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Lebenswege

von CAMIR

Prolog

Huh? Wo ist der Schurke?


 

Ein eisiger Wind wehte Jean-Luc Picard um die Ohren als er ins Freie trat. In seiner Umhängetasche war das PADD mit den Daten und der Nachricht von Yann sicher verstaut und unter seiner Lederjacke trug er einen kleinen Handphaser. Auf Audran IIX konnte man nicht vorsichtig genug sein, wie er kurz nach seiner Ankunft schmerzlich hatte erfahren müssen. Picard zog seine Jacke fester um sich und stapfte los. Dabei versuchte er die Erinnerungen daran zu verdrängen. Er hatte sich übertölpeln lassen wie ein verdammter Anfänger und damit beinahe die Mission gefährdet. Alleine Yann war es zu verdanken, dass er noch immer unter den Lebenden weilte, auch wenn er noch immer nicht wusste, was er von dieser geheimnisvollen Frau halten sollte. Sie lebte in den Schatten von Paradise Port, dem ironisch benannten größten Raumhafen des Planeten, der gleichzeitig Sammelplatz für allerlei Gesindel war. Paradise Port war fest in der Hand organisierter Kriminalität, wie es häufig auf Grenzwelten zur Föderation der Fall war. Hier fanden Diebe und Mörder Unterschlupf, Drogen wurden gehandelt und Schmuggler versuchten ihre Waren loszuwerden – nahezu unter den wachsamen Augen von Starfleet, denen doch in letzter Instanz die Hände gebunden waren. Inzwischen hatte es zu regnen angefangen und Picard klappte seinen Kragen hoch und verbarg die Hände in seinen Taschen. Er versuchte, das Treiben um sich zu ignorieren, während er sich seinen Weg durch die dreckigen, verkommenen Straßen bahnte. Schräge Neonreklamen priesen die Dienstleistungen verschiedener zwielichtiger Etablissements an in denen für Geld alles zu haben war. In den Hinterzimmern der Spielcasinos und Tanzclubs wurden die wahren Geschäfte getätigt. Und doch kümmerte Picard sich nicht darum. Er war hier, um eine einzige Person zu finden. Seine Befehle waren eindeutig gewesen, sogar von höchster Stelle gekommen und nun befand er sich hier. Er fühlte sich verloren in all dem Schmutz, zu dem er sich nicht zugehörig fühlte und wünschte sich zurück auf die warme, saubere Enterprise. Aber das würde ein frommer Wunsch bleiben, solange er die Zielperson nicht ausfindig gemacht hatte.

Als er die Hintertreppe jenes Bordells hochstieg, in dem Yann arbeitete, zog sich sein Magen zusammen. Das Elend jener Frauen, die hier für die nächste Droge oder aus anderen armseligen Gründen ihren Körper verkauften, berührte etwas tief in ihm und er stellte sich nicht zum ersten Mal die Frage, welche Rolle Yann bei all dem spielte. Sie war ihm als Kontaktperson während dieser Mission zugeteilt worden und obwohl sie fraglos intelligent und gebildet war, gehörte auch sie zu diesen Elenden. Mit Schaudern dachte er an jenen Abend zurück, als er sie vor einem gewalttätigen Kunden gerettet hatte. Er hatte geglaubt, seine Schuld ihr gegenüber zurückzahlen zu können, doch obwohl sie übelst zugerichtet war, hatte sie ihm Vorwürfe gemacht. Er wurde nicht schlau aus ihr, wusste nicht einmal ihre Spezies. Sie war eine Frau ohne Vergangenheit. Als er den Code an ihrer Tür eingab und ihr Zimmer betrat, fand er sie auf dem Bett sitzend.

Sie wirkte nachdenklicher als sonst, aber nicht minder rätselhaft.

„Ich bin so schnell gekommen wie ich konnte, als ich deine Nachricht erhielt,“ begrüßte er sie etwas außer Atem.

„Hast du ihn gefunden?“ fragte sie zurück.

Picard nickte. „Ich weiß es nicht, ich glaube es. Ganz sicher bin ich noch nicht und einfach war es auch nicht. Aber deine Daten haben auf jeden Fall geholfen.“

Sie wandte sich ab und holte dann ein PADD hervor.

„Ich habe inzwischen noch ein paar Zugangscodes erworben.“ Picard wollte nicht wissen, auf welche Weise. „Deshalb ließ ich dich rufen. So können wir überprüfen ob du recht hast und dann die Extraktion in die Wege leiten.“

Ihr Verstand arbeitete taktisch und präzise und einmal mehr drängte sich jene Frage auf, die Picard bisher nicht zu stellen gewagt hatte.

„Wieso bist du hier?“

Yann hob den Kopf und mit einem Mal lag ein Schatten auf ihrem schönen Gesicht. Ihre schwarzen Augen waren wie immer unergründlich und ihre Haut schimmerte im schummrigen Licht bläulich. Und doch war plötzlich etwas an ihr, das Picard bekannt vorkam, wie eine Erinnerung aus einer besseren Zeit.

„Ich bin hier, weil ich hier bin,“ sagte sie enigmatisch. Dann streckte sie die Hand aus, um Picards Daten anzunehmen und zu überprüfen.

Er wartete geduldig, während sie mit dem Computer hantierte und seine Daten mit den ihrigen abglich. Er konnte die Textmengen über den Bildschirm scrollen sehen, während das Gerät arbeitete. Irgendwann ermüdete es ihn, darauf zu starren und er sah sich in Yanns Zimmer um – genauer gesagt in ihrer Bruchbude. Alles war heruntergekommen und verwohnt: das Bett genauso wie die spärlichen Möbel, die sie besaß. Hinter einem abgewetzten Vorhang verbarg sie ihren Computer, der zu Picards großer Überraschung mit Föderationssoftware arbeitete. Aber da sie ihm zugeteilt worden war, hatte er nicht weiter danach gefragt. Das Bett selbst war breit genug, um dort auch Freier zu bedienen – Yann war diesbezüglich sehr freizügig gewesen. In dem jetzt verschlossenen Kleiderschrank waren ihre Kleider. Sie besaß nicht viele von ihnen und neben einigen warmen Straßenkleidern waren es vor allem knappe, körperbetonende Stücke, die ihre weiblichen Reize hervorhoben. Er sah aus dem Augenwinkel wie sie auf ihrem rechten Daumen herumkaute, während sie die Daten auswertete. Aus Gründen, die er selbst nicht so recht verstand, fühlte er sich zu ihr hingezogen und nicht zum ersten Mal überlegte er, was er tun konnte, um sie aus diesem Loch herauszuholen. Und nicht zum ersten Mal erinnerte er sich an seine Befehle: keinerlei Einmischungen in lokale Angelegenheiten und keine Fraternisierung mit Einheimischen. Darüber hinaus wollte Yann keine Hilfe. Er seufzte und setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum, der nicht vor Kleidern überquoll.

„Er ist es!“ hörte er Yann irgendwann murmeln, gefolgt von einem erstickten Laut, den er nicht zu deuten wusste. Picard blickte zu ihr hin und sah in die Mündung eines Phasers.

„Yann?! Was hat das zu bedeuten?“ flüsterte er, doch sie bewegte sich nicht. Es schien fast, als ob sie zitterte.

„Du hast deinen Zweck erfüllt,“ brachte sie mit erstickter Stimme hervor. „Diese Mission ist für dich zu Ende.“

„Aber… warum?!“ Solange er mit ihr redete, drückte sie nicht ab.

„Ich habe meine Befehle,“ erwiderte sie und es lag Hohn in der Stimme. Irgendetwas in ihm schrie, dass es keine Überraschung war, auch von ihr hintergangen zu werden auf diesem unsäglichen Drecksplaneten, wo jeder nur sich selbst der Nächste war. Aber ein anderer Teil von ihm hatte ihr bedingungslos vertraut, auch wenn er selbst nicht genau wusste warum.

„Können wir nicht darüber reden?“ versuchte er es erneut, als sie immer noch nicht abgedrückt hatte. Er wagte nicht, sich zu bewegen.

Tränen rannen über ihr Gesicht und liefen ihre Wangen hinunter. Sie schüttelte den Kopf und erst nach einigen Momenten antwortete sie gepresst: „Du hast ja keine Ahnung, Picard!“ Und dann, mit einer ungewöhnlichen Bitterkeit: „Die hattest du noch nie!

„Ich verstehe nicht…“

„Natürlich nicht!“ Sie spie die Worte förmlich aus. „Und trotzdem ist all das hier allein deine Schuld! Ich hasse dich, Jean-Luc Picard!“

Wieder nagte etwas an Picards Erinnerung. Yanns tränennasses Gesicht kam ihm bekannt vor, erinnerte ihn an eine andere Frau, die ihn vor knapp zwanzig Jahren fast genauso angesehen hatte.

Sie griff in ihre Augen und entfernte etwas, das aussah wie Kontaktlinsen. Dann blickten ihm tiefblaue Augen entgegen.

In diesem Moment begriff Picard.

„Beverly…“ flüsterte er. Eine ganze Flut von Emotionen überkam ihn, aber er hatte keine Gelegenheit mehr, irgendeiner von ihnen Ausdruck zu verleihen, denn in diesem Moment drückte die Frau ihm gegenüber ab…

 

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