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Bushido

von SusanQ

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„Na Kleiner, paß bloß auf, daß du nicht ausversehen Harakiri begehst“, sagte sein nächster und letzter Gegner höhnisch lachend im Vorbeigehen, leise genug, sodaß nur er diese Provokation hören konnte.

Der für seine fünfzehn Jahre doch recht klein gewachsene Asiate blickte wütend hinter dem anderen Jungen her und machte einen energischen Schritt in dessen Richtung, als sein Freund ihn gerade noch am Arm zurückhalten konnte.

„Hikaru, laß dich doch von diesem Blödmann nicht unnötig reizen.“ John kannte seinen besten Freund und dessen manchmal recht niedrige Reizbarkeitsschwelle nur zu gut.

Noch immer stock sauer und ohne ein Wort zu entgegnen wählte Hikaru sein Florett, eine, knapp 90 cm lange und circa ein Pfund schwere, elegante Waffe, mit einem französischen Griff.

Während er die Flexibilität der Klinge prüfte, blickte er fast grimmig hinüber zu seinem Gegner, der ihn um mehr als einen Kopf überragte.

„Hikaru! Hikaru!“, sprach ihn sein Freund erneut an.

„Ja. Was ist, Jonny?“, wollte Hikaru wissen.

„Ich rede mit dir und würde es sehr begrüßen, wenn du mir deine Aufmerksamkeit schenken könntest.“

John half ihm den Handschuh über die Waffenhand zu streifen und verkabelte seinen Mannschaftskameraden mit der elektronischen Anlage, welche die gültigen Treffer registrierte. „Hör’ zu. Der Kerl will dich doch bloß provozieren und wenn er das schafft, hat er den Kampf schon so gut wie gewonnen.“

Hikaru blickte an sich hinab, griff nach seiner Fechtmaske, klemmte sie sich unter den Arm und wollte schon Richtung Fechtbahn gehen, als John, der Captain der Fechtmannschaft, ihn nochmals fragte: „Hast Du mir überhaupt zugehört?“

„Ja, ja“, erwiderte Hikaru leicht genervt.

„Auf der Planche mußt du dich voll und ganz auf den Kampf konzentrieren und darfst dich nicht von irgendwelchen Kommentaren ablenken lassen. Das hat der Trainer doch auch immer wieder zu uns gesagt.

Du hast in allen Vorrunden zuerst die entscheidenden fünf Treffer erzielt, dann wirst Du die 15 jetzt auch noch schaffen, okay?“

Es gab nicht viel, was Hikaru Sulu aus der Ruhe bringen konnte. Eigentlich konnten das nur zwei Dinge, und zwar dumme Bemerkungen über seine Körpergröße und Anspielungen auf seine japanische Herkunft.

Hikaru ging nun zu der 2 m breiten und 14 m langen Planche und stellte sich an seine Startlinie. Vier Meter von ihm entfernt hatte sein Gegner bereits Stellung bezogen.

Der Kampfleiter eröffnete die Partie mit den Worten: „En garde“, woraufhin beide Kontrahenten ihre Masken aufsetzten und die Ausgangsposition einnahmen.

Dann ertönte das Kommando: „Allez!“

Es ging rasend schnell – Ausfall, Parade, Quarte, Finte, Ausfall, Sixte, Reposte, Flèche, Seconde.

Beide, sowohl Hikaru als auch sein Gegner waren ausgezeichnete Fechter mit dem Florett.

Die zehn Minuten, die ein Gefecht maximal dauern durfte verrannen wie im Fluge und als der Kampfleiter: „Halte!“, rief, stand es gerade 13 zu 13 Treffer.

„Die Zeit ist abgelaufen, meine Herren. Der nächste Treffer siegt.“

Die beiden Kontrahenten kreuzten die Klingen und während sie auf das Kommando zum Angriff warteten, hörte Hikaru den anderen sagen: „Dich mach’ ich fertig – Bonsai.“

Der Kampf ging weiter und Hikaru griff wütend mit einer Reihe von Ausfallschritten an, wobei er auf den Oberkörper seines Gegners zielte. Dieser parierte mit einer Neuvième. Damit hatte Hikaru nicht gerechnet. Er versuchte mit einem Zwischenstoß den er nachsetzte den letzten, entscheidenden Punkt zu machen, aber sein Gegner war bereits außer Reichweite seiner Waffe und so traf er nur dessen Schienbein mit der Spitze des Floretts, bevor er mit dem Knie auf den Plancheboden kam. Das war eine eindeutige Regelverletzung und der Kampfleiter unterbrach sofort mit dem Kommando: „Halte!“

Während beide Fechter wieder die Ausgangsposition einnahmen, sagte Hikarus Gegner: „Tja, Pech gehabt, Kleiner. Wenn Du schon mit dem Degen fechten dürftest, hättest du jetzt gewonnen.“

Hikaru hatte das Gefühl er könne das überhebliche Grinsen, das er aus der Stimme hörte durch das feine Netz der Drahtmaske sogar sehen.

Wieder erklang das Kommando: „Allez!“

Es folgte eine etwas zu hastige Flèche durch Hikaru, eine gekonnte Parade seines Gegner, ein Gegenangriff mit drei Finten, von denen Hikaru nur zwei erkannte, und einem Ausfallschritt. Er parierte den Angriff mit einer Octave und antwortete mit einer Reposte, jedoch war die Octave nicht sauber genug ausgeführt und die Klinge seines Gegners berührte Hikarus Schulter Sekundenbruchteile bevor die seine die Brust des anderen traf. – Ein Doppeltreffer!

„Halte!“, erklang die Stimme des Kampfleiters.

Nach einer kurzen Beratung mit den vier anderen Kampfrichtern, wurde die Entscheidung vom Kampfleiter verkündet: „Punkt für Jason Chimsky. – Damit geht der Pokal der Juniorenmeisterschaft der Westküste an die Highschool-Auswahlmannschaft von Los Angeles. – Zweiter wird San Francisco, gefolgt von Vancouver. – Meinen herzlichen Glückwunsch!“

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Auf dem Heimflug von Seattle nach San Francisco konnte Hikaru förmlich spüren, wie sauer die anderen auf ihn, der diesen unnötigen Patzer verbockt hatte, waren.

John war direkt nach dem Kampf zu ihm gekommen, hatte ihm auf die Schulter geklopft und dem, zwischen Wut und Enttäuschung hin und her schwankenden Hikaru gesagt: „Schon okay. Du hast Dein bestes gegeben. Wir gewinnen nächstes Jahr.“

Der Rest der Mannschaft war weniger optimistisch, nicht zuletzt weil es für die meisten von ihnen die letzte Juniorenmeisterschaft war und niemand erinnert sich an den Zweitplazierten. Es war doch so knapp – bloß ein Treffer, nur Bruchteile einer Sekunde…

Hikaru war auf sich selbst wütend.

Er hatte die Meisterschaft auf’s Spiel gesetzt, nur weil er sich von so einem Blödmann hatte provozieren lassen.

Aber noch wütender war er auf diesen Jason Chimsky. Als Hiraku ihm, um ihm zum Sieg zu gratulieren, die Hand reichte und sagte er freue sich auf die Revange im nächsten Jahr, hatte Jason nur gesagt: „Ich habe echt besseres zu tun als Dir das fechten beizubringen.“

*So ein überhebliche Schnösel!*, dachte Hikaru.

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„Was ist los?“, fragte Tsunetomo, Hikarus Onkel mütterlicherseits, als dieser, nach seiner Ankunft im elterlichen Haus, wortlos in sein Zimmer ging und frustriert seine Ausrüstung in die Ecke hinter dem Bett warf.

„Ich hab’s versaut“, antwortete der Junge und trat wütend gegen die Kommode.

„Ihr habt verloren?“, wollte Tsunetomo nun doch endlich das Ergebnis der Meisterschaftskämpfe wissen.

„Nein, ICH habe verloren“, korrigierte Hikaru seinen Onkel und fügte dem noch resigniert hinzu: „Es war einzig und allein meine Schuld.“

Tsunetomo trat an den Jungen heran, legte väterlich seine Hand auf dessen Schulter und sagte mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen: „Du kannst nicht in allem glänzen, Hikaru.“

Dieser konnte diesem Wortspiel, denn sein Name bedeutete in der Übersetzung leuchten, strahlen, scheinen oder glänzen, im Moment rein gar nichts abgewinnen und verzog nur das Gesicht etwas, wie es Teenager gern hinter dem Rücken ihrer Eltern tun, wenn sie von diesen, ihrer Meinung nach, zu unrecht gemaßregelt oder belehrt worden waren.

„Hey, Du bist nicht der einzige, dem so etwas schon mal passiert ist“, beruhigte Tsunetomo seinen Neffen. „In deinem Alter habe ich auch mal eine Meisterschaft vergeigt.“

„Ja, aber das war sicherlich nicht die Juniorenmeisterschaft der Westküste im Fechten.“

„Da hast Du allerdings Recht“, gestand Tsunetomo ein und fügte dem hinzu: „Es war die Juniorenmeisterschaft des Alpha-Quadranten im Jiu-Jitsu.“

Hikaru wußte, daß sein Onkel ein Meister des Jiu-Jitsu war. Er hatte eine eigene Schule und unterrichtete sogar Kampfsportarten an der Starfleet-Academy.

Bis heute hatte Hikaru angenommen Tsunetomo hätte nie einen Kampf verloren um so überraschter war er nun über diese Offenbarung. Er blickte seinem Onkel nach, als dieser ohne weiteren Kommentar sein Zimmer verließ.

Am Abend kamen Hikarus Eltern zurück und als Tsunetomo ihnen vom zweiten Platz der Mannschaft ihres Sohnes berichtet hatte, kamen sie sofort in dessen Zimmer.

Sein Vater redete ihm ins Gewissen, er solle sich von solch einer Niederlage nicht entmutigen lassen und jetzt bloß nicht mit dem fechten aufhören, die Ausrüstung habe doch so viel gekostet und seine Mutter platzte fast vor Stolz darüber, daß ihr Sohn einen kleinen silbernen Pokal für San Francisco errungen hatte – als sei der Junge noch nicht genug von seinen eigenen Gefühlen hin und her gerissen.

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Es vergingen Wochen bis Gras über die Sache gewachsen war und Hikaru auf den langen Fahrten zum Trainingszentrum in Ruhe über die ganze Angelegenheit nachdenken konnte.

Er wollte wegen eines verdienten zweiten Platzes nicht mit dem Fechten aufhören, dafür liebte er diesen Sport viel zu sehr. Allerdings mußte er auch einsehen, daß ihm diese Sportart nicht dabei helfen würde erhobenen Hauptes durch das Leben zu gehen. Ihm war klar, daß er etwas handfesteres brauchte um sein Selbstbewußtsein zu stärken, eine Art Verteidigung gegen Beleidigungen, auf die er sich verlassen konnte, auch ohne sie anzuwenden.

Dann, eines Tages, als sein Onkel wieder einmal zu Besuch war, fragte dieser Hikaru nach dem Essen: „Hast Du schon mal daran gedacht in meiner Schule Jiu-Jitsu zu erlernen?“

Natürlich hatte Hikaru schon mal daran gedacht, eigentlich hatte er in den letzten Tagen an fast nichts anderes als das gedacht, allerdings hatte er so seine Bedenken, was seine physische Eignung für eine solche Kampfsportart anging.

„Ja, aber bin ich dafür nicht ein bißchen zu klein?“, wollte er wissen.

„Nein, ganz im Gegenteil. Deine Größe verschafft Dir einen erheblichen Vorteil. Zum einen werden Deine Gegner dich unterschätzen und zum anderen dürfte es Dir viel einfacher fallen andere unterhalb ihres Schwerpunktes zu treffen, wodurch sie unweigerlich umfallen müssen. Das ist simple Physik.“ Tsunetomo lächelte, während er das sagte, denn er selbst war auch eher klein gewachsen.

„Meinst du wirklich?“

„Aber sicher. Jiu-Jitsu ist nicht nur eine Kampfsportart, es ist eine Philosophie, eine Lebensart. Du wirst sehr viel mehr lernen, als nur zu Kämpfen. Du weißt aus welchem Clan Du stammst?“

„Clan?“, fragte Hikaru verwirrt.

„Ich denke ich muß mal ein ernstes Wort mit deiner Mutter sprechen. Es ist unverzeihlich, daß sie es Dir nicht schon vor Jahren gesagt hat. Meine Schule heißt Yamamoto, weil unsere Familie in direkter Linie aus diesem Clan hervorging“, erklärte Tsunetomo.

„Yamamoto? Hieß so nicht auch der Kerl, der den Angriff auf Pearl Harbor organisiert und geleitet hatte?“, erkundigte sich der Junge nun.

„Ja“, antwortete Tsunetomo und wandte noch ein: „aber der war nur adoptiert. Einige Jahrhunderte vor ihm, stellte unser Clan eine Reihe großer Samurai.“

„Aber wir leben doch nicht mehr im Japan des 16. Jahrhunderts“, meinte Hikaru.

„Das ist wohl wahr, aber als Samurai eignete man sich Bushido an.“

„Was für’n Zeug?“

„Bushido, den Weg des Kriegers. Er umfaßt außer der Bereitschaft jederzeit in den Tod zu gehen eine Reihe von Tugenden, wie Redlichkeit, Ausdauer, Anspruchslosigkeit, Tapferkeit, Höflichkeit, Ehrlichkeit und vor allem die Loyalität. Tugenden, die Du gut gebrauchen kannst, wenn Du, wie Du es planst in zwei Jahren auf die Starfleet-Academy gehen willst.“

„Hat Dad dem endlich zugestimmt?“, wollte Hikaru freudig überrascht wissen.

„Ja, ich habe mit ihm gesprochen.“

„Danke Onkel Tsunetomo“, sagte Hikaru und umarmte seinen Onkel kurz.

„Es lag nicht nur an mir. Dein Fluglehrer glaubt in Dir ein gewissen fliegerisches Talent bei den Übungsstunden für die Lizenz zum Führen atmosphärischer Gleiter erkannt zu haben.“

Die Welt war wieder in Ordnung und mehr als das, sie war besser geworden als sie es noch vor ein paar Wochen war.

Er würde auf die Starfleet-Academy gehen dürfen. Da erschien im die Aufnahmeprüfung nur noch nebensächlich.

Hikaru Sulu hatte sich einmal entschieden und wollte seinen Weg nun beharrlich gehen.

*Ich werde Pilot, und zwar der beste Pilot, den Starfleet je hatte.*
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