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STD 05 - Ein neuer Anfang

von Adriana

Vertrauen

Glinn Belora Karthals Kampfflieger bewegte sich wendig zwischen den Asteroiden, schlug raffinier-te Haken, um den Torpedos des Feindes auszuweichen. Das Fluggerät und seine Pilotin ver-schmolzen zu einer Einheit, die ihr Augenmerk auf ein einziges Ziel richtete: den Gegner fertig-zumachen. Dass die Torpedos nur simuliert waren und der Gegner in Wirklichkeit Glinn Inaran Matar von der Zweiten Jägerstaffel des cardassianischen Kriegsschiffes RELITEK war, spielte keine Rolle.
„Na, warten Sie, ich kriege Sie noch, Karthal!“ rief Glinn Matar. Seine Stimme klang durch das Comm-System des Jagdfliegers leicht verfremdet, aber zuversichtlich wie immer.
Matar war erst vor wenigen Wochen auf die RELITEK versetzt worden und Karthal war fest da-von überzeugt, dass sein Dienstalter und seine Fähigkeiten ihn zu viel mehr qualifizierten als zum einfachen Piloten. Er hätte längst Erster Offizier sein können, vielleicht sogar Gul. Doch dem stand ein entscheidender Faktor im Weg: seine Herkunft. Inaran Matar war nach dem Tod seiner Eltern in einem bajoranischen Waisenhaus aufgewachsen. Er besaß keinen Familienclan, keine einflussreichen Freunde und war dennoch so weit gekommen. Das bewunderte Karthal insge-heim, obwohl sie es vor ihren Kameraden auf der RELITEK nicht zugeben konnte. Viele der Offi-ziere aus angesehenen Familien behandelten Matar wie eine niedere Kreatur und gaben sich nur dann mit ihm ab, wenn er ihre Befehle ausführen sollte.
Sein Selbstbewusstsein schien allerdings nicht darunter zu leiden – und falls doch, ließ er sich nichts anmerken. Er schien weit über diesen Kleingeistern zu stehen, die den Wert einer Person an deren Ahnengalerie maßen. Seine Gelassenheit wirkte geradezu spirituell, wie die eines alten bajoranischen Vedek. Karthal war keine Freundin der Bajoraner, aber die innere Stärke, die sie aus ihrem Glauben schöpften, nötigte ihr von Zeit zu Zeit widerwilligen Respekt ab.
In diesem Augenblick erweckte Matar jedoch eher den Eindruck eines Jungen im vorpubertä-ren Alter, der mit den Mädchen Fangen spielte, um sie an den Zöpfen ziehen zu können. Auch Belora fühlte sich in ihre Jugend zurück versetzt, obwohl ein Flugmanöver eigentlich eine ernste Angelegenheit war. Doch die Art, wie sie und Glinn Matar sich spielerisch durch den Asteroiden-gürtel jagten, sich hinter großen Asteroiden versteckten, um dann unerwartet über den anderen herzufallen, erinnerte eher an den Paarungstanz läufiger Taspas als an eine Raumschlacht.
Karthal verbarg sich mit ihrem Jäger im Krater eines Asteroiden, der ihren Sensoren zufolge hohe Eisenerz-Vorkommen auswies. Das war perfekt, denn Eisenerz störte die Funktion fast al-ler elektronischen Abtastgeräte.
Wenn Matar jetzt vorbeikommen sollte, würde sie ihn erledigen.
Er ließ nicht lange auf sich warten. Sein Jagdflieger schrubbte wenige Meter an ihrem Asteroi-den vorbei. Karthal lag unter einem Felsvorsprung auf der Lauer. Wenn sie direkt auf ihn feuern wollte, musste sie ihre Position verlassen, und er würde sie entdecken.
Aber natürlich hatte sie längst einen Alternativplan ausgeheckt. Im selben Augenblick, als Matar vorbei flog, feuerte sie auf eine Quarzader am gegenüberliegenden Felsen. Der Quarz reflektier-te den imaginären Phaserstrahl und ...
Hoffentlich trifft er ... fieberte Karthal.
Zuerst sah es so aus, als würde der Strahl Matars Abfangjäger knapp verfehlen – doch dann streifte er sein Triebwerk. Matar wurde aus der Bahn geworfen. Beziehungsweise, er hätte aus der Bahn geworfen werden müssen, wäre dies ein echter und kein holografischer Phaser gewe-sen. Der Computersimulation zufolge wäre Matar nun – unfähig, den Kampfflieger rechtzeitig wieder unter Kontrolle zu bekommen – gegen den nächstliegenden Asteroiden geprallt.
„Erwischt! Sie sind tot, Matar!“ triumphierte Karthal.
„Das war nicht fair!“ protestierte der Mann.
„Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt“, konterte Karthal. „Ich habe die Verteidigung der Zweiten Staffel durchbrochen – das wäre nun der dritte Sieg in Folge für die Erste Staffel.“
„Es sieht es aus, als wären Sie Ihres Postens als Staffelkommandantin würdig, Karthal.“
„Haben Sie jemals daran gezweifelt?“
„Ich fordere selbstverständlich eine Revanche.“
„Keine Sorge! Die bekommen Sie!“
„Dafür, dass Sie mich nun zum zweiten Mal abgeschossen haben, sollten Sie mir außerdem ein Essen und eine Flasche Kanar ausgeben. Soviel Respekt sind Sie den Toten schuldig!“
Karthal lächelte zufrieden. Sieg auf der ganzen Linie ...
„Also gut“, stimmte sie nach kurzem Zögern zu.

***

Nach dem Manöver deaktivierte Karthal das Übungsprogramm und freute sich auf ihren wohlver-dienten Feierabend. Natürlich musste sie zunächst mit den anderen Piloten zur Manöverkritik an-treten – aber die konnte für sie nur positiv ausfallen.
Glinn Harek, Kommandant der Zweiten Staffel, lächelte sie grimmig an. Anders konnte man seinen Gesichtsausdruck beim besten Willen nicht beschreiben. Sicher fragte er sich gerade, was schlimmer war: dass seine Staffel zum dritten Mal in Folge den Kampf verloren hatte oder dass es ausgerechnet ein Frau war, die ihm immer wieder den Sieg vermasselte.
„Alle Achtung, Karthal, du hast uns ganz schön in den Hintern getreten“, brummte er.
Sie lächelte zuckersüß. „Jederzeit wieder!“
Hareks Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
„Klasse Idee mit der Quarzader, Ma‘am!“ ertönte in diesem Augenblick die Stimme von Glinn Borain, einem jungen Piloten aus ihrer Staffel.
Karthal schenkte ihm ein aufrichtiges Lächeln. Während sie ihre Truppe zum Versammlungs-platz führte, wurde sie von Stolz erfüllt. Es hatte über vier Jahre harter Arbeit gekostet, die Erste Jägerstaffel zu einer Einheit zusammenzuschweißen, die wie ein Mann dachte und kämpfte. Zumal der Kriegsdienst nicht gerade als Frauendomäne galt und es lange gedauert hatte, bis die Jungs ihre Skepsis gegenüber einem weiblichen Staffelkommandanten abgelegt hatten.
In der Kampffliegerbucht stellten sich die Piloten beider Staffeln in Rechteckformation auf. Die beiden Kommandanten Karthal und Harek nahmen jeweils die Kopfenden ein, flankiert von ihren Stellvertretern. Glinn Jilano Madred, der Erste Offizier der RELITEK, schritt stolz erhobenen Haup-tes die Reihen ab und ihre Finger spielten wie beiläufig mit dem Datenstäbchen, das ihren Bericht aufzeichnete. Madred war eine makellos schöne Frau, die jedoch die Warmherzigkeit einer Fleisch fressenden Echse ausstrahlte. Aber daran schien sich ihr Kommandant, Gul Lemak, nicht zu stören – im Gegenteil. Böse Zungen behaupteten, sie hätte den Posten als Erster Offizier nicht unbedingt wegen ihrer Leistung erhalten.
Karthal interessierte der Klatsch und Tratsch nicht. Das einzige, was sie interessierte, war Ärger mit Lemak und Madred zu vermeiden. Lemak war für seine Grausamkeiten auf Bajor berüchtigt und Madreds älterer Bruder leitete einen Gefängniskomplex auf Celtris III. Der Sadismus schien in der Familie zu liegen.
Nachdem Jilano damit fertig war, Harek für seinen „lahmen Haufen verweichlichter, schnuller-lutschender Bruchpiloten mit bajoranischer Pisse in den Adern“ runterzuputzen, marschierte sie kurz entschlossen auf Karthal zu. Die Kommandantin der Ersten Staffel ärgerte sich maßlos, weil ihr bei Jilanos kaltem Blick die Knie weich wurden. Aber sie wollte sich um keinen Preis etwas anmerken lassen. Was immer nun folgen sollte – sie würde es mit derselben stoischen Miene über sich ergehen lassen wie Harek zuvor.
„Sie haben Ihre Formation verlassen“, bemerkte Glinn Madred streng.
„Bei allem Respekt, Ma’am – aber ich habe innerhalb des Spielraumes gehandelt, den mir die Vorschriften im Falle einer Raumschlacht zubilligen.“
Jilano hob flüchtig die Mundwinkel. „Spielräume, Interpretationen und Willkür gehen Hand, in Hand, Karthal. Außerdem war dies keine Schlacht, sondern nur ein Manöver.“
„Das meine Staffel gewonnen hat“, konnte Karthal sich nicht verkneifen, zu kontern.
„Ihr Glück“, erwiderte Jilano emotionslos.
Dann wandte sich ab und taxierte die Piloten der erfolglosen Zweiten Staffel mit demselben ei-sigen Blick aus zusammengekniffenen, graugrünen Augen. Vor Glinn Matar blieb sie stehen und musterte ihn besonders abschätzig. Als ob es seine alleinige Schuld sei, dass die zweite Staffel verloren hatte!
Ein unkontrollierbarer Zorn stieg plötzlich in Karthal auf. Das war einfach nicht gerecht!
Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Jilano sie nicht besonders mochte – doch Männer hasste und verachtete sie ganz offensichtlich. Vor allem diesen Mann, der aus Madreds Sicht nicht viel mehr wert war als ein Bajoraner und sich trotzdem anmaßte, diese Uniform zu tragen.
„Bis 1900 werden Sie die Phaserbänke aller Kampfflieger in diesem Hangar nachjustieren“, sagte sie mit schneidender Stimme. „Ich erwarte, dass Sie zur vorgegebenen Zeit fertig sind. Ist das klar?“ Ihr Tonfall gewann mit jedem Wort an Schärfe.
Karthal wollte einwenden, dass es unmöglich sei, achtzig Kampfflieger in zwei Stunden zu überprüfen – doch sie wusste, dass ein derartiger Protest ungefähr so sinnvoll war, wie ein halb verhungertes Raubtier höflich zu bitten, sie nicht zu fressen.
„Darf ich offen sprechen, Ma’am“, sprudelte es trotzdem aus ihr heraus.
Jilano fuhr herum und starrte sie nur wortlos an.
„Bei allem Respekt, Ma’am – aber niemand weiß besser als ich, dass Glinn Matar sei Bestes gegeben hat. So wie alle Männer aus seiner Staffel! Und unserer! Ich habe ein unübliches Manö-ver angewandt, mit dem niemand rechnen konnte.“
„Habe ich Ihnen erlaubt, offen zu sprechen, Karthal?“ fuhr Jilano dazwischen.
„Nein, Ma’am, Entschuldigung, Ma’am.“ Karthal verfluchte sich für ihre voreilige Zunge.
Jilanos mahagonibraun geschminkte Lippen kräuselten sich spöttisch, ihre Augen blieben kalt wie immer. „Damit konnte also niemand rechnen … meinen Sie? Wenn diverse Rohrmaden hier …“ Ihr Blick schweifte unverkennbar zur zweiten Staffel. „… dem Kinderglauben erliegen, dass der Feind sich an Regeln hält, dann taugt ihre jämmerliche Hirnmasse noch weniger als das, was einem Ferengi aus dem Hintern fällt! Wie haben es hier mit dem Maquis zu tun – also strengt euch gefälligst mehr an!“
Der Maquis! Karthal hätte beinahe laut aufgelacht. Endlich hatten die Schreibtischkrieger im Zentralkommando wieder einen Feind – nachdem sie ihre Truppen von Bajor abziehen mussten und sich ganz offensichtlich langweilten. Ganz gleich, ob der Feind aus einer lächerlichen, bunt zusammengewürfelten Truppe Föderationskolonisten bestand, von denen einige bis vor kurzem noch nie einen Phaser in der Hand gehalten hatten. Es war ein Feind. Eine Rechtfertigung, um sämtliche verfügbaren Staatsgelder in die Rüstungsindustrie zu pumpen, während die Bewohner der Armenviertel Schnecken und Wühlmäuse über dem offenen Feuer rösten mussten, um überhaupt etwas im Magen zu haben. Gäbe es keine Feinde mehr, hätte die Herrschaft des Zentralkommandos ihre Berechtigung verloren. Das cardassianische Volk würde dies wahr-scheinlich sehr schnell begreifen und sich erheben.
Möglicherweise war Bajor gar nicht besetzt worden, weil Cardassia Lebensraum oder Rohstof-fe brauchte ... Sicher, die Cardassianer hatten vor hunderten von Jahren ihren eigenen Planeten weitestgehend ruiniert und seine Ressourcen verbraucht ... Aber die Galaxie war voll von unbe-wohnten Klasse-M-Planeten, deren Klima zum Teil viel wärmer und angenehmer war als das Ba-jors. Dennoch unterdrückte das cardassianische Militär die Bajoraner, diese setzten sich zur Wehr ... hasserfüllte bajoranische Terroristen töteten Männer, Frauen und Kinder ... und ein neu-es Feindbild war geboren. Nun, seit es kaum noch Pazifisten und Demokratiefanatiker gab, die man nach effektvollen öffentlichen Prozessen einsperren und hinrichten konnte ...
Und wenn es irgendwann keinen Maquis und keinen Terrorismus mehr gab? Was würden die Herrschenden wohl tun, um den Hass und den Kampfgeist ihrer Anhänger aufrecht zu erhalten, um ihre Gier nach Feindbildern, Schauprozessen, Sensationen, Verschwörungstheorien, Mord und Totschlag zu befriedigen? Wen würden sie verfolgen und vernichten? Ihre eigenen Leute?
Bei diesem Gedanken wurde Karthal ganz schwindelig. Schließlich kannte sie genügend Ge-schichten von braven cardassianischen Bürgern, die eines Nachts spurlos verschwanden und ir-gendwann in den Leichenhallen wieder auftauchten. Verdammt, sie brauchte ihre Gedanken nur laut auszusprechen und würde selbst zu diesen Unglücklichen gehören! Bei dieser Vorstellung tat ihr Magen weh und es juckte unerträglich unter ihren Halsschuppen. War es nicht paradox, dass man junge Cardassianer schon im Alter von vier Jahren einem konsequenten Training des Ver-standes unterzog – und später mussten sie Angst haben, diesen Verstand zu benutzen?
Karthals Gedanken drehten sich im Kreis. Pochende Schmerzen hinter ihren Schläfen warnten sie vor ihrer eigenen Courage.
Der Maquis … Die Piloten der RELITEK wurden jedes Mal von einem unbändigen Stolz überwäl-tigt, wenn sie auf dem Holodeck in ihren Jagdfliegern saßen und auf simulierte Maquis-Raider feuerten. Es war ein Gefühl, dass sie lange vermisst oder vorher nicht gekannt hatten. Selbstver-ständlich war auch Karthal der Meinung, dass jeder Maquis für seine Verbrechen am Galgen baumeln sollte. Doch aus ihrer Sicht bauschte das Militär die Bedrohung unnötig auf. Es verging kein Tag, an dem nicht grausame Bilder von einstürzenden Gebäuden, explodierenden Schiffen und verstümmelte Zivilisten über alle öffentlichen Bildschirme flimmerten. Ein geübtes Auge er-kannte schnell, dass es immer wieder dieselben Bilder waren.
„Und Sie, Karthal …“ Nun stand Jilano Madred plötzlich wieder vor ihr und stemmte ihre linke Hand in die Hüfte. „Sie merken sich, dass ich nicht den geringsten Disziplinverstoß dulden werde! Für die Unverschämtheit, ohne meine Erlaubnis zu sprechen, müsste ich Sie eigentlich drei Tage in die Dunkelzelle sperren – aber dummer Weise kann ich Sie nicht so lange entbehren. Also werden Sie Matar dabei helfen, die Jäger zu überprüfen.“
„Jawohl, Ma’am“, erwiderte Karthal nur und unterdrückte ein Stöhnen.
Harek warf ihr einen Blick zu, der ihr soviel sagte, wie „Du bist in meiner Achtung gerade eine halbe Treppe gestiegen“ – und sie fühlte sich ein wenig besser.
„Ihr solltet mir dankbar sein. Der Maquis ist nicht so gnädig wie ich.“ Jilano nickte knapp und schritt hoch erhobenen Hauptes davon.
Matar lächelte und zuckte resigniert mit den Schultern, als sie allein im Hangar zurückblieben. „So gern ich ein wenig Zeit mit Ihnen allein verbringe – ein anderes Ambiente wäre mir lieber.“
Zu seiner großen Überraschung lächelte Karthal. „Welches zum Beispiel?“
Im nächsten Augenblick ärgerte sie sich wieder über ihre vorschnelle Reaktion. Was war heute nur los mit ihr? Normalerweise trug sie ihr Herz nicht auf der Zunge, das konnte tödlich sein.
Matar blickte sie nachdenklich an, so als versuchte er herauszufinden, ob sie sich über ihn lus-tig machte. Dann lächelte er zurück. „Die RELITEK dockt in sieben Tagen auf KALRAK NOR an, richtig? Dort gibt es eine Bar … ‚Zur rasenden Wühlmaus‘ …“
„Schäbig, laut und voller betrunkener Soldaten“, entgegnete Karthal angewidert. „Es gefällt Ihnen dort bestimmt nicht.“
„Naja, es ist die einzige Bar, die ich kenne – aber wenn Sie was Besseres wissen?“
„Das lissepianische Restaurant ist nicht schlecht“, antwortete Karthal – und biss sich nicht zum ersten Mal an diesem Tag auf die Lippe. Zum Henker, sie hatte wohl ihren Verstand zusammen mit der Kampfsimulation abgeschaltet! Ihr Vater würde zwar ein Freudenfest feiern, wenn sie endlich ihren arbeitslosen versoffenen Ehemann abschob. Doch wenn sie ihn gegen einen Nie-mand aus einem bajoranischen Waisenhaus eintauschte, würde er sie vermutlich enterben.
„Dann warte ich in der ‚Rasenden Wühlmaus‘ auf Sie, damit niemand auf dumme Gedanken kommt. Und sobald sich eine Gelegenheit ergibt ...“ Er lächelte hintergründig und führte den Satz absichtlich nicht zuende.
Karthal nickte. Inaran wusste genau wie sie, dass romantische Techtelmechtel auf der RELITEK nicht gern gesehen wurden. Ein Glück, dass er ihr nicht direkt unterstellt war – sonst wäre es so-gar gegen die Vorschriften! „Wie weit sind Sie?“ fragte sie steif.
„Bei Nummer achtundzwanzig.“
„Ich bei Nummer sechsundzwanzig. Wenn in wir diesem Tempo weiter arbeiten, können wir vielleicht sogar verhindern, dass Madred uns ihr Büro mit der Zahnbürste putzen lässt.“
„Wo haben Sie denn den Unsinn her?“ Inaran lachte.
„Aus einem Roman von der Erde.“
„Sie kennen sich mit der Literatur der Menschen aus?“
„Meine Mutter war Xenosoziologin, ihr Spezialgebiet waren die Welten der Föderation.“
„Ihre Mutter ist tot?“
„Woher wissen Sie das?“
„Sie sprachen von ihr in der Vergangenheit.“
„Sie haben recht“, erwiderte Karthal ausdruckslos.
„Wie ist es passiert? Falls Ihnen diese Frage nicht unangenehm ist...“
„Sagen wir, ihre Faszination für andere Welten wurde ihr irgendwann zum Verhängnis.“
„Der Obsidianische Orden“, schlussfolgerte Inaran bitter.
„Nein. Ein tödliches Virus.“
„Ich weiß leider gar nichts über meine Mutter. Und ebenso wenig über meinen Vater. Meine El-tern wurden von bajoranischen Terroristen getötet, als ich noch ein Baby war.“
Karthal räusperte sich. „Wie war es … in einem bajoranischen Waisenhaus aufzuwachsen, meine ich … Falls Sie darüber reden möchten, heißt das …“
„Die bajoranischen Erzieher waren gut zu uns – ob Sie das glauben oder nicht.“
Karthal blickte erstaunt von ihrer Arbeit auf.
„Was haben Sie erwartet?“ fragte er mit einem provozierenden Unterton in der Stimme. „Das Kinderheim war mein Zuhause, ich bin nicht mal freiwillig zum Militär gegangen! Sie haben mich mit fünfzehn Jahren in eine Uniform gesteckt, weil sie Kanonenfutter brauchten und die Jungs aus dem Heim niemand vermissen würde.“
Karthal holte tief Luft und durchbohrte ihn mit einem scharfen Blick. Inarans äußeres Erschei-nungsbild war eine Konzentration von Widersprüchen: sehr schlank, aber durchaus muskulös, ein Gesicht mit harten Linien, das dennoch eine gewisse Sensibilität verriet, schmale, feingliedrige Hände, die seltsamer Weise den Eindruck erweckten, als könnte er damit einen Steinbruch um-graben, Augen von einer undefinierbaren Farbe, die manchmal schelmisch aufblitzten und an-sonsten nichts an die Oberfläche dringen ließen. Seine Vergangenheit schien so lückenhaft wie eine Datenbank, in der ein besonders hinterhältiger Computervirus gewütet hatte, seine wahren Gefühle und Motivationen kamen einem Rätsel gleich.
Obwohl Sie ihn hochgradig interessant und attraktiv fand – oder gerade deswegen – verspürte sie den unwiderstehlichen Drang, ihm die Meinung zu sagen. „Es mag ja sein, dass man Sie nicht verhungern ließ und sicher haben Ihnen ein paar weichherzige Bajoranerinnen die eine oder an-dere Gutenachtgeschichte vorgelesen … trotzdem sollten Sie nie vergessen, dass dieses Pack Ihre Eltern umgebracht hat!“
„Glauben Sie mir, das vergesse ich nicht! Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir ihren Planeten annektiert haben. Es war ihr gutes Recht, sich zu wehren.“
Karthal war fassungslos. Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Sie können wirklich froh sein, dass ich nicht willens und fähig bin, Sie zu denunzieren!“ erwiderte sie, als sie endlich die Sprache wiederfand. „Jeder einzelne Satz, den Sie gerade von sich gegeben haben, reicht, um Sie vor Gericht stellen und hinrichten zu lassen!“
„Jeder denkt, er kann seine Haut retten, indem er niemandem vertraut. Wo soll das enden?“
„Ich hoffe, es endet für Sie nicht eines Tages vor dem Erschießungskommando!“
„Auf die Dauer kann man so nicht leben. Irgendwann wird man entweder unvorsichtig oder wahnsinnig“, erklärte Matar nüchtern.
Schweigend setzten beide ihre Arbeit fort.
„Wenn Sie die Bajoraner so sehr mögen, haben Sie sich eindeutig den falschen Beruf ausge-sucht“, bemerkte Karthal schließlich.
„Ich habe es wegen meiner Frau getan.“ Ein bitterer Unterton mischte sich in seine Stimme. „Rekelen selbst legte keinen Wert auf Ränge oder Titel – ihre Familie schon. Ich musste etwas darstellen, damit ich sie heiraten durfte.“
„Verstehe“, erwiderte Belora kühl. Den Stich, den sie plötzlich verspürte, hielt sie für Enttäu-schung oder Eifersucht. Doch Inarans Geschichtsausdruck sagte ihr, dass seine Frau Geschich-te war … dass sie sich nicht einfach nur getrennt hatten, sondern eine Tragödie dahinter stand.
„Keine Angst, liebe Belora, ich bin nicht so ein Kerl, der in jedem Hafen eine Braut hat“, bestä-tigte er kurze Zeit später ihre Vermutung. „Rekelen ist schon seit vielen Jahren tot.“
„Das … das tut mir wirklich Leid“, brachte sie stockend heraus.
„Wollen Sie wissen, wie es passiert ist?“ legte er nach und fixierte sie regelrecht mit seinen un-ergründlichen Augen.
Nein, das wollte sie nicht wissen. Oder doch?
Er wartete ihre Antwort gar nicht erst ab. „Rekelen, meine Frau, arbeitete in der Waffenfor-schung“, erklärte er mit brüchiger Stimme. „Sie war beteiligt an der Programmierung automati-scher Raketen. Es war nicht ihre Wahl, aber sie war richtig gut. Selbstverständlich war sie gut – so gut, dass ihre eigene Schöpfung ihr unheimlich wurde.“ Er legte eine dramatische Pause ein, bevor er fortfuhr. „Eines Tages kam der Punkt, wo sie ihr Gewissen nicht mehr mit ihrer Arbeit vereinbaren konnte. Was dann mit ihr passiert ist, können Sie sich sicher denken.“
Belora schluckte. Zum Glück war sie mit ihrer Arbeit fertig und hatte Glinn Madred schon Be-scheid gegeben. Ihr Inneres war so aufgewühlt, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. „Sie wurde hingerichtet, nicht wahr?“
„Von hinten erschossen – und zwar mit einer Splitterkanone“, ergänzte er tonlos. „Keine schöne Art, zu sterben. Hunderte winziger Metallsplitter bohren sich in deine Eingeweide ... Sie hat noch mehrere Stunden gelebt … Können Sie sich das vorstellen?“ Er schluckte sichtbar.
„Nein“, erwiderte Belora dumpf und studierte die Beschaffenheit des Fußbodens.
„Und da soll ich noch Angst haben, dass Sie zu Lemak rennen, um mich anzuschwärzen? Falls Sie denken, es sei Ihre Pflicht als brave Bürgerin Cardassias, dann tun Sie es meinetwegen – mir ist es egal! Seit Rekelens Tod habe ich nichts mehr zu verlieren.“
„Aber ich“, erwiderte sie leise.
Ihr heftiges Mitgefühl mit Inaran und seiner Frau stand im Widerstreit mit der allmächtigen Pa-ranoia. Abhörgeräte des Obsidianischen Ordens … sicher, es war ziemlich unsinnig, diese Dinger in der Kampffliegerbucht anzubringen, aber … wenn nun ein Spitzel oder ein übereifriger Offi-ziersanwärter dieses delikate Gespräch aufgeschnappt hatte … oder noch schlimmer: Glinn Madred konnte jeden Moment hier auftauchen, um die Jagdflieger abzunehmen. Vielleicht war sie schon auf dem Weg? Bei diesem Gedanken wurde Belora ganz flau im Magen. Sie lehnte sich gegen einen Flieger und der Raum drehte sich um sie. Vielleicht sollte sie diesen faszinie-renden Mann ganz schnell vergessen … einen Schutzschild gegen seine Anziehungskraft aus-fahren … Sie hegte berechtigte Zweifel, ob sie das konnte.
„Das führt uns zur ursprünglichen Frage, nicht wahr?“ Inarans Lächeln erreichte seine Augen nicht. „Was bleibt uns noch, wenn wir niemandem vertrauen? Ich kann nur für mich sprechen: Mir bleibt rein gar nichts! Ich will Sie nicht in Schwierigkeiten bringen, Belora – aber irgendwas sagt mir, dass Sie seit Rekelen die erste Bewohnerin dieses hervorragenden Imperiums sind, der ich voll und ganz vertrauen kann. Sie können mir nicht übelnehmen, dass ich versuche, heraus-zufinden, ob es wirklich so ist.“ Er atmete tief durch, bevor er fortfuhr: „Der Maquis wird immer skrupelloser. Vielleicht bleibt uns ja nicht viel Zeit.“

***

Sieben Tage später wartete Glinn Inaran Matar in der „rasenden Wühlmaus“ und starrte nachdenk-lich in seinen Drink, an dem er sich seit einer gefühlten Ewigkeit festhielt. In einer halben Stunde würde er Belora Karthal treffen, zum ersten Mal abseits von Dienst und Pflicht, Etikette und Mili-tärprotokoll.
Er hatte sie erst einmal in Zivil gesehen, auf der Geburtstagsfeier des Logistikoffiziers Glinn Tokar. Damals hatte sie hatte ein hautenges, dunkelviolettes Kleid getragen, mit einem tiefen Ausschnitt, der seinen Blick unwillkürlich auf ihr üppiges Dekolletee und die filigranen Schuppen auf ihren Schlüsselbeinen gelenkt hatte. Und nicht nur seinen Blick … Fast jeder Mann hatte Be-lora Karthal mit den Augen verschlungen: Von den Wurzeln ihrer langen blauschwarzen Haare über die kurvenreiche Figur bis zum Saum ihres fast bodenlanges Kleides. Sie gab sich unbetei-ligt und vertiefte sich mit Glinn Tokar in ein Gespräch über das Farbempfinden der Künstler in der Hebitanischen Epoche. In Wahrheit schien sie das Interesse der Männer zu genießen – nur vor Gul Lemaks gierigem Blick hätte sie sich am liebsten versteckt. Bei der Vorstellung, der Ver-gewaltiger und Mörder unzähliger Bajoranerinnen ginge in seiner Fantasie mit ihr ins Bett, würde ihr übel, hatte sie ihm in einem seltenen Moment der Offenheit gestanden. Vielleicht hielt sie Ba-joraner für sprechende Tiere, doch wenigstens billigte sie den unschuldigen unter ihnen ein Recht auf Leben zu.
Tief in Gedanken versunken, die sich vor allem um Beloras aufregende Kleider sowie Belora ohne Kleider drehten, bemerkte er nicht, dass Glinn Borain sich neben ihn an den Tresen stellte. „Na, Kamerad, was liegt an?“ grüßte der junge Pilot.
„Was soll schon anliegen?“ gab Inaran gleichmütig zurück. Er hatte keine Lust auf eine Unter-haltung mit Borain, weshalb er einen Stich von Schuldbewusstsein fühlte. Immerhin zählte der Pi-lot zu den wenigen Offizieren auf der RELITEK, die ihn nicht wie eine exotische Kreatur aus dem Zoo behandelten. Sicher, viele Cardassianer lernten ihn irgendwann zu respektieren und zu mö-gen – aber nach jeder Versetzung begann der Kampf aufs Neue.
Borain grinste. „Du weißt schon ... Hast du irgendwelche Fortschritte gemacht?“
„Fortschritte?“ Matar wandte sich um.
„Mit Glinn Karthal natürlich!“ Borains Grinsen wurde breiter. „Denk doch nur mal an diese Figur … Die Frau ist bestimmt eine Granate im Bett!“ Er blickte erwartungsvoll zu Inaran auf, wohl in die Hoffnung auf eine Antwort, die seine spätpubertäre Fantasie beflügelte.
Stattdessen funkelte Matar ihn drohend an. „Bitte ein bisschen mehr Respekt gegenüber dei-nem Vorgesetzen Offizier – oder willst du, dass ich dich mit dem Abwaschlappen füttere?“
„Nun reg dich ab und lass uns was trinken, bevor dich deine neue Flamme in den Waffen-schrank abschleppt.“ Borain klopfte Inaran beschwichtigend auf die Schulter.
„Hehe, mit der will ich auch mal ein paar Waffen ausprobieren“, gab eine tiefe Männerstimme aus dem Hintergrund zum Besten.
„Dann lass uns mal wissen, was deine Kanone so drauf hat, Matar“, warf ein anderer Pilot aus Karthals Staffel dazwischen und die anderen grölten in trauter Kanar-Seeligkeit.
„Na, hoffentlich mehr als beim letzten Manöver – sonst braucht Karthal sicher Trost!“
Inaran Matar fuhr wütend herum. Die Stimme gehörte Glinn Raktan, einem Kerl mit einem Kreuz wie ein Möbelpacker und einer zweifach gebrochenen Nase.
„Aber nicht von einem wie dir“, erwiderte Matar abfällig. „Fang dir ein anderes Weibchen für deine Höhle und sieh zu, dass du das Feuer entdeckst – sonst wird sie nicht lange bleiben.“
Raktan holte wütend zum Schlag aus, aber da er schon mehrere Gläser Kanar getrunken hatte, ließ seine Koordination zu wünschen übrig. Matar wich ihm geschickt aus und Raktans Faust krachte statt dessen gegen Borains Schläfe.
„He, was fällt dir ein, du Idiot?“ regte sich der junge Pilot auf. Er holte zum Gegenschlag aus.
Matar kam ihm zuvor, packte Raktans Kinn, klappte es herunter. Ohne auf den Protest des Barkeepers zu achten, schnappte er sich eine faustgroße Lomak-Frucht vom seinem Tablett und stopfte sie Raktan zwischen Zähne.
„Hast du sie nicht mehr alle? Bajoranische Rattenkacke!“ brabbelte dieser wütend, als es ihm endlich gelungen war, die Frucht auszuspucken.
Einer der anderen Männer trat sie achtlos breit, so dass im Umkreis von einem Meter alles mit rotviolettem Saft voll gespritzt wurde. Im nächsten Augenblick knallte Raktans Faust gegen Ma-tars Kinn. Inaran, um den sich alles drehte, schlug blindlings zurück. Er wusste nicht, was er ge-troffen hatte, doch Raktan heulte schmerzerfüllt auf. Eine Minute später wälzten sich die beiden als zorniges Knäuel auf dem Boden. Schon bald versammelte sich eine johlende, pfeifende Traube von Männern und einigen wenigen Frauen um sie. Es schien ihnen egal, wen sie anfeuer-ten – Hauptsache, derjenige hatte gerade die Oberhand.
Die Situation eskalierte, als ein Freund Raktans Borain in den Schwitzkasten nahm. Binnen weniger Minuten flog allerhand Geschirr durch die Luft, um kurz darauf an der Wand oder auf dem Fußboden zu zerschellen. Das Terrarium hinter der Theke zerbrach und die beidem Kampfwühlmäuse flitzten mit Warpgeschwindigkeit zwischen den Stiefeln der Anwesenden hin-durch. Der holzgesichtige Kressari-Barkeeper verkroch sich ängstlich unter seinem Tresen und verlangte mit schriller Stimme nach dem Sicherheitsdienst.
Matar drohte den Kampf zu verlieren. Obwohl Raktan soviel Alkohol ausschwitzte, dass er vermutlich eine Brandgefahr darstellte, war er bemerkenswert kräftig. Verwegen grinsend hob er die Faust, um Inaran mindestens so viele Zähne auszuschlagen, wie er selbst verloren hatte.
Ein ohrenbetäubender Knall und eine Sinfonie von schrillen Schreien lenkte ihn ab.
Inaran war geistesgegenwärtig genug, sich aus Raktans Umklammerung zu winden.
Was, zum Henker, war dort draußen passiert?
Dann dachte er nur: Belora! Hoffentlich war sie nicht gerade in jenem verhängnisvollen Mo-ment auf die Station gebeamt. Hoffentlich waren die Schreie nicht ihre.
Da zersplitterten die Fenster, ein Schwall von Rauch und höllischer Hitze hüllte die Gäste ein.
„Runter, verdammt!“ brüllte Matar und packte Borain, der gerade mit einem Eisbeutel sein zu-geschwollenes Auge kühlte.
Eine Salve von Glassplittern fegte über sie hinweg. Die Schreie der Gäste in der Bar mischten sich mit dem Wimmern der Verletzten auf dem Promenadendeck.
Eine Bombe! schoss es Inaran durch den Kopf. Es konnte nur der Maquis gewesen sein. Schon seit Wochen machte diese Terrorgruppe Minak Fünf unsicher – aber bisher war es ihnen noch nie gelungen, eine Bombe auf die Station im Orbit zu schmuggeln.
Wieder dachte er an Belora und fühlte schwelende Angst.
Ein junger Mann mit blutüberströmtem Gesicht wankte auf ihn zu. Seine Schritte wirkten steif und ungelenk wie die eines Roboters, seine Augen blickten starr geradeaus. Unzählige bunte Glassplitter steckten in seiner Haut. Ein größerer Splitter hatte seinen linken Nackenkamm durchbohrt. Inaran schloss die Augen, zitterte plötzlich am ganzen Körper. Aber nicht das Blut war schuld daran, sondern die Erinnerungen an den grausamen Tod seiner Frau.
„Alles in Ordnung?“ fragte Borain besorgt.
„Muss raus hier“, stammelte Inaran. „Belora …“
„Oh verdammt, ja!“ rief der Pilot. „Nicht dass sie gerade … warte, ich komme mit!“ Kurzent-schlossen sprang er auf die Füße und folgte Inaran, der gerade aus der Bar stürmte.
Das Promenadendeck hatte sich in ein Schlachtfeld verwandelt. An den Fassaden einiger Ge-schäfte züngelten Flammen auf. Sicherheitsleute hielten die panische Menge mit Betäubungs-waffen in Schach. Ihre kurzatmigen Befehle wurden immer wieder durch lautes Stöhnen und Schreie unterbrochen. Zwei Sanitäter hasteten an Inaran und Borain vorbei. Auf ihrer Trage lag ein wimmernd zusammengekrümmter Mann, dem die Explosion einen Arm abgerissen und das Gesicht weggebrannt hatte. Eine Frau saß zusammen gesunken vor ihrem ausgebrannten Be-kleidungsgeschäft, den Kopf in beide Hände gestürzt, und stand offensichtlich unter Schock. Aber niemand hatte Zeit, sich um sie zu kümmern.
Auch Inaran nicht, denn seine Augen suchten die Menge hektisch nach Belora ab. Er rief im-mer wieder ihren Namen, aber seine Stimme war nur ein verzweifeltes Krächzen, das der allge-meine Lärmpegel gnadenlos übertönte.
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