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per aspera ad astra

von SusanQ

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Das hier, war nicht ihr Leben. Zugegebenermaßen unterrichtete sie diese jungen Leute ganz gern, aber ihr Leben war das nun wirklich nicht.

Seit sie selbst hier studiert hatte, hatte sich an der Akademie so einiges verändert, aber das meiste davon interessierte oder störte Uhura nicht, da ihr die Welt in der sie nun lebte und lehrte so völlig anders erschien als jene, in der sie vor fast 30 Jahren, als junge Frau, selbst studiert hatte.

Sie ging gemessenen Schrittes den kurzen Weg über den Campus von ihrem Büro zu den Unterrichtsräumen der Sprach- und Kommunikationsabteilung und genoß den Sonnenschein, der durch das Blätterdach der alten Platanen auf den mit weißem Kies bestreuten Weg fiel.

*Nein*, dachte sie, *so viel hat sich nun auch wieder nicht verändert. Das Wesentliche ist geblieben.*

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Der kleine Seminarraum war durch das warme, indirekte Licht der Sonne hell erleuchtet.

Die Tische standen in einem langen Rechteck in der Mitte des Raumes zusammengerückt und ihre Studenten saßen darum herum mit den Rücken zu den Fenstern, die sich zu beiden Seiten des Raumes befanden.

Die Sprachabteilung Starfleets war eine der kleineren Fakultäten an der Akademie und somit auch in einem der kleineren Seitenflügel untergebracht. Die Fenster zur einen Seite des Raumes zeigten auf einen kleinen Innenhof, die auf der anderen zu dem kleinen Park in der Mitte des Campus.

Als Uhura nun den Raum betrat, erhoben sich die Kadetten im ersten Semester, keiner älter als 18 oder 20 Jahre, und grüßten mit einem zackigen: „Commander.“

In diesem Moment bereute Uhura die Entscheidung, diesen Posten anzunehmen und dafür auf das Reisen zwischen den Sternen zu verzichten, in dieser Weise getroffen zu haben zu tiefst.

Eigentlich hatte sie sich an diesem Punkt ihrer Karriere nicht wie in einer Sackgasse gefühlt, aber alle um sie herum vermittelten ihr diesen Eindruck und sie hatte angenommen, es sei das Vernünftigste, für ein oder vielleicht auch zwei Jahre den Dienst auf einem Raumschiff zu quittieren und es mal mit dem Leben auf einem Planeten zu versuchen. Aber womöglich war das der entscheidende Fehler gewesen.

Ein unhörbares Seufzen entrang sich Uhuras Kehle und sie sagte, in einem ihrer Meinung nach, nicht sehr militärischen Ton: „Setzen Sie sich.“

Ihre erste Stunde in einem Klassenzimmer, seit scheinbar unendlichen Zeiten, begann.

„Wie Sie Ihren Studienunterlagen entnehmen konnte, ist dies hier eine Pflichtveranstaltung. Sie sollten sich also darüber im Klaren sein, daß Sie an diesem Kurs, den Sie nur mit dem Erwerb des Latinums abschließen können, vom ersten Tag an aufmerksam teilnehmen müssen. Ohne das Latinum, werden sie zu keinem weiteren Xenosprachkurs zugelassen.“

Uhura versuchte ihre Worte mit einer bedeutungsschweren Pause, in der einige Studenten leise aufstöhnten, zu untermauern.

„Ich verspreche Ihnen, daß es für die meisten unter Ihnen nicht leicht sein wird, aber es ist fast jedem möglich Latein zu lernen. Was dem einen von Ihnen vielleicht an Begabung fehlt, kann er oder sie durchaus mit Fleiß wett machen.“

Uhura trat an ihren Tisch heran und sagte, während sie ihren Stuhl zurückzog, um sich darauf zu setzen: „Beginnen wir mit einer kleinen allgemeinen Wiederholung der Grammatik.“

Sie hatte inzwischen Platz genommen und begann auf das Pad vor sich zu schreiben, welches ihre Handschrift simultan in eine digitale Druckschrift umwandelte und auf den Monitor hinter ihr projizierte.

„Welche Wortarten kennen Sie?“, warf sie eine, nach ihrer Ansicht, recht einfache Frage in den Raum, doch niemand antwortete.

„Trauen Sie sich ruhig. In diesen Räumen hier wird Ihnen niemand den Kopf abbeißen, wenn Sie mal etwas Falsches sagen. Sie sind hier um zu lernen. Nutzen Sie diese Chance! – Also, nennen Sie mir alle Wortarten, die Ihnen einfallen!“

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Subjekt…

„Nein, daß ist ein Satzglied, darauf kommen wir später zu sprechen.“

Substantive, Adjektive, Verben, Adverbien, Pronomina…

„Welche Pronomina kennen Sie?“ – Demonstrativpronomina, Interrogativpronomina, Relativpronomina, Personalpronomina…

„Warum heißt diese Wortart eigentlich PROnomen?“ – Keine Antwort.

„Weil sie FÜR, daß heißt anstelle eines Nomens stehen. Was ist ein Nomen?“ – Schweigen.



„Was ist ein Subjekt, was ein Objekt und was ein Prädikat?“



„Welche Wortarten können in einem Satz die Funktion eines Subjektes übernehmen?“



„Unter welcher Bedingung kann ein Verb die Funktion eines Subjekts übernehmen?“ – Niemand hatte eine Idee und manche der Studenten hielten es für gänzlich unmöglich.

„Wenn es sich dabei um eine Verbalhandlung handelt. – Ein Beispiel: Lernen macht Spaß.“

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Es dauerte fast zwei Wochen, bis auch der Letzte, zumindest dem Anschein nach, den Unterschied zwischen einem Attribut und einem Adverbial verstanden hatte. Endlich konnte sie zum eigentlichen Thema übergehen, der lateinischen Sprache.



„Das Lateinische kennt, im Gegensatz zum Englischen nicht nur vier, sondern sechs Zeitformen. Präsens, Imperfekt, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I und II. Das hat es mit anderen, romanischen Sprachen gemeinsam. Außerdem wird im Lateinischen auch der Konjunktiv sehr viel häufiger gebraucht, als in den meisten anderen Sprachen. Vollständig bestimmt wird ein Verb durch Person, numerus, tempus, modus und genus verbi. – Ein Beispiel: amo: 1. Person Singular Präsens Indikativ Aktiv, ich liebe.“



*Oh Gott! Wie soll ich denen das bloß mit den Fällen erklären?*



„Im Englischen gibt es kein grammatisches Geschlecht bei Substantiven. Alles was kein ER oder keine SIE ist, ist sächlich, daß heißt keines von beiden, lateinisch ein Neutrum. Im Lateinischen hat jedes Substantiv eines der drei grammatischen Geschlechter: feminin, maskulin oder neutrum. Dieses sollten sie zu jeder Vokabel dazu lernen.“ Ein leises Aufstöhnen ging durch den Raum.



„Die grammatischen Strukturen sind im Lateinischen äußerst regelhaft, wobei es für gewöhnlich mehrere Übersetzungsmöglichkeiten gibt. Der Satz *Te venire video* enthält einen sogenannten AcI, einen Accusativus cum infinitivo *Ich sehe dich kommen* oder *Ich sehe, daß du kommst*. Der AcI ist dabei Objekt des Satzes und antwortet auf die Frage: *Was sehe ich?*.“



Die Reihen der Studenten lichteten sich erst allmählich, später rapide. Nach zwei Monaten war nur noch ein harter Kern aus 14 zunehmend frustrierteren Kadetten übrig geblieben.

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„Boa eh, wie ich es hasse, wenn sie sagt – *welche adverbiale Färbung das participium coniunctum hat, müssen Sie aus dem Kontext erkennen*. Eh, wenn ich nicht weiß, ob da ein während, weil, obwohl, indem oder falls hinkommt, verstehe ich den Text nicht!“, beklagte sich eine der besseren Studentinnen auf dem Gang, nach einer Lateinstunde.

Ein anderer Kadett stimmte ihr zu: „Genau! Woher soll ICH denn wissen, ob es heißt *Ich habe ihn getroffen während ich in der Mensa war, obwohl ich in der Mensa war* oder *weil ich in der Mensa war*? Ergibt doch jedesmal einen völlig anderen Sinn…“

Uhura war noch damit beschäftigt gewesen die Notizen auf dem Dozentenpad zu löschen und konnte daher die Unterhaltung auf dem Gang mithören.

Obwohl sich die Kadetten langsam Richtung Ausgang begaben, verstand sie noch recht deutlich die dritte Stimme, die nun die alles entscheidende Frage aufwarf: „Warum müssen wir diesen öden Müll überhaupt büffeln? Ich meine – eine tote irdische Sprache. Ist doch totaler Blödsinn! – Ich meine – hey, wir wollen in den Weltraum und fremde Planeten erforschen, Erstkontakte knüpfen und so – und nicht tote Philosophen und Feldherren im Original lesen!“

Die Stimmen wurden leiser und verklangen in der Entfernung schließlich vollends.

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An diesem Abend hatte Uhura lange über das Gehörte nachgedacht.

Sie verstand die jungen Leute nur zu gut. Auch ihr hatte es damals kaum eingeleuchtet, warum sie ausgerechnet Latein lernen mußte und weshalb sie sonst nicht zu den Sternen fliegen durfte, um neue Sprachen zu entdecken und darüber neue Kulturen zu studieren.

Mittlerweile hatte sie erkannt, daß es kaum eine bessere Möglichkeit gab, die Denkweise anderer Völker zu verstehen, als über deren Sprache.

Und sie hatte auch mehrfach am eigenen Leib erfahren, daß es bestimmte Nuancen in den verschiedensten Sprachen gab, die ein Universaltranslator nicht adäquat übertragen konnte.

Aber wie konnte sie nur diese jungen Leute von der Notwendigkeit, eine alte tote irdische Sprache lernen zu müssen, überzeugen?

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Diesmal saß Uhura bereits schweigend an ihrem Pult, als ihre Klasse den Raum betrat.

Als alle saßen und die Stunde eigentlich hätte beginnen müssen, geschah – gar nichts. Uhura blieb einfach schweigend an ihrem Pult sitzen und die Kadetten wunderten sich.

Nach einer knappen Minute erhob einer die Stimme und sprach sie mit einem fragenden Unterton in der Stimme an: „Commander?“

Uhura stand wortlos auf und verließ den Raum. Sie steckte den Kopf nochmals zur Tür herein und forderte die Studenten auf ihr zu folgen.

Sie führte die kleine Gruppe in den Park im Zentrum des Campus. Dort hielt sie inne und deutete zum Himmel empor: „Sehen Sie mal!“

Die Studenten blickten, ihre Augen beschattend, nach oben, in den strahlend blauen Himmel, mit der heißen südkalifornischen Sonne fast im Zenit, und suchten nach etwas, auf das ihre Dozentin gedeutet haben könnte.

Nach einigen Augenblicken meldete sich einer der Kadetten leicht verwirrt zu Wort: „Da ist nichts Ma’am, außer der Sonne.“

Uhura schaute kurz sinnend zu Boden, auf den, im Schein der Sonne, grellweißen Kiesweg und antwortete nachdenklich: „Nichts als die Sonne… hm!“ und schwieg daraufhin einen Moment.

„Wenn Sie recht haben, Kadett, warum sind Sie dann hier? Sie alle? – Nichts als die Sonne…“

Uhura begann mit langsamen Schritten die kleine Gruppe zu umrunden und sprach dabei weiter.

„Ein Stern, unsere Sonne ist ein Stern, wie Millionen anderer Sonnen in unserer Galaxis. Und glauben Sie mir, aus einigen Lichtjahren Entfernung noch nicht einmal einer der Beeindruckenderen… Ihr Name ist *sol*, lateinisch 'die Sonne' – übrigens ein Maskulinum.“

Sie hob den Arm und beschrieb einen weiten Bogen quer über den Himmel. „Die anderen Planeten unseres Systems tragen Namen römischer Götter. – Unsere ganze Kultur und Zivilisation ist von römischen Dingen durchtränkt, unsere Philosophie, unser Rechtssystem, unsere Wissenschaften… unsere Sprache.“

Jetzt deutete sie in Richtung des bereits am östlichen Horizont aufgegangenen Mondes. „Lunare Geographie. *Lunaris*, lateinisch 'etwas, das mit dem Mond zu tun hat, halbmondähnlich'. Das *mare tranquillitatis*, lateinisch 'das Meer der Ruhe'.“

Sie ließ ihren Arm langsam wieder sinken und senkte auch ihren Blick wieder. „Orbit vom lateinischen *orbis* 'der Kreis'.“

Nun schaute sie auf und blickte, fast traurig und ein bißchen enttäuscht, nacheinander in die wartenden, verwunderten Gesichter ihrer Studenten. „*Universum*“, sagte sie beton deutlich, „lateinisch – 'das Weltall'…“

Die Kadetten blickten verlegen zu Boden und schwiegen betreten.

Uhura fuhr fort: „Nun, einige von Ihnen fragen sich sicherlich, warum sie gezwungen werden das Latinum abzulegen und wieso sie so viel Mühe darauf verwenden sollen ausgerechnet eine so alte, tote Sprache zu lernen. Sie haben schon jetzt, im ersten Semester miterleben können, wie ein Großteil Ihrer Mitstudenten es aufgegeben haben als Kommunikationsoffizier zu den Sternen fliegen zu wollen. Aber ich sage Ihnen eines: Wenn Sie glauben es gibt eine Möglichkeit auf einem Raumschiff zu dienen, ohne sich zuvor einigen Mühen zu unterziehen, dann müssen Sie Schiffssteward werden.

Wie wollen Sie außerirdische Sprachen lernen, wenn Sie nicht einmal eine irdische Sprache lernen können? Dazu müssen Sie Sprache auf einer grammatischen Hyperebene verstehen, ihre Funktion und ihre Struktur – mehr als nur ihren wörtlichen Inhalt – so funktionieren auch unsere Universaltranslatoren.

Kaum eine Sprache ist in ihren Formen und ihrer Struktur so regelhaft und konsequent wie das Lateinische.“ Uhura hielt in ihren Worten kurz inne und räumte leicht lächelnd ein: „… mal abgesehen vom Vulkanischen, daß um einiges komplexer ist.“

Wieder sah sich Uhura unter ihren Studenten um und versuchte an deren Gesichtern abzulesen, was sie dachten. Offensichtlich arbeiteten ihre Gehirne auf Hochtouren.

„Ich gebe Ihnen den Rest der Stunde frei, um darüber nachzudenken, warum Sie hier sind und was Sie wollen.“

Uhura straffte ihre Haltung und fügte dem noch hinzu: „Ich will morgen in meiner Klasse keinen sehen, der nicht bereit ist durch Mühe zu den Sternen zu gelangen.“
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