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Erinnerungen (2018)

von CAMIR

II

II

 

Beunruhigt betrat William Riker sein Quartier.

Kurz nach Ende seiner Schicht hatte man ihn von einer dringenden Nachricht von Starfleet Command unterrichtet. Eine dunkle Vorahnung beschlich ihn.

Das allein war schon ungewöhnlich, waren solche Nachrichten normalerweise alleine für Captain Picard bestimmt.

Hinzu kam, dass man ihm mitgeteilt hatte, die Nachricht wäre auf den Handcomputer in seinem Quartier umgeleitet worden, da es sich um etwas Vertrauliches handele.

Etwas war hier im Gange, das ganz und gar nicht in Ordnung war.

Er warf Deanna Troi, die er gebeten hatte, mitzukommen, einen bekümmerten Blick zu, bevor er sich seinem Schreibtisch näherte.

Dort angekommen zog er sich den auf dem Tisch stehenden Handcomputer heran und betätigte die Taste zum Empfang der Nachricht. Auf dem Schirm erschien das Bild von Admiral Hayes, einem ernsthaften, vom Leben gezeichneten Mann mit undurchsichtigen Augen.

Er begann sofort zu sprechen: „Commander Riker!“

Riker nickte kurz: „Was kann ich für Sie tun, Sir?“

Der Admiral sah Riker streng an und dieser ahnte, das Kommende würde ihm nicht gefallen.

„Dieses Gespräch ist streng vertraulich. Ich befehle Ihnen, Captain Picard nicht das Geringste darüber zu erzählen. Verstanden?“

Unmerklich versteifte Riker sich. Er hatte schon lange so etwas befürchtet und ihm war klar, worauf der Admiral hinauswollte. Er zögerte einen Augenblick, bevor er antwortete. Schließlich sagte er langsam und misstrauisch: „Ja, Sir!“

„Den Berichten von Counselor Troi zufolge leidet Captain Picard unter depressiven Episoden, die in Grad und Schwere variieren. Das stellt seine Eignung als Captain zunehmend in Frage,“ ließ Hayes verlauten.

Es war Deannas Pflicht, die Crew regelmäßig zu evaluieren und sie hätte ihr Amt missbraucht, wenn sie in ihren Ausführungen nicht absolut ehrlich gewesen wäre.

„Nein, Sir, das kann man so nicht sagen. Er verrichtet nach wie vor vorbildlich seinen Dienst. Sein Privatleben geht uns nichts an,“ hielt Riker sofort dagegen. Das Bedürfnis, Picard zu verteidigen, war übermächtig, auch wenn der Commander tief in seinem Innersten wusste, dass der Admiral recht hatte.

„Das sehe ich anders. Zu einer vorbildlichen Dienstauffassung gehört auch, sich in einem solchen Fall entsprechend therapieren zu lassen. Zwar haben wohl einige Gespräche mit Counselor Troi stattgefunden, aber einen Nachweis einer umfassenden und angemessenen Therapie sind Sie uns bisher schuldig geblieben. Das ist nicht länger akzeptabel!“

Riker warf Troi, die außerhalb der Sichtweite des Admirals war, einen scharfen Blick zu, doch diese zuckte entschuldigend und resigniert mit den Schultern.

„Es steht uns nicht zu, ihn zu einer Therapie zu zwingen,“ musste der Commander kleinlaut zugeben. „Der Captain schätzt sein Privatleben sehr.“

„Nach eingehenden Evaluationen der Berichte über Captain Picards Zustand, ist die Admiralität unschlüssig, ob wir ihm unser Flaggschiff noch länger anvertrauen können. In Anbetracht seiner beachtlichen Leistungen haben wir uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht und ihm lange Zeit gelassen, seinen Zustand zu überwinden. Aber unsere Hoffnung schwindet, dass ihm das gelingen wird. In Kürze werde ich in Begleitung einiger Spezialisten an Bord der Enterprise kommen um uns ein eigenes Bild von der Psyche des Captains zu machen. Wir sind gezwungen, ihn genauestens zu überprüfen. Sollte er bei dem Test versagen, müssen wir ihn leider von seinen Pflichten entbinden. Es ist essentiell, den Captain unvoreingenommen anzutreffen. Daher muss ich Sie darauf hinweisen, dass eine Vorwarnung Ihrerseits automatisch dazu führt, dass wir den Test als Nicht bestanden werten.“

„Verstanden,“ war alles, was Riker stirnrunzelnd herausbrachte, während er versuchte, das Gehörte einzuordnen und zu verarbeiten. Hayes nickte noch einmal knapp, dann verabschiedete er sich bevor der Commander noch etwas anbringen konnte. Wütend schlug Riker mit der Handfläche auf den Tisch.

„Verdammt!“

Trotz Deannas Beteuerungen, der Zustand Picards mache Fortschritte, ahnte der Commander in diesem Moment, dass die Verfassung des Captains den Ansprüchen von Hayes und den anderen Vertretern von Starfleet Command niemals genügen konnte. Einen Moment lang war der Commander deswegen versucht, seinem Captain trotz seiner Befehle von dem Vorhaben der Admiräle zu erzählen. Doch dann entschied er sich dagegen. Er konnte damit im Zweifelsfall mehr zerstören als gut machen. Es musste einen anderen Weg geben!

Fragend wandte er sich an Troi, die ihn die ganze Zeit nachdenklich beobachtet hatte.

„Was denkst du?“

Sie seufzte. „Es ist schwierig. Ich habe schon lange damit gerechnet, um ehrlich zu sein. Es war noch nie leicht, ihn dazu zu bewegen, sich behandeln zu lassen und seine Besuche sind sporadisch und viel zu selten. Noch immer hat er mir Vieles nicht erzählt.“ Sie seufzte. „Ich habe es leider nicht fertiggebracht, konsequent auf einer Therapie zu bestehen, weil ich seine Wünsche respektieren wollte. Das war vielleicht ein Fehler. In seinem jetzigen Zustand wird er das Kommando ganz sicher verlieren.“ Sie starrte zu Boden und wich Rikers Blick aus und murmelte. „Es tut mir leid.“

Riker verstand, dass sie damit nicht nur diese niederschmetternde Aussage meinte, sondern auch, dass sie es war, die es versäumt hatte, Picard jene Hilfe zukommen zu lassen, die Starfleet Command jetzt zu Recht einforderte.

Behutsam klopfte er ihr auf die Schulter. „Wir waren alle nachlässig, weil wir ihn schon so lange kennen und achten,“ sagte er traurig. „Und weil uns Beverlys Tod genauso getroffen hat.“

„Aber das hilft ihm jetzt auch nicht weiter,“ ergänzte Troi tonlos.

„Und jetzt ist es zu spät?“

Sie zuckte erneut die Schultern.

„Man soll die Hoffnung nie aufgeben. Wenn er endlich den Mut aufbringen könnte, sich die Hilfe zu holen, die er braucht, habe ich keine Bedenken, dass er zurück in ein normales Leben findet. Die Frage ist nur, ob dies in der kurzen Zeit zu erreichen wäre, bis die Admiräle kommen, selbst wenn wir jetzt noch damit anfingen.“

„Einen Versuch wäre es doch allemal wert, oder?“

„Das auf jeden Fall. Es wäre zuallererst einmal wichtig, wenn er endlich darüber reden könnte, wie Beverly gestorben ist. Das trägt er seit fünf Jahren tief verschlossen mit sich herum.“

Riker atmete geräuschvoll aus.

„Dann machen wir es so.“

„Leichter gesagt als getan,“ erwiderte Deanna traurig.

 

Jean-Luc Picard war gerade dabei die Bordschule zu verlassen, in die er Madeleine an diesem Tag schweren Herzens zum ersten Mal brachte, als ihn ihre helle Stimme zurückhielt.

„Papa, warte!“

Picard drehte sich schnell um.

„Was ist, mein Schatz?“

„Ich muss dir noch etwas erzählen!“

Er setzte ein liebevolles Lächeln auf. „Du weißt doch, dass ich arbeiten gehen muss.“

„Ist es schon so spät?“

„Ja, leider."

„Dann erzähle ich es dir nachher. Bis später Papa!“

„Bis später, mach‘s gut, mein Schatz!“

Zischend schloss sich die Tür zu der Schule, als er seine Tochter zurückließ. Er seufzte leise. Es tat ihm weh, Madeleine immer alleine oder in der Aufsicht von anderen lassen zu müssen, aber es ging leider nicht anders. Fast unmerklich schüttelte er den Kopf. Er musste lernen die Vergangenheit ruhen zu lassen, schon um seiner Tochter willen. Ohne das Mädchen hätte er sich schon längst aufgegeben.

Seit Beverlys Tod vor fünf Jahren hatte er niemandem erzählt, was genau passiert war. Er hatte für seinen Bericht damals nur knapp ergänzt, was die Sensoren aufgezeichnet hatten in dem Glauben, dass es niemanden etwas anginge, was passiert war. Vielleicht war das ein Irrtum, ein Fehler, wie so vieles, was er seither getan hatte. Und doch wusste er, Madeleine brauchte ihren Vater. Ihr gegenüber hatte er sich selten so traurig und gebrochen gezeigt, wie er es tatsächlich war, doch mit zunehmendem Alter entwickelte sie immer mehr ein Gespür dafür. So konnte es auf Dauer nicht weitergehen, das war sicher.

Langsam bewegte er sich auf den Turbolift zu und dabei fasste er einen Entschluss. Er würde seine Erinnerungen mit jemandem teilen, das war der einzige Weg nach fünf Jahren endlich von den Geistern des Vergangenen loszukommen. Alleine der Gedanke, die komplette Geschichte in Worte zu fassen, erfüllte ihn mit Grauen, aber wenn es ihm helfen konnte, für Madeleine wieder gesund zu werden, musste er diesen Schritt vielleicht gehen. Er hatte sich bereits viel zu lange Zeit damit gelassen.

 

Der Turbolift kam zum Stehen und seine Türen öffneten sich sofort, Picard den Blick auf die Brücke freigebend. Es war noch seine Kommandobrücke, auf der er so viel Zeit verbracht, so viele Missionen gelöst hatte und doch war es nicht mehr dieselbe Brücke wie vor zwölf Jahren, als er das Schiff übernommen hatte. Die gesamte Fröhlichkeit und die Bereitschaft zu einem lustigen Spruch, die es früher gegeben hatte, waren fort.

Welch eine unerträgliche Atmosphäre musste hier die ganzen letzten fünf Jahre geherrscht haben! Trotzdem waren ihm seine Offiziere treu geblieben, in der Hoffnung ihm irgendwie helfen zu können. Niemand hatte um Versetzung gebeten.

Als Commander Riker ihn erblickte, räumte er sofort den Sessel des Captains, ohne ein Wort zu sagen. Picard nickte seinem Ersten Offizier zu und nahm auf dem ihm angebotenen Sessel Platz. Riker lieferte ihm noch den Bericht, aber es gab keine ungewöhnlichen Vorfälle zu melden und so versank die gesamte Brücke wieder in Schweigen. Nur das regelmäßige Piepsen der Konsolen war zu hören.

Picard blickte zu Boden und nahm all seinen Mut zusammen. Wenn es ihm wirklich ernst mit seinem Vorsatz war, war dieser Augenblick eine günstige Gelegenheit. Er atmete mehrmals ein und aus, bevor er in die großen dunklen Augen von Deanna Troi blickte, die ihn sehr bekümmert ansah.

Wenn er sie jetzt nicht ansprach, würde er es niemals mehr über sich bringen. „Counselor?“

Überrascht zuckte sie zusammen, als er die erdrückende Stille brach.

„Captain?“

„Ich muss mit Ihnen sprechen. Es geht um etwas, das ich schon längst hätte tun sollen. Könnten Sie bitte für ein paar Minuten mit in meinen Bereitschaftsraum kommen?“

Sie nickte kurz, aber er sah ihr deutlich eine Mischung aus Neugier und vielleicht sogar Erleichterung an, als sie von ihrem Sessel aufstand.

Sie folgte ihm schnell und kurze Zeit später waren sie beide allein in seinem Raum.

„Bitte setzen Sie sich doch!“ sagte er und deutete auf die Couch, die an der Wand stand. Sie leistete seiner Bitte sofort Folge und auch er setzte sich neben sie. Dann herrschte wieder Stille. Von weitem konnte man die Maschinen des Schiffes vernehmen und in der Nähe war der leise Atem Deannas zu hören.

Nervös knetete er seine Finger und sah zu Boden. Wo sollte er beginnen?

 

Deanna Troi blickte ihren Captain beruhigend an. Sie wollte ihn, da sie deutlich seine Zerrissenheit spürte, nicht drängen. Stattdessen legte sie ihre Hände auf die Oberschenkel und wartete ab. Es war schon ein gutes Zeichen, dass er überhaupt mit ihr sprechen wollte.

Langsam hob er nun den Kopf und sah sie an.

„Ich… ich habe Ihnen niemals die Wahrheit erzählt, über Beverlys Tod. Ich war der Meinung, es wäre meine Privatsache, aber ich mache mir immer noch Vorwürfe deswegen. Es ist alleine meine Schuld. Sie könnte noch leben, wenn ich nicht so viele Fehler begangen hätte. Ich brauche Ihre Hilfe, Counselor!“

Deanna Troi legte tröstend den Arm auf die Schulter des Captains, der wieder apathisch zu Boden starrte.

„Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen. Sie haben es nur gut gemeint und Sie haben sie geliebt, das ist das Wichtigste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie ihren Tod wirklich verschuldet haben. Beverly war eine erwachsene Frau und konnte für sich die volle Verantwortung tragen und wenn sie hier wäre, würde sie Ihnen das auch sagen!“

„Sie ist aber nicht hier. Ich trage eine Schuld daran, Counselor. Sie wissen nicht, was wirklich passiert ist. Aber ich möchte es Ihnen erzählen, vielleicht hilft es mir, wenn jemand zuhört.“

Er seufzte.

„Es ist eine sehr lange Geschichte und sie beginnt nicht bei Beverlys Tod, sondern viel früher. Sie haben ja keine Ahnung, wie alles begann. Es hat nicht mit dem Kongress auf Pallonia IV angefangen, wie Sie alle glauben, sondern ganz anders, aber ich sollte wohl von Anfang an beginnen. Ich hoffe Sie haben Zeit mitgebracht…“

 

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