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5x02 - Aftermath (Teil 2)

von Julian Wangler

Kapitel 2

Kapitel 2

Mond, New Berlin
[tief unter der Oberfläche]

Travis Mayweather und Gannet Brooks wurden von Harrad–Sars Männern unsanft in die behelfsmäßige Arrestzelle geworfen, welche sich auf einer anderen Ebene des unterirdischen Komplexes befand.

Obwohl das Feuer der Niederlage in ihm brannte, versuchte sich der Steuermann der Enterprise nicht allzu viel anmerken zu lassen, war stattdessen um klaren Verstand bemüht, was beileibe nicht leicht fiel. Er betrachtete den riesigen außerirdischen Anführer in seiner schweren Ledermontur. Harrad–Sars charakteristisch grelle, große Augen standen im Kontrapunkt zum Grün der orionischen Pigmentierung. Gleichsam erinnerten sie Travis daran, dass er es hier nicht mit irgendeinem Orioner zu tun hatte.

Eine Sache unterschied Harrad–Sar gewaltig von allen anderen Syndikalisten, denen die Enterprise bislang begegnet war: Er war selbstkritisch und selbstironisch. Das waren Eigenschaften, die der rohen, beizeiten brachialen orionischen Stärke ein Gegengewicht schufen und sie gefährlicher, da unberechenbarer machten. Travis erinnerte sich in diesem Zusammenhang an die Worte, die Harrad–Sar an Archer richtete, kurz bevor er die Enterprise abschleppen und an orionische Marodeure verkaufen wollte.

Ich verstehe Ihre Verärgerung. Ich kann das nachempfinden. Aber es liegt wirklich nicht in meiner Hand. Wir sind beide Sklaven der Situation.

Die kontrollieren Sie?

Endlich haben Sie es begriffen. Ja, Captain, Sie sind einer Fehleinschätzung erlegen. Es sind die Männer, die die Sklaven sind, nicht die Frauen.

Damit hatte sich ein ganz neuer Blick auf die orionische Kultur ergeben. Die Frauen waren in Wahrheit gar keine Sklaven – wie seit der ersten, unfreiwilligen Begegnung mit Orionern auf Verex von der Enterprise-Crew angenommen –, sondern pflegten eine ausgeklügelte Maskerade, ein effektives Trugbild gegenüber anderen Völkern. Nach außen willige Lustobjekte, übten sie hinter den Kulissen gewaltige Macht aus. Sie waren Meisterinnen der Intrige, die das Gros der orionischen Männer als Marionetten ihres Willens entlarvte. Viele Orioner aber lebten in großer Selbstverleugnung und ließen sich von ihren im Hintergrund agierenden Frauen die Sinne derart vernebeln, dass sie sich der Illusion hingaben, die unangefochtenen Herrscher der orionischer Gesellschaft zu sein. Sie flüchteten sich in Prunk und äußere Symboliken, doch eigentlich war das nur Rauch und Schatten. Sie waren es, denen eingeflüstert wurde.

Hier machte Harrad-Sar einen großen Unterschied. Anders als andere orionische Männer war er ehrlich genug mit sich selbst gewesen, sich dieser weiblichen Macht bewusst zu sein, die sein Wirken im Syndikat lange Zeit bestimmt hatte. Er kannte seine Beschränkungen, seine Grenzen, und das deutete auf einen geschärften Geist hin und vor allem auf die Fähigkeit, die Orionern angeborene Arroganz, Protzigkeit und Grobschlächtigkeit zu überwinden, wenn es sein musste.

Der Moment des gegenseitigen Musterns verging, und Travis’ Verdruss stieg sekündlich. „Sie hätte ich am allerwenigsten hier erwartet.“, brachte er hervor.

Harrad–Sar verschränkte die massiven Arme, während seine beiden Lakaien im Eingangsbereich der Zelle verharrten. Er wirkte zufrieden mit sich selbst, schien über seine Niederlage vor einem Monat bereits hinweg zu sein. „Ja, wir Orioner pflegen ein altbewährtes Sprichwort: ‚Je mehr sich die Dinge ändern, desto mehr bleiben sie gleich’.“

„Das ist kein orionisches Sprichwort.“, blaffte Gannet.

„Ach nein? Ich bitte um Entschuldigung. Ich muss da irgendetwas durcheinandergebracht haben.“ Der grünhäutige Alien lachte amüsiert.

„Sie haben sich schon immer gut auf Ihre Lügen verstanden.“, sagte Travis anklagend. „Als ich das letzte Mal hinsah, versuchten Sie mit einem hinterhältigen Trick in den Besitz der Enterprise zu gelangen. Alles, was Sie uns von einer Verbesserung der Beziehungen erzählten, war erstunken und erlogen.“

„Das ist maßlos übertrieben.“, erwiderte Harrad–Sar bewusst jovial. „Navaar zum Beispiel sagte mir, sie habe Ihren Waffenoffizier wirklich gemocht, bevor sie wegging.“

Travis stutzte. „Sie hat sie verlassen?“

„Wenn Sie es genau wissen möchten: Ich habe sie verkauft, zusammen mit ihren Schwestern.“ Harrad–Sar schüttelte den Kopf und erweckte eine Sekunde den Anschein von Sehnsucht. „Glauben Sie nicht, dass mir das leicht fiel. Sie waren meine besten Stücke. Zu dritt brachten sie das meiste Geld ein, und das brauchte ich, um nach Ihren feigen Gegenmaßnahmen mein Schiff wieder instand zu setzen.“ Er zögerte, indes er Travis anstarrte. Seine Augen weiteten sich. „Ach ja, wo wir dabei sind – leiten Sie mir das an Captain Archer weiter.“

Der mächtige Orioner stürmte auf Travis zu, packte ihn am Nacken und schlug ihm dreimal mit der geballten Faust in die Magengrube. Der Navigator ging ächzend und vor Schmerz gekrümmt zu Boden. Gannet protestierte lautstark, aber vergeblich, und half Travis, sich wieder aufzurichten.

„Aber zurück zum Thema…“, meinte Harrad–Sar vermeintlich kühl. „Die Sternenflotte schlug mein Angebot aus, unsere Beziehungen zu vertiefen, also habe ich Ausschau nach kooperativeren Menschen gehalten. Das heißt, genau genommen war es kein Mensch, der mich an dieses Jointventure heranführte.“

„Sondern?“, stöhnte Travis benommen, unwillig, den Gesprächsfaden abreißen zu lassen.

Harrad–Sar gestikulierte. „Was soll’s… Sie werden ohnehin keine Gelegenheit mehr erhalten, mit jemandem darüber zu reden. Es war ein Vulkanier namens V’Las. Sie kennen ihn, nehme ich an.“

„V’Las…“ Das scheußliche Pochen in Travis’ Magengrube rückte schlagartig in den Hintergrund, als seine Gedanken zu kreisen begannen.

„Er engagierte mich als – na, wie sagt man – Zwischeninstanz.“

Travis erkannte es: „Sie schmuggelten die ganzen Waffen, die Khouri hier lagert, auf den Mond.“ Offenbar von Vulkan. V’Las im Untergrund – Vulkan…

Harrad–Sar grinste sardonisch. „Glauben Sie mir: Um unauffällig zu schmuggeln, bedarf es schon eines Profis. V’Las braucht mich, und ich für meinen Teil habe vor, mir nach der missglückten letzten Begegnung mit der Enterprise innerhalb des Syndikats eine neue Reputation zuzulegen. So etwas erfordert gewisse monetäre Vorkehrungen.“

„Was gedenkt V’Las zu erreichen?“, drängte Travis.

Harrad–Sar befriedigte die Machtlosigkeit seines Gesprächspartners. „Ich glaube, er will zunächst einmal Ihre hübsche, kleine Planeten–Koalition platzen lassen. Natürlich hat er ein aufrichtiges Interesse daran, dass Vulkan nicht Teil eines solchen Bündnisses wird. Erinnern Sie sich: Er wollte einen Krieg gegen die Andorianer führen. Mir scheint, er ist kein Freund einer Multispezieszusammenarbeit.“

„Und in Khouri und Terra Prime hat er die perfekten Partner gefunden.“, dachte Travis den Gedanken zu Ende. Es erschien erschreckend logisch. Auf einmal ergab alles einen Sinn.

Der Orioner zog einen Mundwinkel nach oben. „Heißt es bei Euch Menschen nicht: ‚Eine Hand wäscht die andere’?“

„Und was ist mit Ihrer?“, schaltete sich Gannet ein. „Die klebt jetzt voller Blut. Viereinhalbtausend Menschen wurden bei den Anschlägen getötet, für die Sie die Infrastruktur lieferten!“

Harrad–Sar legte die Hände in die Hüften und lachte lauthals. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie herzlich egal mir das ist. Ich bin Geschäftsmann. Freibeuter. Mir bietet sich nicht der Luxus, nach Ethik und Moral zu fragen. Wenn der Profit lockt, muss man seinem Ruf Folge leisten. Abgesehen davon sind es häufig die unethischen Geschäfte, die den größten Gewinn versprechen. Terra Prime hasst Außerirdische und damit auch mich. Aber zurzeit sind sie auf mich angewiesen. Wir sind Partner. Und sobald meine Aufgabe hier erfüllt ist, werde ich mit dem Geld ins Syndikat zurückkehren und meinen Stand konsolidieren.“

Travis zog eine Grimasse, bemüht, sich unter Kontrolle zu halten. „Sie widern mich an.“

„Ich fasse das als Kompliment auf, dass ich Sie überrascht habe.“, erwiderte Harrad–Sar zufrieden. „Und jetzt entschuldigen Sie mich. Es wartet alsbald neue Fracht darauf, geliefert zu werden. Ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht.“

Das feinmaschige Eisentor wurde geschlossen und verriegelt, und die Orioner zogen von dannen.

„Verdammt!“ Travis spürte aufkeimende Frustration und vermochte seinen Emotionen nicht weiter Einhalt zu gebieten – es bedurfte eines Ventils. Das Objekt seiner Abreaktion war ein niedriger Hocker in der klaustrophobisch engen Zelle, den er mit einem hemmungslosen Tritt gegen die Wand beförderte, wo er in zwei Teile zersprang.

Gannet sah ihm zu. „Fühlst Du Dich jetzt besser?“

Travis’ Brustkorb hob und senkte sich jäh, während er versuchte, wieder ruhigeren Atem zu fassen. „Hättest Du nicht einen Deiner Geheimagententricks anwenden können?“, warf er ihr vor.

Gannet verdrehte die Augen. „Geheimagententricks?“, fragte sie unverwandt. „Ich glaube, Du hast die letzten Jahre zu viele Filmabende auf Deinem Schiff gehabt.“

Der Steuermann sank in die Knie. „Tut mir Leid.“

Sie streichelte ihm über den Kopf. „Ich weiß. Das war alles nicht so geplant. Aber hey: Ein Positives hat es. Jetzt haben wir Zeit zum Reden. Wir können uns das Essengehen sparen.“

Der Witz – falls es einer sein sollte – führte nicht dazu, dass Travis sich besser fühlte. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass Joshua die ganze Zeit ein doppeltes Spiel mit mir getrieben hat.“, raunte er und nahm im Schneidersitz auf dem kalten Boden der Zelle Platz. Er ächzte leise. „Ich habe Captain Archer gesagt, ich würde ihm bedingungslos vertrauen.“

„Du kannst den Leuten nicht hinter die Stirn leuchten, Travis.“, sprach ihm Gannet zu. „Es gehört zum Leben dazu, dass man sich in einigen Personen irrt.“

„Mag sein. Aber Joshua war für mich nicht irgendwer. Er war einer meiner engsten Freunde. Wir lernten uns damals während des Trips mit der Horizon nach Trillius Prime kennen. Joshua gehörte ebenfalls einer Familie an, die an Bord eines Frachters lebte und mit ihm ihre Credits verdiente. Was für Gründe könnte er wohl haben, Terra Prime zu unterstützen?...“

Gannet winkte ab. „Diese Spekulationen führen uns keinen Schritt weiter.“

„Trotzdem interessiert es mich.“

„Ja, aber wo ist der Zweck?“

„Der Zweck?!“, gellte Travis’ erzürnte Stimme durch den Raum. „Das konntest Du immer besonders gut, stimmt’s? – Dich nach dem Zweck richten, wie eine perfekte Maschine funktionieren. Wohin hat’s Dich geführt? Mein Gott, Gannet, nicht alles im Universum lässt sich mit der Quotenlogik eines Reports erklären.“

Einen Moment lang herrschte Stille zwischen beiden. Gannet blickte wie demütig zu Boden und schob sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. „Du hast Recht.“, meinte sie schließlich. „Das war nicht richtig von mir. Entschuldige bitte.“

Sie hat sich noch nie bei mir entschuldigt. Travis verstand urplötzlich, wie sehr Gannet sich seit der letzten Woche, da sie sich nach langer Zeit wieder begegnet waren, zu wandeln begonnen hatte, wie anhänglich sie geworden war. Seine Gedanken gingen zurück an ein Gespräch, das sie in einem der wenigen ruhigen Momente in seinem Quartier auf der Enterprise geführt hatten.

Warum ziehst Du immer noch durch die Galaxis?, hatte er sie gefragt.
Ihre Antwort dagegen: Ich werde nie sesshaft werden. Na ja, ich würde mich schon auf etwas Ernsthaftes einlassen. Aber die Umstände müssten schon entsprechend sein.

Und wie sehen diese entsprechenden Umstände aus?

Sie hatte wie viel wissend geschmunzelt. Ich werd’s dann schon merken. Was hast Du vorhin damit gemeint, dass Du einige Entscheidungen überdenken wolltest?

Ich hab’ mein ganzes Leben im Weltraum verbracht., hatte Travis ihr ehrlich gesagt. Ich bin immer umhergezogen. Als ich Dich sah, da hab’ ich mich gefragt: Vielleicht wäre die nächste Herausforderung – also für mich – an einem Ort zu bleiben, für ’ne Weile.

Für Gannet war es noch nie leicht gewesen, Schwächen zuzugeben, und angesichts ihrer harten Kindheit und Jugend vermochte Travis es ihr nicht einmal zu verübeln. Sie hatte gelernt, zu kämpfen, schlimmstenfalls immer mit feuernden Phasern unterzugehen. Dass sie sich jetzt bei ihm entschuldigte, zeigte ihm, wie sehr sie für ihn von ihren Prinzipien abrückte, mit denen sie so weit im turbulenten Journalistengeschäft gekommen war.

Er sah sie mit großen Augen an. „Schwamm drüber.“ Daraufhin erntete er ihr dankbares Lächeln.

„Sag mal, Travis…“, ließ sie sich im Gefolge mehrerer Sekunden vernehmen. „Wer ist überhaupt dieser V’Las, von dem Ihr da gesprochen habt?“

„Er ist der ehemalige Regierungschef auf Vulkan.“

„Der, den Ihr zusammen mit diesen Syranniten abgesetzt habt?“

„Eine lange, verworrene Geschichte, ja.“

Gannet lehnte sich gegen die Wand. „Vielleicht solltest Du in Erwägung ziehen, sie mir zu erzählen.“

Es sprach wirklich nicht viel dagegen.
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