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So viel Zeit muss sein

von Janora

~Oneshot~

Deprimiert starrte Culber von seinem Tablett auf den leeren Platz ihm gegenüber.
Eigentlich hatten Stamets und er heute zusammen nach ihrer Schicht essen wollen, aber sein Freund machte wieder einmal Überstunden. Wie schon an jedem anderen Tag dieser Woche. Oder sogar Monat?
Eine Schicht schien fließend in die andere überzugehen seit der Krieg begonnen hatte. Mehr noch, sie schienen sich immer mehr zu ziehen.
Leider war die Zeit dazwischen noch träger. Er bekam Stamets kaum noch zu Gesicht und wenn doch, dann gab es Reibereien.
Er konnte ja verstehen, dass der Wissenschaftler unter Spannung stand. Der Krieg zerrte an ihrer aller Nerven. Noch dazu fühlte er sich seiner Forschung beraubt und diese missbraucht.
Culber konnte sich kaum vorstellen, wie er reagieren würde, täte man dies mit seiner Arbeit.
Und dann war natürlich Stamets‘ Kollege Straal gerade gestorben. Der Verlust der USS Glenn hatte sie alle schwer erschüttert. Stamets jedoch am meisten, denn er konnte noch nicht ausschließen, dass ihnen nicht das gleiche Schicksal ereilte, wie er Culber bei einem Glas vulkanischen Portwein aufgelöst mitgeteilt hatte.
Es war einer der wenigen Abende, an denen sie sich nicht resigniert angeschwiegen hatten.

Der Arzt nahm einen Bissen seines Currys, als Stamets endlich auftauchte und sich setzte. Die Sorgenfalte auf seiner Stirn übertönte die gemurmelte Begrüßung.
Culber versuchte es mit einem halbherzigen Lächeln. Immerhin saß er nicht mehr alleine, auch wenn er wusste, dass sie sich für den Rest des andauernden Essens nichts zu sagen hatten.

~

Stamets wusste um seine Laune, war aber nicht motiviert etwas daran zu ändern.
Daher war er selbst wohl am meisten überrascht, als sie sich einige Tage später von selbst schlagartig änderte.
Er bemerkte es, als er bei seiner Morgenwäsche in den Spiegel schaute und keine Augenringe entdeckte. Außerdem freute er sich auf die Arbeit.
Hatte er zur Abwechslung etwa mal erholsamen Schlaf bekommen?
Anders konnte er es sich nicht erklären. Aber er fand, dass es ein gutes Gefühl war. Befreiend.

„Ich gehe jetzt die Geheimnisse des Universums erkunden“, verabschiedete er sich von seinem Freund, der ihn daraufhin verwirrt anstarrte.
Stamets ließ sich davon aber nicht beirren, sondern drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Ich sehe dich dann beim Essen.“
Culber öffnete den Mund, wusste aber nichts zu sagen, so überrascht war er von dem unerwarteten Stimmungsumschwung. Er brachte gerade noch ein Lächeln zustande, bevor Stamets aus der Tür verschwand.
Verrückt.
Aber vielleicht geschah da ja gerade ein Wunder.

Voller Elan widmete sich Stamets seiner Arbeit.
Burnham war heute von Captain Lorca anderweitig in Beschlag genommen worden, weswegen ihm nur ein paar Wissenschaftler Gesellschaft leisteten, die ihn aber zumeist in Ruhe ließen. Dafür hatte sein Verhalten in den letzten Wochen gesorgt.
So hatte er die Muße, komplett in seinen Untersuchungen über den Sporenantrieb und die DNA des Tardigraden, die sich seit kurzem in seinem Blut befand, aufzugehen.
Es war verblüffend, was dabei alles zu Tage kam.
Revolutionär.
Wenn sich diese Theorien noch weiter spinnen ließen ... Sein Blick fiel aufs Chronometer und wie von einem Targ gebissen sprang er auf, woraufhin die anderen im Raum ihn anblickten, als wäre er plötzlich selbst zu einem Targ geworden.
„Ich muss mich beeilen!“, war die einzige Erklärung, die er ausrief und mit der er verschwand.

Um Zeit aufzuholen, joggte er durch die Gänge der Discovery.
Viele Köpfte drehten sich zu ihm um und fast erwartete man, dass irgendein Alarm losging, denn warum sonst sollte der leitende Wissenschaftler des Geheimprojektes dieses Schiffes sich so beeilen, wenn nicht wegen eines Notfalls?
Wahrscheinlich machte es der Umstand dabei nicht besser, dass Stamets sich mit den Worten „Lasst mich durch. Das ist ein Notfall!“ an den anderen vorbeizwang.
Erst vor den Türen der Messe kam er schlitternd zum Stehen, genau dann, als Culber sie gerade betreten wollte.
Schnaufend schnappte Stamets nach Atem.
„Ich bin da. Und ich bin nicht unpünktlich ...“
„Bist du etwa den ganzen Weg gerannt?“
„Na klar.“ Lächelnd nahm Stamets die Hand des Arztes. „Ich möchte auf keinen Fall wieder diesen enttäuschten Ausdruck auf deinem hübschen Gesicht sehen, weil du schon wieder auf mich warten musstest.“
„Ich ... danke. Geht es dir gut?“
„So gut, wie schon lange nicht mehr. Komm, lass uns essen.“

Kurz darauf saßen sie mit ihren Tabletts an einem Tisch und Stamets erzählte euphorisch von seinen neuen Theorien. Culber sah ihm dabei lächelnd zu und verliebte sich ein wenig neu in seinen Freund, freute sich, ihn so erleben zu können.
Fragend blickte er auf, als Stamets seine Hand nahm. Offensichtlich waren seine Gedanken kurz abgedriftet.
„Danke, dass du so wundervoll bist“, raunte der Wissenschaftler.
„Du bist wundervoll, Paul. Und ich bin froh, dass wir endlich mal wieder etwas Zeit haben, das zu sagen.“
„Ich auch.“

~

Tatsächlich achtete Stamets darauf, sich in den folgenden Tagen genug Zeit für seinen Freund zu nehmen. Er kümmerte sich zwar immer noch ausgiebig um seine Arbeit und den Sporenantrieb, der ihm neue Energie zu geben schien, beendete jede seiner Schichten aber pünktlich und traf Culber in der Messe oder besuchte ihn sogar auf seiner Station.
Der Arzt half ihm außerdem bei seinen Forschungen, indem er Implantate entwickelte, die Stamets den Vorgang der Sprünge erleichterte.

„Sei aber dennoch vorsichtig, ja?“, ermahnte er den Wissenschaftler und küsste ihn sacht, als dieser sich von dem Biobett erhob und seine Unterarme untersuchte.

„Alles, was dich beruhigt“, versicherte er Culber und drückte auf das ungewohnte Material in seiner Haut.

„Sagen wir fast alles. Solange du in diese Kabine gehst und Sprünge machst ... in ein paar Tagen wird die Rötung weggehen. Bis dahin kann es sich noch unangenehm anfühlen. Aber dein Körper wird sich bald daran gewöhnt haben.“ Stamets nickte abwesend auf die Worte des Arztes, woraufhin dieser lächelnd die Augen rollte. „Ich sagte, dass ich heute lieber auf der Couch schlafe“, wiederholte er.

Jetzt blickte Stamets ihn an. „Du wirst lila, wenn du lügst“, stellte er amüsiert fest.

„Du meinst wohl rot.“

„Nein, lila ...“ Stamets deutete auf Culbers Äußeres, doch dieser runzelte bloß die Stirn, was wiederum Stamets verwirrte. Denn für ihn war es eindeutig, aber er wusste auch nicht, wie er es besser beschreiben sollte. „Ach, nicht so wichtig ...“, meinte er schließlich. „Darf ich zurück auf meine Station, Doktor?“

„Sie sind entlassen, Lieutenant“, nickte Culber.

~

Dieser kurze Moment, in dem Stamets das Gefühl hatte, etwas gesehen zu haben, das er nicht ganz in Worte fassen konnte, sollte nicht der einzige bleiben.
In den folgenden Tagen hatte er immer öfter das Gefühl, dass er viel mehr in seinen Kollegen sah, als zuvor. Diese Beobachtung rückte aber in den Hintergrund, denn seine Aufmerksamkeit lag auf dem, was er über das Universum lernen, was er sehen durfte. Dinge, von denen er nie zu träumen gewagt hätte.
Der Sporenantrieb stellte alles bisherige seiner Forschungen in den Schatten. Die Schmerzen, die ihm bei den Sprüngen blieben, und die kleinen Aussetzer, die er anschließend oft hatte, waren es eindeutig wert. Denn dieser neue Blick auf die Welt, der ihm geschenkt worden war, machte jede kleine Strapaze wieder wett.

Bis Mudd auftauchte und er in einem Alptraum gefangen war.

Es musste an seiner Tardigraden DNA liegen, dass er der einzige war, der mitbekam, dass sie immer und immer wieder dieselben grausigen Stunden erleben mussten. Keiner glaubte ihm, immer wieder musste er sterben.
Siebenundzwanzig verdammte Mal hatte er diesen Horror jetzt bereits mitgemacht, war die ersten Male nur verwirrt durch das Schiff gestolpert, hatte dann aber schnell eine Taktik entwickelt.
Burnham spielte dabei eine entscheidende Rolle, ebenso wie Lieutenant Tyler.
Dennoch wurde es mit keinem Mal leichter, ganz im Gegenteil: es war ermüdend, deprimierend. Und er hatte genug davon!
Es würde niemanden schaden, wenn er sich diesen achtundzwanzigsten Tag um etwas anderes kümmern würde. So viel Zeit musste sein. Sie würden sowieso sterben und dann würde es wieder von vorne anfangen. Was hatte es also für einen Sinn, stets um dieselbe aussichtslose Sache zu kämpfen?

Sein Weg führte ihn also zur Krankenstation anstatt direkt in den Flur zwei Decks tiefer, in dem Burnham gerade entlang lief; den er schon so oft entlang gerannt war, um sie einzuholen. Sollten die jungen Offiziere und Ensigns doch in Ruhe ihre Party feiern.

„Alles in Ordnung?“, fragte Culber überrascht mit einer nicht geringen Spur Sorge in seiner Stimme, als er den Wissenschaftler entdeckte.

Dieser winkte ab.
„Ich wollte dich sehen“, erwiderte er und drückte ihn.

„Bist du sicher, dass es dir gut geht?“
Amüsiert, aber noch nicht vollständig überzeugt, erwiderte der Arzt die Umarmung, von denen er in letzter Zeit einige von seinem Freund bekommen hatte. Dennoch schob er ihn dann ein Stück von sich und betrachtete ihn.
„Du siehst erschöpft aus. Vielleicht sollte ich deine Vitalwerte überprü- ...“
Weiter kam er nicht, denn Stamets unterbrach ihn mit einen Kuss.
„Du redest zu viel“, raunte er. „Hör auf damit.“
Er küsste ihn erneut und Culber ging nur zu gerne darauf ein.
„Ich habe Dienst“, warf er dennoch ein wenig halbherzig ein.

„Vielleicht brauch ich doch eine Untersuchung. Ich fühle mich ein wenig schwach“, überlegte der Wissenschaftler „Machst du auch Hausbesuche?“

Der Arzt blickte sich in der Krankenstation um. Es war eine ruhige Schicht. Die anderen Ärzte und Schwestern würden sicher eine Weile ohne ihn zurechtkommen, entschied er und nickte.
„Okay.“


Entgegen des vorherigen Vorschlags zogen sich die beiden nicht in ihr privates Quartier zurück, sondern auf das Observationsdeck. Früher hatten sie gerne ihre Freizeit hier verbracht, wenn sie sich in einer Runde dreidimensionalem Schach versuchten, in dem Stamets aber alles andere als gut war, oder einfach nur zusammen die Sterne beobachteten,
Auch jetzt hing der Blick des Wissenschaftlers an den leuchtenden Punkten.
„Wir waren schon lange nicht mehr hier“, stellte er fest.

„Wir hatten viel zu tun.“

„Stimmt, aber wir dürfen nicht vergessen, uns Zeit für uns zu nehmen.“ Stamets wandte sich an seinen Freund, dessen Hand er hielt, und lächelte.

„Womit habe ich diese plötzliche Erkenntnis von dir denn verdient?“, lachte Culber.

„Ich liebe dich.“

„Und ich liebe dich.“

Glücklich darüber, sich zu haben und diesen Moment miteinander teilen zu können, blickten sie sich einfach nur in die Augen.

„Weißt du, über eine Sache haben wir nie gesprochen“, fing Culber dann an, klang plötzlich ein wenig nervös.

„Was meinst du?“ Verwunderte legte Stamets den Kopf leichte schief, während Culber seine Hand nach oben zog und auf den vorletzten seiner Finger deutete.

„Was würdest du von einem Ring hier halten?“

„Was?“
Stamets starrte ihn mit offenen Mund an.

„Ich weiß, dass das eventuell ein wenig plötzlich kommt, aber vielleicht wenn der Krieg vorb- ...“

„Ja!“, unterbrach ihn der Wissenschaftler heute schon zum zweiten Mal mitten im Satz.

„Ja?“

„Unbedingt.“

Ein breites Grinsen breitete sich auf Culbers Gesicht aus.
„Der Obersten Direktive sei Dank“, atmete er erleichtert aus. „Ich wüsste nicht, was ich getan hätte, wenn du ‘Nein‘ gesagt hättest.“

„Du hättest es nicht zugelassen. So wie damals, als ich dich ins tellaritische Konzert einladen wollte, du aber darauf bestanden hast, dass du mich einlädst, weil ich ja schon die Musik erdulden müsste.“
Die beiden mussten schmunzeln bei der Erinnerung an jene Diskussion.
Plötzlich ertönte jedoch ein Alarm und ließ die beiden aufhorchen.

„Verdammt, was ist da denn los?“, zischte Culber und wollte los eilen, wurde jedoch von Stamets, der immer noch seine Hand hielt, zurückgehalten.
Der Wissenschaftler hatte die Augen geschlossen. Er wusste ganz genau, was gleich passieren würde und wollte es nicht mit ansehen müssen. Nicht schon wieder. Nicht Hugh.

Das Feuer kam nur eine Sekunde später und riss die beiden mit, überrannte sie mit einer Woge brennenden Schmerzes.
Dieser ließ jedoch genauso schnell ab, wie er gekommen war und als Stamets die Augen wieder öffnete, fand er sich am selben Punkt wieder, wie jedes Mal, wenn die Schleife wieder von vorne anfing. Er machte kehrt und rannte los, um Burnham zu finden.
Ein neuer Energieschub hatte ihn erfasst, endlich eine Lösung zu suchen und diesem Albtraum ein Ende zu bereiten. Denn er wusste jetzt, worauf er danach hoffen durfte, was ihn erwarten würde. Und das war es allemal wert durch diese Hölle zu gehen. Egal wie oft.
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