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Daheim?

von Olli

Kapitel 1

Sie wusste, dass sie angestarrt wurde.

Sie wusste, dass sie immer noch einen ungewöhnlichen Anblick bot, trotz der vielen Jahre, die mittlerweile vergangen waren.

Jedes Mal, wenn sie den Kopf hob, um nach ihrer Tasse Tee zu greifen, bemerkte sie Köpfe, die sich schnell abwandten und Blicke, die plötzlich in eine andere Richtung gingen. Auch die Leute, die vorübergingen, reagierten auf dieselbe Weise.

Sie bemühte sich, das Aufsehen, das sie erregte, zu ignorieren. Darin war sie geübt.

Sie saß allein am Tisch in einem Straßencafe in San Francisco und genoss die kalifornische Sonne, die vom wolkenlos blauen Himmel schien. In ihrem Stuhl entspannt zurückgelehnt, hatte sie die Beine übereinander geschlagen und studierte konzentriert die in ihrem Data-Padd gespeicherten Informationen. Nur wenn sie gelegentlich einen Schluck Tee nahm, blickte sie auf.

Sie war gerade dabei, einen besonders wichtigen Abschnitt zu lesen, als ein aufdringliches Piepen in ihre Konzentration schnitt. Sie legte das Padd auf den Tisch und holte ihren Kommunikator hervor. Mit einer fließenden, eleganten Bewegung des Handgelenks, die auf viel Übung schließen ließ, ließ sie das Gerät aufschnappen.

„Hier T'Pol“, meldete sie sich mit ruhiger Stimme.

„Captain T'Pol! Hier spricht Lieutenant Schukow aus dem Büro von Admiral Corrington.“ Die Stimme eines jungen aufgeregten Menschen tönte aus dem Lautsprecher des Kommunikators. Amüsiert fragte T’Pol sich, ob diese Lieutenants eigentlich immer jünger wurden oder sie immer älter.

„Was kann ich für Sie tun“, fragte T'Pol mit sanfter Stimme. Hätte sie in diesem Augenblick den Kopf gehoben, die Leute im Cafe hätten sie ohne Zweifel noch mehr gestarrt. Wann hätte man auch je die Andeutung eines Schmunzelns auf dem Gesicht einer Vulkanierin sehen können? Genau so gut könnte man sich natürlich fragen, wann man je eine Vulkanierin mit übereinander geschlagenen Beinen entspannt in einem Stuhl hatte sitzen sehen.

„Ich... ah, ich muss Sie leider davon in Kenntnis setzten, dass sich Ihr Termin bei Admiral Corrington um eine halbe Stunde verschiebt. Der Admiral wurde aufgehalten. Sie möchten sich bitte um… ah, um 1330 Uhr in seinem Büro melden.“

„Ich habe verstanden, Lieutenant Schukow. 1330 Uhr also.“

„Ja Ma’am. Schukow Ende!“ Der Mensch unterbrach die Verbindung.

T'Pol warf einen Blick auf die Uhrzeit, die in das Display des Kommunikators eingeblendet wurde. Sie hatte also noch etwas mehr Zeit, bevor sie sich auf den Weg machen musste. Ein kleines blinkendes Symbol macht sie darauf aufmerksam, dass ihr Terminkalender auf den neusten Stand gebracht worden war. Das Gerät würde sie mit diesem penetranten Piepton an den Termin erinnern. Die Vulkanierin empfand es durchaus als angenehm, dass sich die neuen Kommunikatoren so leicht mit einer Hand bedienen ließen, aber wer sich diesen nervtötenden Signalton ausgedacht hatte, war bestimmt nicht dazu gezwungen, den ganzen Tag mit diesem Ding zu arbeiten.

Sie ließ mit einer ebenso geübten und eleganten Handbewegung das Gerät zuschnappen und steckte es zurück in die Tasche ihrer Sternenflottenuniform. Vielleicht lag es auch daran, dass das Gerät von Menschen für den hauptsächlichen Gebrauch durch Menschen entwickelt worden war? Die Vulkanierin fragte sich, ob Menschen, Andorianer oder Tellariten den Signalton als ebenso störend empfanden, wie sie selbst oder ob das nur an ihren empfindlichen Ohren lag. T'Pol war immer noch der einzige Bewohner Vulkans in der Flotte.

„Bringen Sie mir bitte noch eine Tasse Tee“, wandte sie sich an die Kellnerin, als diese vorbeihastete.

„Gerne“, und schon war die junge Frau wieder verschwunden. Sie war die einzige hier, die sich T'Pol gegenüber einigermaßen normal verhielt. Vielleicht lag es auch nur an der Hektik und daran, dass die Kellnerin keine Zeit hatte, sich über sie zu wundern. Halb San Francisco schien das schöne Wetter ausnutzen zu wollen und strömte auf die Promenaden.

Die Vulkanierin hatte sich gerade wieder ihr Padd vorgenommen, als die Kellnerin schon zurückkam, die alte Tasse auf ihr Tablett hob und eine volle vor T‘Pol abstellte. „Danke“, sagte sie und hob kurz den Kopf.

Die Kellnerin rührte sich nicht und sah T'Pol an. „Darf ich Sie etwas fragen?“

T'Pol ließ in einer typisch vulkanischen Geste ihre Augenbraue etwas nach oben wandern. „Natürlich.“

„Ich habe nur von einem vulkanischen Wissenschaftsoffizier in der Flotte gehört. Aber das ist schon Jahre her. Sie… uhm… Sie sind wohl noch nicht so lange dabei?“

T'Pol war amüsiert und auch etwas erfreut über das Interesse, dass ihr die junge Frau entgegen brachte. „Das kommt darauf an wie Sie den Begriff ‚lange’ definieren. Aber ich glaube, dass man dreizehn Jahre durchaus als lang bezeichnen könnte.“

„Dreizehn Jahre!?“, unterbrach die Kellnerin.

„Ja, außerdem bin ich die einzige Vulkanierin in der Sternenflotte. Ich glaube dieser Wissenschaftsoffizier, von dem Sie gesprochen haben, bin ich.“

„Vor dreizehn Jahren war doch die Sache mit den Xindi? Waren Sie da schon…?“

Die Kellnerin wunderte sich, der Blick der Vulkanierin schien für eine Sekunde trübe zu werden und durch sie hindurch zu dringen, als würde sie etwas sehen, das in der Vergangenheit lag. Dann blinzelte die Frau, ihr Blick wurde klar und sie erwiderte. „Die Xindi waren der Grund für meinen Eintritt in die Flotte.“

Der Gesichtsausdruck der jungen Frau änderte sich, als wäre ihr gerade etwas klar geworden. „Die Xindi, eine Vulkanierin in der Sternenflotte! Oh mein Gott! Sie sind T'Pol! Ich…“

„JULIE!!“, dröhnte eine Stimme aus dem Cafe.

„JA FRANK! Entschuldigen Sie bitte.“ Die Kellnerin wurde rot. „Mein Boss. Ich finde es toll Sie kennen gelernt zu haben. Sie haben’s ja gehört, mein Name ist Julie. Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder.“ Damit verschwand sie im Gewühl.

T'Pol konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Die Begeisterung des jungen Menschen hatte ihr gut getan. Und sie empfand es als bemerkenswert, dass sie nicht versucht hatte, ihr die Hand zu geben, als sie sich ihr vorstellte. Julie schien mehr über vulkanische Gebräuche zu wissen als die meisten Menschen. Und sie kannte ihren Namen! Sie musste an Geschichte interessiert sein. Die meisten Menschen konnten sich nur zu gut an den Xindi-Konflikt erinnern aber dass sie damals in die Sternenflotte eingetreten war, diese Information fand man heute nur in den Fußnoten der Geschichtsbücher.

Die Vulkanierin schob den Gedanken beiseite, sie konzentrierte sich wieder auf ihr Datapadd. Sie musste sich auf das Gespräch mit dem Admiral vorbereiten. Zumindest versuchte sie es, aber aus irgendeinem Grund gelang es ihr nicht, sich auf die Informationen zu konzentrieren. Ihre Gedanken schweiften ab und sie erinnerte sich daran, wie es bei der Rückkehr der ENTERPRISE aus der Ausdehnung gewesen war. In dem Jahr, das die ENTERPRISE nicht auf der Erde gewesen war, hatte sich unter den Menschen eine regelrechte Hysterie verbreitet, was den Kontakt zu Außerirdischen anging. Und die Vulkanier waren besonders schlecht angesehen, da sie während der entscheidenden Schlacht gegen die Xindi keine Schiffe geschickt hatten, um die Verteidigung der Erde zu verstärken. Was sie damals an Bord der ENTERPRISE nicht gewusst hatten war, dass die Reptilianer und auch die Xindi-Insektoiden eine Flotte ins Sonnensystem geschickt hatten, um die Schiffe der Sternenflotte aus dem Weg zu räumen, damit sie mit der Superwaffe ungehindert die Erde vernichten konnten. Die Flotte war überrascht worden und hatte schwere Verluste hinnehmen müssen. Deshalb hatte die ENTERPRISE auch während des entscheidenden Kampfes keine Unterstützung von Sternenflottenschiffen erhalten. Dass der ENTERPRISE schließlich der andorianische Commander Shran zu Hilfe geeilt war, war damals auf der Erde von der breiten Öffentlichkeit einfach ignoriert worden.

Während der offiziellen Siegesfeier war sie dann von Reportern mit Fragen bestürmt worden. Meist war es darum gegangen, wie sie sich fühlte, wenn sie Menschen Befehle erteilte und wo ihre Loyalität liege! T’Pol hatte sich bemüht sich höflich und diplomatisch zu äußern und so gut es ging allgemeine Antworten gegeben, bis die Reporter schließlich das Interesse an ihr verloren hatten. Später hatte T’Pol dann erfahren, dass auch ihre Offizierskollegen und die Crew der ENTERPRISE immer wieder nach ihr gefragt worden waren und welche Rolle T’Pol im Besonderen und die Vulkanier im Allgemeinen während der Xindi-Krise gespielt hatten. Sie hatte gehofft, dass das bald vorbei gehen würde und das Interesse der Öffentlichkeit hatte sich schließlich tatsächlich auf andere Aspekte des Konflikts verlagert.

Nachdem die Feierlichkeiten beendet waren, war T’Pol zwar in keine handgreifliche Auseinandersetzung geraten wie Dr. Phlox, was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass sie nicht in die Stadt gegangen war. Aber als T’Pol zum ersten Mal in ihrer Sternenflotten-Uniform das Offiziers-Kasino des Flotten-Hauptquartiers in San Francisco betreten hatte, da hatte sie die überraschten, misstrauischen oder gar ablehnenden Blicke und Äußerungen der menschlichen Offiziere sehr wohl bemerkt. Die Mannschaftsgrade der Sternenflotte waren in ihren Äußerungen noch sehr viel deutlicher und manch einer hatte einfach ‚vergessen’ vor ihr zu salutieren. T'Pol hatte es ignoriert, sie hatte kein Aufsehen erregen wollen und war recht schnell auf die ENTERPRISE zurückgekehrt. Wenigstens dort hatte man sie wie jeden anderen behandelt…

Ein aufdringliches Piepen riss T’Pol aus ihren Gedanken. Die andere Tonlage des Signals sagte ihr, dass sie nicht gerufen wurde, sondern dass ein Termin anstand. Es wurde Zeit für das Treffen mit dem Admiral. T'Pol trank ihren Tee aus, schaltete das Padd ab, hängte es sich an einem Riemen über die Schulter und stand auf. Einem plötzlichen Impuls folgend, ließ sie noch einmal den Blick über die Tische schweifen und sah Julie im Inneren des Cafes gerade eine Bestellung aufnehmen. Als sie den Kopf hob, stellte T'Pol Augenkontakt her und nickte kurz. Julie lächelte zurück, froh darüber, dass sich die Vulkanierin an sie erinnert hatte.

Als T'Pol den Bürgersteig hinab in Richtung des Sternenflotten-Hauptquartiers ging, war alles wieder wie immer. Die Leute vor ihr wichen ihr aus und in ihrem Rücken spürte sie die Blicke, die ihr folgten. Dann dachte sie an das Gespräch mit Julie und die Begeisterung der jungen Frau. Das Gefühl der Ausgrenzung verschwand… wenigstens ein bisschen.

* * * * * *

Um 1315 Uhr betrat T'Pol das Vorzimmer von Admiral Corrington. An einem großen Schreibtisch vor dem Fenster saß die zivile Vorzimmerdame und Chefsekretärin des Admirals, Miss Schulz. Auf der anderen Seite des Raumes hatte in einer dunklen Ecke Lieutenant Schukow seinen Platz.

Als Assistent des Adjutanten des Admirals war er im Grunde nur ein besser bezahlter Bürobote. Die wahre Macht in diesem Raum ging von Miss Schulz aus. Sie wachte über den Terminkalender und entschied wer wann wie viel Zeit beim Admiral bekam.

T'Pol nickte kurz dem Lieutenant zu, der bei ihrem Eintritt aufgesprungen war. Sie trat vor Miss Schulz und bevor sie noch etwas sagen konnte blickte die auf und warf der Vulkanierin, im vollen Bewusstsein ihrer Autorität, ihren berühmt-berüchtigten ‚Ja-wen-haben-wir-den-da-Blick’ zu. „Captain T'Pol, Sie sind zu früh. Der Admiral ist noch in einer Besprechung. Bitte nehmen Sie dort drüben Platz.“

Miss Schulz deutete auf eine kleine Sitzgruppe in der Ecke des Raumes direkt gegenüber von ihrem Schreibtisch. T'Pol nickte und tat wie geheißen, sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass die menschliche Bürokratie sehr seltsamen Pfaden folgte. Manchmal war es klüger, sich mit der Vorzimmerdame Gut zu stellen als mit dem, dessen Name auf der Tür stand.

Glücklicherweise hatte sie auch ein recht gutes Verhältnis zu Admiral Corrington. Solange man den Admiral zufrieden stellte, gab er sich ganz als der nette Kerl von nebenan. Versagte man aber auf irgendeine Weise, konnte sich der Admiral ganz schnell in etwas verwandeln, was man zu anderen Zeiten als das Abbild eines rachsüchtigen Höllenfürsten bezeichnet hätte. Der Admiral hatte schon die Karriere von mehr als nur einem hoffnungsvollen Offizier wie ein Streichholz geknickt. Die Vulkanierin war froh, diese Seite des Admirals noch nicht kennen gelernt zu haben.

Sie erinnerte sich daran, wie sie vor zwölf Jahren vor einem anderen Büro im Sternenflottenhauptquartier gesessen und darauf gewartet hatte, herein gebeten zu werden. Auch damals ging es um eine Entscheidung, die ihr weiteres Leben und ihre Karriere wesentlich beeinflussen sollten. Ihr Debriefing nach der Mission in der Ausdehnung hatte sich über mehrere Tage hingezogen. Am ersten Tag war sie von Admiral Forrest und Botschafter Soval befragt worden. Forrest hatte sich freundlich verhalten und immer wieder betont welch unschätzbare Hilfe T’Pol gewesen war. Forrest zitierte mehrfach aus Berichten Captain Archers, in denen Archer seine hohe Meinung von T’Pols Qualitäten als Offizier und Person zum Ausdruck brachte und herausstellte, sich glücklich zu schätzen, mit einem so fähigen Offizier zusammenarbeiten zu können.

Das Gespräch war unerfreulich verlaufen, anders kann man es nicht beschreiben. T’Pol hatte, gestützt auf ihre persönlichen Logbücher, einfach erzählt, was passiert war. Nur gelegentlich unterbrach sie Forrest, um nach mehr Details zu fragen. Soval aber bemühte sich, aus ihrer Befragung ein Verhör zu machen und stellte alle ihre Entscheidungen in Frage. Ganz besonders intensiv ging er auf die Frage ein, warum sie sich nicht bemüht hatte, die Crew des vulkanischen Forschungsschiffes SELEYA zu retten. Fast schien es T’Pol so, als wolle Soval sie persönlich für den Tod der Vulkanier verantwortlich machen. Schließlich unterbrach Forrest Soval und erklärte, dass es dem Vulkanier nicht zustehe einen Sternenflotten-Offizier in dieser verletzenden Weise anzugreifen. Damit war das Debriefing für diesen Tag beendet gewesen.

Am nächsten Tag begannen Forrest und Soval mit der Befragung von Captain Archer und T’Pols Debriefing war von einem Kommodore der Sternenflotte und einem anderen Vertreter der vulkanischen Botschaft fortgesetzt worden. Diesmal verlief das Gespräch sehr viel angenehmer. Anstatt in einem Befragungsraum sprachen sie im Büro des Kommodore und saßen in Sesseln um einen Couchtisch herum. Der Sekretär des Kommodore servierte sogar Tee und Sandwiches! Nach der Befragung nahm der vulkanische Vertreter T’Pol zur Seite und sprach kurz unter vier Augen mit ihr. T’Pol war höchst verblüfft, als der Vulkanier ihr sagte, dass Soval befohlen worden war, die offizielle Linie des Oberkommandos kompromisslos zu vertreten. Ihr Eintritt in die Sternenflotte habe auf Vulkan für einiges Aufsehen gesorgt, hatte der Mann mit leiser Stimme erklärt, und dass das Oberkommando jede abweichlerische Tendenz im Keim ersticken wolle. Soval hoffe aber, dass das Oberkommando eines Tages seine engstirnige Haltung aufgeben würde!

T’Pol hatte diese durch einen Dritten vorgebrachte Quasi-Entschuldigung Sovals akzeptiert und das Debriefing wurde am nächsten Tag fortgesetzt als wäre nichts passiert. Als sie schließlich von Sovals Handschlag mit Captain Archer erfahren hatte, da hatte sie sich dadurch nicht einmal verletzt gefühlt. Ihr war klar, dass Soval mit dieser Geste ein eindeutiges politisches Statement abgegeben und gleichzeitig sie aus der Schusslinie des Oberkommandos gebracht hatte, das ich nun plötzlich die Aufmerksamkeit auf Archer konzentriert hatte. T’Pol bedauerte es aufrichtig, nie in der Lage gewesen zu sein, Soval dafür zu danken.

Während T'Pol auf dem Stuhl saß und die Erinnerungen verdrängte, bemühte sich Lieutenant Schukow um den Eindruck von Geschäftigkeit und schichtete Datapadds und Dokumente auf seinem Schreibtisch um. Miss Schulz dagegen war tatsächlich beschäftigt. Wenn sie keine Anrufe für den Admiral entgegen nahm, tanzten ihre Finger blitzschnell über die Tastatur ihres Computers. Zwischen den Anrufen, die je nach Wichtigkeit mehr oder weniger höflich abgefertigt wurden, gelang es ihr immer wieder, dem armen Schukow Blicke zuzuwerfen, die erkennen ließen, dass sie ganz offen an der Nützlichkeit des Lieutenants zweifelte.

Um 1328 Uhr öffnete sich die Tür zu Admiral Corringtons Büro und Captain Neja Singh trat heraus. Der aus Kalkutta stammende Mann war etwa genauso groß wie T'Pol aber viel massiger gebaut. Er trat an der Vulkanierin vorbei zum Ausgang.

„T'Pol.“

„Captain Singh.“

Der kurze Wortwechsel war frostig. Der Inder war T’Pols schärfster Konkurrent in einem Rennen, von dem sie nicht mal wusste, ob sie endgültig daran teilnahm. Sie blieb auf dem Stuhl sitzen und wartete ab. Miss Schulz würde sie auffordern das Büro zu betreten, wenn es soweit war.

Schließlich blickte die Deutsche auf und nickte der Vulkanierin kurz zu. „Captain, der Admiral empfängt Sie jetzt.“

T'Pol erhob sich und schritt auf die Tür zu, hinter der vielleicht ihre Zukunft wartete. Sie wunderte sich noch darüber, dass Miss Schulz weder auf eine Uhr gesehen noch die Gegensprechanlage benutzt hatte. Vielleicht stimmten die Gerüchte doch, die nur hinter vorgehaltener Hand und in den dunkelsten Ecken der tiefsten Keller leise geflüstert wurden und Miss Schulz war tatsächlich Telepathin? Als die Vulkanierin durch die Tür trat, schob sie diese Gedanken beiseite.

Sie stand vor dem Schreibtisch des Admirals stramm. „Captain T'Pol meldet sich wie befohlen zur Stelle, Sir.“

Der Admiral stand auf und trat um seinen Schreibtisch herum. „Schön Sie wieder zu sehen, Captain.“ Er verzichtete darauf ihr die Hand anzubieten und deutet stattdessen auf eine Sitzgruppe in der Ecke des Zimmers. Dort standen vier Sessel um einen niedrigen Kaffeetisch herum. Der Admiral geleitete sie hinüber und ließ sich dann in dem Sessel direkt vor dem Fenster nieder, T'Pol setzte sich ihm gegenüber. Die Sonne, die durch das Fenster schien, blendete die Vulkanierin für eine Sekunde, dann reagierte ihre Physiologie und nach kurzem blinzeln sah sie wieder klar. Der Admiral saß locker mit übereinander geschlagenen Beinen in seinem Sessel und musterte T'Pol scharf. Die bemühte sich um eine Sitzhaltung, die nicht zu locker aber auch nicht zu angespannt wirken sollte und blickte den Menschen erwartungsvoll an.

„Kann ich Ihnen etwas anbieten? Ein Glas Wasser vielleicht?“ Corrington beugte sich vor und deutete auf ein Tablett auf dem Tisch mit einer Karaffe und zwei Gläsern.

„Nein danke, Sir.“

„Nun gut. Ich denke, Sie wissen warum Sie hier sind.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.

„Es geht um meine Bewerbung um das Kommando über die USS TOKIO, die zurzeit gebaut wird und in einem Jahr in Dienst gestellt werden soll. Da ich den Befehl erhalten habe, mich bei Ihnen zu melden, gehe ich davon aus, dass ich in die engere Auswahl gekommen bin.“ Die Vulkanierin bemerkte, dass der Admiral sich etwas entspannte und kurz lächelte. War das ein positives Zeichen, fragte sie sich.

„Ganz recht. Es sind bei uns über ein Dutzend Bewerbungen eingegangen. Alle von hervorragenden Offizieren und jeder war der Meinung, dass nur er für den Job in Frage käme. Wir mussten sehr schwere Entscheidungen treffen und im Vorfeld aufgrund der eingereichten Unterlagen bereits eine Auswahl vornehmen. Schließlich blieben fünf Kandidaten übrig und Sie sind eine davon. Captain Singh haben Sie ja schon kurz getroffen. Hinzu kommen Captain Sandrine Remand, Captain Thomas Ffolkes und Captain Charles Maynard.“

T'Pol konnte ihre Erleichterung nicht ganz verbergen. Sie hatte zwar damit gerechnet, es durch die Vorauswahl zu schaffen aber jetzt die Bestätigung aus dem Mund des Admirals zu hören nahm ihr doch eine große Last von den Schultern. „Ich kenne alle, zumindest habe ich von ihnen gehört. Sie haben einen hervorragenden Ruf und sind eine ernsthafte Konkurrenz. Soweit ich weiß besteht Captain Ffolkes darauf, dass sein Name auf die korrekte schottische Art mit zwei ‚f’ geschrieben wird.“

Der Admiral schien die Regung der Vulkanierin durchaus bemerkt zu haben, er blinzelte für einen Moment. Obwohl er T’Pol nun schon eine ganze Weile kannte, überraschten ihn ihre selten gezeigten Regungen immer noch. Er hatte sich schon oft gefragt, was wohl dahinter stecken mochte. „Ich habe als Vorsitzender der Auswahlkommission entschieden, alle Bewerber zu einem persönlichen Gespräch einzuladen, um selbst von jedem zu hören, warum gerade er die richtige Wahl für den Posten des Captains auf der TOKIO sei.“

Darauf war T'Pol gefasst. Sie hatte zwar erwartet, dass ihr diese Frage von einem Ausschuss gestellt würde aber sie hier dem Admiral zu beantworten war kein Problem für sie.

„Die TOKIO soll weiter und tiefer in das All vorstoßen als jedes andere Sternenflottenschiff das bis jetzt getan hat. Nicht einmal die ENTERPRISE oder die NIGERIA waren soweit von zu Hause weg, wie es für die TOKIO geplant ist. Das macht es erforderlich, dass zwei äußerst wichtige Personen an Bord sind.“

Corrington unterbrach die Vulkanierin in ihrem Vortrag. „Zwei äußerst wichtige Personen? Wir sind bis jetzt immer davon ausgegangen, dass es wichtig sei, einen guten Captain zu haben.“

„Nun Sir, ich habe da eine etwas andere Auffassung.“

„Dann fahren Sie fort.“ Der Mensch lehnte sich in seinem Sessel zurück und gab seine joviale Haltung auf. T'Pol erkannte, dass er die Augen leicht zusammenkniff und sie scharf musterte. Sie hatte sein Interesse geweckt.

„Zum einen ist es erforderlich einen guten Koch an Bord zu haben. Ich…“

„Einen guten Koch? Sie wollen mich auf den Arm nehmen?“ Corrington wusste nicht, ob er lachen oder explodieren sollte.

„Keineswegs, Sir. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei Langstreckeneinsätzen die geistige Verfassung der Crew sehr schnell instabil werden kann. Gutes und abwechslungsreiches Essen ist ein Faktor, um die Moral aufrecht zu erhalten.“

Der Admiral erkannte, dass die Vulkanierin es durchaus ernst meinte. „Sie sagten, dass gutes Essen ein Faktor zur Aufrechterhaltung der Moral an Bord sei. Was sind Ihrer Meinung nach weitere Faktoren?“

„Ein weiterer wichtiger Faktor ist meiner Meinung nach, es der Besatzung zu ermöglichen, geistig abzuschalten und ihr in regelmäßigen Abständen die Möglichkeit zum Ausspannen zu geben. Wie die Menschen sagen ‚einfach mal die Seele baumeln lassen’ und das Universum für ein paar Tage Universum sein lassen.“

„Das sind interessante Ansichten, die Sie da vertreten. Wie sind Sie zu diesen Erkenntnissen gelangt?“

T'Pol konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. „Die Idee mit dem Koch und dem guten Essen stammt von einem jungen Ensign, die ich an Bord der ENTERPRISE kannte.“

Auch Corrington konnte ein Grinsen nicht vermeiden, als er sich vorzustellen versucht worum es dabei wohl gegangen sein mochte. Als die Vulkanierin weiter sprach, wurde er aber sehr schnell wieder ernst.

„Was die Möglichkeit des geistigen Abschaltens betrifft, so sprechen wohl die Ereignisse auf der NIGERIA eine deutliche Sprache“, sagte T’Pol.

Corrington blieb lange still als er darüber nachdachte. „Wir hatten zu Beginn der Tiefenraumeinsätze geglaubt, die Erfahrungen, die man mit dem Einsatz von Atom-U-Booten in den Ozeanen der Erde gemacht hat, könnten Eins zu Eins auf die Raumfahrt übertragen werden“, fuhr er schließlich fort. „Die positiven Erfahrungen der ENTERPRISE schienen das zu bestätigen. Die Vorfälle auf der NIGERIA haben aber bewiesen, dass die Crew der ENTERPRISE wohl einfach nur Glück gehabt hatte. Wir haben für diesen Irrtum einen hohen Preis bezahlt.“

Der Mensch und die Vulkanierin schwiegen und dachten an das zurück, was allgemein nur der ‚NIGERIA-Zwischenfall’ genannt wurde. Es war in den alten Tagen passiert, vor der Föderation. Eines der schwärzesten Kapitel in der Geschichte der Sternenflotte. Man hatte hinterher mühsam zu rekonstruieren versucht, was auf dem Schiff geschehen war. Die persönlichen Nachrichten der Crew an die Familien waren dabei eine größere Hilfe gewesen als die Aufzeichnungen, die man aus der Black Box hatte retten können. Offenbar hatte sich der emotionale Zustand der Crew langsam aber stetig verschlechtert. Es kam zu Reibereien, dann zu ernsten Auseinandersetzungen und schließlich musste es eine Art Meuterei gegeben haben. Zwei oder mehr Fraktionen innerhalb der Crew hatten um die Kontrolle über das Schiff gekämpft. Aber ob die NIGERIA schließlich absichtlich zerstört worden war oder versehentlich, konnte niemand mehr feststellen. Ein vulkanisches Schiff hatte auf einen letzten verzweifelten Hilferuf reagiert aber nur noch Trümmer vorgefunden.

Es war nach wie vor ein Rätsel und die mehr oder weniger seriösen Spekulationen reichten vom Versagen des Captains bis zum Einfluss unbekannter Außerirdischer. Bei der Sternenflotte war man aber zu dem Schluss gelangt, dass in Zukunft die Auswahl jedes einzelnen Crewmitgliedes für ein Schiff noch sorgfältiger erfolgen müsse und man insbesondere die emotionale Stabilität und die Fähigkeit, mit Stress fertig zu werden, in sehr viel größerem Umfang würde berücksichtigen müssen.

Schließlich räusperte sich der Admiral und durchbrach damit die Stille. „Wer ist dann Ihrer Meinung nach, neben dem Koch, die andere wichtige Person, die an Bord der TOKIO gebraucht würde, T’Pol?“

„Das wäre natürlich der Captain selbst.“

„Aha!“

„Bei dem für die TOKIO vorgesehenen Einsatz muss der Captain nicht nur ein guter Soldat sein oder nur ein guter Diplomat oder nur ein guter Wissenschaftler. Er muss diese drei Eigenschaften in einem gesunden Maß in sich vereinen und darüber hinaus in der Lage sein, ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Vertrauensverhältnis zur Crew aufzubauen.“

„Und Sie glauben, dass Sie diese Eigenschaften haben?“

„Ja Sir. Ich habe hier natürlich den Vorteil der höheren Lebenserwartung. Dadurch konnte ich Erfahrungen sammeln, die die anderen Bewerber meines Erachtens nicht vorweisen können. Ich meine insbesondere meinen Dienst im Sicherheitsministerium und im diplomatischen Dienst Vulkans und meine umfassende wissenschaftliche Ausbildung.“

„Das ist sicher ein bedeutender Wissensvorsprung, den Sie da anführen können. Aber wieso glauben Sie, auch ein fähiger kommandierender Offizier zu sein?“

„Auch hier kann ich meine langjährige Erfahrung anführen, Sir. Elf Jahre Dienst als Erster Offizier auf drei verschiedenen Schiffen und zwei Jahre als Captain beim Entwicklungsstab der Sternenflotten-Werft sind, so glaube ich, mehr als genug Zeit, seine Fähigkeiten der Perfektion anzunähern.“

Corrington bemerkte den deutlichen Ton der Frustration in der Stimme der Vulkanierin. Er fand das verständlich, es war wirklich eine ungewöhnlich lange Zeit, die T'Pol auf die Möglichkeit gewartet hatte, endlich ein eigenes Schiff zu bekommen.

„Des Weiteren konnte ich bereits Kommandoerfahrung sammeln, als ich auf meinem letzten Schiff, der USS ROM, das Kommando für vier Monate übernahm. Captain Hernandez musste in ein künstliches Koma versetzt und unter strenger Quarantäne gehalten werden, nachdem er sich mit der Rigelianischen Pest infiziert hatte. Zu Beginn hatte die Mannschaft mir gegenüber einige Bedenken, aber es gelang mir, diese zu zerstreuen und das Vertrauen der Crew zu erlangen. Hauptsächlich dadurch, dass ich mein Vertrauen in die Crew demonstrierte.“

„Aber die anderen Bewerber haben bereits mehrjährige Erfahrung als Kommandanten von Raumschiffen.“

T'Pol nickte und für einen Augenblick sah Corrington die Mine der Vulkanierin entgleisen. „Ja Sir, dass haben sie.“

Der Admiral warf der Frau einen letzten prüfenden Blick zu, dann stand er auf. „Sie haben hier einige äußerst interessante Punkte angeführt über die ich nachdenken muss. Sie werden über den weiteren Ablauf rechtzeitig informiert.“

Der Admiral begleitete die Vulkanierin bis zur Tür seines Büros. „Sie werden im kommenden Semester an der Sternenflottenakademie als Gastdozentin tätig sein?“

„Ja Sir, ich halte zweimal in der Woche eine Vorlesung zum Thema ‚Kommandoentscheidungen unter Einsatzbedingungen’ und gebe ein Seminar zum Xindi-Konflikt.“

„Oh, dann werde ich wohl hin und wieder eine Ihrer Vorlesungen besuchen, um mir einige wilde Anekdoten über Ihre Zeit auf der ENTERPRISE anzuhören“, bemerkte Corrington schmunzelnd.

„Sehr gerne Admiral, aber erschrecken Sie meine Studenten nicht zu sehr.“

„Dann komme ich in Zivil. Guten Tag Captain.“

„Sir.“

Corrington hatte T'Pol die Tür geöffnet und schloss sie nun wieder. Als er zu seinem Schreibtisch zurückging, öffnete sich eine Seitentür zum Büro des Admirals und ein Mann trat ein.

„Nun, was denkst du“, fragte Corrington, als er sich hinter seinem Schreibtisch niederließ.

Der andere Mann tat etwas, das nach Ansicht des Admirals normalerweise nur durch standrechtliche Erschießung zu ahnden war: er setzte sich auf eine freie Ecke des Schreibtisches. Bei diesem Mann aber nahm Corrington die Geste hin. „Bemerkenswert, dass sie zunächst das Wohlbefinden der Crew angesprochen hat. Die Eigenschaften des Captains kamen erst an zweiter Stelle“, sagte der Mann, während er einen Blick zur Tür warf.

„Ja, in der Tat. Höchst interessant“, stimmte Corrington zu.

* * * * * *

T'Pol hatte das Vorzimmer des Admirals verlassen, nachdem sie Miss Schulz mit einem „Guten Tag“ bedacht hatte, was diese hoheitsvoll zur Kenntnis nahm. Schukow gewährte sie ein Nicken und ein freundliches „Lieutenant“. Der quittierte das mit einem breiten Lächeln, froh darüber, von jemand Wichtigem zur Kenntnis genommen worden zu sein.

Die Vulkanierin begab sich auf direktem Weg zum Ausgang des Gebäudes. Für heute hatte sie keine Termine mehr. Morgen würde der Kommandant der Akademie sie allerdings den übrigen Dozenten vorstellen und die obligatorische Führung veranstalten. T'Pol kannte sich zwar auf dem Akademiegelände aus aber so wie sie den Kommandanten der Akademie kannte, würde er sie bestimmt zu ihrem neuen Büro bringen wollen. Sie dachte über das Gespräch mit Admiral Corrington nach und kam zu dem Schluss, dass es sehr gut verlaufen war. Sie hatte einige Punkte angebracht, die ihr wichtig waren und die die Aufmerksamkeit des Admirals erregt hatten. Die Tatsache, dass sie seit zwei Jahren Captain war und noch kein eigenes Kommando geführt hatte, war das größte Hindernis auf dem Weg zum Kommandantensessel auf der Brücke der TOKIO. T'Pol hoffte, dass es ihr gelungen war, dieses Hindernis zu umgehen. Sie war in Gedanken vertieft und bemerkte die verblüfften Blicke nicht, die ihr folgten. Die Leute in den Korridoren hinter ihr tuschelten aufgeregt miteinander. Hatte diese Vulkanierin etwa gegrinst und auch noch einen ‚beschwingten’ Schritt an den Tag gelegt?

Nein, dass konnte nicht sein!

* * * * * *

T'Pol gönnte sich eine Fahrt mit dem historischen Cable Car, der allseits beliebten und durch ein im Boden verlegtes Zugseil angetriebenen Straßenbahn. Dieses Vehikel war neben der Golden Gate Bridge das berühmteste Wahrzeichen San Franciscos.

Endlich erreichte sie ihr Appartement in Sausalito. Das Gebäude lag außerhalb der Wohnsiedlung für Vulkanier, die weiter im Norden lag. T’Pol hatte sich dafür entschieden, etwas Abstand zwischen sich und andere Vulkanier zu bringen. Sie prüfte zunächst ihren Computer. Außer einer Mitteilung der Sternenflottenakademie, die den Termin morgen bestätigte, waren keine weiteren Nachrichten vorhanden, wie üblich. Sie kickte die Schuhe von den Füssen und ging die Treppe hinauf ins Schlafzimmer ihrer kleinen zweigeschossigen Wohnung. Das Appartement lag in einem Altbau, die Wände bestanden zum größten Teil aus alten, in einem warmen Braun gehaltenen Ziegelsteinen und waren unverkleidet. Die Decke war sehr hoch und so war ein hölzerner Zwischenboden eingezogen worden, der die zweite Etage bildete. Die Fenster waren klassisch amerikanisch zum hochschieben. Den modernen Kontrast dazu bildete die aus glänzendem Stahl gefertigte Treppe, die in die zweite Etage führte und den darunter gelegenen, großen offenen Wohnbereich in zwei Hälften teilte. In der zweiten Etage befanden sich nur das Schlafzimmer und das Bad. Der Schlafbereich war zu Wohnung hin offen und nur durch ein ebenfalls aus glänzendem Stahl gefertigtes hüfthohes Geländer abgetrennt, so dass man den Eindruck eines innen liegenden Balkons hatte. Die zur Straße hinausgehende Wand bestand aus großen Scheiben transparenten Aluminiums, die sich über beide Etagen erstreckten. Von der oberen Etage aus gelangte man auf einen kleinen äußeren Balkon, der einen spektakulären Blick auf die Bucht von San Francisco ermöglichte. Über ungebetene Zuschauer musste sich T'Pol keine Gedanken machen: Zum einen ließen sich die Scheiben elektronisch abdunkeln. Zum anderen lag des Haus an einem Hang hoch über der Bucht und es gab gegenüber keine Gebäude von denen man hereinsehen konnte.

T'Pol trat auf den Balkon hinaus und stützte sich mit beiden Händen auf das Geländer. Sie atmete tief durch und genoss für ein paar Minuten den Blick über die Bucht. Dank ihrer scharfen Augen konnte sie weit hinten im Westen, in Richtung des Pazifiks, sogar das Golden Gate schemenhaft ausmachen. Etwas näher und deutlicher sichtbar war Alcatraz. Trotz der Tatsache, dass ein ehemaliges Gefängnis vor ihrem Apartment lag, sagte sie sich jedes Mal wenn sie hier stand, was für ein unverschämtes Glück es war, dass sie diese Wohnung ergattert hatte und dass sie sie für nichts in der Welt wieder hergeben würde.

Schließlich ging sie wieder ins Schlafzimmer zurück und zog sich aus. Als sie vor vielen Jahren zum ersten Mal davon gehört hatte, in welch verschwenderischer Art und Weise Menschen Wasser nutzen, um sich zu waschen, war sie erstaunt gewesen. Als Bewohnerin einer Wüstenwelt schien es ihr eine unerhörte Verschwendung zu sein. Im Laufe der Zeit hatte sie allerdings gelernt, sich dieser kleinen Frivolität mit mehr und mehr Vergnügen hinzugeben. Mittlerweile empfand sie es als äußerst entspannend, sich vom brühheißen Wasser richtig durchweichen zu lassen. Es war fast so gut wie eine vulkanische Nerven-Akupressur. Als sie sich daran erinnerte, wurde es ihr etwas schwer ums Herz, es war schon sehr lange her, seit sie zum letzten Mal eine richtig ausgeführte Nerven-Akupressur genießen durfte. Aber schließlich hatte das heiße Wasser auch den letzten trüben Gedanken aus ihr vertrieben und sie fühlte sich entspannt und erfrischt. T'Pol trat aus der Dusche, griff nach einem großen Badetuch und frottierte sich gründlich ab. Nackt verließ sie das Bad und trat vor den Kleiderschrank im Schlafzimmer. Sie zog Boxershorts und ein weit geschnittenes T-Shirt an, schließlich noch die aus Baumwolle gefertigte Hose eines Sternenflotten-Trainingsanzuges. Bequeme Kleidung für einen gemütlichen Nachmittag zu Hause.

Sie ging die Treppe hinab in den Wohnbereich und trat erneut vor ihren Computer. Sie rief ein Dateiverzeichnis auf, dachte kurz nach und wählte dann eine bestimmte Datei aus. T'Pol aktivierte sie und aus den im Raum verteilten Lautsprechern begann leise Musik zu rieseln. Jazz von der Erde aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber auch risanische und andorianische Stücke. Im Laufe der Zeit hatte sie eine umfangreiche Datenbank mit Musik der verschiedensten Stilrichtungen zusammengestellt und systematisch geordnet.

T'Pol ging in die Küche hinüber und setzte einen Kessel Wasser auf den Herd, dann nahm sie aus einem Küchenschrank eine Schachtel, gab Teeblätter in ein Sieb und stellte es auf eine Porzellankanne. Die Schnellheizstufe des Herdes hatte das Wasser schon zum Kochen gebracht und vorsichtig goss es die Vulkanierin über die Blätter. Sie hatte lange gebraucht um die richtige Teemischung und deren Zubereitung auszutüfteln und dazu die verschiedensten irdischen und vulkanischen Teezeremonien studiert. Als das Wasser endlich durchgelaufen war, stellte sie einen Becher, eine Zuckerdose und die Kanne auf ein Tablett und trug es in den Wohnbereich hinüber. Nachdem T'Pol alles auf dem Couchtisch abgestellt hatte, gab sie einen Löffel Zucker in den Becher, goss langsam Tee ein und rührte bedächtig um. Sie hob die Tasse an den Mund, blies kurz auf die heiße Flüssigkeit und nahm einen kleinen Schluck. Es war genau richtig.

Sie stellte die Tasse wieder ab und ging zum Computer hinüber, um ihr Datapad zu holen, darin waren Informationen über die Dozenten an der Akademie gespeichert. Sie ließ sich graziös auf dem Sofa nieder, schlug die Beine unter und aktivierte das Pad. Mit der Rechten griff sie nach dem Becher und begann die Informationen über ihre zukünftigen Kollegen zu lesen, während sie hin und wieder an dem heißen Tee nippte. Wenn sie ihr morgen an der Akademie vorgestellt würde, wollte sie wenigstens die Gesichter mit den richtigen Namen verbinden können.
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