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Wildes Blut

von Martina Bernsdorf

Kapitel 1

“Major Kira, wir empfangen das Signal eines bisher unidentifizierbaren Raumschiffes.”
Lt. Dax wandte sich an den Ersten Offizier von Deep Space Nine, da sich Commander Sisko momentan in seinem Büro mit den Tücken der bajoranischen Bürokratie beschäftigte, die sich standhaft weigerte, mit dem der Sternenflotte konform zu gehen.
Eigentlich hätte Sisko sich gewünscht, sein bajoranischer Erster Offizier könne ihm dabei behilflich sein, doch Kira und die Bürokratie schien eine lange unversöhnliche Feindschaft zu verbinden. Es war ihm sicherer für seine Büroeinrichtung erschienen, sie wieder zurück auf die Ops zu schicken.
“Auf den Schirm, Lieutenant”, befahl Kira knapp und konzentrierte sich auf das Bild, das die Sensoren übermittelten. Die Konstruktion des Schiffes wirkte keinesfalls unvertraut.
“Es sieht aus wie eines dieser kleinen Wissenschaftsraumschiffe, die zu Dutzenden in den Gammaquadranten aufgebrochen sind. Haben Sie noch immer keine positive Identifizierung, Dax?”
Kira klang leicht ungeduldig, aber der Wissenschaftsoffizier ließ sich dadurch keinesfalls aus der Ruhe bringen. Als Trill konnte Dax auf sieben Lebensspannen an Erinnerungen zurückgreifen, das brachte eine gelassene Sicht der Dinge mit sich.
“Das Raumschiff ist nun nah genug für einen Scan.”
Die hübsche junge Frau, die den Wirt für den Trill-Symbionten bot, ließ ihre Finger virtuos über die wissenschaftliche Konsole gleiten.
“Es ist tatsächlich ein Forschungsraumer, Major. Die Delix. Das Schiff gehört einer wissenschaftlichen Fakultät auf der Erde und reist unter Föderationskennung. Sie ist vor drei Monaten in den Gammaquadranten aufgebrochen. Eigentlich hatten sie eine zweijährige Mission geplant.”
Kira hob eine Augenbraue.
“Womöglich ist der Gammaquadrant viel langweiliger, als wir alle gedacht haben? Rufen wir sie, um es festzustellen!”
Dax schüttelte den Kopf.
“Anscheinend ist dies nicht möglich. Seit die Delix in Reichweite der Kommunikationssignale ist, habe ich versucht, einen Kontakt herzustellen. Eine Antwort haben wir bisher nicht erhalten, obwohl ihre Kommunikationssysteme anscheinend voll funktionstüchtig sind.”
Kira zog die Augenbrauen über ihren nachtschwarzen Augen zusammen. Es war vielleicht ein wenig ungewöhnlich, dass ein Raumschiff nicht antwortete, aber dafür gab es viele mögliche Erklärungen.
“Aus wie vielen Personen besteht die Besatzung der Delix?”
Kira trat hinter Dax, um auf die Anzeige zu sehen.
“23 Mannschaftsmitglieder, hauptsächlich Wissenschaftler und eine siebenköpfige Piloten- und Techniker-Crew.” Dax runzelte die Stirn, während sie die Informationen vom Computer abrief. Sie ließ einen Blick auf die Annäherungssensoren ruhen.
“Der momentane Kurs des Schiffes wird in drei Minuten zur Kollision mit einem der Segmentringe führen.”
Kira hatte ein ungutes Gefühl, was dieses so seltsam schweigende Raumschiff anging. Ihre Instinkte waren gut ausgeprägt, und die rieten ihr, dieses Schiff abzuschießen. Der Impuls war so heftig, dass sie ihn beinahe ausgesprochen hätte, ehe der analytische, rationale Teil ihrer Selbst Oberhand gewann. “Scannen Sie die Lebensformen an Bord.”
Dax warf Kira einen prüfenden Blick zu. Die Vorsicht des Ersten Offiziers schien übertrieben, eigentlich hätten sie das Schiff bereits an einen Traktorstrahl ankoppeln sollen.
“Die Sensoren liefern kein klares Signal.” Dax runzelte die Stirn. “Ich bekomme zwei Signale, aber sie sind verzerrt. Eine Ursache für die Interferenzen lässt sich jedoch nicht finden.”
“Zwei Lebensanzeichen, von 23 Besatzungsmitgliedern? Was ist mit dem Rest der Mannschaft?”
Dax hob die Schultern zu einem halbherzigen Achselzucken. Sie hatte auch keine Erklärung für die ungeduldige Major. Allerdings wusste sie eines genau, wenn sie nicht binnen der nächsten zwei Minuten etwas unternahmen, würde das Raumschiff mit einem der Segmentringe kollidieren und DS9 erheblich beschädigen.
“Major!” In Dax´ Stimme klang ein intensives Drängen.
Kira besann sich widerwillig auf die Stationsroutine in solchen Fällen, auch wenn sie nicht gewillt war, die warnende Stimme in ihrem Inneren zu ignorieren.
“Hängen Sie die Delix an einen Traktorstrahl”, befahl Kira, “und lassen Sie das Schiff an Andockschleuse sieben ankoppeln. Sichern Sie den Bereich um diese Schleuse, niemand soll sich dort aufhalten, und informieren Sie Odo.”
Sie blickte zum Büro auf und erinnerte sich mit einem Schaudern daran, dass vor nicht allzu langer Zeit dort noch der cardassianische Gul Dukat geherrscht hatte. “Ich werde Commander Sisko über die Entwicklung der Dinge unterrichten.”

* * * * *

Die Andockschleuse und der dazugehörige Gang waren leer. Commander Sisko, Major Kira sowie Dr. Bashir und Odo, der Sicherheitschef, mit einer vierköpfigen Mannschaft waren die einzigen, die vor der Schleuse standen. Sie waren alle bewaffnet, außer Odo, der als Gestaltenwandler lieber auf andere Verteidigungsmöglichkeiten zurückgriff.
Dr. Bashir war nervös.
Alle Augen waren auf ihn gerichtet, und besonders der intensive Blick von Major Kira machte ihm zu schaffen. Die Frau hatte eine Art, einen anzusehen, dass man hinterher unwillkürlich seine Uniform nach Brandlöchern absuchte. Geduld war nicht gerade ihre starke Seite, und dies konnte man ihrem Blick ansehen. Doch Bashir wollte sichergehen, auch wenn dies Zeit kostete. Es ging um seine Verantwortung, wenn er ihnen erlaubte, die Delix zu betreten. Er wollte sich sicher sein, dass nicht irgendein seltsamer Virus die Mannschaft des Forschungsschiffes auf dem Gewissen hatte. Unachtsamkeit könnte womöglich tödliche Viren auf DS9 einschleppen, und einen Irrtum konnte er sich nicht leisten.
“Ich habe ausführlich gescannt. Die Luftproben der Delix lassen mich zu dem Schluss gelangen, dass nichts Medizinisches hinter dem Problem steht. Vielleicht sind nur die Scanner gestört, und die Besatzung ist gesund und munter.”
Bashirs Lebenseinstellung war optimistisch, etwas zu optimistisch für Kiras Geschmack. Man konnte sie nicht als Pessimistin bezeichnen, aber die Grundhaltung ihres Wesens war der Zynismus. Zuviel Schlechtes prägte ihre Vergangenheit, Kriege, Tod und Gewalt, aus solch einer Umgebung konnte kein Optimist hervorgehen. Die Naivität Bashirs war immer ein rotes Tuch in Kiras Augen, weil sie dem jungen Arzt, der nicht einmal viel jünger als sie selbst war, seine Unreife neidete. Sie hatte nie eine Jugend gehabt, und daher fühlte sie sich viel älter.
“Doktor, glauben Sie, diese gesunden und munteren Besatzungsmitglieder haben ein kollektives Schweigegelübde abgelegt, oder dass sie alle stumm geworden sind angesichts unserer imponierenden Raumstation?”
Sisko hatte Mitleid mit dem Arzt.
“Major, bitte!”
Kira schnaubte angewidert durch die Nase, die wie bei allen Bajoranern die charakteristischen Kerben auf dem Nasenrücken aufwies.
Der dunkelhäutige Commander der Station blickte seine Stellvertreterin nachdenklich an. Dass sie und der Arzt sich nicht gut verstanden, war kein Geheimnis, aber so schroff war sie an sich nicht mehr. Im letzten Jahr hatten sie alle zu einer Basis der Zusammenarbeit gefunden.
Anfangs hatte er Kira für einen arrogante, feindselige, in den Kampf verliebte Kämpferin gehalten, aber sie hatten einander Respekt abgerungen und sogar zu einer Freundschaft gefunden, die eine feste Basis des gegenseitigen Vertrauens und des Verständnisses für die Gegensätze, die ihre Kulturen und ihre Vergangenheiten mit sich brachten, hatte.
Ihre Reaktion war insofern ungewöhnlich.
Zornig gab sie sich gerne, Zorn war eine Art Schutzschild für sie. Doch unter diesem Zorn und diesem Sarkasmus lag ein anderes Gefühl, das er von Kira nicht kannte - Angst.
Sie stand ein wenig abseits, und Sisko trat zu ihr, nahe genug, um ihr Gespräch unter vier Augen zu halten.
“Was ist los, Kira? Reißen Sie dem armen Julian doch nicht gleich den Kopf ab, wenn er seiner Hoffnung Ausdruck verleiht. Ich hoffe, er hat recht!”
Kira sah den hochgewachsenen Commander mit einer überraschenden Melancholie in ihren ausdrucksstarken Augen an.
“Ich wünschte, ich könnte es auch glauben. Doch ich spüre mit jeder Faser meiner Selbst, dass etwas Entsetzliches hinter diesem Schott auf uns wartet. Mir ist klar, dass wir die Besatzung nicht gesund antreffen. Fragen Sie mich nicht, warum, dafür gibt es keine rationale Erklärung. Nennen Sie es den Instinkt einer Bajoranerin, die mit Gefahr aufgewachsen ist.”
Sisko griff beunruhigt nach seinem Phaser. Es war eine unwillkürliche Bewegung, und Kira registrierte sie mit einem schiefen Lächeln.
“Ihnen geht es unterbewusst nicht anders, Commander. Ich denke, wir sollten sehr vorsichtig sein.”
Sisko nickte. Dies war sicherlich angebracht, er vertraute Kira, und außerdem hatte sie recht - er spürte es auch.

* * * * *

Das Andockschott öffnete sich wie ein stählerner Rachen, bereit, sie zu verschlingen.
Der Öffnungsmechanismus der Delix bot keinen Widerstand, Schäden waren auf den ersten Blick an dem Forschungsschiff nicht erkennbar.
Die Offiziere traten langsam und mit nahezu übertrieben wirkender Vorsicht durch das Schott. Ein Schwall feuchtwarmer Luft empfing sie. Irgendjemand hatte mit den Umweltkontrollsystemen herumgespielt, es war wärmer, als man es auf einem Schiff erwarten konnte, auf dem laut Angaben nur Terraner geflogen waren. Die stickige Luft trug außerdem einen Geruch mit sich, der Bashir wünschen ließ, nicht so üppig gefrühstückt zu haben. Sogar Siskos Gesichtsfarbe nahm einen helleren Ton an.
Kira verzog das Gesicht angesichts dieses Gestanks. Sie fuhr sich unwillkürlich durch ihr kurzgeschnittenes Haar, das sich am Nacken ein wenig aufgestellt hatte.
“Großer Gott, nach was stinkt es hier bloß?” Bashir schüttelte sich. “Haben die hier Lebensmittel verrotten lassen?”
Kira hätte fast aufgelacht, aber vermutlich wäre darin eine Spur Hysterie mitgeschwungen, deshalb ließ sie es.
“Das sind keine Lebensmittel, Dr. Bashir. Ich habe in meiner Militärlaufbahn ein einige Male bei der Befreiung von Gefangenenlagern mitgewirkt. Dabei habe ich so etwas häufig gerochen. So riecht der Tod, so rochen die Massengräber, wo man Bajoraner verscharrte.”
Bashir blickte sie entsetzt an. Fast erwartete er, dass sich über ihn lustig machen wollte, aber ihr Gesichtsausdruck sagte ihm, dass es ihr Ernst war - todernst.
“Wir sollten uns aufteilen, um das Schiff möglichst schnell zu durchsuchen.”
Siskos Hand lag am Phaser, und er schämte sich dieser Geste keinesfalls, er würde die Hand schätzungsweise erst wieder herunternehmen, wenn sie dieses Totenschiff - denn nichts anderes erwartete er hier - wieder verlassen hatten.
“Wir teilen uns in vier Gruppen auf, und keiner geht mir ein Risiko ein. Ich erlaube hiermit, den Einsatz von Stufe fünf, wenn nötig sechs, des Phasers.” Damit gab er indirekt die Erlaubnis zu töten.
Kira hätte diese Anweisung nicht benötigt, ihr Phaser war bereits auf diese Stufe eingestellt. Sie teilten sich auf, Kira begab sich in Richtung der Brücke, zusammen mit einem Sicherheitsoffizier aus Odos Truppe.
Die Einrichtung des Schiffes war intakt. Das Licht schien matter, doch das konnte auch ein subjektiver Eindruck sein. Es dauerte nicht lange, bis sie auf die Spuren der Mannschaft stießen. Jeder der Suchtruppen entdeckte Leichen oder die Reste von solchen. Große Blutpfützen glänzten auf den Decks und an den Wänden. Zerrissene, zerfetzte Körper lagen herum, kaum noch als Menschen zu erkennen. Manche der Blutflecke waren alt und eingetrocknet, andere noch nicht so alt, jedoch geronnen und kalt.
Kira beugte sich über eine der Leichen. Der Mann - sofern er einer gewesen war, dies konnte man nicht mehr eindeutig feststellen - war regelrecht zerrissen. Es waren keine Verletzungen, die auf eine Waffe hindeuteten. Er sah eher aus, als habe ihn ein Raubtier zerrissen - doch selbst ein Raubtier wäre nicht so grausam vorgegangen. Dieser Tote wies auf eine Intelligenz hin, eine teuflische Intelligenz. Kein Tier hätte jemanden so zugerichtet. Es schien, als habe der Angreifer einen besonderen Spaß daran gehabt, sein Oper zu zerfetzten.
Es schien fast eine Art grausamer Spott zu sein, es war, als hätte man die Leiche so drapiert und sie so grausam zugerichtet, um ihnen die Schwäche von menschlichem Fleisch vor Augen zu führen. Um sie wegen ihrer Schwäche zu verspotten, wegen ihrer weichen Haut, ihrer so unzureichend geschützten inneren Organe.
“Sisko an Kira.” Auch über den Kommunikator klang die Stimme des Commanders gepresst und riss Kira aus der grausigen Betrachtung des Toten. Sie war nicht erstaunt über den Tonfall Siskos. Wenn er Leichen in ähnlichem Zustand gefunden hatte, war dies verständlich. Ihre eigene Stimme klang selbst ziemlich hohl und höher als üblich.
“Sprechen Sie, Commander.”
“Wir haben einige Leichen entdeckt. Sie alle sind schrecklich zugerichtet, zerfetzt und verstümmelt. Einige Körperteile weisen eindeutig Bisswunden auf, und es fehlen auch Teile. Was auch immer wir suchen, es scheint Appetit auf humanoides Fleisch zu haben!”
Kira erhob sich aus ihrer hockenden Position.
“Wir haben hier die Überreste von sechs oder sieben Mannschaftsmitgliedern gefunden, so genau kann man das nicht feststellen. Ich werde mich jetzt auf die Brücke begeben. Ohne ein lebendes Wesen an Bord, und ich betone, dass ich damit nicht unbedingt einen Menschen meine, kann dieses Schiff nicht durch das Wurmloch gekommen sein.”
Sisko war zu demselben Schluss gekommen.
“Tun Sie das, Major. Wir haben unseren Rundgang beinahe beendet, die Mannschaftsquartiere fehlen noch, danach kommen wir auf die Brücke. Wir treffen uns dort - und seien sie vorsichtig!”
Kira blickte auf die grausig verstümmelte Leiche hinab. Die Warnung des Commanders war eigentlich überflüssig, die Toten waren Warnung genug.

* * * * *

Die Brücke war nur matt beleuchtet. Auch hier schienen die Umweltkontrollen manipuliert worden zu sein. Es war wie im ganzen Schiff sehr heiß, und die Luftfeuchtigkeit lag höher als üblich.
Kira spürte den Schweiß auf ihrer Stirn, der sich an den Augenbrauen fing und dann an der Wange herabrann. Ihr Herz schien unnatürlich laut zu pochen, aber ihre Sinne waren auf das Äußerste geschärft.
Die Brücke der Delix schien eine letzte Bastion gegen die Angreifer gewesen zu sein. Hier fanden sie noch mehr Tote als in den Räumen und Korridoren zuvor. Sie alle waren in einem Zu-stand, der auf ein wahres Gemetzel schließen ließ.
Kira fragte sich, warum sie sich nicht gegen die Angreifer organisiert hatten, sie waren bewaffnet gewesen. Ein unerfreulicher Gedanke bahnte sich seinen Weg durch ihr Gehirn. Was, wenn dieses Wesen sich von einem Phaser nicht beeindrucken ließ?
Es musste sehr schnell sein, schlau und absolut gnadenlos. Vermutlich hatte es die Besatzung sehr früh mit dieser Art des Mordens demoralisiert. Vielleicht hatten sich die letzten Opfer gar nicht mehr gewehrt, sondern nur noch den Tod hingenommen.
Der Gestank auf der Brücke war intensiver. Es roch süßlich, metallisch, ein wahrer Bluthauch, der frischer wirkte, als auf den Decks zuvor. Kiras Rechte schloss sich krampfhaft fest um den Phaser.
“Major, sehen Sie.”
Der Sicherheitsoffizier, ein hünenhafter Bajoraner, deutete auf die Steuerkonsole. Kira nahm die Konsole in Augenschein. Überall waren Blutspuren zu sehen, blutige Fingerabdrücke und fast der gesamte Abdruck einer Hand, einer menschlichen Hand.
Etwas anderes fiel auf, lange, parallele Kratzer verliefen über die Displayflächen. Kira fuhr nachdenklich mit der linken Hand darüber. Tiefe Furchen in einem Material, das so gut wie unzerstörbar war. Was immer diese Rillen verursacht hatte, es war sehr scharf gewesen.
Ein Geräusch ließ Kira auf dem Absatz herumwirbeln. Es war sehr leise, aber ausreichend, ihren Adrenalinspiegel in schwindelerregende Höhen zu treiben.
Sie sah zu dem Sicherheitsoffizier. Er hatte das Geräusch auch gehört, aber nicht genau lokalisieren können. Mit gezogenem Phaser trat er in Richtung der Wissenschaftskonsolen.
Aus dem Schatten der Konsolen löste sich ein Wesen, das sich so absolut still verhalten hatte, dass sie daran vorbeigegangen waren, ohne es wahrzunehmen.
Doch so still und ruhig es sich bislang verhalten hatte, so geschmeidig und schnell war es jetzt. Es nahm einen unglaublich wirkenden Sprung über eine Konsole. Mit einem Knurren packten Hände, die mit langen Klauen besetzt waren, den Hals des Sicherheitsoffiziers und rissen mit einem Ruck die Kehle auf. Blut spritzte, die Stiefel des Mannes scharrten über den Boden. Er zuckte, war aber schon tot, als die Bestie ihn achtlos wie eine Kleiderpuppe zur Seite warf.
Dies war alles so unglaublich schnell geschehen, dass Kira trotz ihrer guten Reflexe den Phaser nicht schnell genug hochriss, um das Wesen zu treffen.
Die Bestie warf sich zur Seite, und der Phaserstrahl leckte nur über die kahlen Wände. Kira hatte nur kurz einen klaren Blick auf den Angreifer werfen können, aber ihr Gehirn weigerte sich beinahe, das Gesehene als real zu werten.
Doch jetzt sah sie sich der Bestie gegenüber.
Grüne, geschlitzte Pupillen weiteten sich, ein Knurren entrang sich einem Raubtiermaul, in dem weiße, starke Reißzähne blitzten. Ein Lichtreflex spiegelte sich auf den langen Krallen.
Es war auf allen Vieren, und kräftige Muskeln wanden sich unter einem pechschwarzen Fell. Es erinnerte an eine menschengroße Raubkatze, doch das Schimmern in den Augen war intelligent, wach und hungrig. Die Krallen verursachten ein klickendes Geräusch auf dem metallenem Deck, und dieses weckte Kira aus einem Zustand, der schon fast einer Trance gleichgekommen war.
Solche Wesen hatten sonst nur ihre Berechtigung in Albträumen und den Geschichten, die man ihr als Kind erzählt hatte.
Das Wesen sprang auf sie zu, und endlich erlaubte Kira, dass ihre Instinkte und Reflexe das Kommando über ihren Körper übernahmen. Kein analytisches Denken, kein das kann nicht wahr sein mehr. Sie hechtete zur Seite und achtete nicht darauf, dass sie hart gegen eine Konsole stieß. Das Wesen glitt an ihr vorbei, und ihr Phaser riss eine lange Wunde über die Flanke des Angreifers. Es heulte vor Schmerz und Zorn auf, drehte sich im Sprung und kam auf allen Vieren auf, die Krallen hinterließen Furchen auf dem Boden.
Kira zielte erneut, doch sie war nicht schnell genug. Ein Prankenhieb traf den Phaser und riss ihn aus ihrer Hand. Er fiel scheppernd auf das Deck und rutschte über das glatte Metall weiter. Kira sprang auf, ihr Ziel war der Sicherheitsoffizier, in dessen Hand noch immer sein Phaser lag. Es wäre sinnlos gewesen, den ihren zu suchen. Sie hatte keine Zeit. Sie erwischte den Phaser und riss ihn dem Toten aus der Hand.
Doch im Herumwirbeln wusste sie, dass es zu spät war. Sie drückte ab, ohne zu zielen, und der Phaserstrahl, der mit Stufe sechs jedes Wesen augenblicklich zum Stillstand gebracht hätte - und die meisten für immer - bohrte sich quer durch den Leib des Wesens.
Es roch nach versengtem Pelz, doch das Wesen war nicht tot. Im Gegenteil, es prallte mit aller Gewalt auf sie, drückte sie mit seinem Gewicht auf den Boden. Krallen zerrten an ihrer Uniform, verhakten sich im Stoff.
Ein heißer Lufthauch traf ihr Gesicht, es roch süß, metallisch, der Atem der Bestie.
Weiße, speicheltriefende Reißzähne senkten sich. Kira sammelte alle Kraft und rammte ihren linken Ellenbogen und Unterarm in dieses auf ihre Kehle zuschießendes Verderben. Der Erfolg, dass sie damit einige dieser monströsen Raubtierzähne ausschlug, blieb ihr verwehrt. Der einzige Erfolg war der, dass sich die Bestie in ihren Arm Verbiss, statt in ihre Kehle. Die Zähne knirschten über den Knochen, er würden dieses Wesen nicht lange aufhalten.

* * * * *

Sisko, Odo, Bashir und die anderen drei Sicherheitsleute hatten ihren Rundgang beendet. Die Leichen waren gezählt, aber man hatte noch keine Erklärung gefunden außer den Toten schien nichts an Bord zu sein.
Sie waren auf dem Weg zur Brücke, als sie einen Schmerzschrei hörten und ein Knurren, das nicht aus einer menschlichen Kehle stammen konnte.
Odo war am schnellsten, er stürzte auf die Brücke, registrierte den toten Sicherheitsmann in einem Sekundenbruchteil, und das fellbedeckte, raubkatzenartige Wesen im nächsten, ebenso die Lage, in der sich Kira befand.
Odo packte entschlossen zu, seine Körperkraft war bei weitem höher als die eines Menschen. Er konnte das Wesen zurückreißen, das sich nun ihm zuwandte. Krallen stießen zu und schlitzten Odos Körper von der Kehle bis zur Leiste auf, doch ohne die gewünschte Wirkung zu erzielen. Der klaffende Spalt ließ kein Blut fließen. Die durchsichtige, goldfarbene Substanz, aus der Odos Körper eigentlich bestand, schloss sich wieder.
Inzwischen waren auch die anderen angekommen und prallten vor dem zurück, was sich ihren Augen bot.
Die Bestie sprang blitzschnell einen weiteren Sicherheitsmann an, und dieses Mal spritzte Blut auf, als Krallen einen Leib aufschlitzten, der nicht, wie der des Gestaltenwandlers, unverletzbar war.
Sisko schoss und auch Bashir, sowie die Überlebenden von Odos Truppe. Jeder Phaser war auf Stufe sechs eingestellt, und dem hielt auch dieses Wesen nicht stand.
Es schien sich zu verwandeln, als es im Banne der konzentrierten Energie stand, wurde fast menschlich, ehe die organischen Bausteine des Organismus den Energien nicht mehr standhielten, und nur ein verkohlter Haufen übrigblieb.
“Was war das?” Bashir sah aus, als müsse er sich übergeben. Er zielte noch immer auf den stinkenden, rauchenden Haufen.
Sisko konnte es ihm gut nachfühlen.
Kira kam taumelnd auf die Beine, ihr Blick war wild, blutige Kratzer waren auf einer Wange zu sehen, und auch sonst hatten die Krallen hier und dort die Uniform durchdrungen und Kratzer hinterlassen. Aber der Biss in den Arm war zweifellos die schlimmste Verletzung. Blut tropfte auf das Deck herab.
Sisko eilte an ihre Seite.
“Kira!” In seiner Stimme schwang Sorge um seinen Ersten Offizier.
Bashir erinnerte sich wieder daran, dass er Arzt war, und steckte den Phaser weg, um sich um Kira zu kümmern. Die zwei Sicherheitsleute waren zweifellos tot. Um das festzustellen, musste man kein Arzt sein.
“Ein schlimmer Biss!” Bashir beäugte die Wunde, die bis auf den Knochen ging.
Kira sah ihn mit einem etwas abwesend Blick an.
“Sind Sie okay?” Es war eine etwas törichte Frage, fand zumindest Odo. Er sah, dass Kiras unverletzte Rechte noch immer den Phaser umklammerte, so fest, dass die Fingerknöchel weiß durchschienen.
“Major Kira, Sie können die Waffe wegstecken. Was immer es auch war, es ist tot.”
Kira sah Odo an. Sie wollte etwas sagen, wollte eine Erklärung für das Unerklärliche fordern, wollte, dass jemand sie aufweckte und sagte, dass es nur ein Traum gewesen sein, ein böser Traum. Doch ehe sie dazu kam, eines dieser Dinge auch nur auszusprechen, engte sich ihr Gesichtsfeld beängstigend schnell ein, krochen die Schatten und die Dunkelheit auf sie zu und verschlangen sie.
Odo war schnell genug, sie abzufangen, ehe sie auf das blutbesudelte Deck stürzen konnte.
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