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Männersache

von Lady Q

Kapitel 2

Ich duck mich lieber mal...
Chakotay fühlte sich seltsam seit einigen Tagen. Nicht unbedingt schlecht. Nur… angespannt. Er bewegte seine Glieder in dem Maße, wie es die Fesseln zuließen, um der Angespanntheit auszuweichen, aber es half nicht.

Harry Kim war nach längerer Zeit zurückgekehrt. Sehr blass, er hatte Ringe unter den Augen, und die rosanen Gestalten kamen doppelt so häufig zu ihm, um ihn mit irgendwelchen Medikamenten zu versorgen. Chakotay ließ über die Reihe der anderen Männer anfragen, ob er etwas beobachten konnte oder etwas Neues erfahren habe. Hatte er nicht. Er war betäubt worden, hatte keinerlei Erinnerungen mehr ab dem Zeitpunkt, als er hinausgefahren worden war.

Also schon wieder eine Sackgasse. Möglicherweise fühlte er sich deshalb seltsam.

Nur, dass seine Angespanntheit deutlich etwas körperliches war, nichts seelisches oder kognitives. Kein Stress, sondern… Spannung.

Er seufzte.

»Langsam wird es langweilig, nicht wahr?«, hörte er seinen alten Freund Mike neben sich sagen.

»Es wäre netter, wenn wir wüssten, weshalb wir hier liegen«, stimmte Paris auf der anderen Seite zu.

Chakotay schwieg und spürte lieber weiter dem seltsamen Gefühl in sich nach. Je intensiver er nachspürte, desto stärker wurde es. Er versuchte, die Anspannung zu verorten, und bildete sich ein, sie auf Bauchnabelhöhe zu spüren. Welche Organe lagen auf Bauchnabelhöhe? Der Magen lag höher. Die Leber weiter seitlich. Die Milz? Wo lag die Milz? Oder vielleicht der Darm? Hatte er ein Verdauungsproblem? Was sein Magen als Füllung bekam, sah er natürlich nicht.

»Fühlt ihr euch auch so seltsam?«, platzte es da aus Paris heraus.

»Hm?«, machte Mike. »Nein. Nein, eigentlich fühle ich mich ganz normal.« Er stockte kurz, und korrigierte sich: »Also normal, bis auf, dass wir hier seit Wochen herumliegen und betatscht werden.«

Chakotay grinste. Wandte sich dann aber an Paris, und antwortete ihm: »Ja. Ich mich auch.«

Vier Betten weiter meldete sich Carey: »Ich mich auch. Irgendwie ist mir auch übel.«

»Nein, das jetzt nicht«, widersprach Paris. »Nur irgendwie… als hätte ich zu viel gegessen.«

»Vielleicht haben Sie das ja«, meldete sich noch einige Betten weitere eine Stimme, die Chakotay nach einigem Nachdenken Fähnrich Ashmore zuordnete. »Wer weiß, vielleicht ist das ein Test, wie gut wir zunehmen können. Und deshalb sehen wir auch nicht, was sie uns in die Mägen beamen.«

»Dann hätten wir aber bereits zunehmen müssen, solange, wie wir hier sind«, sagte Jarvin. Er lag einige Betten neben Mike, und dass er dem Gespräch hatte auf die Entfernung folgen können, fand Chakotay erstaunlich.

»Ich HABE zugenommen«, betonte Ashmore. »Ich werde fett hier drin.« Seine Stimme klang weinerlich.

Chakotay dachte bei sich, dass es tatsächlich nicht schwer war, zuzunehmen, wenn man nur herumlag und nichts tat und trotzdem vollversorgt wurde. Sicherheitshalber schielte er aber an seinem gut gestählten Körper hinab. Natürlich sah er nichts. Doppellagiges Flügelhemd sei Dank.

Als die Rosanen das nächste Mal kamen, wartete er ab, bis sein Flügelhemd offen war, bevor er wieder versuchte, an sich hinab zu schielen. Sein Untersuchender bemerkte das. »Stimmt etwas nicht?«, fragte er.

Chakotay fühlte sich ertappt. »Nein, nein«, stammelte er. »Nein, ich wollte nur wissen…«, er räusperte sich vor Verlegenheit, und fuhr flüsternd fort, »ob ich dick werde.«

Der Blick des Untersuchenden fuhr an ihm herunter. »Nein, bisher nicht.«

»Oh gut«, sagte Chakotay, und fühlte sich auf einmal sehr beschämt. »Es ist nur so, ich fühle mich in letzter Zeit seltsam.«

»Oh, wirklich?«, entgegnete der Untersuchende mit erwachendem Interesse. »Inwiefern?«

»Irgendwie...«, suchte Chakotay nach dem richtigen Wort.

»Aufgebläht«, half Paris hilfreich aus.

»Ja, aufgebläht«, stimmte Chakotay zu. »Bekommen wir anderes Essen? Das war anfangs nicht so.«

Die rosane Gestalt wandte sich glucksend ab. »Nein, nein. Immer noch dieselbe Mischung. Fühlen Sie sich denn alle aufgebläht?«, fragte er dann in die Runde.

Rechts und Links von Chakotay erklang nun Zustimmung, Verneinung, und dazwischen die deutliche Stimme von Joe Carey: »Mir ist schlecht.«

Die rosane Gestalt eilte daraufhin sofort zu besagtem Lieutenant und fragte: »Müssen Sie erbrechen?«

Chakotay hörte daraufhin erst einmal nichts mehr, nur angestrengt schluckende Geräusche, und dann ein sprudelndes Klatschen auf den Boden. Angewidert verzog er das Gesicht.

Die rosane Gestalt dagegen war ganz aus dem Häuschen. »Sie Armer, Sie Armer«, wiederholte sie immer wieder, löste Joe Careys Fixierungen, und half ihm sich auf die Seite zu drehen. »Sie Armer. Es kommt gleich jemand und macht das weg. Sie Armer! Und dann schauen wir mal, ob wir Ihnen etwas Gutes tun können, hm?«

Chakotay blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. Das war das Geheimnis, um aus diesen Fesseln zu kommen? Einmal auf den Boden kotzen? Na, wenn Joe Carey das konnte, konnte er das auch. Dachte er grinsend, innerlich doch froh darum, dass er sich nur aufgebläht fühlte.

Bis zum nächsten Morgen, als er erwachte, und das erste, was er spürte, seine gallige Magensäure war, die ihm die Speiseröhre hochschwappte. Etwas sagen konnte er nicht mehr. Nur den Kopf wenden, und zusehen, wie Paris neben ihm beim Anblick des Erbrochenen ebenfalls weiß wie sein Bett wurde.

~~~

Als der Türsummer erklang, schreckte Kathryn Janeway auf der Couch hoch. Sie war eingeschlafen. Sie war auf den verdammten Sicherheitsberichts-PADDs eingeschlafen.

Ihre Gliedmaßen mühsam koordinierend, stemmte sie sich hoch und gab dem Computer gleichzeitig die müde Antwort: »Ja, bitte?«, woraufhin die Schotts aufglitten.

B‘Elanna Torres trat, eine Weinflasche in ihrer Hand schwenkend, ein. Beim Anblick ihres Captains blieb sie abrupt stehen und unterdrückte ein Kichern. »Der Feierabend kam heute früher als erwartet?«

Janeway rieb sich die Augen und seufzte. »Es war nicht besonders spannende Abendlektüre.«

»Ja, man sieht es«, feixte Lieutenent Torres. Auf Janeways fragend hochgezogene Augenbrauen hin deutete sie auf deren Wange.

»Entschuldigen Sie mich«, stöhnte Janeway auf, und stürzte in ihr Badezimmer. Im Spiegel besah sie sich dann die deutlich in ihre Haut eingegrabenen Ränder der PADD-Displays und die rosa Flecken, die die Himbeeren auf ihrer Stirn hinterlassen hatten. Da hatte sie sich ein einziges Mal einen nachmittäglichen gesunden Snack repliziert, um für das geplante Abendessen noch genug Appetit zu haben, und dann schlief sie nicht nur auf einem Stapel Sicherheitsberichte, sondern auch noch auf pink färbendem Beerenobst ein.

Nach einem ausführlichen Waschgang mit warmem Wasser und einer kleinen Gesichtsmassage, um die Abdrücke loszuwerden, traute sie sich wieder in ihren Wohnraum. Dort hatte sich Lieutenant Torres bereits nützlich gemacht und einen simplen Auflauf repliziert. Sie trug ihn gerade zum Tisch.

»Vegetarisch, so wie Sie ihn mögen«, sagte Lieutenant Torres.

»Oh, ich bin keine Vegetarierin«, antwortete Janeway.

»Nicht? Aber ich könnte schwören…« Torres sah verwirrt aus.

»Es scheint wirklich lange her zu sein, dass wir das letzte Mal ein gemeinsames Abendessen hatten.« Janeway holte noch den Kerzenständer und künstliche Kerzen vom Sideboard, und schuf damit eine etwas heimeligere Atmosphäre. »Haben Sie an den Wein gedacht?«

»Ja, natürlich!« Torres strahlte sie an, und präsentierte ihr eine Flasche offenbar replizierten 2365er Côtes du Rhônes aus Valréas.

»Rotwein? Warum kein Apfelwein?«

»Apfelwein? APFELWEIN? Halten Sie mich für eine Banausin? Glauben Sie, nur weil ich Halbklingonin bin, weiß ich nicht, was gut ist? Apfelwein! Ich bitte Sie!«

»Aber… ich könnte schwören...« murmelte Janeway, brach dann aber ab. »Sie mochten doch früher Apfelwein.«

»Ich habe noch nie, wirklich noch nie, freiwillig ein Glas Apfelwein getrunken. Wie kommen Sie denn darauf!«, empörte sich Torres.

Janeway legte den Kopf schief. »Ich muss Sie wohl mit jemandem verwechseln.« Sie lachte, obwohl ihr gar nicht zum Lachen zumute war, denn momentan machte sie sich ernsthaft Sorgen um ihren Geisteszustand. »Lassen Sie uns essen. Und fürs nächste Mal: Nur weil Welsh Rarebit meine Leibspeise ist, heißt das nicht, dass ich alles fleischlos mag.«

»Ich werde es mir merken, Captain«, antwortete Torres.



Später an diesem Abend saßen die beiden Frauen mit jeweils einem Glas Rotwein in der Hand auf der Couch, auf der Captain Janeway ihr seliges Vor-Feierabendschläfchen gemacht hatte. Sie hatten sich über ihre Arbeit unterhalten, hatten über den Rückstand gewitzelt, den sie beide aufzuarbeiten hatten, und hatten sich vulkanische Gene gewünscht, um weniger Schlaf zu brauchen. Und dann waren sie beide sehr ruhig geworden.

»Ich versteh das nicht«, platzte es auf einmal aus Lieutenant Torres heraus. »Ich verstehe es einfach nicht. Ich bin früher gut mit meiner Arbeit zurande gekommen.«

»Und jetzt nicht mehr?«, fragte Janeway und trank einen Schluck Wein.

»Nein. Nein, ich bin pausenlos überarbeitet, und die Baustellen werden mehr, statt weniger.«

»Dann geht es Ihnen genauso wie mir«, seufzte Janeway und sah gedankenverloren in ihr Glas. »Wir brauchen wohl mal wieder Landurlaub.«

»Wir HATTEN grade erst Landurlaub«, widersprach Torres.

»Hatten wir?« Janeway sah auf, und in dem Moment, als ihr bewusst wurde, dass sie sich wirklich nicht daran erinnerte, wann ihr letzter Landurlaub gewesen war, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.

»Ja, natürlich. Auf diesem Planeten…. Wie hieß er noch?«

»Ähm...« Janeway versuchte ihre Unwissenheit zu überspielen. »Achja. Ich erinnere mich.« Sie nahm sich vor, in den Logbüchern nachzulesen. Und den Doktor zu kontaktieren.

»Also. Wo waren wir? Wir sind überarbeitet.« Torres starrte aus dem Aussichtsfenster. »Überarbeitet, und… müde.«

»Definitiv. Ja. Aber das bleibt bitte unter uns.« Janeway lächelte entschuldigend. »Ich als Captain sollte wirklich nicht den Eindruck erwecken, dass auch mir gerade einiges über den Kopf wächst. Sie wissen, wie empfindlich einige Crewmitglieder sind.«

Torres lächelte wehmütig. »Ja. Neelix und Chell brechen sonst wieder in Panik aus.«

»Eben.«

Die beiden Frauen schwiegen gemeinsam. Sie nippten stumm an ihrem Wein, und hingen ihren Gedanken nach. Bis Torres irgendwann zögerlich zugab: »Ich wollte nachlesen, wann das anfing, dass ich nicht mehr hinterher kam in meinem Job. Vielleicht hat das irgendeine Ursache, die ich übersehen habe. Vielleicht ist irgendein Gelpack kaputt und deshalb… fallen deshalb ständig Systeme aus, und… vielleicht gibt es einen Grund.«

»Tun Sie das« Janeway lächelte sie an und nahm sich insgeheim vor, dasselbe zu tun. »Und nun werde ich mich wohl in mein Bett zurückziehen. Uns steht ein anstrengender Tag bevor, Lieutenant!«

Torres nickte. Sie trank ihr Glas aus, und war schon fast aus der Tür, als sie sich noch einmal umwandte und fragte: »Warum hat die Sternenflotte dieses Schiff damals eigentlich fast nur mit Frauen besetzt? Hat das einen Grund? Ich wollte Sie das schon ewig fragen… vielleicht war das ja so eine Art Modellprojekt?«

Janeway lächelte. »Ich könnte Sie dasselbe fragen. Wie oft hatte der Maquis schon fast reine Frauenmannschaften an Bord. Nun ja, bis auf Chell. Und natürlich meinen Sicherheitschef.«

»Und Taktikchef, und Chef der OPS, und Erster Offizier und Kommunikationsoffizier. Jaja.« Torres lächelte und verabschiedete sich.

Janeway horchte dagegen den letzten Worten ihrer einzigen Ingenieurin nach und hatte das Gefühl, etwas zu übersehen. Nur was?

~~~

Chakotay dröhnte das »Sie Armer« im Kopf.

Er hatte erbrochen, dann waren Rosane gekommen, die »Sie Armer« gerufen hatten, und ihn dann umgehend entfesselt und mitgenommen hatten. Er hatte aufstehen wollen, was natürlich nicht ging. Seine Beine erinnerten sich nicht mehr, dass sie zum laufen und stehen gemacht waren. Und deshalb hatten sie ihn getragen. Und er hatte sich auf dem Weg in dieses Untersuchungszimmer noch zweimal erbrochen, und hatte dabei das Gefühl, nun sicher sterben zu müssen.

Jetzt fühlte er sich elend. Und ihm war zum Heulen zumute, so sehr, wie es ihm nicht mehr zum Heulen zumute gewesen war, seitdem er ein Kind gewesen war. Wäre er allein, würde er sich zusammenrollen und seinen Tränen hemmungslos ihren Lauf lassen, aber er war natürlich nicht allein. Er saß vor einem ernst aussehenden Rosanen, der nun seine rosane Haube abnahm, und das erste Mal sah er, was unter dieser Haube war.

Ein ganz normaler Alien. Weder gruselig noch seltsam. Geriffelte Ohren hatten sie, diese Alien, und der Hals war ein wenig dünner, als es bei Menschen üblich war. Ansonsten hätte der Alien vor ihm auch als Mensch durchgehen können.

»Was passiert mit mir?«, fragte Chakotay nun, und er versuchte die Frage fest und dominant zu stellen, hörte sich dabei aber kläglich und ängstlich an.

»Nun«, begann der Alien. »nun, Sie reagieren.«

»Auf was?«, fragte Chakotay.

Der Alien sah verlegen aus. »Nun«, begann er wieder, »nun. Tja. Es geht Ihnen gut. Es wird Ihnen bald wieder besser gehen.«

»Auf was reagiere ich?«, wiederholte Chakotay, und hörte seiner Stimme seine Panik an.

»Bitte, Sie müssen sich beruhigen«, bat der Alien. »Es ist alles gut.«

»Nichts ist gut!«, rief Chakotay. »Warum sagen Sie uns nicht, was Sie mit uns machen?«

»Nun ja, es ist nicht erforderlich, dass wir...«

»Ist es doch!« unterbrach Chakotay ihn. »Es ist MEIN verdammter Körper. MEINER. Ich weiß, dass Sie irgendetwas mit ihm machen, und ich weiß auch, dass mir das nicht gefallen wird, und noch genauer weiß ich, dass ich NICHTS daran werde ändern können, aber verdammt nochmal, ich habe ein RECHT darauf zu erfahren, WAS Sie mit mir machen. Mein Körper gehört MIR! Also: Was?«

Der Alien sah ihn stumm an und seufzte.

»Was?« wiederholte Chakotay und spürte Tränen seine Wangen hinabrinnen. Bei allen Geistern, warum heulte er jetzt? Krampfhaft versuchte er die Tränen zurückzuhalten, was ihm auch gelang. Zumindest ansatzweise. Zumindest liefen keine Sturzbäche mehr.

Der Alien reichte ihm stumm ein Taschentuch, was Chakotay widerwillig ergriff und sich dann laut und ausführlich schneuzte.

»Es ist so«, begann der Alien und verstummte wieder.

»Ja?«

Der Alien räusperte sich. »Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.«

»Was? Mir zu sagen, was Sie für widerliche Experimente mit uns machen? Warum hatte Harry Kim so entsetzliche Schmerzen? Warum müssen wir jetzt reihenweise erbrechen?«

Kurz sah der Alien verwirrt aus, dann verstand er. »Ah. Harry Kim.«

»Ja. Harry Kim. Was war mit ihm? Was ist mit uns?«

Der Alien atmete tief durch und faltete seine Hände vor seinem Bauch. Er atmete noch einmal. Und noch einmal. Gerade, als Chakotay ein weiteres Mal in die Luft gehen wollte, sagte er: »Er hatte eine Fehlgeburt.«

»Er hatte eine Fehlgeburt«, wiederholte Chakotay, versuchte gleichzeitig diese Worte zu verstehen, einzusortieren, und eine adäquate Reaktion darauf zu zeigen. Ihm gelang nur leider nichts davon.

»Ja.«

»Eine Fehlgeburt.«

»Ja.«

»Harry Kim ist ein Mann.«

»Ja.«

»Männer haben keine Fehlgeburten.«

»Ja. Nun ja. Nein. Normalerweise nein. Richtig.«

»Wie kann...«, begann Chakotay, und stockte. Er begann noch einmal: »Wie kann ein Mann...«, und er stockte abermals, denn die Wahrheit zeichnete sich so übergroß in seinem Hirn ab, dass ihm kurz das Herz stehen blieb. Er drängte die Wahrheit unbesehen zurück, und setzte ein drittes Mal an: »Wie kann ein Mann eine Fehlgeburt haben?«

Sehr vorsichtig, als stände er vor einem scheuen Reh, antwortete der Alien: »Die Frucht starb ab, und wurde nicht absorbiert, sondern verursachte eine Bauchfellentzündung.«

»Oh«, sagte Chakotay, und musste zugeben, dass sich das logisch anhörte. »Ach so«, sagte er außerdem, und versuchte die Mauer um die Wahrheit zu ignorieren, denn irgendetwas in ihm verlangte gerade die ganze Zeit, über die Mauer zu schielen, wie er auf seinen hoffentlich nicht fetten Bauch geschielt hatte. Er nickte. »Aber es geht ihm wieder gut?«, fragte er.

»Ja. Harry Kim geht es gut«, antwortete der Alien und rückte ein kleines Stückchen von ihm ab.

Dann starrte Chakotay ihn an, während die Wahrheit ganz langsam seine Wirbelsäule hinauf kroch.

Weil nämlich Harry eine Fehlgeburt gehabt hatte.

Und ihm selbst war schlecht.

Und er war außergewöhnlich weinerlich.

Hatte Träume von wimmernden Wesen.

Und wurde regelmäßig abgetastet. Brust und Bauch.

Chakotay runzelte die Stirn. »Warum tasten Sie ständig unsere Genitalien ab?« fragte er die einzige Frage, die irgendwie Sinn ergab.

Der Alien rückte noch ein Stück rückwärts und antwortete: »Weil die Hormone manchmal Veränderungen an den… Testikeln bewirken. Wir wollen keine bleibenden Schäden.«

Chakotay fand das sehr aufmerksam. Das war nett. Sehr freundlich. »Und was passiert, wenn es da Veränderungen gibt?«

Der Alien wirkte nun verlegen. »Äh, dann würden wir das wohl… beobachten. Und ähm, wir würden wohl hoffen, dass… es, nun ja, dass es eben reversible Veränderungen sind.«

»Aha«, sagte Chakotay. Und dann fügte er all die Informationsschnipsel, die er bisher erhalten hatte, zusammen. Stück für Stück. Ganz langsam.

Die Frauen waren auf dem Schiff. Nicht hier.
Nur die Männer waren hier.
Sie alle mussten liegen. Wurden medizinisch überwacht.
Die Genitalien wurden abgetastet, um Veränderungen durch Hormone festzustellen.
Joe Carey hatte als Erstes erbrochen.
Er selbst direkt danach. Mit ihm Tom Paris und noch ein Dutzend weitere Männer.
Er heulte ohne Grund. Ohne richtigen Grund.
Harry hatte eine Fehlgeburt gehabt.
Und er…?

»Ich bin schwanger?«, fragte er, und seine Stimme brach dabei auf eine sehr unmännliche Art. »Sie haben mich geschwängert? Sie haben uns alle… GESCHWÄNGERT?«

Der Alien hatte den Anstand, zumindest verlegen auszusehen. »Nun ja«, sagte er. »Sie müssen verstehen. Wir müssen diversifizieren.«
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