TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Wozu sind Freunde da …

von Gabi

I - Gen Rhys

„Noch einmal!“ Aussage und Ausdruck stehen in krassem Gegensatz zueinander.

Ich bin mir unschlüssig, ob ich meine Trainingspartnerin bewundern oder bemitleiden sollte. Sie kniet sich so sehr in diese Einheit hinein. In Tillys Augen funkelt eiserne Entschlossenheit, aber das beginnende Muskelzittern entgeht mir nicht. Ich nehme abermals  die Startstellung ein und überlege fieberhaft, wie ich die dringend benötigte Pause forcieren kann ohne ihr Selbstbewusstsein zu verletzen. Tillys Ehrgeiz ist bereits zu einem schiffsweiten Sprichwort geworden. Seit sie in das Kommandotraining aufgenommen wurde, verlangt sie bisweilen das Unmögliche von sich selbst. Niemand außer ihr stellt dermaßen hohe Ansprüche an sie.

Ich bin froh darüber, dass sie mich als Trainingspartner in Angriff und Verteidigung akzeptiert hat. Als taktischer Offizier habe ich nichts direkt mit dem Kommandoprogramm zu tun, so war ich mir ein wenig unsicher als ich ihr und Commander Saru das Angebot für die geforderten Kampf-Einheiten unterbreitet habe. Ich kann Expertenlevel in einigen Nahkampftechniken vorweisen und halte mich daher für fähig, sie in ihrer oft überenthusiastischen Art so verletzungsfrei wie möglich zu unterrichten. Völlig selbstlos war dieser Vorschlag nicht. Aber das muss ja niemand erfahren. Dass ich den körperlichen Kontakt, den der Nahkampf mit sich bringt, genieße, bleibt mein Geheimnis. Ich lege großen Wert darauf, nie eine Situation auszunutzen, entferne mich augenblicklich aus dem direkten Kontaktbereich, wenn ich sie auf der Matte zu Fall gebracht habe, und bleibe stets höflich und sachlich in meinen Bemerkungen. Ich halte nichts von dummen Sprüchen. Ich will Ehrlichkeit und Respekt zwischen uns. Sie soll gerne mit mir trainieren. Ich will einfach nur ein wenig träumen. Tilly hat etwas an sich, das meinen Beschützerinstinkt hervor ruft. Dass sie sich dessen nicht im Geringsten bewusst ist, macht sie nur noch anziehender.

„In Ordnung.“ Ich hebe die Unterarme zur ersten Verteidigungsposition. „Noch einmal.“

Tilly nickt, zahlreiche Strähnen haben sich bereits aus ihrem Zopf gelöst und kleben schweißnass auf Stirn und Wangen. Sie sieht zum Anbeißen aus. Als sie tief einatmet, bekomme ich kurzen Moment einen Schreck, dass sie das Gleichgewicht verliert, doch sie fängt sich und beginnt die Angriffsbewegungen. Formal fehlerfrei, jedoch in ihrem geschwächten Zustand dermaßen wirkungslos, dass ich mich nicht einmal anstrengen muss, um sie abermals auf die Matte zu schicken – so sanft wie möglich natürlich.

„Ich brauch eine Pause, ich bin erledigt“, erkläre ich schließlich kategorisch, als ich ihr die Hand entgegenstrecke, um ihr wieder auf die Beine zu helfen. Sie selbst wird mit Sicherheit nicht nach einem Ende verlangen. Als ich mir sicher bin, dass ihre zitternden Gelenke sie aufrecht halten, wende ich mich der an der Wand befindlichen Bank zu. Von den dort stehenden Wasserflaschen werfe ich ihr eine zu. Die andere schraube ich auf und genieße das Gefühl des kühlen Wassers in meiner Kehle. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Tillys Hände in der Luft herumfuchteln, um die Flasche zu fangen. Ihre Koordination hat durch die Anstrengung deutlich gelitten. Ich tue so als würde ich es nicht bemerken und betrachte so lange die Wand, bis sie es geschafft hat, die Flasche vor Bodenkontakt zu bewahren. Erst dann wende ich mich wieder ihr zu.

„Sie schwitzen doch nicht einmal, Gen“, bemerkt sie vorwurfsvoll, nachdem sie es geschafft hat, zumindest einen Teil des Inhalts in ihre Kehle zu befördern.

„Ich schwitze innerlich“, erkläre ich, wobei es mir hoffentlich gelingt, meine Stimme respektvoll klingen zu lassen. Wenn ich sie so betrachte, entscheide ich mich für ‚bewundern‘. Tillys Gesicht ist krebsrot, ihr Haar schweißnass, ihre Hände zittern, und ich bin mir hundertprozentig sicher, dass sie auf der Stelle ohne Murren weitermachen würde, wenn ich sie dazu auffordern sollte – was ich natürlich tunlichst vermeide. Ich weiß nicht, ob ich jemals eine Person getroffen habe, die so klar und unaufdringlich an sich selbst glaubt. Sie fasziniert mich.

Um jedem möglichen „noch einmal“ vorzubeugen blicke ich demonstrativ zur Uhr über dem Eingang zur Trainingshalle. „Wir haben bereits zehn Minuten überzogen und ich gebe gleich noch eine Stunde. Daher muss ich unser Training für heute leider beenden.“ Ich strecke ihr die Hand entgegen – professionell und respektvoll.

„Oh!“ Tilly wendet ihrerseits den Kopf – ein wenig zu rasch, denn sie beginnt erneut zu wanken – und nimmt den Zeitanzeiger selbst in Augenschein. „Das tut mir leid. Ich hab gar nicht auf die Zeit geachtet. Ich wusste nicht, dass Sie noch eine Stunde haben. Das Training ging wie im Flug“, sie kichert und nickt in Richtung der Matte, die sie in der letzten Stunde ausgiebig ausgenutzt hat, „naja … für mich die meiste Zeit im wörtlichen Sinn. Aber ich pack das noch, Sie werden sehen. Ich meine …“, ihre Hände gestikulieren nach oben, wobei ein Teil des Wassers aus der Flasche in weitem Bogen aus der Flasche spritzt. Ich muss an mich halten, um ein ernstes Gesicht zu wahren. „Ups, tschuldigung.“ Sie verringert den Radius ihrer Gestik. „Ich meine, ich werd es natürlich nie schaffen, Sie auf die Matte zu schicken. Dazu fehlen mir natürlich Jahre an Übung. Aber Sie werden es sehen, ich mach es Ihnen nicht leicht …“

Ich hebe die Hand, um ihren Redeschwall zu unterbrechen. Ganz offenbar hat sie ihre Atmung wieder unter Kontrolle, ein gutes Zeichen. Doch ich befürchte einen akuten Anfall von Atemnot, wenn sie die nächsten Minuten nicht damit haushält. „Sie machen das ganz ausgezeichnet, Tilly“, lobe ich sie, und hoffe, dass ich nicht zu lehrerhaft klinge. Das glückliche Lächeln, das ich von ihr daraufhin erhalte, wird mich in meinen Träumen heimsuchen. Verdammt, warum muss sie auch so unglaublich süß sein. „Aber jetzt ist eine warme Dusche und vielleicht eine Massage das Beste, was Sie Ihren Muskeln antun können.“

„Alles klar, Sir!“ Sie parodiert einen Salut. „Dusche wird sofort ausgeführt.“ Sie wirbelt herum und muss abermals die Balance ausgleichen. Sie schickt mir ein entschuldigendes Lächeln über die Schulter zu. „Ich freu mich schon auf unsere nächste Stunde.“

„Ich mich auch, Ensign.“ Meine professionelle Miene ist angesichts von Tillys unschuldiger Begeisterungsfähigkeit zum Scheitern verurteilt. Ich spüre, wie sich meine Mundwinkel heben und hoffe, dass sie bald geht, bevor ich mich ebenfalls zu einem Lächeln hinreißen lasse, denn ich weiß nicht, ob ich meine Bewunderung im Zaum halten kann. „Ich mich auch.“

„Prima!“ Sie winkt. Zu spät lenkt sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Bewegungsrichtung, „Oh, hoppala, Entschuldigung, Lieutenant Bryce!“ – und prallt frontal mit Ronnie zusammen, der soeben die Sporthalle betritt.

Ich schlage die Hand vor die Stirn, um mein breites Grinsen zu verbergen, das sich nun ungefragt auf meinen Zügen ausbreitet. Nicht nur Tillys Ehrgeiz ist sprichwörtlich, ebenfalls ihre Ungeschicklichkeit.

Als die beiden am Eingang der Trainingshalle ihre Glieder sortiert und sich endlich darauf geeinigt haben, auf welche Weise sie sich umrunden sollen – auf Tillys Seite mit reichlich Rhetorik und Gestik verbunden, auf Ronnies Seite mit stoischer Ruhe –  blicke ich wieder auf. Sie schaut nicht mehr zurück und ich brauche meine Züge nicht mehr zu kontrollieren.

Mein neuer Trainingspartner kommt auf mich zu. Nun, da er Tilly in seinem Rücken hat, löste sich Ronnies gefasste Miene in Wohlgefallen auf. Er rollt mit den Augen, während ein breites Grinsen die weißen Zähne in seinem dunklen Gesicht aufblitzen lässt. Ich nicke lediglich, lasse meiner Erheiterung nun jedoch ebenfalls freien Lauf. Kommunikationsoffizier Ronnie Bryce ist ein wunderbarer Kumpel, dem gegenüber ich mich gehen lassen kann – in den meisten Dingen jedenfalls. Dass ich Tillys Gegenwart genieße, muss er jetzt nicht unbedingt wissen.

Ronnie wirft sein Handtuch in gekonntem Schwung auf die Bank. Angeber! Seine Muskeln kommen bei der Bewegung und dem engen Trainingsanzug vorteilhaft zur Geltung. Wir versuchen uns immer wieder gegenseitig auszustechen, wer besser trainiert ist. Spielerisch, versteht sich, aber dennoch … leider fürchte ich, dass seine Muskeln einen kleinen Vorsprung haben. Selbstredend gebe ich das jedoch nicht laut zu. Wie dem auch sei, für die nächste Stunde werde ich eine ganz andere Intensität an Kampftraining erleben. Tilly war Spaß, Ronnie ist ernst. Ich freue mich darauf, jetzt an meine eigenen körperlichen Grenzen gehen zu können.

„Ihr hattet Spaß wie ich sehe“, bemerkt er. Er verschränkt die Finger und dehnt die Arme, als er auf die Matte tritt. „Packst du noch eine Runde?“

„Das war mein Aufwärmtraining“, kontere ich. In freudiger Erwartung nehme ich Aufstellung. Ich werde es ihm nicht leicht machen.

„Bereit, eine Tracht Prügel zu bekommen?“ Ronnie grinst.

„Bereit!“

Die nächste Viertelstunde ist pure Glückseligkeit. Ronnie und ich befinden uns auf demselben Leistungslevel, unsere Trainingskämpfe sind ausgeglichen, wir können uns beide vollkommen auspowern. Wann immer möglich treffen wir uns hier, um die langen, meist zur Bewegungslosigkeit verdammten Stunden auf der Brücke zu kompensieren. Ich genieße das Gefühl, alles zu geben, meinen Körper in eine Waffe zu verwandeln und von meinem Trainingspartner gefordert zu werden. Hier fühle ich mich lebendig, im Reinen mit mir und dem Universum, eine Einheit aus Kraft und Eleganz. Einen besseren seelischen Ausgleich gibt es nicht.

Doch dann greift Ronnie zu unlauteren Mitteln: „Du stehst auf sie, hab ich recht?“

„Was?“

Ich komme kurzzeitig aus dem Rhythmus, während ich krampfhaft versuche, eine möglichst abgebrühte Reaktion zu zeigen. Leider ist der Moment alles, was Ronnie benötigt, um einen Vorteil daraus zu ziehen. Ich sehe noch sein triumphierendes Grinsen, bevor mich seine nächste Griffkombination auf die Matte schickt.

Als sich meine Sicht wieder klärt, erscheint die ausgestreckte Hand in meinem Fokus. „Erwischt!“

Ich packe zu, federe in den Stand. Nur keine Blöße zeigen. Mein vorwurfsvoller Blick prallt an ihm ab.

„Ich hab doch gesehen, wie du ihr vorhin hinterher geschaut hast.“ Er nimmt erneut Aufstellung.

Ich spiegele augenblicklich seine Haltung. Er kann das überhaupt nicht gesehen haben. Ich war vorsichtig. Oder etwa nicht? „Ich hab keine Ahnung, von was du sprichst.“ Meinen ersten Angriff kontert er mühelos. Sogleich geht er zum Gegenangriff über, doch abgelenkt ist er leider nicht. „Sicher?“

Ich beuge meinen Oberkörper in einer fließenden Bewegung, auf die ich stolz bin, und lasse seinen Schwung ins Leere laufen. „Sicher!“

„Ha!“ Er verwandelt die nutzlose Energie in einen Aufwärtsschwung. Ich kann nicht umhin ihn zu bewundern, wie mühelos ihm das zu gelingen scheint. Doch ich blockiere ihn sofort mit dem Unterarm. Für einen Moment stehen wir dicht voreinander, Nase an Nase. In seinen Augen kann ich die Belustigung funkeln sehen. Ich wünschte, er würde das Thema fallen lassen. Aber natürlich habe ich keine Chance. „Deine Ohrenspitzen haben Farbe angenommen.“

„Das ist die Anstrengung.“

„Ist es nicht.“

Ich fingiere einen Ausfall auf der rechten Seite und greife dann rasch über die linke an, um seine Konzentration wieder vollends auf das Training zu lenken. Er ist vorbereitet, kontert, blockt – und lässt sich nicht ablenken. Abermals verharren wir im gegenseitigen Griff. Ich ahne, dass ich aus der Nummer nicht mehr herauskomme. Shit! Es gibt manche Dinge, die mein Freund einfach nicht wissen muss. Doch er wird nicht locker lassen. Ich kenne ihn mittlerweile zu gut.

„Ich finde sie süß, okay!“, gestehe ich frustriert. „Zufrieden?“

„Jetzt ja.“ Er wirbelt herum und setzt den Oberschenkel ein.

Wenn er glaubt, mich damit unvorbereitet zu treffen, hat er sich geirrt. Ich packe seine Schulter und nutze sie als Drehpunkt, um meinen Körper mit einem Sprung über seinen Kick zu federn. Immerhin lässt er jetzt locker und widmet sich wieder ganz unserem Training. Nach einer weiteren halben Stunde, die meine Muskeln an die Grenzen und meine Laune in die Höhe treibt, rufen wir beide nahezu simultan nach einem Ende. Keuchend und schweißüberströmt stütze ich die Hände auf den Oberschenkeln ab, während Ronnie sich auf den Rücken fallen lässt. Mein Grinsen spiegelt sich in Ronnies Zügen. „Das war gut!“

„Das war saugut!“

„Und wenn du irgendwas zu irgendjemandem sagst, werde ich sauer. Kapiert.“

„Aber ich doch nicht.“

Ich traue seinem Grinsen nicht.

Rezensionen