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One day, mabye we’ll meet again

von Laurie

Kapitel 1

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no I’m not saying I’m sorry
one day, maybe we’ll meet again
closer to the edge

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Jede Nacht. Jede einzelne Nacht besucht er ihn, sucht ihn heim, zeigt ihm die eigene Vergänglichkeit ein wenig mehr auf.

Seine Besuche sind zu einer der wenigen Konstanten geworden, die Jim in seinem Leben noch geblieben sind, und er fühlt sich hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, dass es einfach aufhört, und dem Verlangen danach, auch weiterhin etwas zu haben, woran er sich festhalten kann, nachdem alles andere um ihn herum längst in Stücke gebrochen ist.

Es tut weh, ja, es ist schrecklich und beängstigend und wahrscheinlich sogar gefährlich, aber gleichzeitig ist es auch richtig, irgendwie.

Und irgendwann merkt Jim, dass er darauf wartet.

Er wartet darauf, das blasse, von schwarzem Haar umrahmte Gesicht vor sich aus der Dunkelheit auftauchen zu sehen, er wartet darauf, die Wärme des anderen Mannes direkt neben sich zu spüren und die dunkle Stimme zu hören.

Denn genau das ist es, was du willst, flüstert Khan. Das Risiko. Die Schmerzen. Ohne Schmerzen wüsstest du überhaupt nicht mehr, ob du noch am Leben bist.

Jim versucht, die Worte auszublenden, und natürlich gelingt es ihm nicht. Jede Nacht wird es schlimmer; mit jeder Nacht lernt sein Besucher, die Schwachstellen in Jims bis dahin undurchdringlicher Rüstung ein wenig leichter zu entdecken.

Tut es weh? Ja. Aber nicht genug.

Sei still, will Jim ihn anschreien, du hast doch keine Ahnung, also halt die Klappe und verzieh dich wieder in deine Kryokapsel – du bist eingefroren und ich lebe, also lass mich auch leben!

Khan lacht, sanft und bedrohlich zugleich. Jim hat dieses Lachen zu hassen gelernt; vielleicht, weil er weiß, dass er dagegen machtlos ist.

Leben?, fragt er. Nein. Du weißt, dass das nie wieder so einfach sein wird, wie die anderen gerne behaupten. Du warst dort, wo noch nie zuvor jemand gewesen ist, und ein Teil von dir wird immer dort bleiben. Genauso, wie ein Teil von mir immer bei dir bleiben wird.

Jim schüttelt den Kopf. Khan manipuliert ihn, er weiß es und dennoch kann er sich nicht dagegen wehren. Manchmal ist er sich nicht sicher, ob er sich überhaupt dagegen wehren will.

Nein, das willst du nicht, behauptet Khan, selbstgefällig und mit der Haltung eines Raubtiers, das es genießt, die hilflose Beute vor sich in der Falle zappeln zu sehen. Weil du weder ohne die Schmerzen noch ohne mich noch leben kannst.

Ein Schluchzen schneidet ihm das Wort ab, so laut, dass es die Nacht fast in Stücke zerspringen lässt. Jim weiß nicht, ob es von ihm kommt oder von seiner Angst, die sich zu einer formlosen Gestalt manifestiert hat und ihm von hinten die Arme um den Körper schlingt.

Selbst seine Angst weint, und selbst seine Liebe schmeckt nach Hass. So viel Hass ... auf Khan und auf sich selbst, auf Spock, weil er Khan geschlagen hat, und auf Bones, weil er Jim zurückgeholt hat.

Manchmal wünscht er sich, Bones hätte das nicht getan. Vielleicht würde Khan wenigstens vor der namenlosen Stille Halt machen, die jenseits aller Worte liegt und von der Jim nicht mehr als einen kurzen Vorgeschmack erhalten hat.

Manchmal sehnt er sich nach dieser Stille und nach dem Vergessen, das mit ihr einhergeht. Keine Freunde und keine Feinde, kein Gut und kein Böse, keine zerplatzten Ideale, keine zerbrechlichen Hoffnungen. Kein Wissen darum, dass er die wenigen Personen, die ihm etwas bedeuten, beinahe nicht beschützen konnte, obwohl er geschworen hatte, es zu tun.

Weißt du jetzt, wie es sich anfühlt?, flüstert Khan. Kurz vor dem Nichts zu stehen ... zu wissen, dass du sie nie wirst beschützen können. Diesmal hattest du Glück, doch was ist nächstes Mal? Du hast nur ein Leben, und selbst, wenn du es für deine Freunde gibst, wird das keinen Unterschied machen. Die Welt wird ihnen wehtun, und du wirst es nicht verhindern können ...

Jedes seiner Worte schürt den Hass ein wenig mehr. So viel Hass ... manchmal hat Jim Angst, daran zu ersticken. Was, wenn die Angst und der Hass und die Sorgen in ihm irgendwann so übermächtig werden, dass sie seine Liebe endgültig und unwiderruflich vergiften?

Angst und Sorgen und Hass ... Und dieser Hass mischt sich mit Verlangen. Verlangen danach, dass es aufhört, und Verlangen danach, dass es nicht aufhört, dass die Nacht nicht zu Ende geht und er sich nicht wieder in dem endlosen Kreislauf aus medizinischen Untersuchungen und Krankenbesuchen gefangen sieht.

Vielleicht hat Khan recht. Vielleicht braucht er die Schmerzen, um sich davon zu überzeugen, dass es noch nicht vorbei ist.

Es ist nicht vorbei, bestätigt Khan, aber er versteht darunter nicht das, was Jim sich so verzweifelt wünscht. Es wird nie vorbei sein, James Kirk. Du wirst es lernen ... und ich freue mich darauf, zu sehen, ob du daran zerbrichst.

Jim kann nicht antworten. Die Angst hat ihre Hände um seine Kehle gelegt und drückt zu, langsam und qualvoll, und er kann nicht atmen, kann nicht atmen, kann nicht ...

Wir werden uns wiedersehen, flüstert Khan. Er steht nun so dicht vor ihm, dass Jim seine Atemzüge auf seiner Haut spüren kann. Eines Tages werden wir uns wiedersehen, und dann werde ich dir beweisen, dass du sie nicht beschützen kannst.

Er lächelt angesichts dieser Vorstellung und streckt die Hand aus, und seine Fingerspitzen berühren Jims Wange gerade sanft genug, um Jim erschaudern zu lassen. Er will das nicht. Es ist nicht richtig und es ist nicht falsch und es treibt ihn langsam, aber sicher in den Wahnsinn.

Khans Berührung wird stärker, sein Lächeln vertieft sich – und Jim schreit. Er schreit selbst dann noch, als er sich längst wieder in seinem Einzelzimmer im Krankenhaus wiederfindet, als Bones versucht, ihn zu beruhigen, als das hektische Piepsen der Monitore eine alarmierte Nachtschwester herbeieilen lässt.

Sie reden auf ihn ein, sie halten seine Arme fest, sie geben ihm Beruhigungsmittel ... und er gleitet zurück in die Dunkelheit, er macht einen weiteren Schritt in die Richtung des Abgrunds.

Die ganze Zeit über schwebt Khans lächelndes Gesicht vor ihm.
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