte er. „Mache ich.“ Kaum gesagt, begann er, sich bis auf die Unterhose auszuziehen. Sollte ja keiner denken, dass er doch noch einen Rückzieher machte, dass er am Ende gar Angst hatte vor der Feuersbrunst, unter der er hindurchschwimmen sollte, als wäre nichts.

Überwindung. Luft holen. Sprung.

Sobald er mit dem Kopf unter Wasser war, umfing ihn die Ruhe, die er schon immer beim Tauchen gemocht hatte. Mit wenigen kräftigen Schwimmzügen würde er es schaffen. Keine Schwierigkeit.

Der Widerschein des Feuers war seltsam verzerrt durch das Wasser, ein Leuchten, ein Flackern. Fast schon surreal. Wenn er nicht wüsste, dass er da wäre, so würde er es nicht glauben. Würde es für eine Täuschung halten.
Ein seltsamer Moment, schwebend fast, nur durch eine Wasserschicht getrennt von dem Toben der Flammen. Dicht daran und doch so weit entfernt.

Dann war dieser Moment vorbei, als er hinter der Abgrenzung auftauchte. Hinauf. Über Wasser und hinauf zu den Sternen, sein größter Traum und nun bald die Realität.



Chakotay dachte auch dann, als er schon längst ein erwachsener Mann war, noch öfter an diese Begebenheit. Wie manche Leute eine Schneekugel zwischen den Fingern hielten oder auf der Handfläche balancierten, so tat er es mit dieser Erinnerung.
Heute wusste er auch, warum sein Vater ihm diese Prüfung gestellt hatte, wusste, was er daraus gelernt hatte.
Zum Beispiel, dass die Flammen manchmal dort am höchsten schlugen, wo man sie am wenigsten erwartete. Sein Vater, ein stiller Mann, der brannte für den Kampf gegen die Unterdrücker und dessen Lebenslicht dabei hinweggewischt wurde, wie so viele.
Oder dass die größte Feuersbrunst genauso schnell wieder verlöschen konnte, wie sie begonnen hatte. Er erinnerte sich in diesem Zusammenhang an seine anfängliche Begeisterung für die Sternenflotte. Erloschen in der Erkenntnis, wie wenig sie taten und wie viel der Maquis.
Wie nahe es manchmal beieinander lag, in Frieden zu leben und im Hass zu brennen. Dass beides zugleich möglich war. Sein Stamm hatte es so getan, mit flammendem Herzen in der Ruhe und Abgeschiedenheit der ewigen Wälder, die leider nicht so endlos waren, wie sie ihm als Junge vorgekommen waren.
Das Wichtigste, was er davon behalten hatte, war allerdings dieses Gefühl gewesen. Friedliches Schwimmen unterhalb der tobenden Flammen.
Dieses Gefühl, das er hatte, wenn er an Abenden wie diesem auf dem Aussichtsdeck stand, in der Dunkelheit, und hinaussah. Egal, was im Universum passierte, es gab genug schlimme Dinge, es gab diesen Frieden noch immer. Den er empfand, in solchen Momenten.
Und er hatte seitdem seine Faszination für das Feuer nicht mehr verloren. So unberechenbar, heftig und kurzlebig, in der Glut weiter existierend, ein Windstoß reichte für den Funkenflug. Von der Asche bedeckt, schwelend, bis es neues Material gab, was es zu verbrennen galt. Gefährlich und nützlich zugleich, Städte brannten und Lagerfeuer. Versengende Hitze und rettende Wärme. Alles vereint in einem Element, das doch zu keinem Zweck existierte als für sich selbst. Die Menschen konnten es entfachen und löschen, aber sie waren nicht der Grund, weswegen es da war.

Er hatte viel über das Feuer gelernt und somit auch viel über sich. Sehr viel, denn er war auch so.
Wenn er es seinem Vater nur sagen könnte, wie lehrreich seine Zeit mit ihm gewesen war. Aber das war unmöglich, Kolopak lag irgendwo begraben, seit Jahren schon.
Und so war dieses Gefühl eines der letzten Andenken an diesen großartigen Mann. Eins, das er nie verlieren würde, wohin er auch ging.


Danke fürs Lesen :)
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