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Schwarz und Weiß

von CAMIR, Yatar

Kapitel 2 - Ankommen

Erste Verdachtsmomente? Illustration dieses Kapitels von ymymy.


Sternzeit 55247.2, Ort: USS Enterprise-E

 

„Bericht!“ rief Jean-Luc Picard, als er die Brücke betrat. Mit einer schnellen Bewegung räumte William Riker den Kommandosessel und sah seinen Captain an.

„Bei unserer momentanen Geschwindigkeit werden wir in 12 Stunden Betazed erreicht haben. Die Crew ist darauf vorbereitet. Ich habe den Botschaftern T’Len, Yontax, Milliwan und Abramson ihre Quartiere und das Schiff gezeigt. Sie sind soweit zufrieden.“

„Ausgezeichnet,“ erwiderte Picard, der in seiner Laufbahn schon weitaus schwierigere Botschafter erlebt hatte. „Bitte laden Sie sie zu einem Abschlussessen um 1700 Uhr ein.“

Das war eine Stunde, bevor sie Betazed erreichten. Bis dahin sollten alle Vorbereitungen abgeschlossen sein und sie konnten eine letzte Lagebesprechung vornehmen.

„Verstanden!“ Dann sah Riker zu Deanna Troi, die die ganze Zeit neben ihm gesessen hatte. Sie übernahm sofort.

„Die Behörden auf Betazed sind über den geplanten Zeitpunkt unserer Ankunft informiert und freuen sich, eine so wichtige Konferenz ausrichten zu dürfen. Meine Mutter übermittelt Ihnen und Beverly besondere Grüße. Ich habe ihr alle relevanten Informationen übermittelt, damit die Zusammenarbeit in den kommenden Tagen reibungslos verlaufen kann.“

Früher wäre Picard bei der Erwähnung von Deannas Mutter Lwaxana zusammengezuckt, aber inzwischen wusste er Botschafterin Troi als fähige und starke Frau zu schätzen, die das bekam, was sie wollte. Seit sie akzeptiert hatte, dass dies auf ihn nicht zutraf, hatte sich sein Verhältnis zu ihr ungemein entspannt. Bei der Besetzung Betazeds durch das Dominion vor wenigen Jahren hatte sie Unschätzbares geleistet, sodass es nur selbstverständlich war, ihr jetzt eine so wichtige Rolle zukommen zu lassen.

„Gute Arbeit, Counselor!“ sagte er aufmunternd. Deanna war die absolut Richtige für diese Aufgabe. „Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen sollte?“

Troi und Riker sahen sich an.

„Eine Sache gibt es noch, Sir. Wir können es im Moment nicht einordnen, denken aber, Sie sollten darüber informiert werden. Es gab vor wenigen Stunden eine Explosion im Daystrom-Institut auf der Erde. Das war zum Glück in den Abendstunden, aber eine Wissenschaftlerin soll dabei getötet worden sein.“

„So kurz vor dieser Konferenz ist das in der Tat verdächtig,“ gab Picard nachdenklich zu. „Gibt es irgendwelche Zusammenhänge?“

Riker schüttelte den Kopf. „Es wird noch ermittelt. Es ist momentan unklar, ob es ein Unfall oder ein Anschlag war.“

„Ich verstehe. Bitte behalten Sie das im Auge und informieren Sie mich.“

Im Vorfeld eines so großen Ereignisses waren alle Unregelmäßigkeiten verdächtig, auch wenn Picard sich fragte, ab wann er so misstrauisch geworden war.

Er setzte sich in seinen Kommandosessel und begann seine Schicht. Dabei ließ ihn die Frage nicht los, ob sie nicht etwas übersehen hatten. Die Sicherheitskonferenz hatte ihre Feinde und es war seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Feinde nicht zum Zug kamen.

Er hatte vollstes Vertrauen in dieses Schiff und seine Crew, aber sie mussten wachsam sein. In zwölf Stunden konnte viel passieren.

 

Sternzeit 55248.5

 

„Vielen Dank, für dieses gemeinsame Essen, Captain.“ Botschafterin T’Len verbeugte sich leicht, als sie den in der Offiziersmesse gedeckten Tisch sah. Zustimmendes Gemurmel kam auch von den drei anderen Funktionären, die bei ihr standen.

„Keine Ursache,“ entgegnete Picard und bat seine Gäste dann, sich zu setzen. Neben ihm und den vier hochrangigen Diplomaten, war sein gesamter Führungsstab anwesend. Sie alle hatten sich in Paradeuniformen herausgeputzt. Der weiße Stoff der neuen Uniformen kontrastierte mit den bunten Kleidern der Botschafter, für die solche Regeln nicht galten.

Als alle saßen, ergriff Botschafter Milliwan das Wort. Er war ein überraschend schlanker Bolianer mit stechenden Augen.

„Wir alle möchten Ihnen für die Gastfreundschaft in den vergangenen Tagen danken. Der Aufenthalt auf Ihrem Schiff war äußerst lehrreich. Aber gestatten Sie mir eine Frage, Captain.“

„Selbstverständlich, Botschafter.“

„Welche Chancen räumen Sie dieser Konferenz ein?“

Alle Augen im Raum waren nun auf den Captain gerichtet.

„Sie alle kennen meine Vorgeschichte mit den Romulanern und auch den Cardassianern.“ Es kostete ihn große Anstrengung, bei der Erwähnung letzterer nicht zu erschaudern. Beverly blickte ihn ermunternd an. Sie und Deanna wussten, was er in diesem Moment fühlte. Die Wunden, die ihm Gul Madred ohne Not zugefügt hatte, würden ihn für den Rest seines Lebens begleiten, auch wenn das Geschehen bereits neun Jahre zurücklag.

Picard holte tief Luft. Alte Wunden mussten verheilen, er hatte es selbst gesagt. Und der Frieden fing bei jedem Einzelnen von ihnen an.

„Die Romulaner waren uns während dem Krieg wertvolle Verbündete. Ohne ihre Hilfe würde es die Föderation nicht mehr geben. Was die Cardassianer betrifft. Sie haben Fehler gemacht, viele Fehler. Aber am Ende haben sie sich für das Richtige entschieden. Und sie haben für ihre Fehlentscheidung bitter bezahlt, als das Dominion Cardassia Prime in Schutt und Asche legte.“

Milliwan nickte nachdenklich. „Ich verstehe. Ich sehe es ähnlich.“

„Trotzdem haben sich die Romulaner gerade in den letzten Monaten abweisend verhalten,“ warf T’Len ein. Als Vulkanierin war ihr Interesse an den Romulanern nur verständlich.

„Wie meinen Sie das?“ fragte Botschafter Yontax. Von dem was Picard über den strengen Betazoiden wusste, hatte er sich in den vergangenen Wochen überwiegend mit den Ferengi auseinandergesetzt.

„Kurz nach dem Krieg sind unsere Beziehungen merklich abgekühlt. Die Romulaner haben sich zurückgezogen. Es ist fast genauso wie vor dem Krieg, wenn nicht sogar noch distanzierter.“

„Das wäre mir neu,“ warf Picard ein. Er hörte zum ersten Mal davon.

„Bisher war das Verschlusssache,“ entgegnete T’Len kühl. „Das hat sich mit dem heutigen Tag geändert.“

„Wieso?“ hakte sich Deanna Troi ein.

T’Len holte ein PADD aus ihrer langen Robe und legte es auf den Tisch.

„Hierauf sind die neusten Ermittlungsergebnisse zu der Explosion am Daystrom-Institut. Ich habe sie vor einer Stunde angefordert.“

Jetzt ruhten alle Augen auf der Vulkanierin.

„Was ich Ihnen nun sage, darf diesen Raum nicht verlassen. Die Informationen sollen bis zum Ende der Konferenz zurückgehalten werden.“

Jeder wusste, was das bedeutete und niemand würde dieser Anweisung zuwiderhandeln, dessen war sich Picard sicher. Allerdings spürte er, wie ihm mulmig wurde. Schon wieder das Daystrom-Institut. Es gab keine Zufälle.

„Man hat in den Trümmern Überreste romulanischer Sprengtechnologie gefunden,“ endete T’Len und Picard sah, wie eine Hoffnung schrumpfte.

Es war nichts bewiesen und diese Information konnte alles Mögliche bedeuten. Aber es bestand eine Möglichkeit. Schon wieder war der Kern des Misstrauens gesät worden.

 

Sternzeit 55248.9

 

Liebevoll blickte Beverly Crusher auf den Mann neben sich, den sie noch vor ein paar Minuten leidenschaftlich geliebt hatte. Jean-Luc wirkte abwesend, nahezu verstört, seit dem gemeinsamen Abendessen mit den Botschaftern. Und er hatte allen Grund dazu. Was auch immer die Ursache für die Explosion im Daystrom-Institut gewesen war, ein Zusammenhang mit der Konferenz – für deren Sicherheit er verantwortlich war – wurde immer wahrscheinlicher. Und er hasste nichts so sehr, wie Zusammenhänge, die er nicht begreifen konnte.

Die Ankunft auf Betazed war unspektakulär und reibungslos verlaufen. Man hatte ein erstes Kontingent von Sicherheitsoffizieren unter dem Kommando von Lieutenant Greta Hansen auf den Planeten gebracht. Hansen war die Nachfolgerin von Lieutenant Commander Worf, der nun als Diplomat im Dienst des klingonischen Reiches stand. Die Botschafter würden in den Morgenstunden gemeinsam mit Jean-Luc mit einem Shuttle auf die Planetenoberfläche gebracht werden, was ihnen beiden noch einen schönen gemeinsamen Abend bescherte. Aufgrund der planetaren Sicherheitsvorkehrungen war jegliche Benutzung des Transporters innerhalb des Austragungsortes der Konferenz für deren Dauer nicht möglich. Man hatte eine Schutzzone errichtet, um so besser kontrollieren zu können, wer kam und ging.

Jean-Luc war an diesem Abend nahezu verzweifelt gewesen, in der Art und Weise, wie er mit ihr geschlafen hatte - zu viele negative Erinnerungen hatte das Essen geweckt. Sie hatte sich geschworen, immer für ihn da zu sein. Und so hatte sie ihm gegeben, was er brauchte. Nun starrte er an die Decke, die Arme hinter seinem Kopf verschränkt.

„Ich liebe dich,“ flüsterte sie und küsste ihn sanft auf den Mund.

Das schien ihn in die Gegenwart zurückzuholen.

„Ich liebe dich auch, ma chère,“ flüsterte er zurück. „Bitte verzeih mir, dass ich dir nicht die Aufmerksamkeit schenken kann, die du verdienst.“

„Du schenkst mir alle Aufmerksamkeit, die ich brauche. Ich verstehe, dass dich das bedrückt.“

„Der Alpha-Quadrant hat diesen Frieden so nötig, Beverly. Wir haben alle eine Ruhepause verdient. Ich will nicht zusehen, wie das von einigen Ewiggestrigen zerstört wird!“

Er setzte sich auf und sah sie lange an. Dann wurde sein Blick weicher.

Sie lächelte.

„Wenn ich eines weiß dann das: Wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, dann wird es Realität. Möchtest du noch darüber reden?“ Sie setzte sich nun ebenfalls auf.

Er dachte einen Moment nach, dann schüttelte er den Kopf.

„Nein. Ich werde es heute Abend nicht mehr ändern können. Ich möchte vielmehr das Beste aus der Zeit mit dir machen.“

Ihr Lächeln wurde breiter und füllte nun ihr ganzes Gesicht. In dieser Hinsicht hatte er in der Zeit, in der sie zusammen waren, dazugelernt. Der Moment war viel zu flüchtig und die Probleme holten sie von alleine ein.

Sie küsste ihn erneut, dann sah sie ihn an.

„Jean-Luc, die Zukunft ist momentan in Aller Munde. Vielleicht sollten wir auch einmal über unsere Zukunft reden.“

Angst flackerte kurz in seinen Augen auf, Angst sie zu verlieren. Dass er nach all der Zeit noch so reagierte, machte sie ein wenig traurig, aber sie verstand es. Auch er hatte schmerzlich lernen müssen, wie vergänglich das Glück war und wie leicht man geliebte Menschen verlor.

„Beverly…“ seine Stimme war rau und heiser. Dann wandte er den Blick ab. Sie ergriff seine Hand und sah ihn aufmunternd an.

„Um nichts im ganzen Universum möchte ich woanders sein als an deiner Seite.“

Seine Miene hellte sich wieder auf, aber noch immer verstand er nicht.

„Aber erinnerst du dich, wie wir uns während des Krieges schworen, keine Pläne zu machen, weil wir nicht wussten, was uns der nächste Tag bringt?“

Er nickte und erneut wanderte die Traurigkeit in seine Augen. Zu viele liebgewonnene Freunde und Kameraden mussten sie verlieren. Aber sie selbst waren verschont worden, sie hatten überlebt.

„Wir haben nur noch funktioniert,“ pflichtete er ihr bei. „Was blieb uns denn anderes übrig?“

„Nichts. Und es war richtig so. Aber diese Tage sind vorbei und wir sind nicht in einem flammenden Inferno aufgegangen. Wir sind nun Teil jener, die den Wiederaufbau zu verantworten haben. Wir können die Zukunft mitgestalten. Und das tun wir – auf politischer Ebene. Aber wie ist es mit unserer persönlichen Zukunft?“

„Was soll mit ihr sein?“ fragte er verwirrt. „Ich habe alles, wovon ich nur träumen kann.“

In diesem Moment wurde Beverly erneut klar, wie sehr sie diesen Mann liebte. Er hatte gelernt, sich mit dem zu begnügen, was er hatte und fragte nicht nach mehr.

„Wirklich?“ fragte sie und ihre Augen glitzerten schelmisch. Dann rückte sie zu ihm und strich mit ihrer Hand zärtlich über seine Männlichkeit. Er stöhnte auf, genoss ihre Liebkosung aber sichtlich. Dann wurde auch sie ernster.

„Jean-Luc, ich spreche von Kindern.“

Jetzt hatte sie seine volle Aufmerksamkeit und mit großen Augen starrte er sie an.

„Kinder?!“ keuchte er. „Beverly… ich…“

Er unterbrach sich, unfähig die richtigen Worte zu finden.

„Du hast mich nie danach gefragt, weil du dachtest, du hättest kein Recht dazu. In den letzten Jahren war es sowieso kein Thema, aber jetzt liegen die Dinge anders. Ich weiß, wie sehr du dir einen Stammhalter der Picard-Linie wünschst.“ Ihre Stimme wurde leiser. „Umso mehr seit dem tragischen Tod von Robert und René.“ Er hatte niemals mit Worten danach gefragt, aber sie hatte in zwanzig Jahren gelernt, zu verstehen, was er nicht sagte. Und doch respektierte er sie und ihre Karriere zu sehr, als dass er jemals gewagt hätte, seine Bedürfnisse über die ihren zu stellen.

„Ich dachte immer, du wolltest keine weiteren Kinder nach Wesley,“ murmelte er. „Ich wollte nicht, dass du denkst, ich würde dich zu etwas drängen.“

„Das weiß ich,“ flüsterte sie sanft und küsste ihn erneut. „Aber was ist, wenn ich es auch möchte?“

Nun spiegelte sich in seinem Gesicht all die Liebe und Zuneigung wider, die er für sie empfand.
„Dann habe ich wirklich alles wovon ich träumen kann.“ Er lächelte und Beverly erfüllte es mit Freude, seine getrübte Stimmung aufgehellt zu haben.

Bedächtig stand sie vom Bett auf und durchquerte den Schlafbereich ihres gemeinsamen Quartiers.

Sie verschwand im Wohnbereich und holte dort etwas. Dann kehrte sie zurück und legte zwei Gegenstände vor Jean-Luc auf das Bett. Das eine war ein etwas antiquiert aussehendes Schmuckkästchen, das andere ein Hypospray.

Verwundert blickte er auf die Dinge und dann auf sie.

„Was ist das?“ fragte er.

„Das ist mein Geschenk an dich,“ sagte sie. „Ich wollte es dir schon lange geben, aber es ergab sich keine günstige Gelegenheit. Ich glaube, dass es keine bessere geben wird, als diesen Abend.“ Damit öffnete sie das Schmuckkästchen und holte einen schlichten, goldenen Ring heraus, der an einer dünnen silbernen Kette befestigt war.

„Das ist mein Ehering. Er ist ein altes Familienerbstück und ich trug ihn, solange ich mit Jack verheiratet war und auch noch einige Zeit danach.“ Sie lächelte versonnen. „Die Kette war meine Möglichkeit, die strengen Kleidervorschriften zu umgehen. An meinem Hals unter der Uniform war er gut verborgen.“

Bedächtig nahm Jean-Luc den Ring, den sie ihm reichte und hielt ihn ins Licht.

„Er ist wunderschön. Aber ich kann ihn nicht annehmen.“

„Wegen Jack?“ fragte sie und kannte doch bereits die Antwort. Seine Schuldgefühle waren geringer geworden, seit sie zusammen waren, aber ganz verschwunden waren sie nie.

Er nickte und schluckte. Aufmunternd strich sie ihm über die Schulter.

„Ich bin sicher, Jack würde es auch wollen. Er hätte sich keinen besseren Freund wünschen können.“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. „Dieser Ring steht für die Männer, die ich am meisten liebe. Es würde mir viel bedeuten, wenn du ihn trägst.“

Noch einmal betrachtete Jean-Luc das schlichte goldene Schmuckstück, dann streifte er die Kette über seinen muskulösen Hals. Der Ring lag auf seinem nackten Oberkörper in der Nähe seines Herzens. Zärtlich legte Beverly ihre Hand darauf und küsste ihn dann.

„Ich hoffe, er wird dir in den kommenden Tagen Glück bringen,“ flüsterte sie.

„Das wird er bestimmt,“ erwiderte er liebevoll. Dann wanderte sein Blick zu dem Hypospray.

„Und was hat es damit auf sich?“ In seinen Augen glitzerte es und sie wusste, er hatte bereits verstanden.

„Wir können gleich mit dem Kinderbekommen anfangen!“ Sie zwinkerte ihm verführerisch zu. „Das hier hebt die Verhütung auf. Normalerweise ist ein Gespräch mit dem Leitenden Medizinischen Offizier fällig, bevor das Präparat verschrieben werden kann.“ Sie grinste. „Aber ich kann dir sagen, der Leitende Medizinische Offizier hält es für vollkommen unbedenklich, rät sogar zur Anwendung.“

„Wie lange hast du das schon hier?“ Die Überraschung in seiner Stimme war unverkennbar.

„Ehrlich gesagt, habe ich es nach meinem letzten Schichtende mitgebracht. Ich habe schon länger darüber nachgedacht, aber das gemeinsame Essen mit den Botschaftern hat mich in meinem Entschluss bestätigt.“

Er sah sie bewundernd an. „Du hast es gewusst, nicht wahr?“

„Ich kenne dich jetzt schon eine ganze Weile. Wenn du morgen dort unten stehst, denk daran, dass es jetzt etwas gibt, wofür du auch persönlich kämpfen kannst.“

Er ergriff ihre Hand.

„Darauf kannst du dich verlassen!“ Der alte Kampfgeist war zurückgekehrt, so wie es sein musste.

Mit ihrer freien Hand nahm sie das Hypospray.

„Und wie sieht es aus? Bist du bereit?“

 

Sternzeit 55248.9, Ort: USS Voyager

 

Mit leichter Nervosität betätigte Kathryn Janeway den Türdrücker zu ihrem alten Quartier. So vieles hatte sich auf dem Schiff geändert, das einmal das ihre gewesen war. Natürlich gönnte sie Chakotay sein Kommando von ganzem Herzen, hatte sich sogar maßgeblich dafür eingesetzt, aber jetzt wieder an jenem Ort zu sein, der ihr Leben sieben Jahre dominiert hatte, war überwältigend. Vor allem, weil sie erkennen musste, dass Schiff und Crew auch ohne sie tadellos funktionierten. Trotz allem war es schön, zu sehen, wie gut es ihrer ehemaligen Mannschaft ging. Sie alle leisteten nach wie vor herausragende Arbeit und hatten sich erkennbar weiterentwickelt. Den Tag hatte Kathryn damit verbracht, sich ein wenig auf dem Schiff umzusehen und sich dann in ihrem Gästequartier auf ihre bevorstehende Aufgabe vorbereitet. Eigentlich hatte es sie nicht überrascht, im Laufe des Tages Chakotays Einladung zum Abendessen erhalten zu haben und sie hatte dankbar angenommen. Aber es war nicht mehr dasselbe.

Die Rückkehr auf die Voyager war auch die Rückkehr zu verpassten Gelegenheiten und Fehlern. Etwas, das sie normalerweise vermied, hatte sie doch gelernt, nach vorne zu schauen.

Die Türen zu Chakotays Quartier glitten auf und er stand unter der Tür. Genau wie sie war er in Uniform. Das gab dem gemeinsamen Abend einen etwas offizielleren Anstrich, auch wenn sie beide wussten, dass das eigentlich nicht stimmte.

„Guten Abend,“ sagte sie und lächelte.

„Kathryn,“ begrüßte er sie und wies mit der Hand in den Raum. Sie trat ein und sah sich um.

Die Beleuchtung war gedämpft, der Tisch war gedeckt und überhaupt sah alles so aus wie in seinem alten Quartier. Und für diesen Abend beschloss sie, sich diesem Gefühl hinzugeben.

„Danke für die Einladung,“ ergriff sie erneut das Wort, nachdem sie die Eindrücke verarbeitet hatte. Es gab so viel zu sagen.

„Aber ich bitte dich!“ Er lächelte. „Diese Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen!“

„Ich war immer froh, wenn du dich um das Essen gekümmert hast. Die Replikatoren dieses Schiffs hatten es auf mich abgesehen.“

Er lachte.

„Ich erinnere mich.“

Dann herrschte wieder Schweigen. Wie konnte es sein, dass es ihr auf einmal so schwerfiel, in seiner Gegenwart die richtigen Worte zu finden? Sie hatte sich so darauf gefreut, ihn wiederzusehen, trotz allem, was zwischen ihnen war. Und jetzt verstrich wertvolle Zeit…

Sie holte tief Luft.

„Lass uns über Seven reden,“ sagte sie schließlich. Es war gut, einen Einstieg zu finden und vielleicht war dieser der richtige.

Ihnen beiden hatte die ehemalige Borg viel bedeutet. Und als Kathryn erkannt hatte, dass sie Chakotay nicht geben konnte, was er brauchte, hatte sie ihn ermutigt, Seven dabei zu helfen, auch diese Seite ihrer Menschlichkeit zu entdecken. Er hatte es verdient und beiden hatte es gutgetan, Intimität und Vertrautheit zu erfahren. Niemand wusste besser als Kathryn, was es bedeutete, einsam zu sein und sie hatte sich für die beiden gefreut. Es war eine stillschweigende Vereinbarung zwischen ihnen gewesen, die so lange hielt, bis sie ein halbes Jahr später in den Alphaquadranten zurückgekehrt waren. Auch wenn Seven und Chakotay sich in der Zwischenzeit getrennt hatten, war dies auf freundschaftlicher Basis geschehen.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie tot ist,“ murmelte Chakotay. „Sie hatte noch so viel vor sich.“

Auf seiner Couch lag ein PADD mit einer Nachrichtenmeldung zu dem Todesfall. Behutsam nahm Kathryn es auf.

„Darf ich?“

Er nickte und sie setzte sich hin und las.

San Francisco, fpa.

Am frühen Abend des 31. März 2378 zerstörte eine Explosion ein Forschungslabor des bekannten Daystrom-Instituts in San Francisco. Das Institut befasst sich mit der Erforschung und Anwendung neuer Technologien. Zum Zeitpunkt der Explosion war der Westflügel nahezu unbesetzt. Dennoch gibt es ein Todesopfer zu beklagen: Wissenschaftlerin Annika Hansen. Hansen, die als Kind von den Borg entführt wurde, erlangte einige Bekanntheit, als sie Ende des vergangenen Jahres gemeinsam mit der Voyager aus dem Delta-Quadranten zurückkehrte. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar, was der Auslöser der Explosion war. Die Behörden ermitteln jedoch weiterhin. Ein potentieller Zeuge des Geschehens konnte noch nicht befragt werden. Er wurde in das nahegelegene Universitätsklinikum von Starfleet Medical eingewiesen, ist aber laut der behandelnden Ärzte noch nicht vernehmungsfähig.

 

Kathryn ließ das PADD sinken.

„Nichts Neues,“ sagte sie und Chakotay schüttelte den Kopf.

„Ich hatte gehofft, sie hätten inzwischen neue Ermittlungsergebnisse, aber dem scheint nicht so.“ Er pausierte einen Moment, bevor er wieder ansetzte. „Kathryn, ich würde dich gerne um Hilfe bitten. Wegen diesem Fall. Ich bin mir sicher, dass mehr dahintersteckt, als die Presse bekanntgibt. Ich habe einfach kein gutes Gefühl und würde mir deshalb von all dem gerne selbst ein Bild machen. Aber dafür brauche ich eine entsprechende Genehmigung.“

Sie verstand sofort.

„Und ich kann sie dir beschaffen. Es wäre mir eine Freude, dir diesen Gefallen zu tun. Mir ist genauso daran gelegen, Klarheit zu bekommen. Zumal ich eines sicher weiß: Es geht tatsächlich nicht mit rechten Dingen zu.“

Nun wurde Chakotay hellhörig.

„Wie meinst du das?“

„Ich habe vorhin selbst ein bisschen recherchiert. Es scheint tatsächlich bereits neue Erkenntnisse zu geben.“

„Und?“

„Ich habe nicht die erforderliche Sicherheitsfreigabe, sie abzurufen.“

Er starrte sie an.

„Das ist nicht dein Ernst! Du bist immerhin Admiral!“

„Vize-Admiral,“ korrigierte sie. „Wir erfahren leider auch nicht alles.“

Er ballte die Hände zur Faust.

„Noch ein Grund, sich diese Geschichte anzuschauen, sobald die Mission beendet ist. Das sind wir Seven schuldig. Das ist das Mindeste was wir tun können.“

Sie legte die Hände auf seine Fäuste und er entspannte sich.

„Das sehe ich ganz genauso. Ich werde tun, was in meiner Macht steht.“

„Danke.“

Sie blickten sich lange an. Auch für Kathryn war es ein Schlag, all ihre Bemühungen, die ehemalige Borg in die Gesellschaft einzugliedern, so brutal scheitern zu sehen.

Irgendwann wies Chakotay auf den Tisch.

„Bist du hungrig?“

Der Themenwechsel war abrupt, aber es war wohl vorläufig alles gesagt.

Kathryn nickte. Jetzt, da er sie daran erinnerte, fiel ihr ein, den ganzen Tag nichts gegessen zu haben. Immer waren andere Dinge wichtiger gewesen, aber das verriet sie ihm nicht. „Was hast du dir denn dieses Mal einfallen lassen?“ fragte sie, während sie aufstand und am liebevoll gedeckten Tisch Platz nahm.

„Es gibt einen Gemüseeintopf und in Erinnerung an bessere Zeiten auch Leolawurzelsalat.“

Kathryn zog eine Augenbraue nach oben.

„Leolawurzel?!“ Das hätte sie am wenigsten erwartet. Das Gemüse war eine Lieblingsspezialität ihres ehemaligen Schiffskochs und Moraloffiziers Neelix gewesen. Er war damit bei dem Großteil der Crew jedoch nicht auf Gegenliebe gestoßen und auch Kathryn erinnerte sich an den bitteren Beigeschmack des Gerichts.

„Ich habe es nicht über mich gebracht, sie aus dem Hydroponischen Garten zu entfernen. Immerhin sind sie wirklich nährstoffreich. Und gerade heute erschienen sie mir als Gericht angebracht.“

Sie lächelte traurig.

„Vielleicht hast du recht.“

Er ging hinüber zur Küchenzeile, wo er all die Gerichte vorbereit hatte und kam mit der Salatschüssel zurück.

„Erinnerst du dich noch an Sevens ersten Kontakt mit Leolawurzeln?“ fragte er, während er ihr etwas von dem Salat auf den Teller gab.

„An ihren ersten Kontakt erinnere ich mich nicht,“ erwiderte sie und machte ein Handzeichen, genug auf dem Teller zu haben. „Ich weiß nur, dass sie zunächst unsere Art der Nahrungsaufnahme als ‚ineffizient‘ empfand.“

Chakotay nahm sich ebenfalls Salat, brachte die Schüssel wieder fort und setzte sich dann Kathryn gegenüber.

„Dann erzähle ich es dir. Tom dachte sich, es wäre höchst amüsant, Seven mit einem Gericht zu konfrontieren, das fast niemand an Bord mochte. Jeder andere war inzwischen gewarnt, also versuchte er es mit jemandem, der von all dem nichts verstand. Er brachte Neelix dazu, ein Gericht mit Leolawurzel zu kochen – wenn ich mich recht entsinne war es ein Auflauf.“

„Das war ja nicht weiter schwer,“ bemerkte Kathryn ein wenig nostalgisch.

„Nein. Dann servierte er Seven das Essen und bemerkte, wie vitaminhaltig es doch sei. Und zur Überraschung Aller mochte sie es tatsächlich.“

„Sie war neben Neelix, die Einzige? Das wusste ich tatsächlich nicht.“

„Ich war damals dabei. Der Ausdruck der Enttäuschung auf Toms Gesicht war wundervoll.“

Beide lachten versonnen.

„Und einmal hat sie sogar Naomi dazu gebracht, Leolawurzeln ohne Abscheu zu essen,“ setzte Chakotay fort, während sie selbst ihren Salat aßen.

„Das ist wirklich eine beachtliche Leistung.“

„Seven hat sie einfach so lange über den hohen Nährstoffgehalt belehrt und ihr erklärt, wie effizient und wohlschmeckend sie sind. Irgendwann hat Naomi es dann wohl geglaubt. Sie hing ja sowieso an Sevens Lippen.“

Kathryn hob die Gabel.

„Dann lass uns auch diesen Salat in Angedenken an Seven essen.“

Chakotay neigte den Kopf zustimmend. Und so verbrachten sie einen letzten Abend in Zweisamkeit und gedachten Seven, bevor Kathryn am kommenden Tag das Schiff wieder verlassen musste.

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