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Das eigenwillige Leben der Miral Paris

von Xella Sky

Ein Spielzeug* Teil 1 [Miral 4 Jahre alt]

 

Ein Spielzeug – Teil 1

 

 

Die vierjährige Miral saß in ihrem Kinderzimmer, umgeben von Spielzeugen, die alle schon mehr oder weniger gelitten hatten und war dabei, mit einer Schere, die sie eigentlich gar nicht besitzen dürfte, einen Plüschtarg zu durchbohren, als sie ein Geräusch vernahm, das sie schlagartig alles um sich herum vergessen ließ. Vor wenigen Minuten war der Türmelder erklungen und hatte einen Gast angekündigt, doch bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte sie das nicht interessiert. Doch die Erwachsenen hatten sich in der Wohnung bewegt und waren näher gekommen und nun erkannte sie die Stimme.

Miral stürmte los, wäre im Flur beinahe mit ihrer Tante Kathy zusammengekracht, konnte ihr jedoch im letzten Moment ausweichen. Sie schlitterte auf ihren Socken weiter und prallte mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Beine des männlichen Besuchers.

„Onkel Harry!“, krähte sie begeistert und streckte ihm die Arme entgegen, damit er sie in die Luft heben konnte.

„Flieg mit mir!“, bat sie, noch bevor der Lieutenant überhaupt zu einer Begrüßung fähig war.

„Miral, was hatten wir über das Wild sein besprochen?“, mischte sich Janeway in die Szene ein.

Der trotzige Blick eines uneinsichtigen kleinen Mädchens traf sie dafür. Das stumme Blickduell dauerte nur wenige Sekunden, dann wandte sich Miral wieder Harry zu. „Flieg mit mir!“, wiederholte sie und diesmal klang es schon deutlich fordernder.

Harry ging vor ihr auf die Knie und umfasste sie an ihren Hüften. „Hallo Kleines, du bist ja ganz schön gewachsen seit unserer letzten Begegnung. Du bist ja schon eine richtige Dame geworden.“

Miral hatte ihm aufmerksam in die Augen geblickt, doch nun fühlte sie sich bemüßigt, der Einschätzung des Erwachsenen zu widersprechen. „Ich bin keine Dame! Ich bin Miral!“

Harry lachte auf. „Entschuldige, das hatte ich vergessen.“

Mirals Stirn umwölkte sich und sie kniff missvergnügt die Augen zusammen.

„Wie kann ich es wieder gut machen?“, wollte Harry wissen.

„FLIEG MIT MIR!“

„Dein Wunsch ist mir Befehl.“ Der junge Mann schnappte das Mädchen, hob sie hoch in die Luft und wirbelte sie im Kreis herum. Miral jauchzte vor Vergnügen.

„Harry!“ Schließlich war es Janeway, die die beiden bremste. „Ich denke es ist genug. Sonst wird ihr noch schlecht.“

Ein herzzerreißendes „N E I N!“ war Mirals Kommentar dazu.

„Doch, es ist genug. Sonst kommt dein Abendessen wieder zum Vorschein und das wollen wir vermeiden.“

Janeway ließ sich nicht erweichen. Harry setzte die Kleine vorsichtig auf dem Boden ab, zwinkerte ihr aber verschwörerisch zu.

„Lass mich bitte zuerst mit dem Admiral sprechen, dann verspreche ich dir, dass wir danach miteinander noch eine Weile spielen werden.“

Die Vierjährige war besänftigt. Sie lächelte ebenso verschwörerisch zurück. „Aber ganz bald!“, meinte sie nur.

„Ganz bald“, versprach Harry.

 

Die Erwachsenen nahmen auf dem Sofa Platz und unterhielten sich, während Miral unter den Esstisch kroch und von dort aus die beiden beobachtete. Sie würde ihren großen Spielgefährten keinen Moment aus den Augen lassen und wenn dieses langweilige Gespräch auch nur eine Minute zu lange gehen würde, dann würde sie eingreifen, beschloss sie.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit war es endlich soweit. Harry kam zu ihr und war nun ganz für sie da. Alles war so wie es sein sollte. Tante Kathy hatte den Raum verlassen und ihr Dad war noch bei der Arbeit, so dass niemand sie beide stören konnte.

Es gelang ihr, Harry noch zu einigen weiteren Flugrunden zu überreden und als sie beide endlich davon genug hatten, begann sie eine wilde Kissenschlacht mit ihm. Selten war Miral so glücklich wie in diesen Minuten. So sollte es immer sein, fand sie.

Als Harry das letzte Kissen geworfen hatte und keine Lust auf eine weitere Runde hatte, packte er Miral und begann sie zu kitzeln. Ein glockenhelles Lachen erklang. Miral liebte diese ausgiebige Zuwendung.

Das Lachen lockte auch Janeway an. Sie war aus dem Bad zurückgekehrt und stand nun unauffällig im Türrahmen und beobachtete ihren ehemaligen OPS-Offizier und ihre Zieh-Tochter. In letzter Zeit hatten Tom und sie Mirals Lachen viel zu selten gehört. Die Kleine durchlebte eine ausgiebige Trotzphase, so dass es täglich zu anstrengenden Auseinandersetzungen kam. Nicht besser wurde es dadurch, dass Tom sich in seiner Arbeit vergrub, um nicht an B’Elannas Fehlen denken zu müssen und auch sie viel zu viel Zeit in ihrer Funktion als Admiral verbringen musste. Oftmals sahen sie Miral daher nur früh am Morgen oder spät am Abend. Ein richtiges Familienleben, wie es einem Mädchen dieses Alters zu wünschen war, fand leider nicht statt. Umso mehr gönnte sie ihr diesen kurzen Glücksmoment mit Harry.

Janeway bemerkte, dass ihre Gedanken ein wenig abgedriftet waren, als sie feststellte, dass aus dem Lachen Schmerzensschreie geworden waren. Sie kamen jedoch nicht von Miral sondern von Harry.

„Hilfe, Admiral“, röchelte der Lieutenant.

Janeway eilte zu den beiden und musste mit Schrecken feststellen, dass Miral ihre spitzen kleinen Zähne in Harrys Hals, knapp oberhalb des Kragenansatzes, geschlagen hatte.

„Miral, hör sofort auf!“, donnerte sie, doch das kleine Mädchen blieb davon vollkommen unbeeindruckt. Auch weitere Befehle zeigten keine Wirkung.

Schließlich packte Janeway sie und versuchte, sie wegzuzerren. Es verfehlte jedoch den gewünschten Effekt. Lediglich die Lautstärke der Schmerzensschreie nahm zu. Mirals Biss war fest wie ein Schraubstock. Das musste ihr klingonisches Erbe sein, vermutete Janeway. In ihrer Not und mangels guter Alternativen eilte sie ins Badezimmer, nahm ein Medkit für Kinder aus dem Medizinschrank und rannte damit zurück ins Wohnzimmer. Kurz darauf löste sie ein leichtes Betäubungsmittel an Mirals Hals aus, das normalerweise Kindern dann verabreicht wurde, wenn sie Schmerzen beim Durchbruch der Zähne hatten. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann erschlaffte der Körper des Mädchens in Harrys Armen und Janeway gelang es endlich, Mirals Ober- und Unterkiefer auseinanderzudrücken, so dass Harrys Hals frei wurde. Ein sauberer Abdruck eines Bisses wurde sichtbar und Blut tropfte auf seine Kleidung. Der junge Mann stöhnte. Janeway nahm Miral auf den Arm und legte sie behutsam auf dem nächststehenden Sessel ab. Dann widmete sie sich wieder Harry und versorgte ihn mit einem Hautregenerator.

„Es tut mir so leid, Harry“, bat Janeway um Entschuldigung.

Der Lieutenant wiegelte ab, doch dem Admiral entging nicht, dass er leicht mitgenommen wirkte.

„An Ihrer Stelle würde ich zur Sicherheit zum Arzt gehen. Mit Bissen ist nicht zu spaßen“, riet sie ihm. Der Lieutenant nickte ergeben.

 

Eine Stunde später war Tom endlich von seiner Arbeit nach Hause gekommen. Als Janeway ihm von dem Vorfall berichtete, wurde er so wütend, dass er seine Tochter sofort zur Rede stellen wollte. Janeway bremste ihn jedoch aus, indem sie ihn am Oberarm ergriff.

„Tom, das bringt doch nichts. Miral schläft bereits und du weißt, wie sie reagiert, wenn sie mitten in der Nacht aufwacht. Morgen früh ist noch genügend Zeit.“

Tom versuchte, sich Janeways Arm zu entwinden, doch sein ehemaliger Captain gab nicht nach.

„Kathryn, sie muss lernen, dass es Grenzen gibt.“

„Ich stimme dir zu, aber sei doch vernünftig. Um diese Uhrzeit wird sie das bestimmt nicht einsehen. Sie ist vier Jahre alt und müde. Morgen früh ist auch noch ein Tag.“

Tom schnaubte. „Ich wünschte ich hätte keine Tochter mit klingonischem Temperament.“

„Tom!“ Janeway war entsetzt. „Das darfst du niemals zu ihr sagen!“, forderte sie.

„Hältst du mich für verrückt? Natürlich werde ich ihr das nicht sagen. Aber ich sage es dir. Zum Dampf ablassen. Und du weißt, wie du es einschätzen musst. Ich liebe meine Tochter, aber sie macht mich verrückt.“

Er streifte Janeways Hand ab und ging in Richtung Replikator.

„Auch ein Glas Wein?“, wollte er wissen. Janeway bejahte.

 

Am nächsten Morgen waren alle guten Vorsätze vergessen. Es gab Probleme mit dem Prototypen, der gerade in der Werft gebaut wurde und Toms Fachwissen war gefragt. Notgedrungen verließ er die Wohnung, noch bevor Miral aufgewacht war. Die Sache blieb also mal wieder an Janeway hängen.

Mit einer Tasse Kaffee in der Hand setzte sich der Admiral an das Bett des Mädchens und betrachtete sie einige Augenblicke lang. Ihre braunen Locken waren zerzaust und klebten an ihrer Stirn. Sie musste nachts geschwitzt haben. Wenn sie schlief, sah sie so friedlich aus. Aber auch nur dann! Janeway warf einen Blick auf den Boden. Der Zustand der Spielzeuge war katastrophal. Und sah sie da eine Schere? Tatsächlich. Schnell griff Janeway danach und steckte sie in die Tasche ihres Morgenmantels. Sie hatte keine Ahnung, wie Miral an sie herangekommen war. Sie mussten wirklich besser auf die Kleine aufpassen.

Janeway legte ihr sanft die Hand auf die Brust und bewegte sie ein wenig, um das Kind aufzuwecken. Zuerst reagierte Miral nicht, doch dann krauste sie leicht ihre Nase und schlug die Augen auf. Janeway gab ihr noch ein paar Momente, bis sie richtig wach war und dann sprach sie die Kleine an. Sie fand, es musste gleich erledigt werden, bevor sie die üblichen morgendlichen Kämpfe miteinander ausfochten.

„Miral, ich muss mit dir reden. Es geht um gestern Abend. Um Onkel Harry. Weißt du noch, was du getan hast?“

Miral schien nicht gleich zu begreifen. Sie steckte den Zeigefinger in den Mund und begann, darauf herumzukauen.

„Ihr habt gespielt“, half Janeway schließlich nach. „Und was war dann?“

Miral schwieg noch immer und kaute weiter auf ihrem Finger herum, bis Janeway ihre Hand umfasste und den Finger aus dem Mund zog.

„Rede mit mir. Das weißt du doch noch.“

„Ich hab ihn gebissen“, kam es schließlich nuschelnd aus dem Kindermund.

„Ja, das hast du. Und weißt du, warum ich jetzt mit dir darüber rede?“

Ein Kopfschütteln kam als Antwort. „Weil es falsch von dir war. Man darf niemand beißen.“

„Aber“, versuchte ihre Zieh-Tochter zu widersprechen.

„Kein Aber, es ist falsch. Man darf niemand beißen“, wiederholte der Admiral. „Und weißt du auch warum?“

Wieder folgte ein Kopfschütteln. „Weil es dem anderen weh tut und wir wollen niemand absichtlich wehtun. Verstehst du das?“

Aufmerksame Kinderaugen betrachteten sie. Sie waren schon ein wenig zusammengekniffen und Janeway war klar, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Tränen flossen. Innerlich verfluchte sie Tom, weil er nicht da war und seinen Job als Dad übernahm. Er sollte dieses Gespräch mit seiner Tochter führen, nicht sie.

„Verstehst du das?“, hakte sie noch einmal nach.

Miral begann zu schniefen. „Hmm“, war das Äußerste, das sie antworten konnte.

Janeway gab sich damit zufrieden. „Gut. Dann weißt du das ab jetzt und tust es nicht wieder. Komm jetzt, steh auf. Es wird Zeit für das Frühstück.“

Sie erhob sich, damit Miral aufstehen konnte. Sie ging zum Kleiderschrank, um für das Mädchen etwas zum Anziehen herauszusuchen. Da bemerkte sie, dass eine kleine Hand sie am Morgenrock zupfte. Janeway wandte sich erneut Miral zu und sah sie fragend an.

„Aber ich musste Harry beißen. Er ist doch mein Spielzeug“, sagte das Mädchen und tat dies mit der ganzen Ernsthaftigkeit, zu der nur Vierjährige fähig waren.

 

Womöglich sollte sie einmal einen Kinderpsychologen zu Rate ziehen, schoss es Janeway durch den Kopf. Oder B’Elanna in der Strafanstalt in Neuseeland besuchen. Vielleicht hielten klingonische Kinder es ja tatsächlich für normal, Personen zu Spielzeugen zu erklären und sie aus Liebe zu beißen. Ratlos ob dieses Arguments des Mädchens schwieg der Admiral.

 

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