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Kugeln aus Glas

von Gabi

Prolog

Seine Finger fuhren vorsichtig über den Deckel der ersten Kiste. Er fühlte die Glätte unter seinen Fingerspitzen: eine sanfte Wärme, fast organisch, perfekt abgerundete Ränder. Die Unterbrechung, welche das Behältnis in Gefäß und Deckel teilte, war zwar im Schein der Stablampe zu erkennen, jedoch nicht zu spüren. Eine perfekte Handwerksarbeit. Er legte die Fingerspitzen auf die Fläche mittig oberhalb der farblich abgeteilten Linie und übte sanften Druck auf sie aus. Erleichtert atmete er aus, als sich der Deckel ohne Widerstand bewegen ließ. Der zuvor angehaltene Atem kitzelte sanft auf seiner Oberlippe. Die Stablampe legte er auf dem Boden ab und bewegte die nun freie Hand auf den offengelegten Inhalt der Kiste zu, so langsam, als ob er nicht einmal die Moleküle der Luft in allzu große Bewegung bringen wollte. Kleine Schweißperlen begannen sich an seiner Schläfe zu bilden.

„Beeil dich“, zischte Owosekun von der Tür her. „Mir ist die Ruhe hier nicht geheuer.“

Rhys hielt in der Bewegung inne. Er warf einen knappen Blick über die Schulter auf seine Kollegin. Die dunkelhäutige Frau hatte beide Hände an der Türkante, um diese nur soweit offen zu halten, dass sie mit einem Auge hinausspähen konnte. Er glaubte ihre Nervosität fast körperlich zu spüren. Sie schwang mit seiner eigenen im Gleichklang.

„Ich beeil mich“, flüsterte er. Das letzte, was er jetzt tun durfte, war in Hektik zu verfallen. Vielleicht waren die Kugeln stabil, auch wenn sie wirkten wie aus dünnstem Glas geblasen. Aber er wollte nicht derjenige sein, der diese Theorie in einem unfreiwilligen Feldversuch austestete. Er klappte den Deckel vollständig nach hinten, bis der den Boden berührte, leise, sanft. Dann nahm er die Stablampe wieder auf, die neben der Kiste liegend deren Inhalt nur diffus erhellen konnte. Im Halbdunkeln wollte er nicht nach den zerbrechlichen Gebilden tasten. Der Lichtstrahl brach sich an der gewölbten Oberfläche, ein feiner Sternenhimmel schien auf der transparenten Schicht zu glitzern. Zwölf Kugeln präsentierten sich in weichen Mulden geschützt. Der dunkle Ton der Unterlage ließ sie leer erscheinen. Er zählte rasch die Kisten. Sieben von ihnen konnte er nebeneinander aufgereiht erkennen. Rasch überschlug er die Anzahl im Kopf. Wenn sie alle gefüllt waren, konnte es eine Weile dauern, bis er die richtige Kugel gefunden hatte. Doch die Größe und Anzahl der Behältnisse machte es nicht möglich, sie mitzunehmen, um sie an einem sicheren Ort zu untersuchen.

Er atmete einmal tief durch, dann fasste er das erste gläserne Kunstwerk, vorsichtig, behutsam, jedoch so fest, dass es ihm nicht aus Versehen aus den Fingern gleiten konnte. Die Kugel ruhte zwischen den Fingerspitzen seiner rechten Hand, als er sie vor sich in die Höhe hob. Der Strahl der Lampe zeigte ihm – nichts. Was er vor sich hielt, war eine Kugel aus feinstem, farblosem Glas mit einer makellosen Oberfläche und der Leere, die man im Inneren eines solchen Gebildes erwartete.

Rhys veränderte den Winkel des einfallenden Lichts, indem er den Strahl an der Kugel vorbei gegen die Wand richtete. Vielleicht interferierte die Helligkeit. Im nun herrschenden Halbdunkel reflektierte die feine Wölbung das Streulicht, doch der Blick glitt immer noch durch deren Mitte hindurch. Er sah seine eigenen Finger, er sah einen Teil des Bodens, zwei andere Kisten – sonst nichts.

Vorsichtig legte er die Kugel zurück und wählte die nebenliegende aus. Das gleiche Ergebnis. Seine Bewegungen wurden hektischer. Die Dritte – leer, die Vierte – leer …

„Mist!“, zischte er. „Hier ist nichts, das ist die falsche Kiste.“ Er griff hinüber und klappte den Deckel zu. Das Geräusch hallte unnatürlich laut in der nervösen Stille wider. Beide Offiziere hielten den Atem an. Als sich nach einer halben Minute nichts geregt hatte, sah Rhys kurzzeitig zur Tür und bemerkte den entsetzten Blick, mit dem ihn seine Kollegin bedachte. „Entschuldigung.“ Er überlegte, ob es taktisch klüger wäre, wenn Owosekun ebenfalls beim Durchsuchen der Kisten helfen würde. Sie würden die benötigte Zeit halbieren, hätten jedoch keinen Wachposten. Nein, entschied er, Sicherheit war in diesem Fall wichtiger als Schnelligkeit. Sie hatten nicht einmal ansatzweise eine Vorstellung davon, mit was sie es hier zu tun hatten. Welche Gefahren möglicherweise vom Besitzer der Glaskugeln ausgingen, in welche unüberschaubare Situation sie sich hineinmanövrierten, sollten sie von ihm entdeckt werden.

Leise rutschte er auf den Knien zur nächsten Kiste und hob deren Deckel an. Dieses Mal packte er beherzter und rascher zu, nur um im Strahl der Lampe ebenfalls völlige Transparenz zu betrachten. Seine Bewegungen wurden hektisch, als er eine Kugel nach der anderen anhob. Überall dasselbe Resultat: klare, formschöne, lichtreflektierende Leere. Auch dieser Deckel wurde wieder zugeklappt. Geräuschlos dieses Mal.

Blieben noch fünf Kisten.

„Und?“, raunte Owosekun von der Tür her.

„Wieder nichts.“

„Kann es sein, dass die Wellenlängenzusammensetzung der Lampe ungeeignet ist?“, äußerte sie einen Gedanken, mit dem er bereits ebenfalls gespielt hatte. Doch er hatte keine Möglichkeit hier und jetzt herauszufinden, inwieweit eine Standard-Sternenflotten-Lampe und das Deckenlicht im Hotel im Spektrum differierten.

„Wenn das der Fall sein sollte, haben wir keine Chance etwas zu finden“, knurrte er leise. „Wir können die Kisten nicht rausschleppen.“

„Wir könnten das Licht anschalten“, schlug sie vor. „Nur für einen kurzen Moment.“ Es klickte leise, als Owosekun die Tür schloss, damit keine ausfallende Helligkeit sie verraten konnte. „Gen?“

„Okay, ganz kurz.“ Er legte die Stablampe auf dem Boden ab und berührte mit den Handflächen zwei der Kugeln, damit er möglichst rasch die Theorie prüfen konnte. „Jetzt.“

Sie betätigte den Schalter. Rhys‘ Hände verharrten, wo sie waren. Sein Kopf ruckte nach oben, seine Züge versteinerten.

„Oh, Shit!“ Owosekun schlug das Licht aus, doch es war bereits zu spät.

Rhys packte die Stablampe und sprang auf. „Welcher Idiot kommt auf die Idee das Alarmsystem mit dem Lichtschalter zu verbinden und nicht mit dem Öffnen der Tür?!“, fluchte er, als er zu seiner Kollegin hinüber hechtete.

Doch bevor sie die Tür öffnen und sich in Sicherheit bringen konnten, hörten sie bereits Schritte.

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