TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Ein Weihnachtsmärchen

von Adriana

Kapitel 3

24. Dezember 2358 – van de Kamp

Wie aufs Stichwort lichtete sich der Nebel. Einzelne weiße Flocken tanzten um eine Reihe einstöckiger Häuser aus rotem Klinkerstein und in van de Kamps Augen stahl sich ein sentimentaler Ausdruck. „Ich glaube, ich bin zu Hause.“
„Hübsch ist es hier“, meinte Tygins mit einem Lächeln.
„Ja“, pflichtete Marc ihm bei. „Jedes Jahr am 24. Dezember hat es geschneit – der Wetterkontrolle sei Dank.“
Zielstrebig lief er auf eines der roten Häuschen zu. Es dämmerte und die Blautanne im Vorgarten erstrahlte plötzlich in der Pracht von hundert Lichtern. Hinter den großen, blankgeputzten Fenstern leuchteten ein Schwippbogen und vier echte Kerzen. Marc klopfte an die Tür mit der Nummer sechzehn – doch sein Arm ging glatt durch das Holz hindurch. Er schrie leise auf und die anderen sahen sich erschrocken an.
„Was für ein bescheuertes Holodeckprogramm ist das?“, murmelte Prescott.
Da schritt Marc auch schon durch die Tür wie ein Gespenst.
Nach kurzem Zögern folgten ihm Lairis und die anderen.
Sie landeten in einem sauberen gemütlichen Wohnzimmer mit hölzernen Möbeln im Landhaus-Stil. Eine schlanke blonde Frau um die Vierzig schmückte einen prächtigen Weihnachtsbaum mit champagnerfarbenen Kugeln und goldenem Lametta.
„Mama!“, entfuhr es Lieutenant van de Kamp.
Aus der Comm-Anlage ertönte ein altes amerikanisches Weihnachtslied. „I am Dreaming of a White Christmas …“
Und der Traum wurde Wirklichkeit. Aus dem wolkenverhangenen Himmel fielen immer mehr Schneeflocken, bis die Landschaft hinter einem weißen Schleier verschwand.
Es wäre eine perfekte Szene – doch die Frau brach zusammen und begann auf einmal, zu schluchzen. Ein schlaksiger blonder Junge von fünfzehn oder sechzehn Jahren betrat das Wohnzimmer, seine Wangen waren gerötet von der Kälte, sein Gesicht halb von einem schwarzen Schal vermummt – aber Lairis erkannte auf den ersten Blick den jungen Marc van de Kamp.
Als er seine Mutter sah, warf er seine Jacke und den Schal achtlos auf die Couch und nahm die Frau in den Arm.
„Was ist los?“, fragte er betroffen.
Doch als sie wortlos mit verheulten Augen zu ihm aufblickte, begriff er.
„Dad. Scheiße, ja …“
„Es war das erste Weihnachtsfest ohne ihn“, erklärte der älter Marc van de Kamp. „Mein Vater ist im Juni 2358 gestorben … im Krieg gegen die Cardies.“
Die anderen – vor allem Lairis – warfen ihm mitfühlende Blicke zu.
„Für mich war Dad mein größtes Vorbild gewesen, meine Inspiration … auch wenn er fast nie zu Hause war.“ Commander van de Kamp lächelte schwach. „Oder vielleicht gerade deshalb. Er hatte keine Gelegenheit, mir auf die Nerven zu gehen, was meine Mutter verdammt gut konnte. Seinetwegen hatte ich mich für die Sternenflotte beworben.“
Der junge Marc umarmte seine Mutter fest, Tränen liefen beiden über das Gesicht, draußen läuteten die Glocken.
„Wir haben immer noch uns“, tröstete der Junge seine Mutter und streichelte sanft ihren Rücken. „Außerdem hab ich eine Überraschung, die dich vielleicht aufheitert.“ Er kramte in seinem Rucksack, zog ein steifes, rechteckiges Blatt Papier heraus und strahlte. „Tadaaa!“
„Was ist das?“, fragte die Frau mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis.
„Ein Bestätigungsschreiben von Admiral Brandt höchstpersönlich!“, erklärte der junge Marc voller Stolz. Auf das Stirnrunzeln seiner Mutter fuhr er fort: „Die Sternenflottenakademie! Ich bin aufgenommen! Wenn das kein tolles Weihnachtsgeschenk ist …“
Doch statt sich zu freuen, wurde seine Mutter kreidebleich.
Der erwachsene Marc errötete und senkte verschämt den Blick. „Ich war so ein Idiot“, murmelte er. „Meine Mutter hatte gerade ihren Mann durch die Sternenflotte verloren – da verkünde ich ihr strahlend wie ein Honigkuchenpferd, dass ich denselben gefährlichen Job antreten werde.“
„Sie hat ihren Mann nicht durch die Sternenflotte verloren, sondern durch die Cardassianer“, stellte Prescott richtig. „Außerdem wusste deine Mutter, dass du Sternenflottenoffizier werden wolltest, seit du krabbeln konntest.“
Marc lächelte, aber es lag keine Freude darin. „Sie hatte wohl gehofft, ich überlege es mir anders nach Dads Tod. Oder ich falle durch den Aufnahmetest. Hätte durchaus passieren können. Ihr kennt ja mein etwas … ambivalentes Verhältnis zu Befehlen und Vorschriften.“
„In der Tat“, bestätigte Lairis trocken.
Van de Kamps Mutter atmete ein paarmal tief durch. Sie trat einen Schritt zurück und musterte ihren Sohn mit einem wehmütigen, aber liebevollen Ausdruck. Dann legte sie ihm beide Hände auf die Schultern und lächelte tapfer. „Dein Vater wäre heute sehr stolz auf dich.“
„Danke, Mama“, brachte der Junge hervor und umarmte sie erneut.
„Bitte versprich mir, dass du …“ Sie schniefte. „Dass du gut auf dich aufpasst, ja?“
„Aber immer!“ Er nickte.
„Und halte dich von den verdammten Cardies fern!“
„Glaub mir, die sind nicht gerade mein Typ.“
Ms van de Kamp schluckte hart. „Gut.“
Marc beförderte einen weiteren Gegenstand aus seinem Rucksack: Eine Flasche, gefüllt mit einer nachtblau schimmernden Flüssigkeit.
Ms van de Kamps feuchte Augen leuchteten zum ersten Mal freudig auf. „Andorianischer Glühwein!“
„Ich hab auch noch eine Flasche für Oma und Opa. Du hast sie doch eingeladen?“
„Natürlich, mein Schatz“, antwortete seine Mutter rau.
Marc berührte flüchtig ihren Arm. „Kann ich irgendwas für dich tun?“
„Naja …“ Sie hielt erfolgreich die Tränen zurück und diesmal war ihr Lächeln echt. „Wenn du mir die Füllung für die Gans kleinscheidest …“
„Klar, gerne.“
Der junge Marc folgte seiner Mutter in die Küche.
Sein älteres Ich blieb mit Lairis, Prescott, Tygins und Vixpan im weihnachtlich geschmückten Wohnzimmer, vor dem prasselnden Kaminfeuer und dem glitzernden Tannenbaum zurück.
„Sie hat versucht, es mir auszureden“, bekannte van de Kamp leise.
„Die Sternenflotte?“, hakte Tygins nach.
Marc nickte. „Ja. Aber erst später. Sie wollte mir Weihnachten nicht versauen. Sie wollte ein schönes Fest für uns alle – soweit das überhaupt möglich war.“ Marc wirkte traurig, aber gleichzeitig zuckte ein ironisches Lächeln um seine Mundwinkel. „Mein Versprechen hab ich trotzdem nicht gehalten.“
„Wieso? Sie haben versprochen, auf sich aufzupassen und Sie leben noch“, stellte Lairis nüchtern fest.
„Aber wenn Mom wüsste, dass ich und Belora …“, raunte Marc dem neben ihm stehenden Prescott zu und wurde rot.
„Sie würde dich enterben“, flüsterte dieser zurück und grinste.
„Wie schade. Ich werde also keine Gärtnerei besitzen und preisgekrönte Tulpen züchten, wenn ich alt bin.“
„Du meinst, wenn du erwachsen bist.“
„Idiot!“
Prescott unterbrach das Geplänkel jäh, als er energisch „Computer, Ausgang!“ rief.
„Das habe ich schon mehrmals probiert“, bemerkte Lairis. „Geben Sie es auf, der Computer funktioniert nicht.“
„Vielleicht hört er ja auf einen Mann“, scherzte van de Kamp und fing sich einen finsteren Blick seines Captains ein.
„Das darf nicht wahr sein!“, knurrte Prescott.
Vixpan richtet wachsam seine Ohren auf, Tygins starrte wie gebannt auf das seltsame Schaupiel, das sich den fünf Sternenflottenoffizieren bot: Die Möbel verformten sich grotesk, aus einer Schrankwand wurde ein Schreibtisch, aus dem Fenster ein riesiger Bildschirm, aus dem Tannenbaum eine Stehlampe.
„Formwandler“, scherzte Marc. „Wenn das nicht des Rätsels Lösung ist … das Interieur des Holodecks besteht aus Wechselbälgern. Sie sperren uns hier ein für ein bisschen Folter im Advent.“
„Der ganze Advent ist Folter – auch ohne Eindringlinge von zweifelhaftem Aggregatzustand“, erwiderte Prescott missmutig.
„Ich finde das nicht lustig!“, wies Lairis die beiden zurecht.
Marc hätte ihr am liebsten auf den Kopf zugesagt, dass sie selbst auch nicht gerade sparsam mit makaberen Witzen umging, aber er konnte durchaus verstehen, dass sie die Vorstellung von Wechselbälgern auf ihrem Schiff alles andere als amüsant fand.
„Aha. Das Dominion weiß also, wie mein Zimmer aussah, als ich noch bei meinen werten Eltern auf New Pacifica gewohnt habe“, bemerkte Prescott trocken. „Also, wenn deren Geheimdienst so gründlich arbeitet, fände ich das mehr als gruselig!“
„Wer nicht!“ Vixpan rieb sich die Arme.
„Das hier war Ihr Zimmer?“, fragte Lairis mit hochgezogenen Augenbrauen.
Van de Kamp schüttelte den Kopf und lachte leise.
Rezensionen