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Das eigenwillige Leben der Miral Paris

von Xella Sky

Der erste Satz* [Miral 1,5 Jahre alt]

 

Der erste Satz

 

 

 

Tom Paris war darum bemüht, keinen allzu chaotischen Eindruck in der Öffentlichkeit zu hinterlassen, was gar nicht so einfach war, wenn man eine eineinhalbjährige Viertelsklingonin auf dem einen Arm trug und an der Schulter des anderen Armes eine Tasche voller Utensilien baumeln hatte, die Kleinkinder so benötigten und die jeden Moment davor stand zu explodieren. Zumindest vermutete Tom das, denn die Tasche ließ sich schon lange nicht mehr schließen und schien beim Tragen schwerer und schwerer zu werden.

Die Tasche allein, die zu allem Übel mit kleinen süßen Tierbildern bedruckt war, hätte er aber noch ertragen können. Auch wenn er sehr wohl sah, dass viele Passanten ihm mitleidige Blick zuwarfen. Die wahre Königin des Chaos war die junge Dame auf seinem Arm, die überhaupt nichts davon hielt, einen gesitteten Eindruck zu hinterlassen und sich ruhig die Umgebung anzusehen. Im Gegenteil, sie schien es darauf angelegt zu haben, seinen Ruf endgültig zu ruinieren. Die Kleine quengelte, sabberte auf seine Uniform und versuchte gleichzeitig, sich seinem väterlichen Arm zu entwinden. Das Kuscheltier, das sie in ihren kleinen Händen hielt, war so heiß geliebt, dass es vor Nässe triefte und als wolle sie ihn an dieser ersten kindlichen Liebe teilhaben lassen, drückte sie es ihm in regelmäßigen Abständen gegen das Ohr. Tom seufzte. Nur noch fünf Minuten. Dann hatte er den Spießrutenlauf überstand und würde die kleine Plage los sein. Zumindest für ein paar Stunden.

 

„Kathryn, es ist schön dich zu sehen. Danke, dass du einspringst.“ Erschöpft ließ Tom die Tasche von seiner Schulter gleiten und achtlos auf den Boden fallen. Kathryn Janeway schmunzelte. „Das sieht mir nach Rettung in letzter Sekunde aus.“

„Da sagst du was. Die kleine Landplage bringt mich noch um!“ Mit dem nun freigewordenen Arm packte er seine Tochter und hinderte sie in letzter Minute daran, über seinen Rücken abzusteigen. Sie hatte die wenigen unaufmerksamen Sekunden genutzt, um sich Stück für Stück nach hinten vorzuarbeiten, doch Tom verspürte wenig Lust, mit ihr zum ehemaligen MHN der Voyager zu gehen. Er setzte sie daher schnell auf dem Boden ab. Miral richtete sich auf und tapste unerschrocken in den Raum hinein, ohne die beiden Erwachsenen noch weiter zu beachten.

Janeway hatte die Vorstellung stumm verfolgt und ihr Lächeln hatte sich verbreitert.

„Sie wird so schnell groß! Gerade ist sie doch erst auf die Welt gekommen“, meinte sie.

Tom nickte nur. „Ich bin wirklich sehr froh, dass ich sie bei dir lassen darf. Ich hätte nicht gewusst, wem ich sie sonst anvertrauen soll. Meine üblichen Babysitter stehen entweder heute nicht zur Verfügung oder weigern sich inzwischen schlicht, auch nur eine Stunde auf sie aufzupassen. Die Kleine strapaziert nicht nur meine Nerven.“

„Was ist mit deinen Eltern?“

„Denen will ich sie nicht überlassen. Aus bekannten Gründen.“

Tom bückte sich und entnahm der mitgebrachten Tasche ein Tuch. Mühsam versuchte er, den Sabber von seiner Uniformjacke zu wischen. Janeway schüttelte den Kopf. Sie sah gleich, dass das nicht funktionieren würde.

„Komm, gib mir die. Ich werde dir eine neue replizieren. Du musst schließlich zu einem Vorstellungsgespräch. Da solltest du tadellos aussehen.“

Sie half Tom aus der Jacke und ging zu dem Replikator, der ihr in ihrer Dienstwohnung zur Verfügung stand.

„Du hast mir übrigens noch gar nicht erzählt, was dein Vater eigentlich zu dir gesagt hat. Du hast nur Andeutungen gemacht“, nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf, während sie darauf wartete, bis das Gewünschte repliziert war. Tom stand derweil leicht unbehaglich mitten im Zimmer, die Arme verschränkt und den Blick auf Miral gerichtet, die damit begonnen hatte, ein Regalbrett auf Bodenhöhe leer zu räumen.

„Der Admiral ist der Meinung, ich solle mich von B’Elanna scheiden lassen. Es wäre nicht förderlich für Mirals Zukunft, mit der Maquisvergangenheit ihrer Mutter in Verbindung gebracht zu werden. Außerdem hätte sie es ja eh schon schwer genug, weil ihre beiden Eltern entweder im Gefängnis waren oder aktuell sind.“ Toms Miene hatte sich zu einer bitteren Fratze verzogen.

Janeway durchschritt schnell den Raum und legte ihrem ehemaligen Piloten mitfühlend eine Hand auf die Schulter.

„Das hätte er nicht sagen sollen!“

„Nein, hätte er nicht!“, stimmte Tom ihr zu. „Ich werde ihm das niemals verzeihen.“ Er schwieg einen Moment lang und atmete geräuschvoll aus, bevor er Kathryn direkt in die Augen blickte. „Doch das Schlimmste ist, dass er mit dem Teil über die Gefängnisvergangenheit sogar recht haben dürfte. Ich hasse ihn dafür, dass er mir diesen Gedanken in den Kopf gepflanzt hat.“

Janeways runzelte die Stirn. Sie war sehr darum bemüht, für diese vertrackte Situation die richtigen Worte zu finden.

„Ist das der Grund, warum du dich bei der Werft auf Utopia Planitia beworben hast?“

„Um ehrlich zu sein, ja. Ich will soviel Abstand wie möglich zu meinen Eltern aufbauen und gleichzeitig noch nah genug sein, um B’Elanna in Neuseeland besuchen zu können. Der Mars schien mir da ein guter Kompromiss zu sein.“

Janeway nickte verstehend. „Naja, ich will ja nicht drängen, aber solltest du dann nicht langsam aufbrechen? Wann beginnt denn dein Vorstellunggespräch?“

Tom warf einen Blick auf seinen Chronometer. „In etwa zwei Stunden. Du hast recht, ich muss aufbrechen.“

Er umarmte Janeway kurz und verließ dann die Wohnung, ohne sich von seiner Tochter zu verabschieden. Er wollte keine weiteren Komplikationen verursachen.

 

***

 

Einige Stunden später war er zurück auf der Erde und stand erneut vor der Dienstwohnung von Janeway. Zum wiederholten Mal betätigte er den Türmelder, doch im Inneren reagierte niemand darauf. Er ahnte den Grund – seine Tochter.

Er wartete etwa eine halbe Minute, bevor er erneut versuchte, sich bemerkbar zu machen. Dieses Mal hatte er mehr Glück. Die Türen öffneten sich vor ihm und enthüllten eine leicht mitgenommen wirkende Janeway.

Toms Anspannung löste sich in ein kurzes Lachen auf. „Ich wette, du bereust dein Angebot nun. Wieder ein Babysitter weniger auf meiner Liste!“

„Im Gegenteil“, behauptete Janeway, „Miral und ich hatten eine gute Zeit miteinander. Wir sollten das bei Gelegenheit wiederholen.“

„Lügnerin“, neckte Tom seinen ehemaligen Captain, während sie gemeinsam die Wohnung betraten. „Erklär mir erst einmal, wo dein zweiter Schuh geblieben ist“, meinte er, nachdem er einen Blick auf ihre Füße geworfen hatte.

„Das ist ganz leicht“, meinte Janeway und warf theatralisch ihre Arme in die Höhe. „Wo sonst könnte Mirals Puppe besser schlafen, als in einem Damenschuh.“

Gemeinsam brachen sie in Gelächter aus. Als sie sich beruhigt hatten, wies Janeway ihm einen Platz auf dem Sofa zu. Tom sah sich suchend um. „Wo ist denn der kleine Drache?“

„Chaos verbreiten macht dreckig und müde. Ich habe sie gebadet und dann ins Bett verfrachtet. Sie schläft jetzt.“

„Erstaunlich“, zeigte Tom sich beeindruckt. „Die Autorität eines Admirals zeigt also tatsächlich Wirkung auf sie. Vielleicht sollte ich dein Angebot noch öfter nutzen, bevor du es dir anders überlegst.“

Janeway betrachtete schmunzelnd den Teppich. „Um ehrlich zu sein…“

„… sie hat dich fertig gemacht“, vollendete Tom den Satz.

Janeway schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht. Ich werde nicht immer Zeit für sie haben. Meine beruflichen Pflichten…“

„Verstehe.“

„Warte, so meinte ich es nicht.“ Sie suchte nun Blickkontakt. „Während du bei dem Vorstellungsgespräch warst, habe ich mir einige Gedanken gemacht. Was hältst du davon, wenn Miral und du auf Utopia Planitia zu mir zieht. Meine Wohnung dort ist groß genug. Außerdem gebrauche ich sie eh viel zu wenig, dank der vielen Arbeit, die die Werft dort für mich bereithält.“

Tom schwieg nachdenklich und dachte über das unerwartete Angebot nach.

„So etwas kann ich nicht von dir verlangen.“

„Aber du verlangst doch gar nichts. Ich mache dir das Angebot freiwillig.“

„Verstößt das nicht gegen irgendwelche Regeln?“, hakte Tom ungläubig nach.

„Du arbeitest ja nicht direkt für mich. Das sollte also kein Problem sein. Und selbst wenn, das spielt doch keine Rolle.“

„Es spielt keine Rolle? Wer sind Sie und was haben Sie mit Kathryn Janeway gemacht?“

Janeway gluckste, wurde dann jedoch wieder ernst. „Der Delta-Quadrant ging an niemand von uns spurlos vorüber und unsere Heimkehr war...“ Sie suchte nach den richtigen Worten.

„Desillusionierend?“, warf Tom ein.

„Ja! Gelinde gesagt. Die Sternenflotte hat sich sehr verändert und wie sie mit einem Teil unserer Crew umgesprungen ist, war einfach nur falsch. Niemand weiß das besser als du. Ich bin daher nicht mehr bereit, alle Regeln blind zu befolgen. Ich habe es satt.“

Beide schwiegen eine Zeit lang einträchtig und sannen ihren Gedanken nach.

„Dein Angebot ist also ernst gemeint?“

„Ja, das ist es“, bestätigte Janeway.

„Auch wenn es bedeutet, dass das Chaos dauerhaft bei dir Einzug hält?“

„Auch dann“, bekräftigte sie.

„Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen. Aber danke schonmal.“ Tom erhob sich. „Wird Zeit, nach meiner Kleinen zu sehen.“

Gemeinsam gingen sie in Janeways Schlafzimmer. Entgegen der Erwartungen der Erwachsenen schlief das Kleinkind jedoch nicht, sondern saß wach und zufrieden inmitten eines Berges von Kissen, der sie daran hindern sollte, aus dem Bett zu fallen. In ihren kleinen Händen hielt sie ein Plüschmodell der Voyager, wie Tom staunend feststellte.

Als Miral ihren Vater entdeckte, breitete sich auf ihrem Gesicht ein strahlendes Lächeln aus. Sie streckte ihm das Plüschmodell entgegen und sprach die Worte: „Daddy, Voggy da.“

Überwältigt ließ Tom sich auf der Bettkante nieder. „Du sprichst ja! Deine ersten verständlichen Worte.“ Er strich über ihre braunen Locken und konnte nicht verhindern, dass er an B’Elanna denken musste. Schon wieder ein Moment im Leben ihrer Tochter, den sie verpasst hatte. Er bekam feuchte Augen.

 

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