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Herkunft aus der Ferne

von Oriane

Nachricht aus der Ferne

Nachricht aus der Ferne

 

Mit schnellen Schritten erklomm Captain Gilian Ricks die Stufen zum Haupteingang des Hauptquartiers der Sternenflotte. Es war ein warmer sonniger Tag und sie begann in ihrer Uniform zu schwitzen, als sie ihre Schritte verlangsamte, um unter den vielen Mitarbeitern und Kadetten nicht hektisch zu wirken. Die großen Glastüren standen offen und die schlichte Eleganz des Foyers empfing sie mit einer gedämpften, geschäftigen Atmosphäre. Der Architekt hatte es hervorragend verstanden die Sicht der Sternenflotte auf sich selbst darzustellen.
Gilian blieb nicht am Empfang stehen, sie wusste, wo sie hin musste. Einerseits arbeitete sie seit fünf Jahren in der Abteilung Einsatzplanung, andererseits kannte sie den Weg zum Büro von Admiral Casado, der sie vor ungefähr einer halben Stunde zu sich gerufen hatte. Heute war ihr freier Tag, und der Weg von ihrer Wohnung zum nächsten öffentlichen Transporter betrug etwa fünfzehn Minuten. Der relativ kurze Arbeitsweg brachte es mit sich, dass sie mitten in San Francisco lebte, eingerahmt von großen modernen Hochhäusern, weswegen sie nie den freien Blick bis zum Horizont genießen konnte, es sei denn, sie kletterte bis aufs Dach des Hochhauses, in dem ihre Wohnung lag. Sie fühlte sich eingeengt und oft ein wenig einsam inmitten der großen Stadt, die sich um sie herum bewegte.
Sie betrat den Turbolift, der sie in den fünften Stock bringen sollte und betrachtete sich unauffällig in der angebrachten Spiegelwand. Ihr langes rotes Haar hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden, aber durch die Eile hatten sich einige Strähnen wieder gelöst und fielen ihr ins Gesicht. Die schwarze Sternenflottenuniform mit grauem Schulterteil und rotem Kragen fiel ein wenig zu groß aus und saß deshalb an ihrem sehr schlanken Körper nicht wirklich passgenau. Aus einem sommersprossigen Gesicht sahen sie zwei unzufriedene grüne Augen an. Ihr Erscheinungsbild ärgerte Gilian häufig. Es trug nicht besonders dazu bei, dass sie respektiert wurde. Oft sah sie den Blick von fremden Offizieren verwundert an ihren vier Pinns am Kragen hängen bleiben und immer wieder hatte sie beweisen müssen, dass sie trotz ihres äußeren eine Respektsperson war. Normalerweise versuchte sie, strenger und erfahrener auszusehen, steckte ihre Haare in einem Knoten zusammen, überschminkte die Sommersprossen so gut es ging und war darauf bedacht, immer aufrecht zu gehen, aber heute war nach dem Anruf des Admirals keine Zeit mehr für zeitaufwändige Oberflächlichkeiten gewesen. Als der Turbolift hielt, steckte sie die losen Strähnen hinter die Ohren und richtete sich noch ein wenig mehr auf. Für heute musste es genügen.

Casados Sekretärin kündigte Gilian beim Admiral an und beinahe sofort wurde sie hereingebeten. Ein großgewachsener blonder Mann mit kantigen Gesichtszügen erwartete sie hinter seinem Schreibtisch. Obwohl er bereits die sechzig überschritten haben musste, wirkte er noch dynamisch, aber mit der Zeit war er immer herrischer geworden. Gilian kannte ihn seit ungefähr zehn Jahren, er hatte sich wenig verändert seit ihrer ersten Begegnung, weder in seiner Art, noch in seinem Aussehen. Aber wer war sie schon, die diesen Umstand hinterfragen würde. Sie war immer gut mit Casado zurechtgekommen und würde die Beziehung zu ihm für nichts in der Welt aufs Spiel setzen. Er war derjenige, der ihr den Job bei der Einsatzplanung gegeben hatte, nachdem er sie vorher auf der USS Sarek und auf der Gremlin eingesetzt hatte. Sie schuldete ihm beinahe ihre gesamte Karriere, was aber nicht bedeutete, dass sie selbst keinen Finger dafür gerührt hatte, ganz im Gegenteil.
»Sie wollten mich sprechen, Sir?«, fragte sie höflich und nahm angedeutet Haltung an.
»Ja, Gilian, setzen Sie sich.« Er bot ihr den Sessel ihm gegenüber an und wartete, bis sie es sich bequem gemacht hatte.
»Sie haben vor einigen Wochen einen Antrag auf Versetzung gestellt. Sie wollen wieder raus in den Weltraum.«
Sie nickte. »Das stimmt.«
»Nun, ich sagte Ihnen, ich würde sehen, was ich tun kann. Jetzt kann ich Ihnen Ihren Wunsch erfüllen.«
Gilians Herz machte einen Sprung. Als sie den Antrag gestellt hatte, war ihr gefühlt ganz San Francisco und die Sternenflotte auf den Kopf gefallen. Sie hatte verschiedene Vermutungen angestellt, von Einsamkeit bis zu Überarbeitung, hatte versucht, kürzer zu treten, rauszugehen, aber Arbeit ruhen zu lassen, das lag ihr nicht. Wenn es etwas zu erledigen gab, wurde daran gearbeitet, bis sie fertig war, egal, was ihre zu leistenden Arbeitsstunden ihr diktierten.
Nein, sie wollte wieder raus, weg von den theoretischen Einsatzplänen und internen diplomatischen Gesprächen mit der Admiralität, die sich nicht darüber einig war, welche Schiffe unter welchen Captains man rausschickte und welche nicht. Nicht, dass ihr diese Arbeit nicht lag, sie hatte ein Talent für Sprache und Formulierungen, aber sie wünschte sich eine neue Herausforderung. Sie wusste nicht, ob ihr das Kommando über ein Raumschiff liegen würde, aber was schadete es, diese Erfahrung zu machen? Bisher hatte sie nur ab und an in Abwesenheit ihres Captains als Commander und Erster Offizier ein Raumschiff geführt.
»Sie wissen sicher von den Transmissionen aus dem Deltaquadranten, die uns seit einigen Monaten erreichen.«
Gilian nickte wieder. Sie war aufgrund ihrer Position in der Einsatzplanung mit dem Wissenschaftlerteam in Kontakt, das sich mit den Nachrichten beschäftigte. Es war immer die gleiche Transmission. Jemand im Deltaquadranten versuchte, die Erde zu kontaktieren und bat um Antwort, aber bisher hatten die Wissenschaftler noch keinen Weg gefunden, der Bitte nachzukommen. Ein Team rund um Reginald Barclay arbeitete daran, seine Methode, ein Mikrowurmloch zu erzeugen und so eine Verbindung herzustellen, zu verfeinern, doch der dafür benötigte Wanderpulsar hatte sich, wie vorausberechnet, nicht mehr blicken lassen. Dass die Sternenflotte es damals geschafft hatte, die Voyager zu kontaktieren, war in Gilians Augen ein riesiger glücklicher Zufall.
Das Pathfinders-Projekt hatte man glücklicherweise nicht aufgegeben, nachdem die Voyager vor acht Jahren überraschend zur Erde zurückgekehrt war und nun bekam das Team tatkräftige Unterstützung von der ehemaligen Borgdrohne Seven of Nine. Gilian selbst war daran beteiligt gewesen, das Projekt am Leben zu erhalten, weil sie in der Forschung in diese Richtung der Langstreckenkommunikation großes Potential sah.
»Hat sich bezüglich unserer Antwort auf die Botschaften etwas geändert?«, fragte Gilian.
»Auf unserer Seite hat sich leider nichts geändert, wir können immer noch nicht antworten, aber seit zwei Monaten erreichen uns neue Transmissionen.«
Diese Information war Gilian neu. »Wurden diese Transmissionen geheim gehalten?«
Casado nickte bedächtig. »Admiral Paris und ich hatten die Befürchtung, dass die enthaltenden Informationen…Aufruhr auslösen könnten. Wir wollten erst sichergehen, dass alles korrekt übersetzt wurde, bevor wir die Öffentlichkeit informieren.«
»Ich nehme an, dass Sie sich nun sicher sind?«, hakte Gilian nach. Zwar interessierte sie das Thema, allerdings hatte sie keine Ahnung, wie es mit ihrer Versetzung zusammenhing.
»Ja. Ich hätte Ihnen die ganze Geschichte nicht erzählt, wenn es nun nicht auf Sie ankommen würde. Die neuen Transmissionen enthalten einige Erklärungen. Sie stammen von einer Spezies, die sich selbst Voth nennt, die seit langer Zeit im Deltaquadranten ansässig ist. Offenbar gibt es in ihrer Kultur einen Mythos mit dem schönen Arbeitstitel Herkunft aus der Ferne. Die Annahme ihrer Wissenschaftler ist, dass die Voth ursprünglich von der Erde stammen.«
»Und jetzt haben sie beschlossen, uns einen Besuch abzustatten«, folgerte Gilian nachdenklich. »Glauben Sie, die Voth wissen von unserer Existenz?«
Casado nickte. »Wir sind sogar sicher, dass sie von uns wissen. Die Voyager ist ihnen damals im Deltaquadranten begegnet und hatte ein paar Probleme mit ihnen. Genaueres steht im Bericht des damaligen Ersten Offiziers des Schiffs, Professor Chakotay.«
Gilian machte sich gedanklich eine Notiz, den Bericht in den Archiven zu suchen und zu lesen und darüber hinaus den Aufenthaltsort von Chakotay ausfindig zu machen. Vielleicht erinnerte er sich noch an einige Details mehr.
»Wie passe ich denn nun ins Bild?«, fragte sie dann.
»Sie, meine Liebe, wollten ein Kommando. Ich werde Ihnen eins geben und Ihre erste Aufgabe wird sein, das Schiff der Voth an der Grenze der Föderation abzufangen und zur Erde zu eskortieren. Sie sind diplomatisch nicht ganz ungeschickt, das dürfte im Umgang mit den Voth sehr von Vorteil sein.«
»Vielen Dank, Sir!«, antwortete Gilian und jubelte innerlich. Diese Aufgabe war ganz nach ihrem Geschmack, etwas Besseres hätte sie sich nicht vorstellen können. Noch etwas auf ihrer Liste, wofür sie sich irgendwann beim Admiral in aller Form bedanken musste.
»Sie werden sofort losfliegen, wir können nicht warten. Immerhin weiß niemand genau, wann die Voth sich auf den Weg gemacht haben und welche Geschwindigkeiten sie mit ihrer Transwarp-Technologie erreichen können. Ich will nicht riskieren, dass das erstbeste Sternenflottenschiff sie abfängt und Informationen ungefiltert durchsickern. Dies ist eine spannende Angelegenheit, aber auch eine riskante, die schnell aus dem Ruder laufen kann.«
Gilian konnte sich zwar nicht vorstellen, warum eine Gruppe Forscher aus einem anderen Quadranten so gefährlich werden sollte, dass ihre Existenz vorerst geheim gehalten wurde, aber sie vertraute Admiral Casado. Vielleicht hatte er ihr nur das Nötigste aus den Transmissionen mitgeteilt. Nicht, dass ihr die Heimlichtuerei gefiel, doch ihr war gerade ein Kommando überstellt worden. Wenn sie das länger als fünf Minuten behalten wollte, sollte sie vorsichtig mit ihren Fragen sein. Aber eins interessierte sie brennend: »Wohin werde ich versetzt, Sir?«
»Auf die Copernicus«, antwortete Casado prompt und Gilians Herz sackte ein Stück tiefer in ihrer Brust. Die USS Copernicus war gerade erst von einer Mission zurückgekehrt – und zwar gerade so in einem Stück.
Ihren Captain, Zelal Chavon, hatte Gilian auf Befehl ihres vorgesetzten Offiziers eigenhändig des Kommandos enthoben. Er war darüber hinaus zum Commander degradiert worden, da er seine Einsatzbefehle nicht befolgt und mutwillig sein Schiff zu Schrott geflogen hatte. Seit einem Monat wurde die Copernicus im Raumdock repariert und überholt, aber soweit Gilian wusste, waren die Ingenieure noch lange nicht fertig. Und dieses Schiff sollte sie quer durch den Föderationsraum fliegen. Langsam zweifelte sie daran, dass Casado ihr mit dem Kommando wirklich einen Gefallen getan hatte.
»Bei allem Respekt, Sir, ich will nicht undankbar erscheinen, aber sind Schiff und Crew schon wieder bereit für einen solchen Einsatz? Beide mussten unter Captain Chavon einiges durchmachen.«
»Ich dachte mir, dass Sie das fragen würden. Ich kann sie beruhigen, um beides wurde sich hervorragend gekümmert. Die Reparaturen sind noch nicht vollständig abgeschlossen, das wird aber in Laufe der nächsten zwei Tage geschehen. Die Crew ist bereits teilweise wieder an Bord. Es steht Ihnen also nichts im Wege.«
Es war unmissverständlich, dass Casado keine Bedenken ihrerseits mehr hören wollte. Er hatte den Beschluss gefasst, Gilian mit genau diesem Schiff hinauszuschicken und wenn sie jemals wieder ein Kommando haben wollte, dann musste sie dieses annehmen. Sie fragte den Admiral noch nach weiteren Instruktionen, Missionsbeschreibung und genauen Abflugdaten. Ihr blieben noch etwa 48 Stunden, um alles vorzubereiten.
»Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich mich direkt zum Raumdock begeben und mir die Copernicus ansehen.«
»Tun Sie das, Gilian. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei ihrem ersten Kommando.« Casado zeigte ein warmes Lächeln, das man dem kantigen Gesicht auf den ersten Blick gar nicht zugetraut hätte. Sie erhob sich, nickte dem Admiral zum Abschied noch einmal zu und machte sich dann auf den schnellsten Weg zum nächsten Transporter, der sie zur Copernicus bringen würde. Vorher allerdings machte sie einen Abstecher zur Toilette, um ihr Äußeres wieder auf einen Stand zu bringen, der ihr gefiel. Sommersprossen passten zum jungen, unerfahrenen Fähnrich, nicht aber zum Captain eines Raumschiffes.

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