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Ein Weihnachtsmärchen

von Adriana

Kapitel 2

Vergangenheit
22. Dezember 2367 – Vixpan


Das Audimax war voller Kadetten. Ausgelassene, johlende, fröhlich durcheinander quasselnde Teenager. Eine jüngere Version von Vixpan – bekleidet mit einer Schafsperücke und einem Schafskostüm – arbeitete sich in Richtung Ausgang vor. Lairis und die anderen blickten ihm verwundert hinterher. Ganz im Gegensatz zu den anderen jungen Leuten im Raum wirkte der Axanati frustriert und unglücklich.
Auf einer Art Tribüne verkündete ein Junge in Akademie-Galauniform das Ergebnis der Wahl zum „Kadetten des Jahres“.
Der Gesichtsausdruck von Vixpan – des echten Vixpan – war nicht zu deuten.
Die Namen herausragender Sportler, Piloten, Beststudenten und beliebter Mädchen rauschten an ihm, Lairis, Van de Kamp, Prescott und Tygins vorbei.
„Last but not least …,“ verkündete der Sprecher, „Gibt es eine Ehrennominierung für einen knuffigen kleinen Kerl, ohne den die Akademie wohl nicht mehr dasselbe wäre. Ich behaupte sicher nicht als Einziger, dass keiner von uns sich so viel Arbeit für andere macht, wie er – und dabei eine Geduld an den Tag legt, bei der sich gewisse humanoide Lebensformen mit Flügeln, auch Engel genannt, noch ein paar Scheibchen abschneiden können.“ Vereinzeltes Gelächter. „Seid mal ehrlich: Wer von euch wäre nicht ohne seine Hilfe schon durch die eine oder andere Prüfung gerasselt? Wer von euch hätte neben dem Irrsinns-Pensum, was unsereiner Tag für Tag zu stemmen hat, noch die Zeit gefunden, dieses Festival zu organisieren? Ganz abgesehen davon, dass er das beste Schaf seit Dolly war.“ Gelächter. „Applaus und dreifachen Respekt für die gute Seele dieses Jahrgangs … Vixpan!“
Der Applaus, der folgte, erreichte beeindruckende Dezibel-Werte. Nur einer schien nicht recht in die Begeisterung einfallen zu wollen: Der junge Vixpan, der sich gerade seine Schafsperücke herunterriss und auf den Boden fallen ließ. Darunter kamen kleine gebogene Hörnchen zum Vorschein. Seine Ohren hingen schlaff herab – für Lairis ein deutliches Zeichen, dass er verstimmt war.
„Es sieht so aus, als wäre diese Ehrung nicht das, was sie sich vorgestellt haben?“, hakte sie vorsichtig nach.
„Sie haben recht“, antwortete der junge Lieutenant bereitwillig. „Dass ich einer der besten Studenten im Ingenieurskurs war, schien nicht zu zählen. Dass ich Solo-Flötenspieler im Akademieorchester war, schien nicht zu zählen … aus Sicht dieser Leute war ich ‚gute Seele‘, die für andere die Arbeit macht.“ Er schaute betrübt in Richtung des jüngeren Vixpan, dem ein gut aussehender dunkelhaariger Junge im Kostüm eines Hirten gönnerhaft die Schulter tätschelte.
„Das ist Jonas Kelsey, mein Zimmergenosse“, erklärte Vixpan. „Für ihn schien es selbstverständlich, dass ich ihm bei den Hausaufgaben helfe und das Quartier aufräume, während er sich mit weiblichen Wesen unterschiedlicher Spezies vergnügt. Meiner optische Ähnlichkeit mit Lasttieren von der Erde hat ihn wohl auf dumme Gedanken gebracht.“
„Und Sie haben sich nie dagegen gewehrt?“
Vixpan schüttelte den Kopf und meckerte bedauernd. „So sind wir Axanati: Alles für die Herde. Aber ich musste bald erfahren, dass man von den Menschen nichts zurück bekommt.“
„Das sind Teenager“, widersprach Lairis sanft. „Beim Warpflug ins Erwachsenenleben werfen die meisten von ihnen leider ihren Kern ab und brauchen Jahre, um ihn wieder einzufangen. Ich hoffe, Sie haben heute von den Menschen keine so schlechte Meinung.“
„Wenn meine schlechte Meinung geblieben wäre, hätte ich die Akademie abgebrochen“, erwiderte Vixpan. „Aber glauben Sie, ich war kurz davor!“
„Weil Sie sich ausgenutzt fühlten?“
„Weil mein Bild von Kameradschaft anders aussah.“
„Und was hat Ihre Meinung geändert?“, wollte Marc wissen.
Erneut veränderte sich die Umgebung. Diesmal standen die fünf in einem Kadettenquartier. Ein Duft nach frisch geschnittenem Heu stieg ihnen in die Nase. Lairis drehte sich um ihre eigene Achse, bis ihr klar wurde, dass der Geruch von Vixpans „Bett“ ausging.
Seine Seite des Quartiers bestand aus einem riesigen Heuhaufen, einem Schreibtisch, einem Bücherregal und ein paar Truhen für seine Habseligkeiten. Auf seinem Arbeitsplatz stapelten sich die Datenpadds, während auf dem ordentlich aufgeräumten und polierten Schreibtisch gegenüber ein kleiner Weihnachtsbaum stand.
Kadett Vixpan stürmte gerade durch die Tür, seine Hufe hinterließen das Geräusch klingender Glocken.
Doch sein Gesichtsausdruck hatte gar nichts Weihnachtliches an sich. Er warf seine Sachen unsortiert in den Koffer, stieß jedes Mal ein wütendes Schnauben aus und trat so heftig nach einer der Truhen, dass sie quer durch das Heu schlitterte.
„Da hat Sie aber jemand geärgert“, stellte Lairis trocken fest.
Dieser „Jemand“ trat soeben mit einem selbstzufriedenen Lächeln durch die Tür: Kadett Jonas Kelsey. Er hielt etwas in den Händen, einen viereckigen, flachen Gegenstand.
Ein Datenpadd!, ging es dem jungen Vixpan durch den Kopf. „Wenn er jetzt von mir verlangt, dass ich seinen Aufsatz über Captain Sulu fertig schreibe, kriegt er meine Hörner zu spüren“, murmelte er kaum hörbar.
Aber es war kein PADD, das ihm der menschliche Kadett lächelnd überreichte.
Es war ein Päckchen, mit einer goldenen Schleife verziert. „Fröhliche Weihnachten!“, wünschte Kelsey.
Vixpan blickte erstaunt auf.
„Ja, ich weiß, dein Volk feiert andere Feste“, entschuldigte sich sein Kamerad. „Aber was soll’s … keine Gelegenheit ist besser als diese.“
Vixpan starrte ratlos auf die prächtige Schleife.
„Na los, mach es auf“, forderte Kelsey.
Vixpan riss das Papier auf. Was unter der funkelnden Verpackung zum Vorschein kam, schien ihm fast die Tränen in die Augen zu treiben.
„Was ist das?“, fragte Lairis neugierig.
„Eine Panflöte“, erklärte ihr Kommunikationsoffizier. „Meine alte war kaputt gegangen, als ich sie nach Kelsey geworfen hatte.“
„Hu?“ Prescott hob die Augenbrauen. „Na, wenigstens haben Sie ihm nicht die Hörnchen in den Kehlkopf gerammt, wie bei diesem Jem’Hadar letzte Woche.“
Im Kampf hatte sich schon mehrmals gezeigt, dass der sanftmütige, scheinbar unendlich geduldige Vixpan zum wilden Stier werden konnte, wenn er seine „Herde“ in Gefahr sah.
Oder wenn man ihn lange genug ärgerte.
„Danke“, hauchte der jüngere Vixpan mit fassungsloser Miene.
„Ich habe zu danken“, erwiderte Kelsey ernst. „Für alles, was du in den letzten zwei Jahren für mich getan hast. Und die Sache mit der Flöte … ich hätte eigentlich verdient, dass du eine deiner schweren Truhen nach mir schmeißt.“
„Schade um die Truhen“, gab Vixpan zurück.
Kelsey lachte nervös. „Da hast du wohl recht. War auch schade um die Panflöte. Deshalb hoffe ich, diese hier tut’s auch.“
Vixpan wog das Instrument andächtig in seinen Klauen. „Sie ist fantastisch! Wie viele Replikator-Kredits hat dich das gekostet?“
Kelsey lächelte schief. „Ich glaube, das willst du nicht wissen. Aber ist ja auch egal.“
Vixpans Ohren richteten sich kerzengerade auf, so als witterte er Gefahr. „Noch mal vielen Dank. Aber deinen Aufsatz schreibe ich dir trotzdem nicht.“
„Das musst du auch nicht“, versicherte Kelsey. „Sonst stehe ich ein Leben lang in deiner Schuld und du darfst mich nach Sitte deines Volkes auf dem Sklavenmarkt verkaufen.“
Der junge Vixpan schmunzelte. Die Vorstellung hatte durchaus ihren Reiz für ihn.
Aber dann schüttelte er den Kopf. „Diese Sitte gibt es seit fünfhundert Jahren nicht mehr. Trotzdem wirst du deine Arbeit künftig ohne meine Hilfe erledigen müssen.“
„Logisch. Guter Vorsatz fürs Neue Jahr“, gab Kelsey reumütig zurück.
Dann verschwammen die Konturen des Kadettenquartiers in dichtem weißem Nebel.
Lairis legte eine Hand auf die Schulter ihres Kommunikationsoffiziers. „Für mich war es nie selbstverständlich, was Sie leisten. Oder jedes andere Mitglied meiner Crew.“ Sie warf einen ernsten Blick in die Runde.
„Danke, Captain“, antwortete Prescott leicht verlegen. „Nur was sollen wir jetzt aus dieser kleinen Geschichte für einen Schluss ziehen? Gut, wir haben gesehen, dass dieser Schnösel pünktlich zum Geburtstag seines Herrn und Erlösers die guten Manieren aus dem Keller geholt hat – und Vixpan hat endlich gelernt, Nein zu sagen …“
„Und es war nicht vergeblich“, sagte Vixpan. „Die anderen mussten begreifen, dass meine Hilfe ein Geschenk und keine Selbstverständlichkeit ist. Trotzdem wurde ich am Ende des nächsten Jahres wieder für die Wahl des beliebtesten Kadetten nominiert – und hätte fast gewonnen.“
„Was natürlich ohne das Christkind nicht möglich gewesen wäre.“ Prescott verdrehte die Augen. „Okay, das war Weihnachtswunder Nummer eins – auf zum nächsten.“
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