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Künstliche Intelligenzen

von Harald Latus

Kapitel 3

Data hatte eine schnelle Prüfung seines Erfahrungsspeichers vorgenommen. Das Display war kein kritisches System, zu dem man eine Befugnis brauchte. Jeder hätte diesen Text platzieren können, doch es müsste Spuren geben, wie diese Worte in den Speicher gelangt waren, denn ein Eingabefeld mit Tastatur war nicht vorgesehen. Data legte eine Nachricht in seinem internen Speicher ab, dass dieser Sache nachgegangen werden musste. Für den Moment ließ sich hier kein weiterer Nachweis finden.
„Aufgrund dieser Entwicklung komme ich nicht umhin, den Captain über diese mysteriösen Vorgänge zu informieren. Da er sich aber bereits zur Ruhe begeben hat, werde ich Ihn morgen informieren. Nach meiner Einschätzung besteht für das Schiff keine akute Gefahr und der Captain möchte frühestens Morgen den Orbit verlassen.“
Der Doktor der Voyager schüttelte unverständig den Kopf.
„Was soll das denn, wer um Himmels Willen schreibt eine solche Botschaft?“
Data war zur Wand getreten und öffnete ein Fach für Ausrüstung. Schnell hatte er einen Trikorder entnommen und prüfte damit den leeren Abstellplatz. Es waren keine Spuren zu finden außer ein paar minimalen Resten, die vermutlich die Wartungscrew hinterlassen hatte, doch das würde sich noch bei einer Analyse zeigen.
„Es lässt sich nicht verifizieren, wer diese Botschaft hier platziert hat, fest steht jedoch, dass dieses System keinen allzu hohen Beschränkungen unterliegt, so dass eine Manipulation nicht ausgeschlossen werden kann“, bestätigte Data. „Dies werde ich bei meinen Analysen berücksichtigen. Wir sind hier fertig.“
Gemeinsam mit dem MHN der Voyager verließ er den Hangar und steuerte wieder auf die Brücke zu.

Nach wenigen Minuten saßen die Beiden in der Aussichtslounge und waren bereit, erste Ergebnisse zu prüfen und zu diskutieren. Data hatte der Vertretung des ersten Offiziers das Kommando übergeben mit der Maßgabe sich zu melden, sollte etwas Wichtiges geschehen. So hatten die Beiden zunächst einmal Ruhe, um sich dieser mysteriösen Sache zu widmen.
Ein Blick auf die Scanergebnisse verwirrte Data zusätzlich. In keiner der Abtastungen wurde ein Hinweis auf Energiespuren gefunden. Das war sehr befremdlich, denn jedes Shuttle hinterließ eine Impulsspur, die erst nach einigen Tagen zerfallen würde. Auf den Ergebnissen der umfassenden Abtastung war jedoch nicht die geringste Spur zu finden. Für ihn ergaben all diese Dinge mehr Widersprüche, als sie Information lieferten, denn es passte nichts zusammen. Es war, als wolle man ein Puzzle zusammensetzen, dessen Teile aus unterschiedlichen Bildern gemischt war.

Data saß am Tisch und prüfte die Informationen in seinem internen Speicher.
„Mir will sich einfach die Logik nicht erschließen, mit der dieser Dieb vorgegangen ist. Warum sollte er ein Shuttle stehlen und dann auch noch auf seine Wiederkehr hinweisen? Ihm muss doch bewusst sein, dass wir Ihn angesichts seiner Tat zur Verantwortung ziehen werden.“ Langsam schüttelte Data den Kopf, was wohl Verständnislosigkeit zeigen sollte.
„Nun, um es einmal auf den Punkt zu bringen. Aus medizinischer Sicht würde ich sagen, leidet der Täter an überzogener Selbstüberschätzung. Obwohl ihm klar ist, dass wir sein Handeln missbilligen werden, scheut er sich nicht davor zurückzukehren, gleich welche Konsequenzen es haben wird“, konstatierte der Mediziner. „Gleichwohl hat er im zweiten Teil seiner Nachricht eine Drohung hinterlassen“, ergänzte er und sah Data mit einem fragenden Gesichtsausdruck an, der Zustimmung erwartete.
„Da muss ich Sie korrigieren, die Phrase ‚Bereitet euch vor’ impliziert auch in Bezug auf den ersten Halbsatz nicht, dass es sich um eine Gefahr handeln muss. Es kann genauso gut eine Aufforderung sein, sich zu wappnen für ein Ereignis, das eintreten wird. Dies muss nicht zwingend negativ sein.“
„In den sieben Jahren, in denen ich auf der Voyager im medizinischen Dienst stand, habe ich wahrlich viele Sonderlichkeiten erlebt. Alle, die mysteriös begonnen haben, waren am Ende nicht unbedingt erfreulich.“
Das MHN nahm einen Stuhl und setzte sich Data gegenüber.
„Lassen Sie uns doch einmal sehen, was wir bereits zusammengetragen haben und welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben könnten. Computer: Stelle alle Informationen zusammen, die mit dem eben festgestellten Shuttle in Verbindung stehen“, wies Data den Hauptrechner an.

Auf dem Wanddisplay erschien eine Liste von Informationen, die der Wissenschaftsoffizier, der Fähnrich an der OPS und die Begehung des Shuttle-Hangars ergeben hatte. Data spielte die Ergebnisse aus seinem Trikorder dazu und ließ auf dem großen Schirm die Informationen auf sich einwirken.

„Fakt ist, dass wir uns vor vier Tagen noch auf dem Anflug zu Neradas IV befunden haben. Die Wartungscrew hat turnusgemäß die Shuttles überprüft, um die Einsatzbereitschaft dauerhaft sicherzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war das Shuttle „Einstein“ noch in seiner Parkbucht. Es ergibt sich also eine zeitliche Spanne von 96 Stunden, in denen dieser Vorfall passiert ist“, erklärte Data, während er auf dem am Tisch eingelassenen Display einzelne Informationen abrief.
„Lassen Sie uns einmal für einen Moment annehmen, dass dieses Ereignis erst eingetreten ist, nachdem die Flüge zum Planeten abgeschlossen waren, denn spätestens bei Zurückstellen der verwendeten Shuttles wäre der freie Platz sicherlich bemerkt worden. Das schränkt den tatsächlichen Handlungsspielraum stark ein“, erklärte das MHN.
„Wobei sich erneut die Frage der Gelegenheit stellt. Wenn das Hangartor verschlossen ist muss ein vorgegebener Prozess in Gang gesetzt werden, um es zu öffnen. Hier eine Änderung herbeizuführen, dass der Warnton und die Warnleuchten abgeschaltet werden, bedarf eines gewissen Kenntnisstandes. Zudem hätte jemand im Hangar bemerken müssen, dass das Tor offen ist. Dies wurde aber nach Aussage des leitenden Offiziers ausgeschlossen“, kam Data zu einem Zwischenergebnis.
„Vorausgesetzt, dass keiner auf dem Schiff mit dem Dieb unter einer Decke steckt. Würden Sie für jede Person an Bord Ihre Hand ins Feuer legen, um dies ausschließen zu können?“, fragte das MHN
Data wollte eigentlich an der Crew der Enterprise keinen Zweifel aufkommen lassen, musste aber bei der Überprüfung seines Archivspeichers feststellen, dass auch auf der Enterprise D Situationen entstanden waren, die man nicht vollständig ausschließen konnte.

Data entschloss sich auf die Frage entsprechend zu antworten. „Negieren kann ich so etwas sicherlich nicht, allerdings schätze ich die Wahrscheinlichkeit trotz bekannter Vorfälle eher als sehr niedrig ein.“
Der Doktor war ein sehr guter Hypothetiker, auch wenn seine Marotten ihn manches Mal ein wenig skurril aussehen ließen. Seine Analysen waren in fast allen Fällen einzigartig und zutreffend.
„Widmen wir uns noch einmal der Nachricht. Sie ist kurz, prägnant und wirft mehrere Fragen auf.

„Vielleicht denken wir zu kompliziert. Wie weit könnte ein Shuttle allein von hieraus in eineinhalb Tagen kommen?“, fragte der Doktor.
Data rief eine Karte des Sektors auf.
„Im Prinzip bleibt nur dieses Sonnensystem oder ein anders Schiff mit hoher Warpkapazität. Das Shuttle würde mindestens 4 Monate brauchen um 5 Lichtjahre zum nächsten Planetensystem zurückzulegen. Mit Warp Neun wäre das in einem Tag möglich“, erklärte Data, nachdem er die Anzeigen studiert hatte.
„Gut, gehen wir von diesem Sonnensystem aus. Irgendwelche Probleme auf diesem oder anderen bewohnten Welten dieses Systems? Was ist mit besiedelten Monden? Alles was man mit einem Shuttle in dieser Zeit erreichen kann?“, warf das MHN ein.
Doch Data schüttelte den Kopf. „Es müsste schon eine privat motivierte Tat sein, denn mit dem Planeten besteht ein sehr enges Bündnis. Es ist ein besonders ruhiger Planet, auf dem es keine bekannten Querelen gibt. Man kann es zwar nie wissen, aber aus keinem Bericht zu Neradas IV geht hervor, dass es zu irgendeiner Zeit ähnliche Vorfälle gegeben haben sollte.“
Der Doktor verzog das Gesicht. Noch immer hatten sie keinen wirklichen Anhaltspunkt gefunden und dieses Rätsel schien durch einen gordischen Knoten gesichert zu sein. Jeder Ansatz wurde im Keim erstickt. Das war zwar eine Herausforderung, aber es gab keinerlei positive Entwicklung. Auch Data, der sich zwar als sehr umfassende Datenbasis erwiesen hatte, schien an dieser Situation zu versagen. Der Doktor wusste natürlich nicht im Detail, welche Aufgaben Data schon erfolgreich gelöst hatte, aber momentan traten beide auf der Stelle.
„Was ist mit der Botschaft, lässt sich nachverfolgen wo sie eingegeben wurde und wer sie möglicherweise hinterlassen hat. Sie muss doch an einem Terminal eingegeben worden sein“, echauvierte sich das MHN nun. Data schien es, als würde der Doktor allmählich die Geduld verlieren. Ein Wesenszug, der ihm eigentlich fremd war, auch wenn er ihm durch den Emotionschip nicht unbekannt war.
Mit festem Blick sah er das MHN an, als er antwortete. „Meine Analysen haben nichts ergeben. Es lässt sich nicht feststellen, von welcher Station diese Informationen versendet wurden. Auch diese Sache bleibt ein Rätsel.“

Völlig unvermittelt wechselte das MHN das Thema. „Data, in den letzten Monaten habe ich die Informationen der Sternenflotte der letzten Jahre studiert, was mir deutlich leichter fällt als rein menschlichen Personen. Dabei bin ich auf Ihre Identität aufmerksam geworden. Ich würde Ihnen gerne eine Frage stellen, sie ist aber sehr persönlich. Ich würde mich dennoch freuen, wenn Sie mir antworten könnten.“
Der Androide blickte auf und sah den Doktor interessiert an. „Bitte fragen Sie, Sie müssen sich keinem Zwang unterwerfen, ich habe keine Emotionen, auch wenn mir mein Vater Dr. Soong einen Gefühlschip hinterlassen hat, mit dem ich solche Dinge besser verstehen und einordnen kann.“
Das Hologramm begann wieder auf und ab zu laufen und die Finger seiner Hände verschränkten sich, was ein wenig nach Unsicherheit aussah.
„Ich muss vorausschicken, dass Sie für mich der Einzige sind, der eine künstliche Intelligenz in Menschenform darstellt, einmal abgesehen von meinen Erfahrungen, die ich auf der Voyager gemacht habe. Ich war sehr verwundert festzustellen, dass sie als Android sogar die Sternenflottenakademie abgeschlossen haben. Wie ist es Ihnen gelungen, die Anerkennung als Individuum zu erreichen.
In gewisser Form sind Sie aufgrund Ihrer künstlichen Intelligenz, wenn auch weit hergeholt, ein Verwandter für mich.“
Data stand auf, umrundete den Tisch und trat vor den Doktor, so dass dieser nicht mehr auf- und abgehen konnte.
„Die Antwort auf diese komplexe Frage ist mit vielen zusätzlichen Informationen verbunden, die alle aufzuzählen sicher nicht zielführend ist. Ich gehe davon aus, dass Sie meinen Drang meinen, menschlich sein zu wollen.“
Das MHN nickte und präzisierte weiter. „Ja, genau das, aber für mich stellt sich die Frage, was muss gegeben sein, um als Individuum in diesem Fall als Mensch und nicht als Sache zu gelten?“
Data sah den Arzt mit einer Miene der Erkenntnis an, in seinem Erfahrungsspeicher hatte er genau dazu die passende Abhandlung gefunden, die mit seinen eigenen Erkenntnissen eng verknüpft war.
„Eine sehr interessante Frage, zu der ich einen Teil der Aufklärung beitragen kann. In meinem Fall wurde ich von Commander Maddox als eine Sache mit Besitzrechten der Sternenflotte deklariert und es ist nur Captain Picard zu verdanken, dass ich mich nicht dem Willen von Commander Bruce Maddox beugen musste.
In einem Gerichtsverfahren wurden die Eigentumsrechte und die Frage erörtert, ob ich über mein Schicksal selbst entscheiden darf. Captain Picard hat eine sehr eindrucksvolle Form gewählt, um zu beweisen, dass ich ein Individuum bin. Andererseits habe ich festgestellt, dass meine Kollegen mich sicherlich auch als menschlich ansehen aufgrund meines Aussehens. Es gibt immer noch Vorbehalte gegen künstliche Lebensformen, jedoch kann ich sagen, dass ich eines der wichtigsten Merkmale erfülle. Ich habe ein Bewusstsein. Und auch wenn mein erster Versuch nicht vollständig erfolgreich war, ich habe mich reproduziert!

Ich besitze auch einen Bruder namens Lore. Obwohl man im allgemeinen Sprachgebrauch sagen würde, dass er böse ist, weil er nicht den Idealen der Sternenflotte zugetan ist, würde ich behaupten, dass für ihn das Gleiche gilt, denn auch er ist sich seiner Existenz sehr deutlich bewusst.“

Der Doktor war beeindruckt, dies in so präziser Form zu erfahren. Er hatte lediglich in einer kleinen Notiz erfahren, dass man Data das Recht auf Selbstbestimmung eingeräumt hatte.

„Captain Janeway hat mich auf der langen Reise immer wieder ermuntert, meine Fähigkeiten zu erweitern, sicherlich auch aus dem Zwang heraus, meine Umgangsformen zu verfeinern. So habe ich neben der sozialen Kompetenz auch viel über Gefühle erfahren und letztendlich auch erlebt. Irgendwann kommt der Punkt, an dem man eine soziale Bindung eingehen will. Auch das hat mir Captain Janeway ermöglicht. Es gab eine Zeit, in der ich eine holografische Familie hatte. Es war nicht das gleiche wie eine Bindung zu anderen Lebensformen, aber sie hat mir das Verständnis für solche sozialen Kontakte vermittelt. Auch wenn ich nach einem Zwischenfall das Experiment abgebrochen habe und daraufhin versucht habe, mich mit den Kollegen mehr auszutauschen und anzufreunden, was mir mitunter auch gelungen ist.

Meine Kreativität war damals sehr beflügelt und so versuchte ich mich sogar als Schriftsteller. Zu dieser Zeit bestand bereits Kontakt mit der Erde und als es um die Veröffentlichung ging verwehrte mir der Verleger meine Rechte. Auch in diesem Fall ist mein kommandierender Offizier, ebenso wie Ihr Captain Picard für mich und meine Rechte eingetreten. Dennoch hat es mir bewusst gemacht, dass nicht jede Exixstenz von künstlicher Intelligenz als gleichgestellt wahrgenommen wird.

Eine weitere Erfahrung war eine Gruppe von freien Hologrammen, die sich ihrer Existenz ebenfalls sehr bewusst waren und mich fast dazu überredet hätten ihnen zu folgen. Doch ich entschied mich letzten Endes für die Voyager und ich bin mir sicher, dass ich damit die richtige Entscheidung getroffen habe.“
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