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STD 03 - Hinter des Maske (2)

von Adriana

Kapitel 2 - Licht

Es war kurz vor der Morgendämmerung, als Julianna Lairis das Licht sah. Nicht das Licht des nahenden Sonnenaufgangs … nein, auf dem Weg zur Toilette wurde sie von einem warmen, orangeroten Leuchten angezogen. Das dünne Nachthemd bot ihr kaum Schutz gegen die frische Morgenluft und eine Gänsehaut überzog ihren Körper, als sie auf den Balkon hinaustrat. Trotz-dem konnte sie ihren Blick nicht von der Straßenlaterne unter ihr abwenden. Sie leuchtete. Alle Straßenlaternen leuchteten. Und das Verandalicht brannte ebenfalls!
Am Tag zuvor hatte Julianna noch auf diesem Balkon gestanden, die vorbeifliegenden Shuttles beobachtet und sich geärgert, dass sie keinen Flugschein besaß. Dann hätte sie wenigstens sa-gen können: „Ich habe geholfen.“
Sie hatte sich in diesem Augenblick sehr überflüssig gefühlt. Nutzlos. Sie hasste dieses Gefühl, denn sie kannte es sehr gut aus ihrer Zeit auf der USS PRETORIA. „Bringt das Kind in Sicherheit!“ war immer der erste Satz, wenn es zu einem Zusammenstoß mit Aliens von ungenügender Freundlichkeit kam. In ihrer Erinnerung war die Schlacht von WOLF 359 kein Kampf, sondern eine endlos erscheinende Nacht in einem klaustrophobisch engen Raum, der nach Schweiß roch und von einer flackernden Neonröhre erhellt wurde.
Ihre Mutter war diejenige, die die Heldentaten vollbrachte, und sie das Anhängsel, das im Weg stand und beschützt werden musste.
Auf der High School konnte sie endlich mehr sein: kein Überflieger, aber eine gute Schülerin, die fast jeder mochte. Mitherausgeberin der Schülerzeitung, Verfasserin der besten Abschluss-klausur in Geschichte, der ganze Stolz ihrer Mutter. Aber die Schulzeit war unwiederbringlich vorbei und Julianna fürchtete sich manchmal vor dem Unbekannten, das sie dort draußen erwar-tete. Sie hatte sich noch nicht einmal entschieden, was sie studieren wollte. Natürlich etwas, das zu ihr passte, irgendwas Überflüssiges wie Xenosoziologie, Kunstgeschichte oder Politikwissen-schaft … dann könnte sie einmal Bücher schreiben, die in irgendwelchen Universitätsbibliotheken verstaubten, und sich damit ein paar zusätzliche Credits zur Grundsicherung verdienen. Ein Glück, dass sie in der Föderation lebte, da musste sie wenigstes nicht hungern.
Aber die Gerüchteküche brodelte seit dem ersten Zusammenstoß zwischen der Föderation und dem Dominion – und was da gekocht wurde, schmeckte Julianna überhaupt nicht. Sollte ein Krieg unvermeidlich sein, könnte die Föderation als Erstes auf ihre Juliannas verzichten: ver-träumte Möchtegern-Schriftstellerinnen, die gefühlvolle Gedichte und flammende Reden abson-derten, aber zu schüchtern waren, um sie selbst vorzutragen. Nein, in einem Krieg wurden Leute wie ihre Mutter gebraucht … natürlich auch Krankenschwestern, Ärzte, Ingenieure, Computer-spezialisten, Bauleute und Naturwissenschaftler. Für all das hatte Julianna keine Begabung. Das einzige, was sie wirklich gut konnte, war schreiben und zeichnen. Vielleicht sollte sie Kriegsbe-richterstatterin werden? Das war wenigstens einen Perspektive, wenn auch keine schöne. Aller-dings hatte sie sich bisher bei jedem Angriff unter den Möbeln verkrochen wie Lieutenant van de Kamps Katzen. Soviel zur Karriere als Kriegsberichterstatterin.
Julianna wälzte solche düsteren Gedanken selten bei Tag, aber immer dann, wenn sie zwi-schen drei und vier Uhr morgens aufwachte und nicht wieder einschlafen konnte. Genau wie heute … bis das Licht plötzlich angegangen war.
Mit klopfendem Herzen eilte Julianna zurück ins Zimmer, wo ihre Mutter schlief. Lairis Ilana war bis zur Nasenspitze unter der Bettdecke verschwunden, doch das Mädchen ahnte, dass sie schmerzlich den Mund verzog. Ihrer Augen wanderten ruhelos unter den Lidern hin und her.
Julianna hatte ihre Mutter noch nicht einmal berührt, doch von einer Sekunde zur anderen saß Captain Lairis senkrecht im Bett. Gleichzeitig fuhr ihre Hand unter das Kopfkissen und zog einen Phaser hervor.
Julianna wich erschrocken zurück. „Hey, pass auf, wem du das Gehirn wegpustest!“
Lairis Ilanas Zügen entspannten sich ein wenig. „Ach, du bist es! Ich wollte dich nicht erschre-cken. Entschuldigung, Kleines.“
„Ja ja, schon gut. Jetzt kannst du mir die Blitzschleuder aus dem Gesicht nehmen!“
Lairis folgte diesem Vorschlag nur stirnrunzelnd und zögerlich.
„Du bist aber ganz schön mit den Nerven runter“, stellte Julianna fest. „Ich bin kein Wechsel-balg – soll ich’s dir beweisen?“
„Ich glaube dir ja, aber ich kann ohne Waffe nicht schlafen. Tut mir leid.“
„Hast du’s schon mal mit einem Teddybären versucht?“
Lairis warf ihrer Tochter einen genervten Blick zu. „Als ich beim Widerstand war, mussten wir oft unter freiem Himmel schlafen. Einer von uns hat nachts das Lager bewacht, meistens Branqo. Dann bin ich eines Tages kurz vor Sonnenaufgang aufgewacht und hörte von Branqo nichts als ein tiefes, regelmäßiges Schnarchen. Also dachte ich, Vorsicht ist besser als Nach-sicht, und legte mir einen Dolch unters Kopfkissen, zum Schutz gegen wilde Tiere. Und Cardis. Da gab es keinen großen Unterschied. Wenn sich mir jemand im Schlaf nähert, werde ich sofort wach. Antrainierte Reflexe.“
„Als ich noch klein war, bin ich oft zu dir ins Bett gekommen, wenn ich nicht schlafen konnte“, erwiderte Julianna nachdenklich. „Dann bist du wach geworden und hast mich in den Arm ge-nommen – aber ich kann mich nicht erinnern, dass du mit einem Phaser auf mich losgegangen wärst.“
„Wahrscheinlich hat mein Unterbewusstsein diese Kleinkinder-Tippelschritte nicht als Bedro-hung wahrgenommen.“
„Wer weiß, vielleicht waren es ja cardassianische Killerbabys, die vom Obsidianischen Orden eine Gehirnwäsche bekommen haben.“ Julianna grinste.
„Nie wieder Rana-Tel-Comics!“ stöhnte ihre Mutter.
„Weißt du, ich kann verstehen, dass du dich hier nicht sicher fühlst …“ begann Julianna ernst.
Lairis starrte die Wand an und schwieg eine ganze Weile. Sie hatte den Phaser weggelegt und die Decke fest um ihren Körper gewickelt, als wäre sie ihr einziger Schutz. „Ich habe geträumt, dass eine Frau mit meinem Gesicht hier an meinem Bett gestanden hätte. Dann nahm sie auf einmal flüssige Form an und kroch mir in die Nasenlöcher.“
„Uääh!“ rief Julianna angewidert.
„Ja, uääh! Ich wollte meine Waffe nehmen, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht be-wegen. Also danke, dass du mich geweckt hast, Schatz! Du liegst völlig richtig: Ich fühle mich hier nicht sicher.“ Lairis strich ihrer Tochter sanft über den Arm. „Wieso hast du mich eigentlich geweckt? Brauchst du irgendwas?“
Julianna schüttelte den Kopf. „Ich wollte dir nur sagen: Wir haben wieder Strom!“
Lairis schien nicht sehr beeindruckt. „Für wie viele Minuten diesmal? Gestern hieß es mindes-tens fünf Mal, sie hätten die Energieversorgung wiederhergestellt.“
„Ich weiß. Aber die Straßenlaternen brennen schon mindestens eine halbe Stunde. Ich glaube, diesmal haben sie es wirklich auf die Reihe gekriegt.“
„Das wäre toll!“
Juliannas Optimismus war ansteckend. Lairis folgte ihrer Tochter auf den Balkon und strahlte, als sie ein Licht nach dem anderen in San Franciscos Straßen aufleuchten sah. Obwohl ihr Ge-sicht plötzlich einen so ungesunden Farbton annahm, dass Julianna fürchtete, sie würde das Straßenpflaster mit den halb verdauten Resten ihres Abendbrots garnieren.
„Geht’s dir gut?“ fragte Julianna besorgt. „Soviel ich weiß, hättest du gestern zur Nachuntersu-chung ins Hauptquartier gemusst.“
„Das war nur ein Arzttermin und kein Befehl“, erklärte Lairis. „Ich nehme meine lieben Vorge-setzten beim Wort und werde das Bett hüten, bis man mir etwas anderes sagt. Wenn die Ster-nenflotte meint, dass ich untersucht werden soll, können sie gern einen Arzt vorbei schicken, jetzt, da die Stromversorgung wieder funktioniert …“
„Verständlich, dass du dich nicht im Hauptquartier blicken lassen willst. Du könntest ja einem von Benteens Leuten über’n Weg laufen – und das wäre ultrapeinlich“, unterbrach Julianna sie ungeniert. Die mürrische Miene ihrer Mutter verriet, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
„Ja, und ob das peinlich ist! Ich habe Benteen gegenüber großspurig verkündet, ich würde die DEFENDER kommandieren – und dann darf ich sie mal eben aus der Garage fliegen … Glaub mir, darüber werden sie noch Tränen lachen, wenn ihre Nasenhaare grau sind!“
„Wie sie dich behandelt haben, war extrem unfair“, meinte Julianna leidenschaftlich. „Trotzdem … wenn sie der Ansicht sind, dass du das Bett hüten solltest, haben sie wahrscheinlich Recht. Du stehst von den Scheintoten auf, ziehst dir zwei Rana-Tel-Comics rein, dir geht’s ein bisschen besser und schon machst du dich auf den Weg, um dem Lakaien der Finsternis in den Arsch zu treten … Tut mir leid, Mom, aber die Formwandlerpest steckt man nicht so locker weg, dazu feh-len dir leider die Superkräfte.“
„Ach, nun hab ich also einen Heldenkomplex, deine Comics haben mir das Hirn vernebelt, oder wie?“ konterte Lairis hitzig. „Darf ich dich daran erinnern, dass du mir die Dinger erst ans Bett gebracht hast? Ja, ich war ziemlich dumm, mir einzubilden, dass ich ohne das OK von Doktor Tygins irgendein Kommando führen dürfte! Ich hab wohl gedacht, in dem allgemeinen Durchei-nander würde das niemanden interessieren, und wenn ich nicht gerade auf allen Vieren krieche und Blut spucke … Nein, offen gestanden, habe ich überhaupt nicht nachgedacht – und wenn mir irgendwas peinlich ist, dann das!“
Das Mädchen lächelte. „Beruhigend, dass du auch Fehler machst.“
„Natürlich. Ich mache ständig Fehler. Vielleicht war es sogar ein Fehler, in die Sternenflotte ein-zutreten.“
Julianna sah ihre Mutter lange und skeptisch an. „Das sind wohl Wahrheiten, die man nur mor-gens um halb vier ausspricht.“
„Wahrheiten? Es muss keine Wahrheit sein, nur weil ich es im Moment so empfinde.“
„Soll ich mal die Nachrichten runterladen?“ versuchte Julianna vom Thema abzulenken.
„Kannst du machen.“
Das Mädchen trat an die Com-Anlage, wählte den „Interstellar News Channel“, erblickte zuerst das Gesicht Laytons, der eine pathetische Ansprache über die Stärke der Föderation hielt … dann wechselte das Bild und Julianna hielt entsetzt den Atem an. Sie kannte diesen Mann, der gerade in Handschellen aus dem Büro des Admirals geführt wurde … sie kannte ihn sogar sehr gut. Er hatte ihrer Mutter fast ein Jahr als Erster Offizier gedient.
„Mom!“ rief sie, aber ihre Stimme war nicht viel mehr als ein Krächzen.
Da bemerkte sie, dass Lairis Ilana bereits neben ihr stand. Sie hatte die Hand auf den Mund gepresst und ließ sie langsam sinken. „Festgenommen wegen Einbruchs und Verdachts auf Kol-laboration mit dem Feind?“ wiederholte Lairis die Schlagzeile unter den flimmernden Bildern. „Das darf nicht wahr sein! Nicht Jerad! Das würde er nie tun!“
Julianna räusperte sich leise. „Ich glaube ja auch nicht, dass er mit dem Feind kollaborieren würde … aber ganz offensichtlich ist er in Laytons Büro eingebrochen. Zusammen mit dieser Vulkanierin … T’Liza heißt sie, glaube ich.“
„T’Liza?“ hakte Lairis ungläubig nach.
„Kennst du sie?“
„Nicht sehr gut, aber …“ Sie unterbrach sich selbst, um die Nachrichten zu verfolgen. „Jerad soll T’Liza angestiftet haben, in Laytons Büro einzubrechen und seinen Safe leer zu räumen? Das ist doch haarsträubender Unsinn! Was bezweckt Layton damit?“
„Du hast selbst angedeutet, dass er nicht ganz astreine …“
„Wir haben wieder Energie!“ fuhr Lairis ihrer Tochter über den Mund. Dabei betonte sie jedes einzelne Wort und hoffte, mit ihrem bedeutungsschwangeren Tonfall auszudrücken, was sie nicht in Worte zu fassen wagte: nämlich, dass die Sternenflotte ihr Hotelzimmer verwanzt haben könn-te. Falls Jerad und T’Liza tatsächlich den Safe des Oberkommandierenden der Sternenflotte leergeräumt hatten, gab es dafür gute Gründe.
Julianna schien zu begreifen. „Alles klar“, murmelte sie.
Die Sendung zog an Lairis vorbei wie ein Alptraum. Es war die Stunde für Alpträume.
Zum Abschluss wurde Jerads Foto eingeblendet. Sie zog die Linien seines Gesichts mit tauben Fingern nach. „Ich hole dich da raus!“ versprach sie ihm in Gedanken. „Ich werde diesem Irrsinn ein Ende machen – egal wie!“
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