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α β Concert - Der Frieden auf dem Pulverfass

von Julian Wangler

Kapitel 2 - Auge um Auge

U.S.S. Okinawa, NCC-13958

Als dreidimensionaler Körper betrachtet, sah jene Raumausdehnung, die gemeinhin als Betreka-Nebel bezeichnet wurde, aus wie eine überreife Pampelmuse, in deren Mitte jemand mehrfach hineingestochen hatte. Diese Furchen, die sich tief in den indigofarbenen Nebel fraßen, der hauptsächlich aus Wasserstoff, Magnesium und Chrom bestand, gehörten formell nicht zu den von den Klingonen und Cardassianern annektierten bzw. beanspruchten Gebieten.

Der Sternenflotte, die ein aufrechtes Interesse daran haben musste, die sich zuspitzende Lage weiter im Auge zu behalten, kam das sehr entgegen. Das Oberkommando hatte drei Schiffe entsandt, die sich bis zur Grenze zwischen der klingonischen und cardassianischen Zone vorwagten und von ihrer Position in neutralem Raum die Streitkräfte beider Seiten verfolgten. Sollte sich irgendetwas am Status-quo ändern, würden sie sofort Alarm schlagen.

Captain James Leyton war erst vor einem halben Jahr zum kommandierenden Offizier der U.S.S. Okinawa befördert worden – nach James Kirk und Jean-Luc Picard als drittjüngster Mensch auf diesem Posten –, doch als er auf den Hauptschirm seiner Brücke schaute, ahnte er, er würde schnell erwachsen werden müssen. Die Klingonen hatten ja bereits vor Tagen ordentlich vorgelegt und einen Bird-of-Prey nach dem anderen K’t’inga-Kreuzer auflaufen lassen. So war eine gewaltige Streitmacht zusammengekommen, die sogar den einen oder anderen Vor’Cha-Kreuzer enthielt, was angesichts der Exklusivität dieser Einheiten ein sehr beunruhigendes Zeichen war.

Doch die Cardassianer hatten sich nicht narren lassen und die Geste zu erwidern begonnen. Nach und nach hatten sie Patrouillenschiffe, Fregatten, Zerstörer und Kreuzer aus anderen Sektoren abgezogen und unmittelbar vor den Augen der klingonischen Flotte in Stellung gebracht.

Leyton strich sich über den gepflegten, kurz gehaltenen Vollbart, den er erst seit seiner Beförderung trug, und wies seinen Wissenschaftsoffizier, Fähnrich Joseph McWatt, an, ihm eine aktuelle Zählung zu geben. Diese kam prompt: „Es sind inzwischen über einhundert Schiffe auf der klingonischen und mehr als achtzig auf der cardassianischen Seite.“

Die Meldung veranlasste Leyton zu einem anerkennenden Ausdruck, als er sich einen Schluck bolianisches Tonicwater aus dem Becher in seiner Hand gönnte und anschließend im Kommandostuhl Platz nahm. Dann schaute er in Richtung seines Ersten Offiziers, einer andorianischen Frau namens Lieutenant Commander Thalaka. „Nun ja,“, meinte er, „ich würde sagen, die Cardassianer haben aufgeholt.“

Thalakas Antennen wanden sich nervös, als sie erneut zum Projektionsfeld schaute. „Es fragt sich, wo das alles enden wird.“

„Nehmen Sie es mir nicht krumm, Commander, aber ich wünschte, Sie würden Ihre Antwort nie bekommen. Zumindest nicht die, die derzeit wahrscheinlich ist.“

Nur eine Stunde später sah es so aus, als käme die Antwort noch früher als von Leyton befürchtet. „Sir…“, sagte McWatt und klang mit seiner vor Adrenalin zitternden Stimme im höchsten Maße aufgeschreckt, was jedoch verständlich war, bedachte man, dass der Mann frisch von der Akademie kam. „Ich messe einen Energieanstieg in den vorderen Geschützen der cardassianischen Flotte. Auch ihre Schilde sind aktiviert worden.“

Natürlich taten die Klingonen es ihnen gleich. Binnen einer weniger Herzschläge richteten fast zweihundert kampfbereite Schiffe ihre Waffensysteme aufeinander aus. Es war beinahe wie in einem Western, wo sich zwei Banden von Revolverhelden gegenüberstanden. Jetzt muss nur noch jemand aus Versehen auf einen Knopf drücken, und es gibt einen mächtigen Rums., dachte Leyton unheilvoll.

Die nächsten Minuten vergingen wie in Zeitlupe, schienen beständig an Substanz zu gewinnen. Als jedoch keines der Schiffe seine Position veränderte, kehrte wieder ein wenig Ruhe ein. „Na ja, noch halten sie die Stellung.“, stellte Leyton fest.

„Wahrscheinlich nicht mehr lange.“ Thalaka warf einen Blick auf die digitale Chronometeranzeige ihrer Konsole. „Das klingonische Ultimatum verrinnt in achtzehn Stunden.“

Ist das hier alles ein riesengroßer Bluff?, fragte sich Leyton und wusste allmählich nicht mehr, was er glauben sollte. Für Kanzler Markesh wollte er hoffen, dass er ein guter Pokerspieler war, aber er war alles andere als überzeugt davon.

Leyton nahm noch einen Schluck Tonicwater. Ihm war klar, dass er jetzt viel davon brauchen würde, um einigermaßen ruhige Nerven zu bewahren. Anschließend wandte er sich an den KOM-Offizier, einen Deltaner namens Efro: „Nachricht an Captain Maxwell und Captain Lauritson: Wir gehen auf Alarm Gelb.“

- - -

Romulanisches Scoutschiff

Lieutenant Koval, Agent des romulanischen Geheimdienstes Tal’Shiar, war gar nicht weit von der Okinawa und den beiden anderen Sternenflotten-Raumern entfernt. Genau genommen waren es lediglich einige tausend Kilometer – in stellaren Größenordnungen gewissermaßen ein Flohsprung. Das kleine Scoutschiff, das er benutzte, war getarnt. Die Maskierungstechnologie, die es benutzte, war auf dem allerneusten Stand der Technik. Zudem würden die moderaten Metreongas-Emissionen in diesem Abschnitt des Weltraums sicherstellen, dass die Sensoren der anderen Schiffe es nicht entdeckten.

Koval befand sich seit mehreren Tagen auf Position. Er war in Begleitung von vier anderen Tal’Shiar-Feldoffizieren – gut geschulten Frauen und Männern, die für diesen Einsatz vom Vorsitzenden Jakesh handverlesen worden waren. Ihre Mission lautete bislang, zu beobachten, Informationen zu sammeln und diese diskret nach Romulus weiterzuleiten. Das hatten sie getan, und anders als bei manch anderen Einsätzen konnte Koval wahrlich nicht sagen, dass ihm hier langweilig wurde.

Im Betreka-Nebel zu sein, bedeutete derzeit, ein heraufziehendes Gewitter von beinahe apokalyptischen Ausmaßen mitzuverfolgen. Klingonen und Cardassianer standen tatsächlich kurz davor, einen Krieg gegeneinander zu beginnen. In den vergangenen Tagen hatte der Stolz, die Arroganz und vor allem die hitzige Wildheit beider Völker dazu geführt, dass alle Versuche der Föderation, eine Entgleisung der Lage zu verhindern, gescheitert waren. Angeblich hatte der neue klingonische Kanzler den Trill-Spitzendiplomaten Curzon Dax recht unschön vor den Kopf gestoßen, als dieser ihn zu einem neuen Anlauf für diplomatische Bemühungen animieren wollte.

Die Vorgänge in der Welt der Außenpolitik waren derzeit wirklich überaus interessant, und als ehrgeiziger, junger Agent wusste Koval es natürlich zu schätzen, dass er mitten im Geschehen war. Selbst, wenn er fürs Erste nur zusah und einige Knöpfe drückte.

Das Schöne an der Gegenwart, war, dass man nicht vorhersagen konnte, welchen Weg in die Zukunft sie nehmen würde. Oder etwa doch?
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