Im Grunde hatte McCoy gar keine Zeit, sich wieder auf der Brücke sehen zu lassen, denn an einem Mangel an Beschäftigung litt er wahrlich nicht. Weder er, noch seine Angestellten. Aber er sah ein, dass eine Besprechung vor Ort weitaus effektiver war, als wenn er den Sachverhalt über Interkom durchgab. Vermutlich würde es nicht bei einem Gespräch zwischen ihm und dem Captain bleiben, sondern wie er den leitenden Wissenschaftsoffizier kannte, würde der sich kaum davon abhalten lassen, seine Meinung dazu zu äußern und dann würde es unübersichtlich zu werden. Seine Möglichkeiten, den Vulkanier in seinem rein logischen Redefluss zu stoppen, waren bei einer reinen Sprachkommunikation sehr beschnitten.
Dass er dennoch über sein Erscheinen unglücklich war, versuchte er nicht mal zu kaschieren. Kirk sollte ruhig merken, dass ihm nicht daran gelegen war, hier seine Zelte aufzuschlagen. Dem zweifelnden Blick des Captains nach, war ihm dieser Eindruck gelungen.
„Wie sieht es aus, Pille?“, fragte Jim auch sogleich.
Seinem Bericht stand demnach nichts im Weg. „Drei der Techniker sind zur Zeit bewusstlos, sechs weitere dienstunfähig, aber bei Bewusstsein. Alle zeigen die Symptomatik eines Sonnenstichs und die damit verbundenen Ausfallerscheinungen.“ Soweit die fragwürdige Bilanz seines Ressorts. Eine Ausschmückung von Details sparte er sich für den Moment. Dass die betroffenen Techniker dienstunfähig waren, reichte für den Moment.
Aber nicht dem Captain. „Das heißt, du kriegst die wieder hin“, vermutete er. Einen gewissen Unterton der Selbstverständlichkeit nahm McCoy verstimmt wahr.
„Das weiß ich nicht“, verdeutlichte der Mediziner die Ernsthaftigkeit der Lage. „Vermutlich werden die sechs Techniker, die der Strahlung nicht zu lange ausgesetzt waren, keine Schäden davontragen. Wie es um die drei Schwerverletzten bestellt ist, kann ich dir erst sagen, wenn diese wieder zu Bewusstsein gekommen sind und ich ihren neurologischen Status prüfen konnte. Die Untersuchungen haben bisher ergeben, dass die Hirnhäute stark gereizt sind und die Entzündungsreaktion sich teilweise bis ins verlängerte Rückenmark fortgesetzt hat. Ich kann Beschädigungen daran oder auch Hirnschäden nicht ausschließen.“ Die umgreifende, unangenehme Stille hatte er zur Kenntnis genommen, aber maß ihr keine gesteigerte Beachtung zu. Das war jetzt nicht wichtig. Wichtig war, dass Kirk die Tragweite dieses Vorfalls verstand und sich nicht dazu verleiten ließ, auf gut Glück erneut in diese Todeszone zu fliegen. Es war reines Glück, dass sie noch keine Toten zu beklagen hatten. Aber zum jetzigen Zeitpunkt war das leider keine endgültige Statistik.
In Kirks Augen aber regte sich nicht der Widerstand, den er erwartet hatte. Keine Abenteuerlust, kein Forscherehrgeiz. Stattdessen waren dort Bedauern und Zweifel.
„Doktor“, meldete sich, wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, Spock von seinem Platz aus. „Wir konnten die Quelle der Wärmestrahlung ausmachen. Das Phänomen beschränkt sich auf den Maschinenraum, da der Warpkern die einzige Quelle an Bord ist. Genaugenommen dient er als Katalysator. In entsprechender Schutzkleidung ist das Betreten des Bereichs vollkommen ungefährlich.“
Die Augen des Mediziners verengten sich. „Ungefährlich“, wiederholte er gefährlich leise. „Im Allgemeinen gilt das Betreten des Maschinenraums überhaupt als ungefährlich. Wir haben gerade erlebt, dass das in diesem Fall unzutreffend ist. Eine Erkenntnis, von der vielleicht nur sechs von neun einmal berichten können.“ Und wenn der Erste Offizier jetzt noch mit Wahrscheinlichkeiten um die Ecke käme, würde es noch jemanden geben, der sich als Berichterstatter zukünftig ungeeignet wäre.
„Verstehe ich das richtig, Pille? Du rätst davon ab, umzukehren und sich dem System erneut zu nähern“, fasst Kirk seine Überzeugung in prägnante Worte.
„Zum jetzigen Zeitpunkt“, relativierte McCoy die Aussage allerdings. Es war ihr Auftrag, dieses System zu erforschen. Es nicht zu tun, würde bedeuten, zumindest die Basis 482 vollständig evakuieren zu müssen. „Wir sollten nichts überstürzen und uns Zeit nehmen, die Lage zu überprüfen.“
„Das haben wir“, erklärte der Vulkanier souverän. „Es stellt sich derzeit so dar, dass es keine weitere Gefahrenquelle gibt und ein Weiterflug unbedenklich ist. Das Zusammenspiel der beiden Kräfte war bisher nicht bekannt, so dass die Gefahr gewissermaßen unvorhersehbar war. Die Chancen, dass sich etwas Ähnliches wiederholt, besteht, aber ist äußerst gering.“
Captain Kirk hob die Hand, um seinem Ersten Offizier Einhalt zu gebieten.
McCoy, der das noch nicht oft erlebt hatte und schon drauf und dran gewesen war, seiner konträren Einschätzung Ausdruck zu verleihen, stutzte verblüfft.
Der Captain verließ seinen Posten, näherte sich ihm und blieb vor ihm stehen. „Wie stehen die Chancen für die drei Techniker?“, fragte er mit gesenkter Stimme.
In Anbetracht der Sorge, die Kirk bereits an den Tag legte und gelegt hatte, verblasste McCoys Unmut, weshalb sein Vortrag auch weniger brennend ausfiel, als er es auf dem Weg zur Brücke geplant gehabt hatte. „Ich kann es nicht genau sagen, da die Strahlenintensität mit der auf der Erde schwer zu vergleichen ist. Sie war wesentlich intensiver, weshalb es so schnell zu Schädigungen kam.“ Ein Bericht, den er schweren Herzens vortrug. Aber etwas Besseres ließ sich dazu nicht sagen. „Wir müssen abwarten.“
„Wie geht es Scotty?“
Beinahe hätte der Schiffsarzt verdrängt, dass es ja auch der Chefingenieur war, der mit im Maschinenraum gewesen war. „Er ist noch etwas schwach auf den Beinen, aber er hat Glück gehabt.“ Oder war das vermutlich zu optimistisch? „Natürlich wird man auch bei ihm abwarten müssen, bis alle Beschwerden abgeklungen sind.“ Und ob sie alle abklingen würden. Aber das sagte er dann doch nicht laut. Stattdessen hatte er eine Frage. „Wie sieht dein weiterer Plan aus?“
Jims ratloser Blick sprach allerdings Bände. „Ich bin mir nicht sicher.“
Prüfend musterte McCoy ihn, gestaltete es allerdings mit größtmöglicher Diskretion und enthielt sich der Nachfrage nach Kirks Befinden. „Welche Möglichkeiten stehen denn zur Wahl?“, fragte er stattdessen.
„Entweder wir nähern uns wieder dem System – natürlich nur unter den gegebenen Schutzauflagen – oder wir brechen die Mission ab.“
Das zweite Mal an diesem Tag überraschte Jim McCoy wirksam. Er zog einen Abbruch ernsthaft in Erwägung?
„Neun unserer Techniker fallen für unbestimmte Zeit aus“, erklärte der Captain nachdenklich, „und unsere Systeme sind laut Scotty ohnehin anfällig für Defekte.“
„Ist denn gesichert, dass es sich auch tatsächlich um eine Beeinflussung von außen handelt und nicht um einen Defekt des Warpkerns?“, hakte der Arzt an dieser Stelle kritisch nach. Dass er sich in der Rolle des Befürworters für den Weiterflug wiederfand, widerstrebte ihm, aber dieses System wie ein Damoklesschwert über sich hängen zu haben, nichts darüber zu wissen und niemals etwas darüber wissen zu werden, erschien auch ihm nicht richtig. Jetzt, wo diese Möglichkeit tatsächlich im Raum stand.
„Laut Spock ist die Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering“, erklärte Kirk, woraufhin McCoy sich eine Erwiderung seinerseits mühsam klemmte.
Nur abzuwarten und nichts tun zu können, war eine undankbare Aufgabe, wie Sulu fand. Was Kirk mit McCoy besprach, war von seinem Platz aus nicht zu hören, doch vermutlich drehte es sich direkt oder indirekt um den weiteren Kurs des Schiffes. Etwas, was ihn auch interessierte. Derzeit verharrte das Schiff an diesem Punkt, an dem die unbekannte Strahlung sie nicht erreichte, aber eine Erkundung des Systems höchstens unzureichend möglich wäre. Mehr, als sie bereits herausgefunden hatten, würden sie von ihrer jetzigen Position aus kaum herausfinden. Da konnten sie genauso gut abdrehen und das gesammelte Material auf der Basis auswerten.
Wie auch er, verfolgte Chekov das Gespräch der Kommandooffiziere gespannt, wenngleich es einem Stummfilm gleichkam, bis Spock sich dazugesellte und dessen nüchterne Betrachtungsweise mit der allgemeinen Spannung der Situation zu kollidieren drohte.
„Da in beiden Fällen ein geringes, aber vorhandenes Risiko besteht, sehe ich keinen Hinderungsgrund, die Reise fortzusetzen“, erklärte der Vulkanier kühl. „Genauso gut kann das Schiff auf dem Rückflug zur Basis durch einen feindlichen Angriff zerstört werden. Inwiefern eine mögliche weitere Strahlenwechselwirkung ein größeres Risiko birgt, erschließt sich mir nicht.“
Eine Betrachtungsweise, bei der es selbst Sulu einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. Es machte einen Unterschied, ob man sich solcher Umstände bewusst war, oder ob sie jemand laut aussprach. Und in diesem Fall so unbeeindruckt, als lese er den Wetterbericht der letzten Woche vor.
„Wenn Sie schon so anfangen, Mister Spock, dann lassen Sie sich gesagt sein, dass von einem Stein erschlagen zu werden angenehmer ist, als bei lebendigem Leib durch Strahlen zu verbrennen“, hielt der Schiffsarzt hörbar verärgert dagegen.
Aber besser machte es die von ihm geschilderte Folge nicht.
„Genau genommen handelt es sich bei dem vorliegenden Fall um eine isolierte, thermische Schädigung des Kopfes“, berichtigte der Commander ihn unbeeindruckt.
Kopf war ein gutes Stichwort. Eben jener von McCoy nahm eine gefährlich dunkle Färbung an. „Fälle, Mister Spock. Plural. Und wie sich so etwas äußert, können Sie auf der Krankenstation derzeit ausführlich studieren.“
„Da es sich um nur eine Wechselwirkung zweier Strahlen handelte, ist der Gebrauch des Singulars durchaus zutreffend“, entgegnete der Vulkanier.
Sulu teilte McCoys Unverständnis, fand aber nicht die richtigen Worte, um auszudrücken, wie sehr.
Ganz im Gegensatz zum Schiffsarzt, den Spock jedoch im Ansatz schon unterbrach.
„Zudem sind mir die Symptome durchaus bekannt und ich stimme Ihnen zu, dass sie vom Großteil der Betroffenen als unangenehm empfunden werden. Nichtsdestotrotz sind sie dem unveränderlichen Zustand des Todes vorzuziehen.“
McCoy, der immer noch dastand, als wolle er etwas sagen, stockte nach Spocks letzten Satz, in dem er dann doch noch auf das eigentliche Thema zu sprechen gekommen war.
Und er war offenbar noch nicht fertig. „Es ist der Auftrag der Enterprise, neue Welten zu erforschen. Eben eine solche Welt liegt direkt vor uns und umzukehren, verschafft uns aus statistischer Sicht keinen Vorteil. Außer, dass es eine verpasste Chance wäre, ein Mysterium zu ergründen.“
Wäre es nicht Spock gewesen, der es gesagt hatte, hätte Sulu gemeint, die Worte hätten versöhnlich geklungen. Aber da konnte es sich nur um einen Irrtum handeln. Spock war niemand, der um Verständnis warb.
Die Zweifel manifestierten sich auch in McCoys Mimik. „Das Mysterium des unbekannten Sonnensystems, oder wovon sprechen Sie, Spock?“
Auch, wenn der Navigator den Zusammenhang nicht feststellen konnte, war auch für ihn offensichtlich, dass der Mediziner genau daran zweifelte, sondern glaubte, dass es Spock um etwas anderes ging. Aber dem Vulkanier einen gesteigerten Ehrgeiz zu unterstellen, empfand Sulu als ungerecht. Denn dessen hatte der Erste Offizier sich niemals schuldig gemacht. Der große Vorteil der vulkanischen Spezies.
„In der Tat ist das Sonnensystem ein äußerst interessantes Studienobjekt. Weshalb es so lange in direkter Nachbarschaft zur Basis existieren konnte, entzieht sich jeder bisher bekannten Erklärung. Außerdem ist es eines von sehr wenigen, intakten und – soweit wir es bisher erfassen konnten – stabilen Doppelsternsysteme. Es wäre aus der Sicht der Wissenschaft ein großer Verlust, es nicht näher erforschen zu können.“ Inhaltlich war es genau das, was Sulu erwartet hatte. Doch der schneidende Unterton überraschte ihn ebenso wie McCoy.
„Ich glaube, Sie glauben dort noch etwas ganz anderes zu finden“, entgegnete der Schiffsarzt in aller Deutlichkeit. „Und ich glaube, dass sie daher befangen sind und die Situation nicht neutral beurteilen können.“ Ein Vorwurf, den man gegenüber Vulkaniern entweder äußerte, weil man die Spezies nicht kannte oder die Gründe hatte, welche Sulu allerdings nicht kannte.
Chekovs Gesichtsausdruck nach, dem fast das Kinn aus dem Gesicht fiel, waren ihm diese Hintergründe ebenso unbekannt. Diese Unterhaltung machte auf sie beide den Eindruck eines schlechten Traums.
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Stattdessen hörte man das stetige Piepsen der Computer und sogar das leise Klacken, wenn er die Daten der Sensoren weiterleitete oder auf die Datendisk im Speicher zugriff. Und das Hauptaugenmerk der gesamten Brückencrew lag auf dem Ersten Offizier Spock, dem es offensichtlich die Sprache verschlagen hatte.
Aber nur für einen sehr flüchtigen Augenblick. „Sie und ich wissen, dass diese Verhaltensweise meinem Naturell nicht entspricht, Doktor McCoy.“
Es war utopisch, aber Sulu hatte mit einer persönlicheren Antwort gerechnet. Stattdessen blieb Spock er selbst und das ließ die Vermutungen des Schiffsarzt noch unglaubwürdiger erscheinen. Andererseits fragte Sulu sich, ob es tatsächlich so war, dass der Vulkanier McCoy auswich.
„Das heißt, Sie behaupten, die Lage vollkommen objektiv und mit der Ihnen sonst zueigenen Sachlichkeit und Logik zu beurteilen?“, hakte der Schiffsarzt akribisch nach. Offenbar war auch ihm die Antwort des Vulkaniers nicht konkret genug gewesen.
„In der Tat“, antwortete Spock, ohne zu zögern. „Oder erschien Ihnen etwas an meiner Argumentation unlogisch?“
Und tatsächlich ließ sich das Mister Spock nicht unterstellen. Irgendeine Entscheidung mussten sie treffen. Es half nichts, über die Risiken zu debattieren. Für eines von beiden mussten sie sich entscheiden.
„Zudem ist es logisch betrachtet leichter, ein bekanntes Risiko einzuschätzen, als eines, dessen Reichweite vollends unbekannt ist. Das Strahlungsrisiko lässt sich sehr leicht umgehen“, fuhr der Vulkanier in gewohnter Manier fort, „indem wir auf den Warpantrieb verzichten und uns lediglich mit Impulsenergie fortbewegen. Die geringere Energieentwicklung sollte die Strahlungsintensität im Maschinenraum absenken. Kombiniert mit einer optischen Abschirmung oder einem modifizierten Kraftfeld, welches die Strahlung abfängt, benötigen die Techniker nicht mehr als ihre reguläre Uniform.“
Wobei Sulu in Gedanken anfügen musste, dass sich das lediglich auf das Risiko bezog, welches sie bereits kannten. Sie wussten nicht, was sie sonst noch erwarten würde.
Doch auch McCoy wusste dem nichts zu entgegnen.
„Vorerst verbleiben wir an unserer Position“, gab der Captain, zum Erstaunen der beiden Kontrahenten, bekannt. „Solange, bis Mister Spock seine Expertise geprüft hat. Dann setzen wir unseren Kurs fort, in Richtung des fremden Systems.“
McCoys Augenbrauen zogen sich zusammen und vermittelten einen Eindruck von Unzufriedenheit.
„Es sei denn, es besteht die Notwendigkeit, die Verletzten von Bord zu schaffen, Pille.“
Doch auf dieses Angebot hin wurden McCoys Züge wieder weicher. „Nein“, gestand er. „In erster Linie brauchen sie Ruhe. Für alles Weitere genügt unsere Ausstattung vollkommen.“
Sein Schädel brummte ordentlich, aber nicht genug, dass es ihn auf der Krankenstation hielt. Seine Männer waren versorgt und dabei war er ohnehin keine große Hilfe. Nach Reden war den wenigsten zumute. Geräusche allgemein standen gerade nicht hoch im Kurs und wenn wer doch den Mund aufmachte, dann nur, um sich sein Frühstück noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Was sollte er also dort? Von seiner letzten Mahlzeit war ohnehin nichts mehr übrig. Und er wollte wissen, welchem Phänomen er diese Odyssee zu verdanken hatte. Die Schwester, so hübsch sie auch war, wusste nichts Genaues darüber und er wusste, wo er eine Antwort darauf finden würde. Damit stand sein Ziel fest. Auf dem Weg konnte er auch gleich noch etwas anderes erledigen.
Im Turbolift griff der Chefingenieur den Handschalter und atmete tief durch. Die wenigen Texturen an der Wand brannten sich in seine Netzhaut und jede kleinste Verlagerung des Gleichgewichts fühlte sich an, als kippte das Raumschiff einmal um die eigene Achse. Da kam ihm der Griff zum Festhalten gerade recht. Ein Argument mehr, sein Hirn von der Realität zu überzeugen, wenn die Augen allein nicht reichten.
Eine leise Stimme in seinem Kopf bedauerte, dass die Fahrt im Lift nicht allzu lang dauerte und sich die Türen für seinen Geschmack viel zu schnell wieder öffneten. Dass alle Blicke mit einem Mal auf ihm lagen – und sich darin eine erschreckende Besorgnis bildete – machte da auch keinen Unterschied mehr. Zum Glück gehörte er nicht zu den Menschen, die Probleme mit Aufmerksamkeit hatten. Und nachdem er bisher barsch ignoriert worden war, kam ihm das jetzt gerade recht.
Der Ingenieur straffte seine Haltung und trat auf die Brücke, mit aller ihm zur Verfügung stehenden Souveränität, was, den zweifelnden Blicken, die auf ihm lagen, zu urteilen, nicht mehr sehr viel sein konnte.
„Scotty, warum sind Sie nicht auf der Krankenstation?“
Dass ausgerechnet der leitende Mediziner der Enterprise ihn unterbrach, noch bevor er überhaupt ein Wort herausgebracht hatte, war so nicht geplant gewesen. Zwar hatte er erwartet, mit dieser Frage konfrontiert zu werden, doch nicht so schnell. Im Nachhinein eine sehr naive Hoffnung. Aber wer hätte auch ahnen können, dass der Schiffsarzt ausgerechnet auf der Brücke anzutreffen wäre?
„Halb so wild, Doktor, es geht mir gut“, versuchte er es mit beschwichtigenden Worten, von denen er selbst kaum glaubte, dass sie überzeugen könnten, so sehr er selbst auch glaubte, was er von sich gab. Er hörte seine eigene, belegte Stimme, räusperte sich jedoch nicht, auch wenn der Drang ihn zu überkommen drohte. Es wäre ein Eingeständnis, das er nicht machen wollte.
Zwar sah Scotty zu seinem Captain, aber im Augenwinkel nahm er wahr, wie die Augenbraue des Arztes in die Höhe wanderte. „Im Vergleich zu wann?“, fragte der und zückte seinen Tricorder, dessen nervtötendes Sirren mit einem Mal das eingespielte Fiepen der Instrumente, das so gut aufeinander abgestimmt war, als wäre es einer Symphonie entsprungen, zunichte machte und sich in seinen Hirnwindungen auszudehnen schien. „Ihre Hirnhäute sind immer noch besorgniserregend gereizt und es hätte mich auch stark gewundert, wenn das nach nur wenigen Minuten nicht mehr der Fall gewesen wäre. Wenn Sie schnell wieder auf die Brücke wollen, sollten Sie sich genauso schnell wieder in ihr Bett legen.“ Aber daran dachte Scotty ja gar nicht.
„Doktor, ich werd mich wieder in mein Bett legen, wenn sich auch mal jemand um unser Schiff und dessen Zustand Gedanken macht“, gab er trotzig zurück und bedachte den Captain mit einem Blick voller Vorwurf. „Wer sagt uns, dass uns morgen nicht die Plasmaleitungen um die Ohren fliegen? Als könnten wir sowas jetzt auch noch gebrauchen! Acht meiner Leute fallen aus. Wie soll ich denn da die Wartungsarbeiten noch in der schon zu kurzen Zeit durchführen? Und sofern wir hier nicht länger als neun Monate festsitzen wollen, werden meine Leute auch nicht mehr. Was, wenn wir weniger werden? Dann fallen uns bald die restlichen Techniker wegen Überlastung aus und ...“
„Ich weiß doch, Scotty“, fuhr der Captain ihm ruhig in die Bresche.
Wie bitte? Die Zustimmung hatte er nicht kommen sehen und daher verstummte der Chefingenieur für einen Augenblick.
„Beruhigen Sie sich erst einmal, bevor Sie hier wirklich noch umfallen“, riet Kirk ihm, bevor er fortfuhr. „Wir prüfen derzeit, ob der Weiterflug ohne Warpantrieb stattfindet.“
Scotty öffnete den Mund, um den Vorschlag loszuwerden, das doch für die Wartungsarbeiten zu nutzen, aber Captain Kirk ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Aber wir werden den Antrieb trotzdem im Notfall zuschalten müssen. Wir wissen nicht, ob der Fall eintreten wird, aber wenn es so weit kommt, haben wir vielleicht keine Zeit, um Wartungsarbeiten zu beenden und das System wieder in Betrieb zu nehmen. Gerade haben wir wieder gesehen, wie schnell so ein Notfall eintreten kann. Daher wird das warten müssen. Auf die Gefahr hin, dass wir wegen Defekten doch nicht vom Fleck weg kommen. Aber bei Wartungsarbeiten ist das mehr als nur eine Wahrscheinlichkeit.“
Genervt rollte der Ingenieur mit den Augen.
„Scotty?“, fragte der Arzt und packte ihn stützend bei der Schulter.
Der Ingenieur schüttelte ihn ab. „Alles gut“, versuchte er den Schiffsarzt unmotiviert zu beschwichtigen. „Ja, verstanden. Wir können immer noch nicht warten.“ Diese Worte galten dem Captain und er äußerte sie nur mit größtem Widerwillen. „Aber solange, wie diese Zitterpartie noch geht, bleib ich hier.“
„Ich halte das für keine gute Idee.“ Entgegen aller Vermutungen, kam dieser Satz nicht von McCoy, sondern von der Captain persönlich. „Ich brauche Sie hier voll einsatzfähig und das so bald wie möglich.“
„Glauben Sie, ich wäre hier, wenn ich nicht glauben würde, auf mein Schiff aufpassen zu können, Captain?“, hielt der Schotte verärgert dagegen. Er war doch kein kleines Kind! Niemand – außer vielleicht Spock – kannte die Enterprise so gut wie er. Aber die Augen des Ersten Offiziers, die nun wieder konzentriert auf den Messinstrumenten lagen, hatten sie auch vor diesem Zwischenfall nicht bewahrt. Ihm würde jede noch so kleine Ungereimtheit auffallen. Oder wenigstens sahen vier Augen mehr als zwei. Nochmal würde er so ein Desaster nicht zulassen. Er würde nicht noch mehr seiner Leute verlieren.
„Sie können das ausgezeichnet“, mischte sich der Schiffsarzt bedächtig ein, bedachte Scotty allerdings mit einem mahnenden Blick. „Aber noch besser könnten Sie es, wenn Sie sich von den Strapazen erholt haben. Es reicht, wenn das Schiff womöglich nicht so zuverlässig ist, wie wir es gewohnt sind. Glauben Sie, dass es das besser macht, wenn Sie in demselben Zustand sind?“
Tatsächlich sah der Ingenieur dabei betroffen zu Boden. „Nein.“ Es machte es in keinem Fall besser. Aber was lenkte ihn dann davon ab, dass er heute womöglich Leute seines Kommando beim Sterben gesehen hatte?
„Ich lasse Sie auf die Brücke holen, sobald sich etwas tut“, sagte Kirk und ignorierte McCoys verärgerten Blick, sowie Scottys überraschte Mimik. „Aber solange wir hier auf der Stelle stehen, sollten Sie auf Doktor McCoy hören.“
Widerwillig sah Scotty zum Schiffsarzt, dessen strenger Blick wieder auf ihm lag. Eine stille Aufforderung, seiner Anweisung besser gestern als heute Folge zu leisten.
Leiser, da es nicht die ganze Brücke etwas anging, wurde er aber noch eine Frage an den Mediziner los. „Was wird aus meinen Leuten?“
McCoys Züge wurden darauf eine Spur milder, aber sie verbargen nicht sein Bedauern. „Der Großteil wird es vermutlich ohne große Schäden überstehen“, antwortete er ausweichend.
Damit würde er vorerst leben müssen. Dankend nickte er und wandte sich zum Turbolift, um zu gehen.
Die Grenzen seines Kontrollstandes waren erreicht. Der Computer arbeitete an den notwendigen Simulationen und Berechnungen. Er musste die Ergebnisse nur noch abwarten und hoffen, dass sie seine Vorhersagen bestätigten. Solange wäre er hier nicht nützlich, zumal die Gespräche um ihn herum und die unentschlossene Atmosphäre seiner Effektivität nicht zuträglich waren. McCoy bewegte den Chefingenieur Scott dazu, sich wieder auf die Krankenstation zu begeben, Kirk rechtfertigte seine Entscheidungen und der Rest wartete darauf, einen Befehl zu erhalten, weshalb sie abwechselnd zwischen Kirk und ihm hin und her sahen.
Für den Moment standen sie hier gut. Eine Weiterfahrt wäre erst möglich, wenn sie Ergebnisse hatten. Bis dahin blieb ihnen nur die Entscheidung, zu warten oder abzubrechen, was in Spocks Augen nicht in Frage kam.
Der Vulkanier erhob sich und trat einige Schritte auf der Brüstung vor, um den Hauptschirm besser im Blick zu haben. Immer noch war das System durch den Zoom gut zu erkennen. Planeten, riesige Gesteinsbrocken, die in der Luft hingen, hatten etwas Anmutiges. Es existierte keine Schwerkraft, die sie in die Knie zwingen könnte, aber dennoch war der Anblick, aufgrund der Gravitation, der sie selbst ausgesetzt waren und die sie tagtäglich erfuhren, unwirklich. Es war erstaunlich, wie viele Geheimnisse so ein begrenztes Gebiet beherbergen konnte und welche Wege das Leben eines Himmelskörpers nehmen konnte. Natur war weit mehr, als die meisten Terraner darunter verstanden. Es schloss auch die tote Materie mit ein, die sich im Laufe der Zeit im Weltraum geändert hatte und so etwas angesammelt hatte, was atmende Organismen Erfahrung nannten.
„Ich werde die Untersuchung im Labor weiter beobachten und den Meteoriten nochmals einer Analyse unterziehen“, nutzte Spock eine kurze Unterbrechung im Gespräch zwischen McCoy und Kirk, die ihn verwundert anstarrten. Vielleicht hatte der Schiffsarzt es missverstanden, aber zumindest ihn hatte er nicht um Erlaubnis gebeten, sondern ihm diese Information lediglich zur Kenntnis angetragen. In dieser Hinsicht war eine Einleitung des Dialogs und Anbahnung des Anliegens noch unlogischer, als diese Floskeln es in seinen Augen sowieso schon waren.
„Sie haben den Stein doch bereits eingehend untersucht“, bemerkte der Captain, was seine Verwunderung erklärte.
Kurz überlegte der Erste Offizier, ob es womöglich etwas anderes gab, das wichtiger wäre und jetzt seiner Aufmerksamkeit bedurfte, kam aber zu einem negativen Schluss. „Die Strahlenuntersuchung war negativ, da ich nach bekannten Parametern gesucht habe. Womöglich finde ich mit den Parametern der unbekannten Strahlung einen Hinweis. Unter Umständen bezüglich der Halbwertszeit, woraus sich Schlüsse auf die Langzeitauswirkungen ergeben, die auch für Doktor McCoy nicht uninteressant sein werden.“
„In Ordnung“, erteilte Kirk ihm die Erlaubnis und entließ ihn dadurch von der Brücke.
Mit einem respektvollen Nicken besiegelte Spock dieses Gespräch, faltete die Hände auf dem Rücken und schritt bestimmt zum Turbolift, welchen er auf Deck 7 dirigierte.
Die Stille, die ihn schon im Aufzug umgab, tat gut. Die eigene Rastlosigkeit, die von ihm Besitz ergriffen hatte, erstarrte plötzlich und legte sich wie ein loses Blatt im verstummten Sturm. Das Gespräch mit dem Mediziner lag ihm noch in den Ohren.
Der Lift hielt und der Commander verließ den Aufzug, während sich seine Gedanken weiter drehten. Alles, was er gesagt hatte, entsprach seinen Überzeugungen. Sie waren, was ihn antrieb. Aber es war nicht alles gewesen und der Verdacht, dass sowohl der Captain als auch der Schiffsarzt diesen Umstand erkannt hatten, zeigte deutlich, dass dieser Zwiespalt einen sichtbaren Einfluss auf ihn hatte. Noch einmal rief er sich seine eigenen Worte ins Gedächtnis. Die Erforschung des Sonnensystems hatte oberste Priorität, um Gefahren für die Basis auszuschließen. Darauf musste er sich konzentrieren. Weil es logisch war. Aber es war ebenso logisch, einem Freund helfen zu wollen. Aber, erinnerte der Vulkanier sich still, diese beiden Ziele waren unabhängig voneinander zu betrachten und ihrer Priorisierung entsprechend einzubeziehen.
„Spock“, hallte hinter ihm ein Ruf über den Gang.
Der Erste Offizier blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. Die Stimme gehörte eindeutig McCoy. Es wäre sinnlos, ihn nach seinen Motiven zu fragen, da er sie ihm ohnehin gleich offenbaren würde.
Als der Arzt ihn eingeholt hatte, zeichnete ihn ein gewisses Zögern aus, das seine Mimik wie Gestik wortlos unterstrich. „Was ich auf der Brücke gesagt habe“, begann er in ernsten Tonfall, ohne die sonstige Verärgerung im Unterton, „meinte ich nicht als Vorwurf.“
Spocks Augenbraue wanderte in die Höhe. „So?“, fragte er nur. Denn in seinen Ohren hatte es ganz klar nach dem Vorwurf der Befangenheit geklungen.
„Also schon, aber ich könnte es verstehen, wenn Sie sich auch Gewissheit verschaffen wollen, bezüglich des Jungen“, wurde McCoy deutlicher und sprach das Dilemma nun zum ersten Mal, seit ihrem Aufenthalt auf der Sternenbasis direkt an.
Spocks Miene blieb unbewegt. „Wenn die Gefahrenanalyse abgeschlossen ist und einer tiefergehenden Analyse nichts im Wege steht, werde ich auf Lieutenant Hogans Anraten einen Scann beim Captain beantragen“, erklärte er kühl. „Seien Sie sich jedoch versichert, dass die Forschung und Gefahrenabwehr einen höheren Stellenwert genießt.“
Da war sie wieder. Die latente Verärgerung in McCoys Blick im Angesicht der Logik.
Der Nachsatz wäre wohl besser ungesagt geblieben, um dem Schiffsarzt die Möglichkeit zu geben, etwas zu hören, was Spock niemals gesagt hatte. Mit der Gesprächsführungstechnik, Menschen durch mehr Interpretationsspielraum glauben zu lassen, das Gespräch zu lenken und dadurch eine gewisse Zufriedenheit zu erlangen, musste er sich später noch einmal näher auseinandersetzen. Vielleicht ersparte es ihm zukünftig Auseinandersetzungen dieser Art.
„Keine Sorge“, entgegnete der Mediziner, nun seinerseits ungewohnt beherrscht und kühl, „ich dachte zwar für einen kurzen Moment, dass Sie tatsächlich wegen dieser Sache befangen sein könnten, aber es tut mir wirklich leid, mich in dieser Sache getäuscht zu haben.“
Diese Sache, echote es in Spocks Kopf, worauf sich seine Miene unmerklich versteifte. Aber dennoch erkannte er die Gelegenheit, dieses Gespräch hier und jetzt zu beenden. „Es freut mich, dass wir dieses Missverständnis aus dem Weg räumen konnten.“
Aber die Beherrschung des Arztes währte nicht so lange, wie Spock es vorausgesetzt hatte. „Machen Sie mir doch nichts vor, Spock“, holte er erneut verbal aus. „Ich weiß, dass Sie sehr wohl wissen, was Freundschaft ist.“
Das hatte Spock befürchtet. Bremsen würde er McCoy unter diesen Umständen kaum noch.
„Als Sie Kirk auf Anraten dieses Bürokratenheinis absetzen mussten, habe ich Ihnen vorgeworfen, dass Sie nur darauf gewartet hätten. Aber selbst ich habe gesehen, wie schwer es Ihnen fiel. Sie haben es beinahe nicht ertragen, dieses Verfahren zu führen und dem Captain die entscheidenden Fragen zu stellen, die seine Dienstunfähigkeit bestätigten! Sie wollten ihn nicht bloßstellen, obwohl Sie mit ihrer vulkanischen und so nervtötend logischen Art genau wussten, dass er als Captain zu diesem Zeitpunkt nicht mehr tragbar war. Sie leiden darunter, wie jeder andere auch“, führte McCoy seine Beweise ins Feld, die nichts weiter waren als Interpretationen vager Beobachtungen, aber die dennoch voll ins Schwarze trafen.
Aber das würde Spock ihm nicht auf die Nase binden und sah ihn nur reglos an. „Wenn das Ihre Ansicht ist“, gab er neutral zurück und setzte seinen Weg zu den Laboren ohne ein weiteres Wort fort. „Ich habe noch zu tun.“
„Tschuldige“, brachte Lieutenant Grasner gequält hervor, als er den reuigen Blick wieder heben konnte und sich rücklings zurück aufs Bett fallen ließ. Gemeinsam mit drei anderen Technikern war er in einem der Krankenzimmer untergebracht worden. Damit ihnen nicht langweilig wurde und auch als Kontrolle, damit sie Auffälligkeiten bei ihren Kollegen bemerken konnten, sollten diese eintreten. Untereinander kannten die Abteilungsmitglieder sich besser, als das Personal der Krankenstation sie in der kurzen Zeit kennenlernen konnte.
Grasners Entschuldigung gegenüber Schwester Chapel empfand diese allerdings als unangebracht und schüttelte nachsichtig den Kopf, als sie ihm die Tüte aus der Hand nahm. „Da können Sie nichts gegen tun“, erklärte sie ihm. Wenn nicht einmal die Medikamente zuverlässig halfen, was sollte da bloßer Wille bewirken? „Ruhen Sie sich aus, dann haben Sie es schnell hinter sich.“ Mit diesen Worten rückte sie ihm noch einmal das Kissen gerade, in dem sich Kühlpads befanden, was der Hirnschwellung entgegenwirken sollte.
Das mit der Ruhe ließ Grasner sich nicht zweimal sagen, nickte schlapp und schloss die Augen. Die Hirnströme der anderen zeigten, dass es mehr ein unruhiges Dösen war, dem sie sich hingaben, als einem tiefen, erholsamen Schlaf.
Bevor das abbaubare Auffangprodukt in ihrer Hand doch noch vom Inhalt durchweichte, verließ sie möglichst still das Zimmer. Auf der Krankenstation waren eine weitere Schwester und zwei Sanitäter mit ihren restlichen Patienten und deren Überwachung beschäftigt, da wollte sie auch noch nach dem Rechten sehen, nachdem sie sich hier vergewissert hatte, dass alles in Ordnung war - im Rahmen des Möglichen.
Als sie auf den Gang hinaustrat, sah sie, dass sie nicht die Einzige war, welche die Krankenstation als Ziel hatte. Einerseits war sie froh, diese Person wieder zu sehen, andererseits sehr verärgert, dass sie überhaupt weg gewesen war. „Lieutenant Commander Scott“, begann sie ihre Ansprache, deren Tonfall nicht minder autoritär klang. Im selben Tonfall hatte ihre Mutter sie immer ermahnt, ihr Zimmer in Ordnung zu bringen.
Tatsächlich blieb der Chefingenieur zunächst wie vom Donner gerührt stehen.
Chapel ließ ihm keine Zeit für Widerworte. „Wo waren Sie?“ Abgemeldet hatte sich der ranghöhere Offizier nämlich nicht. Schrecklich, fiel Chapel auf. Sie klang tatsächlich wie ihre Mutter. Aber solange er krank- und dienstunfähig geschrieben war, interessierte die Schwestersein Rang nicht die Bohne. Sie hatten schon genug Arbeit, da brauchte es nicht noch einen Patienten, der sich übernahm und mehr Arbeit machte, als er vermeiden wollte.
In der Zwischenzeit hatte der Ingenieur seine Selbstsicherheit wiedergefunden. „Auf der Brücke. Bevor die mir mein Schiff noch endgültig zerlegen.“ Und seinen Trotz auch.
„Sie sollten lieber daran denken, dass es Sie fast zerlegt hätte“, bediente Chapel sich seiner Worte und schob ihn mit sanfter Gewalt durch die Tür der Krankenstation, wo sie linker Hand die Tüte in den medizinischen Abfall entsorgte.
Scotty ließ nur ein gegrummeltes „Jaja“ von sich hören.
„Denken Sie daran, dass man Ersatzteile für Schiffe sehr leicht bekommen kann. Sie gibt es nur einmal.“ Und tatsächlich war er als Patient in Punkto Sturheit ein besonderes Vorzeigeexemplar der Gattung 'Offizier'. Glaubten alle, sie wären unersetzlich und begriffen doch nicht, was das hieß: Dass sie mit ihrem Leben gefälligst pfleglich umzugehen hatten!
„Leicht?“ Oh, dem Ton nach hatte die Krankenschwester sich da unwissentlich in die Nesseln gesetzt.
Aber einer der Sanitäter hatte einen nüchternen Konter im Vorbeigehen parat. „Im Gegensatz zu einem neuen humanoiden Hirn ist alles leicht zu besorgen.“
Chapel verkniff sich ein Grinsen. Treffer, versenkt.
Und tatsächlich brachte das auch Scott zum Schweigen. Der sah sich stattdessen ernüchtert um. „Wie geht's meinen Leuten?“, fragte er, mit Blick auf den Ruhebereich, in dem die Schwerverletzen untergebracht worden waren. Die Wege des Personals waren so am kürzesten zu ihnen und sie konnten sie permanent überwachen. Auch, wenn die Zimmer ebenfalls mit Biobetten ausgestattet waren, die bei Abweichungen der Vitalwerte von der Norm Alarm schlugen, müssten sie sich dann erst auf den Weg machen.
Da Chapel die letzten zwanzig Minuten auf den Zimmern nach dem Rechten gesehen hatte, war sie nicht mehr auf dem neusten Stand und sah in den Raum hinein, um sich einen Überblick zu verschaffen.
„Officer Stinson wird langsam wach“, unterrichtete sie Lieutenant Hayes, eine Krankenschwester neben Stinsons Bett in ihrem Alter, mit langen, zum Bauernzopf geflochtenen, braunen Haaren und ernster Miene. „Sonst keine Änderungen.“
Sie wiederholte es nicht, da der Chefingenieur ohnehin direkt hinter ihr stand und mithörte. Stattdessen sah sie zu Nicole, die zunehmend unruhig auf ihrem Biobett lag. Als Krankenschwester wusste sie, dass es ein gutes Zeichen war, wenn sie wieder zu Bewusstsein käme und es die Beurteilung der Schäden eklatant erleichterte. Aber sie wusste auch, dass es besser wäre, Scott woanders hinzuschicken, eben weil sie nicht wussten, was sie erwartete. „Kommen Sie“, meinte sie daher zum Schotten und begleitete ihn in den Behandlungsbereich, wo sie ihn sanft auf einen Stuhl dirigierte, bevor sie via Intercom routiniert nach Doktor McCoy verlangte. Da der Ingenieur auf seinem Platz ziemlich verloren wirkte, nahm Chapel sich die Zeit, ihm eine Erklärung anzubieten, zusammen mit einem Becher Wasser. „Sie können später zu ihr und vielleicht auch zu den anderen, wenn sie auch wieder bei Bewusstsein sind. Aber lassen Sie sie erst einmal zu sich kommen.“
Ihr Patient nahm den Becher entgegen und ergab sich den Tatsachen mit einem Nicken.
„Ich komme gleich wieder“, versprach der Lieutenant daraufhin und ging in den Ruhebereich, in dem Officer Stinson sich langsam aber sicher dem Zustand ihrer Kameraden annäherte, was hieß, dass Lieutenant Hayes sie bereits auf die Seite gedreht hatte und sie sich über die Bettkante hinaus übergab, womit Hayes offensichtlich nicht so schnell gerechnet hatte. Der entsprechende Spuckbeutel stand noch griffbereit auf dem Beistelltisch. Während die junge Schwester Nicole weiter festhielt, griff Chapel sich das Tuch neben dem Spuckbeutel und beseitigte die Überreste des Malheurs, die an ihrem Kinn hinab tropften und überzeugte sich, dass nichts übrig geblieben war, woran sich der Petty Officer schlussendlich doch noch verschlucken könnte. „Stinson, hören Sie mich?“, begann sie währenddessen ein Gespräch.
Nicole Stinsons Blick war ins Leere gerichtet und nur langsam kam Leben in die matten, halb geöffneten Augen, die sich langsam in ihre Richtung bewegten. „Arlene?“
Die Krankenschwester legte erst das Tuch beiseite, während Hayes Stinson vorsichtig wieder ins Bett bugsierte. Es war nur ein kurzer Dialog gewesen, aber er enthielt eine Menge Informationen.
Stinson erkannte sie nicht, hielt sie für Arlene Galway und wusste nicht, dass jene Schwester seit Gamma Hydra IV nicht mehr an Bord war. Sie war an den Folgen des Strahlenunfalls und der dadurch hervorgerufenen schnellen Alterung verstorben.
Das Projekt macht mich fertig ... Korrupte Datei. Bald hab ich jede Technikpanne durch. Aber es ist wieder da!
Dass er dennoch über sein Erscheinen unglücklich war, versuchte er nicht mal zu kaschieren. Kirk sollte ruhig merken, dass ihm nicht daran gelegen war, hier seine Zelte aufzuschlagen. Dem zweifelnden Blick des Captains nach, war ihm dieser Eindruck gelungen.
„Wie sieht es aus, Pille?“, fragte Jim auch sogleich.
Seinem Bericht stand demnach nichts im Weg. „Drei der Techniker sind zur Zeit bewusstlos, sechs weitere dienstunfähig, aber bei Bewusstsein. Alle zeigen die Symptomatik eines Sonnenstichs und die damit verbundenen Ausfallerscheinungen.“ Soweit die fragwürdige Bilanz seines Ressorts. Eine Ausschmückung von Details sparte er sich für den Moment. Dass die betroffenen Techniker dienstunfähig waren, reichte für den Moment.
Aber nicht dem Captain. „Das heißt, du kriegst die wieder hin“, vermutete er. Einen gewissen Unterton der Selbstverständlichkeit nahm McCoy verstimmt wahr.
„Das weiß ich nicht“, verdeutlichte der Mediziner die Ernsthaftigkeit der Lage. „Vermutlich werden die sechs Techniker, die der Strahlung nicht zu lange ausgesetzt waren, keine Schäden davontragen. Wie es um die drei Schwerverletzten bestellt ist, kann ich dir erst sagen, wenn diese wieder zu Bewusstsein gekommen sind und ich ihren neurologischen Status prüfen konnte. Die Untersuchungen haben bisher ergeben, dass die Hirnhäute stark gereizt sind und die Entzündungsreaktion sich teilweise bis ins verlängerte Rückenmark fortgesetzt hat. Ich kann Beschädigungen daran oder auch Hirnschäden nicht ausschließen.“ Die umgreifende, unangenehme Stille hatte er zur Kenntnis genommen, aber maß ihr keine gesteigerte Beachtung zu. Das war jetzt nicht wichtig. Wichtig war, dass Kirk die Tragweite dieses Vorfalls verstand und sich nicht dazu verleiten ließ, auf gut Glück erneut in diese Todeszone zu fliegen. Es war reines Glück, dass sie noch keine Toten zu beklagen hatten. Aber zum jetzigen Zeitpunkt war das leider keine endgültige Statistik.
In Kirks Augen aber regte sich nicht der Widerstand, den er erwartet hatte. Keine Abenteuerlust, kein Forscherehrgeiz. Stattdessen waren dort Bedauern und Zweifel.
„Doktor“, meldete sich, wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, Spock von seinem Platz aus. „Wir konnten die Quelle der Wärmestrahlung ausmachen. Das Phänomen beschränkt sich auf den Maschinenraum, da der Warpkern die einzige Quelle an Bord ist. Genaugenommen dient er als Katalysator. In entsprechender Schutzkleidung ist das Betreten des Bereichs vollkommen ungefährlich.“
Die Augen des Mediziners verengten sich. „Ungefährlich“, wiederholte er gefährlich leise. „Im Allgemeinen gilt das Betreten des Maschinenraums überhaupt als ungefährlich. Wir haben gerade erlebt, dass das in diesem Fall unzutreffend ist. Eine Erkenntnis, von der vielleicht nur sechs von neun einmal berichten können.“ Und wenn der Erste Offizier jetzt noch mit Wahrscheinlichkeiten um die Ecke käme, würde es noch jemanden geben, der sich als Berichterstatter zukünftig ungeeignet wäre.
„Verstehe ich das richtig, Pille? Du rätst davon ab, umzukehren und sich dem System erneut zu nähern“, fasst Kirk seine Überzeugung in prägnante Worte.
„Zum jetzigen Zeitpunkt“, relativierte McCoy die Aussage allerdings. Es war ihr Auftrag, dieses System zu erforschen. Es nicht zu tun, würde bedeuten, zumindest die Basis 482 vollständig evakuieren zu müssen. „Wir sollten nichts überstürzen und uns Zeit nehmen, die Lage zu überprüfen.“
„Das haben wir“, erklärte der Vulkanier souverän. „Es stellt sich derzeit so dar, dass es keine weitere Gefahrenquelle gibt und ein Weiterflug unbedenklich ist. Das Zusammenspiel der beiden Kräfte war bisher nicht bekannt, so dass die Gefahr gewissermaßen unvorhersehbar war. Die Chancen, dass sich etwas Ähnliches wiederholt, besteht, aber ist äußerst gering.“
Captain Kirk hob die Hand, um seinem Ersten Offizier Einhalt zu gebieten.
McCoy, der das noch nicht oft erlebt hatte und schon drauf und dran gewesen war, seiner konträren Einschätzung Ausdruck zu verleihen, stutzte verblüfft.
Der Captain verließ seinen Posten, näherte sich ihm und blieb vor ihm stehen. „Wie stehen die Chancen für die drei Techniker?“, fragte er mit gesenkter Stimme.
In Anbetracht der Sorge, die Kirk bereits an den Tag legte und gelegt hatte, verblasste McCoys Unmut, weshalb sein Vortrag auch weniger brennend ausfiel, als er es auf dem Weg zur Brücke geplant gehabt hatte. „Ich kann es nicht genau sagen, da die Strahlenintensität mit der auf der Erde schwer zu vergleichen ist. Sie war wesentlich intensiver, weshalb es so schnell zu Schädigungen kam.“ Ein Bericht, den er schweren Herzens vortrug. Aber etwas Besseres ließ sich dazu nicht sagen. „Wir müssen abwarten.“
„Wie geht es Scotty?“
Beinahe hätte der Schiffsarzt verdrängt, dass es ja auch der Chefingenieur war, der mit im Maschinenraum gewesen war. „Er ist noch etwas schwach auf den Beinen, aber er hat Glück gehabt.“ Oder war das vermutlich zu optimistisch? „Natürlich wird man auch bei ihm abwarten müssen, bis alle Beschwerden abgeklungen sind.“ Und ob sie alle abklingen würden. Aber das sagte er dann doch nicht laut. Stattdessen hatte er eine Frage. „Wie sieht dein weiterer Plan aus?“
Jims ratloser Blick sprach allerdings Bände. „Ich bin mir nicht sicher.“
Prüfend musterte McCoy ihn, gestaltete es allerdings mit größtmöglicher Diskretion und enthielt sich der Nachfrage nach Kirks Befinden. „Welche Möglichkeiten stehen denn zur Wahl?“, fragte er stattdessen.
„Entweder wir nähern uns wieder dem System – natürlich nur unter den gegebenen Schutzauflagen – oder wir brechen die Mission ab.“
Das zweite Mal an diesem Tag überraschte Jim McCoy wirksam. Er zog einen Abbruch ernsthaft in Erwägung?
„Neun unserer Techniker fallen für unbestimmte Zeit aus“, erklärte der Captain nachdenklich, „und unsere Systeme sind laut Scotty ohnehin anfällig für Defekte.“
„Ist denn gesichert, dass es sich auch tatsächlich um eine Beeinflussung von außen handelt und nicht um einen Defekt des Warpkerns?“, hakte der Arzt an dieser Stelle kritisch nach. Dass er sich in der Rolle des Befürworters für den Weiterflug wiederfand, widerstrebte ihm, aber dieses System wie ein Damoklesschwert über sich hängen zu haben, nichts darüber zu wissen und niemals etwas darüber wissen zu werden, erschien auch ihm nicht richtig. Jetzt, wo diese Möglichkeit tatsächlich im Raum stand.
„Laut Spock ist die Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering“, erklärte Kirk, woraufhin McCoy sich eine Erwiderung seinerseits mühsam klemmte.
~*~
Nur abzuwarten und nichts tun zu können, war eine undankbare Aufgabe, wie Sulu fand. Was Kirk mit McCoy besprach, war von seinem Platz aus nicht zu hören, doch vermutlich drehte es sich direkt oder indirekt um den weiteren Kurs des Schiffes. Etwas, was ihn auch interessierte. Derzeit verharrte das Schiff an diesem Punkt, an dem die unbekannte Strahlung sie nicht erreichte, aber eine Erkundung des Systems höchstens unzureichend möglich wäre. Mehr, als sie bereits herausgefunden hatten, würden sie von ihrer jetzigen Position aus kaum herausfinden. Da konnten sie genauso gut abdrehen und das gesammelte Material auf der Basis auswerten.
Wie auch er, verfolgte Chekov das Gespräch der Kommandooffiziere gespannt, wenngleich es einem Stummfilm gleichkam, bis Spock sich dazugesellte und dessen nüchterne Betrachtungsweise mit der allgemeinen Spannung der Situation zu kollidieren drohte.
„Da in beiden Fällen ein geringes, aber vorhandenes Risiko besteht, sehe ich keinen Hinderungsgrund, die Reise fortzusetzen“, erklärte der Vulkanier kühl. „Genauso gut kann das Schiff auf dem Rückflug zur Basis durch einen feindlichen Angriff zerstört werden. Inwiefern eine mögliche weitere Strahlenwechselwirkung ein größeres Risiko birgt, erschließt sich mir nicht.“
Eine Betrachtungsweise, bei der es selbst Sulu einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. Es machte einen Unterschied, ob man sich solcher Umstände bewusst war, oder ob sie jemand laut aussprach. Und in diesem Fall so unbeeindruckt, als lese er den Wetterbericht der letzten Woche vor.
„Wenn Sie schon so anfangen, Mister Spock, dann lassen Sie sich gesagt sein, dass von einem Stein erschlagen zu werden angenehmer ist, als bei lebendigem Leib durch Strahlen zu verbrennen“, hielt der Schiffsarzt hörbar verärgert dagegen.
Aber besser machte es die von ihm geschilderte Folge nicht.
„Genau genommen handelt es sich bei dem vorliegenden Fall um eine isolierte, thermische Schädigung des Kopfes“, berichtigte der Commander ihn unbeeindruckt.
Kopf war ein gutes Stichwort. Eben jener von McCoy nahm eine gefährlich dunkle Färbung an. „Fälle, Mister Spock. Plural. Und wie sich so etwas äußert, können Sie auf der Krankenstation derzeit ausführlich studieren.“
„Da es sich um nur eine Wechselwirkung zweier Strahlen handelte, ist der Gebrauch des Singulars durchaus zutreffend“, entgegnete der Vulkanier.
Sulu teilte McCoys Unverständnis, fand aber nicht die richtigen Worte, um auszudrücken, wie sehr.
Ganz im Gegensatz zum Schiffsarzt, den Spock jedoch im Ansatz schon unterbrach.
„Zudem sind mir die Symptome durchaus bekannt und ich stimme Ihnen zu, dass sie vom Großteil der Betroffenen als unangenehm empfunden werden. Nichtsdestotrotz sind sie dem unveränderlichen Zustand des Todes vorzuziehen.“
McCoy, der immer noch dastand, als wolle er etwas sagen, stockte nach Spocks letzten Satz, in dem er dann doch noch auf das eigentliche Thema zu sprechen gekommen war.
Und er war offenbar noch nicht fertig. „Es ist der Auftrag der Enterprise, neue Welten zu erforschen. Eben eine solche Welt liegt direkt vor uns und umzukehren, verschafft uns aus statistischer Sicht keinen Vorteil. Außer, dass es eine verpasste Chance wäre, ein Mysterium zu ergründen.“
Wäre es nicht Spock gewesen, der es gesagt hatte, hätte Sulu gemeint, die Worte hätten versöhnlich geklungen. Aber da konnte es sich nur um einen Irrtum handeln. Spock war niemand, der um Verständnis warb.
Die Zweifel manifestierten sich auch in McCoys Mimik. „Das Mysterium des unbekannten Sonnensystems, oder wovon sprechen Sie, Spock?“
Auch, wenn der Navigator den Zusammenhang nicht feststellen konnte, war auch für ihn offensichtlich, dass der Mediziner genau daran zweifelte, sondern glaubte, dass es Spock um etwas anderes ging. Aber dem Vulkanier einen gesteigerten Ehrgeiz zu unterstellen, empfand Sulu als ungerecht. Denn dessen hatte der Erste Offizier sich niemals schuldig gemacht. Der große Vorteil der vulkanischen Spezies.
„In der Tat ist das Sonnensystem ein äußerst interessantes Studienobjekt. Weshalb es so lange in direkter Nachbarschaft zur Basis existieren konnte, entzieht sich jeder bisher bekannten Erklärung. Außerdem ist es eines von sehr wenigen, intakten und – soweit wir es bisher erfassen konnten – stabilen Doppelsternsysteme. Es wäre aus der Sicht der Wissenschaft ein großer Verlust, es nicht näher erforschen zu können.“ Inhaltlich war es genau das, was Sulu erwartet hatte. Doch der schneidende Unterton überraschte ihn ebenso wie McCoy.
„Ich glaube, Sie glauben dort noch etwas ganz anderes zu finden“, entgegnete der Schiffsarzt in aller Deutlichkeit. „Und ich glaube, dass sie daher befangen sind und die Situation nicht neutral beurteilen können.“ Ein Vorwurf, den man gegenüber Vulkaniern entweder äußerte, weil man die Spezies nicht kannte oder die Gründe hatte, welche Sulu allerdings nicht kannte.
Chekovs Gesichtsausdruck nach, dem fast das Kinn aus dem Gesicht fiel, waren ihm diese Hintergründe ebenso unbekannt. Diese Unterhaltung machte auf sie beide den Eindruck eines schlechten Traums.
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Stattdessen hörte man das stetige Piepsen der Computer und sogar das leise Klacken, wenn er die Daten der Sensoren weiterleitete oder auf die Datendisk im Speicher zugriff. Und das Hauptaugenmerk der gesamten Brückencrew lag auf dem Ersten Offizier Spock, dem es offensichtlich die Sprache verschlagen hatte.
Aber nur für einen sehr flüchtigen Augenblick. „Sie und ich wissen, dass diese Verhaltensweise meinem Naturell nicht entspricht, Doktor McCoy.“
Es war utopisch, aber Sulu hatte mit einer persönlicheren Antwort gerechnet. Stattdessen blieb Spock er selbst und das ließ die Vermutungen des Schiffsarzt noch unglaubwürdiger erscheinen. Andererseits fragte Sulu sich, ob es tatsächlich so war, dass der Vulkanier McCoy auswich.
„Das heißt, Sie behaupten, die Lage vollkommen objektiv und mit der Ihnen sonst zueigenen Sachlichkeit und Logik zu beurteilen?“, hakte der Schiffsarzt akribisch nach. Offenbar war auch ihm die Antwort des Vulkaniers nicht konkret genug gewesen.
„In der Tat“, antwortete Spock, ohne zu zögern. „Oder erschien Ihnen etwas an meiner Argumentation unlogisch?“
Und tatsächlich ließ sich das Mister Spock nicht unterstellen. Irgendeine Entscheidung mussten sie treffen. Es half nichts, über die Risiken zu debattieren. Für eines von beiden mussten sie sich entscheiden.
„Zudem ist es logisch betrachtet leichter, ein bekanntes Risiko einzuschätzen, als eines, dessen Reichweite vollends unbekannt ist. Das Strahlungsrisiko lässt sich sehr leicht umgehen“, fuhr der Vulkanier in gewohnter Manier fort, „indem wir auf den Warpantrieb verzichten und uns lediglich mit Impulsenergie fortbewegen. Die geringere Energieentwicklung sollte die Strahlungsintensität im Maschinenraum absenken. Kombiniert mit einer optischen Abschirmung oder einem modifizierten Kraftfeld, welches die Strahlung abfängt, benötigen die Techniker nicht mehr als ihre reguläre Uniform.“
Wobei Sulu in Gedanken anfügen musste, dass sich das lediglich auf das Risiko bezog, welches sie bereits kannten. Sie wussten nicht, was sie sonst noch erwarten würde.
Doch auch McCoy wusste dem nichts zu entgegnen.
„Vorerst verbleiben wir an unserer Position“, gab der Captain, zum Erstaunen der beiden Kontrahenten, bekannt. „Solange, bis Mister Spock seine Expertise geprüft hat. Dann setzen wir unseren Kurs fort, in Richtung des fremden Systems.“
McCoys Augenbrauen zogen sich zusammen und vermittelten einen Eindruck von Unzufriedenheit.
„Es sei denn, es besteht die Notwendigkeit, die Verletzten von Bord zu schaffen, Pille.“
Doch auf dieses Angebot hin wurden McCoys Züge wieder weicher. „Nein“, gestand er. „In erster Linie brauchen sie Ruhe. Für alles Weitere genügt unsere Ausstattung vollkommen.“
~*~
Sein Schädel brummte ordentlich, aber nicht genug, dass es ihn auf der Krankenstation hielt. Seine Männer waren versorgt und dabei war er ohnehin keine große Hilfe. Nach Reden war den wenigsten zumute. Geräusche allgemein standen gerade nicht hoch im Kurs und wenn wer doch den Mund aufmachte, dann nur, um sich sein Frühstück noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Was sollte er also dort? Von seiner letzten Mahlzeit war ohnehin nichts mehr übrig. Und er wollte wissen, welchem Phänomen er diese Odyssee zu verdanken hatte. Die Schwester, so hübsch sie auch war, wusste nichts Genaues darüber und er wusste, wo er eine Antwort darauf finden würde. Damit stand sein Ziel fest. Auf dem Weg konnte er auch gleich noch etwas anderes erledigen.
Im Turbolift griff der Chefingenieur den Handschalter und atmete tief durch. Die wenigen Texturen an der Wand brannten sich in seine Netzhaut und jede kleinste Verlagerung des Gleichgewichts fühlte sich an, als kippte das Raumschiff einmal um die eigene Achse. Da kam ihm der Griff zum Festhalten gerade recht. Ein Argument mehr, sein Hirn von der Realität zu überzeugen, wenn die Augen allein nicht reichten.
Eine leise Stimme in seinem Kopf bedauerte, dass die Fahrt im Lift nicht allzu lang dauerte und sich die Türen für seinen Geschmack viel zu schnell wieder öffneten. Dass alle Blicke mit einem Mal auf ihm lagen – und sich darin eine erschreckende Besorgnis bildete – machte da auch keinen Unterschied mehr. Zum Glück gehörte er nicht zu den Menschen, die Probleme mit Aufmerksamkeit hatten. Und nachdem er bisher barsch ignoriert worden war, kam ihm das jetzt gerade recht.
Der Ingenieur straffte seine Haltung und trat auf die Brücke, mit aller ihm zur Verfügung stehenden Souveränität, was, den zweifelnden Blicken, die auf ihm lagen, zu urteilen, nicht mehr sehr viel sein konnte.
„Scotty, warum sind Sie nicht auf der Krankenstation?“
Dass ausgerechnet der leitende Mediziner der Enterprise ihn unterbrach, noch bevor er überhaupt ein Wort herausgebracht hatte, war so nicht geplant gewesen. Zwar hatte er erwartet, mit dieser Frage konfrontiert zu werden, doch nicht so schnell. Im Nachhinein eine sehr naive Hoffnung. Aber wer hätte auch ahnen können, dass der Schiffsarzt ausgerechnet auf der Brücke anzutreffen wäre?
„Halb so wild, Doktor, es geht mir gut“, versuchte er es mit beschwichtigenden Worten, von denen er selbst kaum glaubte, dass sie überzeugen könnten, so sehr er selbst auch glaubte, was er von sich gab. Er hörte seine eigene, belegte Stimme, räusperte sich jedoch nicht, auch wenn der Drang ihn zu überkommen drohte. Es wäre ein Eingeständnis, das er nicht machen wollte.
Zwar sah Scotty zu seinem Captain, aber im Augenwinkel nahm er wahr, wie die Augenbraue des Arztes in die Höhe wanderte. „Im Vergleich zu wann?“, fragte der und zückte seinen Tricorder, dessen nervtötendes Sirren mit einem Mal das eingespielte Fiepen der Instrumente, das so gut aufeinander abgestimmt war, als wäre es einer Symphonie entsprungen, zunichte machte und sich in seinen Hirnwindungen auszudehnen schien. „Ihre Hirnhäute sind immer noch besorgniserregend gereizt und es hätte mich auch stark gewundert, wenn das nach nur wenigen Minuten nicht mehr der Fall gewesen wäre. Wenn Sie schnell wieder auf die Brücke wollen, sollten Sie sich genauso schnell wieder in ihr Bett legen.“ Aber daran dachte Scotty ja gar nicht.
„Doktor, ich werd mich wieder in mein Bett legen, wenn sich auch mal jemand um unser Schiff und dessen Zustand Gedanken macht“, gab er trotzig zurück und bedachte den Captain mit einem Blick voller Vorwurf. „Wer sagt uns, dass uns morgen nicht die Plasmaleitungen um die Ohren fliegen? Als könnten wir sowas jetzt auch noch gebrauchen! Acht meiner Leute fallen aus. Wie soll ich denn da die Wartungsarbeiten noch in der schon zu kurzen Zeit durchführen? Und sofern wir hier nicht länger als neun Monate festsitzen wollen, werden meine Leute auch nicht mehr. Was, wenn wir weniger werden? Dann fallen uns bald die restlichen Techniker wegen Überlastung aus und ...“
„Ich weiß doch, Scotty“, fuhr der Captain ihm ruhig in die Bresche.
Wie bitte? Die Zustimmung hatte er nicht kommen sehen und daher verstummte der Chefingenieur für einen Augenblick.
„Beruhigen Sie sich erst einmal, bevor Sie hier wirklich noch umfallen“, riet Kirk ihm, bevor er fortfuhr. „Wir prüfen derzeit, ob der Weiterflug ohne Warpantrieb stattfindet.“
Scotty öffnete den Mund, um den Vorschlag loszuwerden, das doch für die Wartungsarbeiten zu nutzen, aber Captain Kirk ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Aber wir werden den Antrieb trotzdem im Notfall zuschalten müssen. Wir wissen nicht, ob der Fall eintreten wird, aber wenn es so weit kommt, haben wir vielleicht keine Zeit, um Wartungsarbeiten zu beenden und das System wieder in Betrieb zu nehmen. Gerade haben wir wieder gesehen, wie schnell so ein Notfall eintreten kann. Daher wird das warten müssen. Auf die Gefahr hin, dass wir wegen Defekten doch nicht vom Fleck weg kommen. Aber bei Wartungsarbeiten ist das mehr als nur eine Wahrscheinlichkeit.“
Genervt rollte der Ingenieur mit den Augen.
„Scotty?“, fragte der Arzt und packte ihn stützend bei der Schulter.
Der Ingenieur schüttelte ihn ab. „Alles gut“, versuchte er den Schiffsarzt unmotiviert zu beschwichtigen. „Ja, verstanden. Wir können immer noch nicht warten.“ Diese Worte galten dem Captain und er äußerte sie nur mit größtem Widerwillen. „Aber solange, wie diese Zitterpartie noch geht, bleib ich hier.“
„Ich halte das für keine gute Idee.“ Entgegen aller Vermutungen, kam dieser Satz nicht von McCoy, sondern von der Captain persönlich. „Ich brauche Sie hier voll einsatzfähig und das so bald wie möglich.“
„Glauben Sie, ich wäre hier, wenn ich nicht glauben würde, auf mein Schiff aufpassen zu können, Captain?“, hielt der Schotte verärgert dagegen. Er war doch kein kleines Kind! Niemand – außer vielleicht Spock – kannte die Enterprise so gut wie er. Aber die Augen des Ersten Offiziers, die nun wieder konzentriert auf den Messinstrumenten lagen, hatten sie auch vor diesem Zwischenfall nicht bewahrt. Ihm würde jede noch so kleine Ungereimtheit auffallen. Oder wenigstens sahen vier Augen mehr als zwei. Nochmal würde er so ein Desaster nicht zulassen. Er würde nicht noch mehr seiner Leute verlieren.
„Sie können das ausgezeichnet“, mischte sich der Schiffsarzt bedächtig ein, bedachte Scotty allerdings mit einem mahnenden Blick. „Aber noch besser könnten Sie es, wenn Sie sich von den Strapazen erholt haben. Es reicht, wenn das Schiff womöglich nicht so zuverlässig ist, wie wir es gewohnt sind. Glauben Sie, dass es das besser macht, wenn Sie in demselben Zustand sind?“
Tatsächlich sah der Ingenieur dabei betroffen zu Boden. „Nein.“ Es machte es in keinem Fall besser. Aber was lenkte ihn dann davon ab, dass er heute womöglich Leute seines Kommando beim Sterben gesehen hatte?
„Ich lasse Sie auf die Brücke holen, sobald sich etwas tut“, sagte Kirk und ignorierte McCoys verärgerten Blick, sowie Scottys überraschte Mimik. „Aber solange wir hier auf der Stelle stehen, sollten Sie auf Doktor McCoy hören.“
Widerwillig sah Scotty zum Schiffsarzt, dessen strenger Blick wieder auf ihm lag. Eine stille Aufforderung, seiner Anweisung besser gestern als heute Folge zu leisten.
Leiser, da es nicht die ganze Brücke etwas anging, wurde er aber noch eine Frage an den Mediziner los. „Was wird aus meinen Leuten?“
McCoys Züge wurden darauf eine Spur milder, aber sie verbargen nicht sein Bedauern. „Der Großteil wird es vermutlich ohne große Schäden überstehen“, antwortete er ausweichend.
Damit würde er vorerst leben müssen. Dankend nickte er und wandte sich zum Turbolift, um zu gehen.
~*~
Die Grenzen seines Kontrollstandes waren erreicht. Der Computer arbeitete an den notwendigen Simulationen und Berechnungen. Er musste die Ergebnisse nur noch abwarten und hoffen, dass sie seine Vorhersagen bestätigten. Solange wäre er hier nicht nützlich, zumal die Gespräche um ihn herum und die unentschlossene Atmosphäre seiner Effektivität nicht zuträglich waren. McCoy bewegte den Chefingenieur Scott dazu, sich wieder auf die Krankenstation zu begeben, Kirk rechtfertigte seine Entscheidungen und der Rest wartete darauf, einen Befehl zu erhalten, weshalb sie abwechselnd zwischen Kirk und ihm hin und her sahen.
Für den Moment standen sie hier gut. Eine Weiterfahrt wäre erst möglich, wenn sie Ergebnisse hatten. Bis dahin blieb ihnen nur die Entscheidung, zu warten oder abzubrechen, was in Spocks Augen nicht in Frage kam.
Der Vulkanier erhob sich und trat einige Schritte auf der Brüstung vor, um den Hauptschirm besser im Blick zu haben. Immer noch war das System durch den Zoom gut zu erkennen. Planeten, riesige Gesteinsbrocken, die in der Luft hingen, hatten etwas Anmutiges. Es existierte keine Schwerkraft, die sie in die Knie zwingen könnte, aber dennoch war der Anblick, aufgrund der Gravitation, der sie selbst ausgesetzt waren und die sie tagtäglich erfuhren, unwirklich. Es war erstaunlich, wie viele Geheimnisse so ein begrenztes Gebiet beherbergen konnte und welche Wege das Leben eines Himmelskörpers nehmen konnte. Natur war weit mehr, als die meisten Terraner darunter verstanden. Es schloss auch die tote Materie mit ein, die sich im Laufe der Zeit im Weltraum geändert hatte und so etwas angesammelt hatte, was atmende Organismen Erfahrung nannten.
„Ich werde die Untersuchung im Labor weiter beobachten und den Meteoriten nochmals einer Analyse unterziehen“, nutzte Spock eine kurze Unterbrechung im Gespräch zwischen McCoy und Kirk, die ihn verwundert anstarrten. Vielleicht hatte der Schiffsarzt es missverstanden, aber zumindest ihn hatte er nicht um Erlaubnis gebeten, sondern ihm diese Information lediglich zur Kenntnis angetragen. In dieser Hinsicht war eine Einleitung des Dialogs und Anbahnung des Anliegens noch unlogischer, als diese Floskeln es in seinen Augen sowieso schon waren.
„Sie haben den Stein doch bereits eingehend untersucht“, bemerkte der Captain, was seine Verwunderung erklärte.
Kurz überlegte der Erste Offizier, ob es womöglich etwas anderes gab, das wichtiger wäre und jetzt seiner Aufmerksamkeit bedurfte, kam aber zu einem negativen Schluss. „Die Strahlenuntersuchung war negativ, da ich nach bekannten Parametern gesucht habe. Womöglich finde ich mit den Parametern der unbekannten Strahlung einen Hinweis. Unter Umständen bezüglich der Halbwertszeit, woraus sich Schlüsse auf die Langzeitauswirkungen ergeben, die auch für Doktor McCoy nicht uninteressant sein werden.“
„In Ordnung“, erteilte Kirk ihm die Erlaubnis und entließ ihn dadurch von der Brücke.
Mit einem respektvollen Nicken besiegelte Spock dieses Gespräch, faltete die Hände auf dem Rücken und schritt bestimmt zum Turbolift, welchen er auf Deck 7 dirigierte.
Die Stille, die ihn schon im Aufzug umgab, tat gut. Die eigene Rastlosigkeit, die von ihm Besitz ergriffen hatte, erstarrte plötzlich und legte sich wie ein loses Blatt im verstummten Sturm. Das Gespräch mit dem Mediziner lag ihm noch in den Ohren.
Der Lift hielt und der Commander verließ den Aufzug, während sich seine Gedanken weiter drehten. Alles, was er gesagt hatte, entsprach seinen Überzeugungen. Sie waren, was ihn antrieb. Aber es war nicht alles gewesen und der Verdacht, dass sowohl der Captain als auch der Schiffsarzt diesen Umstand erkannt hatten, zeigte deutlich, dass dieser Zwiespalt einen sichtbaren Einfluss auf ihn hatte. Noch einmal rief er sich seine eigenen Worte ins Gedächtnis. Die Erforschung des Sonnensystems hatte oberste Priorität, um Gefahren für die Basis auszuschließen. Darauf musste er sich konzentrieren. Weil es logisch war. Aber es war ebenso logisch, einem Freund helfen zu wollen. Aber, erinnerte der Vulkanier sich still, diese beiden Ziele waren unabhängig voneinander zu betrachten und ihrer Priorisierung entsprechend einzubeziehen.
„Spock“, hallte hinter ihm ein Ruf über den Gang.
Der Erste Offizier blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. Die Stimme gehörte eindeutig McCoy. Es wäre sinnlos, ihn nach seinen Motiven zu fragen, da er sie ihm ohnehin gleich offenbaren würde.
Als der Arzt ihn eingeholt hatte, zeichnete ihn ein gewisses Zögern aus, das seine Mimik wie Gestik wortlos unterstrich. „Was ich auf der Brücke gesagt habe“, begann er in ernsten Tonfall, ohne die sonstige Verärgerung im Unterton, „meinte ich nicht als Vorwurf.“
Spocks Augenbraue wanderte in die Höhe. „So?“, fragte er nur. Denn in seinen Ohren hatte es ganz klar nach dem Vorwurf der Befangenheit geklungen.
„Also schon, aber ich könnte es verstehen, wenn Sie sich auch Gewissheit verschaffen wollen, bezüglich des Jungen“, wurde McCoy deutlicher und sprach das Dilemma nun zum ersten Mal, seit ihrem Aufenthalt auf der Sternenbasis direkt an.
Spocks Miene blieb unbewegt. „Wenn die Gefahrenanalyse abgeschlossen ist und einer tiefergehenden Analyse nichts im Wege steht, werde ich auf Lieutenant Hogans Anraten einen Scann beim Captain beantragen“, erklärte er kühl. „Seien Sie sich jedoch versichert, dass die Forschung und Gefahrenabwehr einen höheren Stellenwert genießt.“
Da war sie wieder. Die latente Verärgerung in McCoys Blick im Angesicht der Logik.
Der Nachsatz wäre wohl besser ungesagt geblieben, um dem Schiffsarzt die Möglichkeit zu geben, etwas zu hören, was Spock niemals gesagt hatte. Mit der Gesprächsführungstechnik, Menschen durch mehr Interpretationsspielraum glauben zu lassen, das Gespräch zu lenken und dadurch eine gewisse Zufriedenheit zu erlangen, musste er sich später noch einmal näher auseinandersetzen. Vielleicht ersparte es ihm zukünftig Auseinandersetzungen dieser Art.
„Keine Sorge“, entgegnete der Mediziner, nun seinerseits ungewohnt beherrscht und kühl, „ich dachte zwar für einen kurzen Moment, dass Sie tatsächlich wegen dieser Sache befangen sein könnten, aber es tut mir wirklich leid, mich in dieser Sache getäuscht zu haben.“
Diese Sache, echote es in Spocks Kopf, worauf sich seine Miene unmerklich versteifte. Aber dennoch erkannte er die Gelegenheit, dieses Gespräch hier und jetzt zu beenden. „Es freut mich, dass wir dieses Missverständnis aus dem Weg räumen konnten.“
Aber die Beherrschung des Arztes währte nicht so lange, wie Spock es vorausgesetzt hatte. „Machen Sie mir doch nichts vor, Spock“, holte er erneut verbal aus. „Ich weiß, dass Sie sehr wohl wissen, was Freundschaft ist.“
Das hatte Spock befürchtet. Bremsen würde er McCoy unter diesen Umständen kaum noch.
„Als Sie Kirk auf Anraten dieses Bürokratenheinis absetzen mussten, habe ich Ihnen vorgeworfen, dass Sie nur darauf gewartet hätten. Aber selbst ich habe gesehen, wie schwer es Ihnen fiel. Sie haben es beinahe nicht ertragen, dieses Verfahren zu führen und dem Captain die entscheidenden Fragen zu stellen, die seine Dienstunfähigkeit bestätigten! Sie wollten ihn nicht bloßstellen, obwohl Sie mit ihrer vulkanischen und so nervtötend logischen Art genau wussten, dass er als Captain zu diesem Zeitpunkt nicht mehr tragbar war. Sie leiden darunter, wie jeder andere auch“, führte McCoy seine Beweise ins Feld, die nichts weiter waren als Interpretationen vager Beobachtungen, aber die dennoch voll ins Schwarze trafen.
Aber das würde Spock ihm nicht auf die Nase binden und sah ihn nur reglos an. „Wenn das Ihre Ansicht ist“, gab er neutral zurück und setzte seinen Weg zu den Laboren ohne ein weiteres Wort fort. „Ich habe noch zu tun.“
~*~
„Tschuldige“, brachte Lieutenant Grasner gequält hervor, als er den reuigen Blick wieder heben konnte und sich rücklings zurück aufs Bett fallen ließ. Gemeinsam mit drei anderen Technikern war er in einem der Krankenzimmer untergebracht worden. Damit ihnen nicht langweilig wurde und auch als Kontrolle, damit sie Auffälligkeiten bei ihren Kollegen bemerken konnten, sollten diese eintreten. Untereinander kannten die Abteilungsmitglieder sich besser, als das Personal der Krankenstation sie in der kurzen Zeit kennenlernen konnte.
Grasners Entschuldigung gegenüber Schwester Chapel empfand diese allerdings als unangebracht und schüttelte nachsichtig den Kopf, als sie ihm die Tüte aus der Hand nahm. „Da können Sie nichts gegen tun“, erklärte sie ihm. Wenn nicht einmal die Medikamente zuverlässig halfen, was sollte da bloßer Wille bewirken? „Ruhen Sie sich aus, dann haben Sie es schnell hinter sich.“ Mit diesen Worten rückte sie ihm noch einmal das Kissen gerade, in dem sich Kühlpads befanden, was der Hirnschwellung entgegenwirken sollte.
Das mit der Ruhe ließ Grasner sich nicht zweimal sagen, nickte schlapp und schloss die Augen. Die Hirnströme der anderen zeigten, dass es mehr ein unruhiges Dösen war, dem sie sich hingaben, als einem tiefen, erholsamen Schlaf.
Bevor das abbaubare Auffangprodukt in ihrer Hand doch noch vom Inhalt durchweichte, verließ sie möglichst still das Zimmer. Auf der Krankenstation waren eine weitere Schwester und zwei Sanitäter mit ihren restlichen Patienten und deren Überwachung beschäftigt, da wollte sie auch noch nach dem Rechten sehen, nachdem sie sich hier vergewissert hatte, dass alles in Ordnung war - im Rahmen des Möglichen.
Als sie auf den Gang hinaustrat, sah sie, dass sie nicht die Einzige war, welche die Krankenstation als Ziel hatte. Einerseits war sie froh, diese Person wieder zu sehen, andererseits sehr verärgert, dass sie überhaupt weg gewesen war. „Lieutenant Commander Scott“, begann sie ihre Ansprache, deren Tonfall nicht minder autoritär klang. Im selben Tonfall hatte ihre Mutter sie immer ermahnt, ihr Zimmer in Ordnung zu bringen.
Tatsächlich blieb der Chefingenieur zunächst wie vom Donner gerührt stehen.
Chapel ließ ihm keine Zeit für Widerworte. „Wo waren Sie?“ Abgemeldet hatte sich der ranghöhere Offizier nämlich nicht. Schrecklich, fiel Chapel auf. Sie klang tatsächlich wie ihre Mutter. Aber solange er krank- und dienstunfähig geschrieben war, interessierte die Schwestersein Rang nicht die Bohne. Sie hatten schon genug Arbeit, da brauchte es nicht noch einen Patienten, der sich übernahm und mehr Arbeit machte, als er vermeiden wollte.
In der Zwischenzeit hatte der Ingenieur seine Selbstsicherheit wiedergefunden. „Auf der Brücke. Bevor die mir mein Schiff noch endgültig zerlegen.“ Und seinen Trotz auch.
„Sie sollten lieber daran denken, dass es Sie fast zerlegt hätte“, bediente Chapel sich seiner Worte und schob ihn mit sanfter Gewalt durch die Tür der Krankenstation, wo sie linker Hand die Tüte in den medizinischen Abfall entsorgte.
Scotty ließ nur ein gegrummeltes „Jaja“ von sich hören.
„Denken Sie daran, dass man Ersatzteile für Schiffe sehr leicht bekommen kann. Sie gibt es nur einmal.“ Und tatsächlich war er als Patient in Punkto Sturheit ein besonderes Vorzeigeexemplar der Gattung 'Offizier'. Glaubten alle, sie wären unersetzlich und begriffen doch nicht, was das hieß: Dass sie mit ihrem Leben gefälligst pfleglich umzugehen hatten!
„Leicht?“ Oh, dem Ton nach hatte die Krankenschwester sich da unwissentlich in die Nesseln gesetzt.
Aber einer der Sanitäter hatte einen nüchternen Konter im Vorbeigehen parat. „Im Gegensatz zu einem neuen humanoiden Hirn ist alles leicht zu besorgen.“
Chapel verkniff sich ein Grinsen. Treffer, versenkt.
Und tatsächlich brachte das auch Scott zum Schweigen. Der sah sich stattdessen ernüchtert um. „Wie geht's meinen Leuten?“, fragte er, mit Blick auf den Ruhebereich, in dem die Schwerverletzen untergebracht worden waren. Die Wege des Personals waren so am kürzesten zu ihnen und sie konnten sie permanent überwachen. Auch, wenn die Zimmer ebenfalls mit Biobetten ausgestattet waren, die bei Abweichungen der Vitalwerte von der Norm Alarm schlugen, müssten sie sich dann erst auf den Weg machen.
Da Chapel die letzten zwanzig Minuten auf den Zimmern nach dem Rechten gesehen hatte, war sie nicht mehr auf dem neusten Stand und sah in den Raum hinein, um sich einen Überblick zu verschaffen.
„Officer Stinson wird langsam wach“, unterrichtete sie Lieutenant Hayes, eine Krankenschwester neben Stinsons Bett in ihrem Alter, mit langen, zum Bauernzopf geflochtenen, braunen Haaren und ernster Miene. „Sonst keine Änderungen.“
Sie wiederholte es nicht, da der Chefingenieur ohnehin direkt hinter ihr stand und mithörte. Stattdessen sah sie zu Nicole, die zunehmend unruhig auf ihrem Biobett lag. Als Krankenschwester wusste sie, dass es ein gutes Zeichen war, wenn sie wieder zu Bewusstsein käme und es die Beurteilung der Schäden eklatant erleichterte. Aber sie wusste auch, dass es besser wäre, Scott woanders hinzuschicken, eben weil sie nicht wussten, was sie erwartete. „Kommen Sie“, meinte sie daher zum Schotten und begleitete ihn in den Behandlungsbereich, wo sie ihn sanft auf einen Stuhl dirigierte, bevor sie via Intercom routiniert nach Doktor McCoy verlangte. Da der Ingenieur auf seinem Platz ziemlich verloren wirkte, nahm Chapel sich die Zeit, ihm eine Erklärung anzubieten, zusammen mit einem Becher Wasser. „Sie können später zu ihr und vielleicht auch zu den anderen, wenn sie auch wieder bei Bewusstsein sind. Aber lassen Sie sie erst einmal zu sich kommen.“
Ihr Patient nahm den Becher entgegen und ergab sich den Tatsachen mit einem Nicken.
„Ich komme gleich wieder“, versprach der Lieutenant daraufhin und ging in den Ruhebereich, in dem Officer Stinson sich langsam aber sicher dem Zustand ihrer Kameraden annäherte, was hieß, dass Lieutenant Hayes sie bereits auf die Seite gedreht hatte und sie sich über die Bettkante hinaus übergab, womit Hayes offensichtlich nicht so schnell gerechnet hatte. Der entsprechende Spuckbeutel stand noch griffbereit auf dem Beistelltisch. Während die junge Schwester Nicole weiter festhielt, griff Chapel sich das Tuch neben dem Spuckbeutel und beseitigte die Überreste des Malheurs, die an ihrem Kinn hinab tropften und überzeugte sich, dass nichts übrig geblieben war, woran sich der Petty Officer schlussendlich doch noch verschlucken könnte. „Stinson, hören Sie mich?“, begann sie währenddessen ein Gespräch.
Nicole Stinsons Blick war ins Leere gerichtet und nur langsam kam Leben in die matten, halb geöffneten Augen, die sich langsam in ihre Richtung bewegten. „Arlene?“
Die Krankenschwester legte erst das Tuch beiseite, während Hayes Stinson vorsichtig wieder ins Bett bugsierte. Es war nur ein kurzer Dialog gewesen, aber er enthielt eine Menge Informationen.
Stinson erkannte sie nicht, hielt sie für Arlene Galway und wusste nicht, dass jene Schwester seit Gamma Hydra IV nicht mehr an Bord war. Sie war an den Folgen des Strahlenunfalls und der dadurch hervorgerufenen schnellen Alterung verstorben.
Das Projekt macht mich fertig ... Korrupte Datei. Bald hab ich jede Technikpanne durch. Aber es ist wieder da!
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