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5x02 - Aftermath (Teil 2)

von Julian Wangler

Kapitel 3

Kapitel 3

Mond, New Berlin

John Frederick Paxton spürte nach der Entfernung des Sternenflotten–Äquivalents einer neurolytischen Fessel durch Iwan Raskolnikow immer noch ein leichtes Stechen in seiner linken Wade, von dem er sich jedoch nicht weiter ablenken zu lassen gedachte. Auch der anfängliche Zorn ob des Täuschungsmanövers, das die Sternenflotte mit Gannet Brooks an ihm begangen hatte, beschäftigte ihn nicht mehr, hatte er sich doch schon daran gewöhnt, verraten zu werden. Das hatten Gannet und Mayweather jetzt davon: Joshua Banks' Offenbarung als Terra Prime–Loyaler war nicht Teil ihrer Rechnung gewesen. Ausgleichende Gerechtigkeit nannte er das. Sollen sie alle zur Hölle fahren., dachte Paxton zynisch. Alle, wie sie da sind.

Im Hintergrund, auf dem großen Wandbildschirm, liefen gerade die Nachrichten von der Erde, auf stumm geschaltet.

Wie von der von den Toten – oder besser: aus den Schatten – auferstandenen Susan Khouri gewünscht – der wirklichen neuen Anführerin von Terra Prime –, war er ins Penthouse an der Oberfläche in New Berlin zurückeskortiert worden. Ohne weiter von jemandem bewacht zu werden, wartete er auf der großen Couch im Wohnzimmer des Appartements, während Khouri aus der angrenzenden Küche eintraf, mit zwei Tassen in den Händen, aus denen Dampf aufstieg.

Sie wird sich noch an Dir rächen, ganz sicher., dachte er. Sie könnte jederzeit ein Messer zücken und es Dir in die Brust rammen. Und wenn schon… Ich bin bereit, zu sterben, wenn es sein muss.

„Ich gebe zu, diese vielen neuen Informationen, die ich auf Sie losgelassen habe, müssen verwirrend sein.“, hörte er Khouri sagen.

„Das ist weit untertrieben.“

Sie setzte sich einen forschen Blick auf. „Ich weiß genau, was Ihnen durch den Kopf geht. Sie denken die ganze Zeit nur über eines nach: Warum hat sie Wahrzeichen auf der Erde angegriffen und nicht außerirdische Botschaften? Und sie hassen mich dafür, ist es nicht so? Sie würden mich dafür am liebsten eigenhändig erdrosseln.“

Paxton lachte trocken. „Sie sollten wirklich Psychologin werden. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich mich trotzdem nicht bei Ihnen auf die Couch legen werde.“

Khouri nahm auf dem einzelnen Sessel Platz. „Hätten wir Konsulate angegriffen, hätten wir es vielleicht geschafft, ein paar Außerirdische zu vertreiben. Aber hier geht es um mehr. Um viel mehr. Mir geht es doch nicht bloß darum, die Erde stubenrein zu halten…oder darum, diese lächerliche Koalition hinwegzufegen. Das sind noch die geringsten Ziele. Was ich will, ist politische Kontrolle – umfassende Kontrolle, und das ist der Grund, warum ich diese harten Maßnahmen ergriffen habe. Weshalb die Anschläge nötig waren und in Zukunft noch viele weitere nötig sein werden.“

Paxton ertrug es nicht mehr. „Ich gratuliere Ihnen, und Sie bekommen von mir Brief und Siegel: Sie sind eine Bestie.“, stieß er hervor.

„Versuchen Sie wenigstens, mich zu verstehen. In unserem Feldzug geht es um Deutungsmacht. Nur, indem wir Chaos säen und Angst verbreiten, schaffen wir ein Klima, in dem die Bevölkerung das Vertrauen in die Regierung verliert – und uns anhört.“

„Ich würde niemanden anhören, der Abertausende Menschenleben auf dem Gewissen hat!“, bellte Paxton.

Khouri hielt inne. „Wie ich schon sagte: Eigentlich war es der Plan, dass nicht bekannt werden sollte, wer hinter den Anschlägen steckt. Jedenfalls noch nicht so früh. Denn natürlich würde uns das zum jetzigen Zeitpunkt Probleme in der Öffentlichkeit schaffen. Aber seitdem dieser Idiot Tarou eigenhändig unser Symbol auf den Eiffelturm-Vorplatz kritzelte, hatte ich viele Gründe zum Schmunzeln.“ Ein verstohlenes Grinsen machte sich bei ihr breit. „Ist es nicht herrlich absurd, dass die Erdregierung und die Sternenflotte uns jetzt mit ihrer erbärmlichen Desinformationskampagne schützen? Sie schieben die Attentate auf irgendwelche bemitleidenswerten Neomarxisten, weil sie genau wissen, was passieren wird, sobald der Name ‚Terra Prime‘ in den Mund genommen wird. Die Koalition wird in sich zusammenfallen wie ein Soufflé im Ofen.“

„Ja, Sie sind wirklich eine tolle Köchin.“

„Ich verspreche Ihnen, John: Wir haben noch nicht mal die Vorspeise hinter uns. Irgendwann, wenn die Zeit reif ist, werden wir mit hämischer Freude das Lügenkonstrukt der Regierung vor aller Augen entlarven und zum Einsturz bringen. Aber bis dahin üben wir uns ein wenig in Geduld. Eines nicht allzu fernen Tages, wenn wir nicht mehr die Regierungspropaganda und den Medienmainstream gegen uns haben und uns erklären können, dann werden die Menschen uns verstehen. Das Volk wird uns in die Arme laufen, wenn es erst einmal begreift, dass wir es erlösen wollen. Ich sagte es ja bereits: Wir geben uns nicht mehr damit zufrieden, ein Weltanschauungsclub zu sein. Terra Prime kann so viel mehr. Aber dafür ist es nötig, dass wir unkonventionelle Wege gehen.“

Paxton wurde sich wieder ihrer Eröffnungen gewahr, und ungezügelte Wut stieg in ihm auf. „Eine Kooperation mit vulkanischen Abtrünnigen?! Sind das Ihre unkonventionellen Wege?! Und dafür bezahlen wir mit Menschenblut?!“, fuhr er sie an. „Auf einer Skala könnte ich gar nicht mehr messen, für wie geisteskrank ich Sie halte!“

Sie erzeugte ein distanziertes Lächeln. „Kaffee?“ Demonstrativ schob sie ihm die zweite Tasse auf dem niedrigen Glastisch vor ihnen entgegen.

Paxton schüttelte einmal den Kopf. „Nur die Wahrheit.“

„Die sollen Sie kriegen.“, entgegnete die Andere und nahm einen behutsamen Schluck aus ihrem Gefäß, bevor sie es abstellte, sich zurücklehnte und ihn fokussierte. „Um ganz ehrlich zu sein, war ich drauf und dran, die Transmission zu beenden, als V’Las sich zum ersten Mal vor zwei Monaten bei mir meldete. Vulkanier sind für mich die schlimmsten Vertreter von Fremdrassigen, weil sie mit ihrer Logik falsche Bescheidenheit und Besonnenheit heucheln, tatsächlich aber – wie man seit dem P’Jem–Vorfall sehen konnte – eiskalte Macht- und Expansionspolitik betreiben. Ein Vulkanier zudem, der jüngst von seinem Thron geworfen und überall gesucht wird, war mir für einen Schulterschluss zuwider. Wie gesagt: Ich wollte gerade auflegen – als V’Las sein Anliegen formulierte: gemeinsam dafür zu sorgen, dass Archers Koalition garantiert nicht zustande kommt. V’Las teilt nicht die scheinheilige Maxime der neuen vulkanischen Regierung; meiner Meinung nach war es fatal, dass Archer half, ihn zu entmachten – dadurch strömen jetzt Vulkanier in Scharen auf die Erde. V’Las wusste, dass Terra Prime seit ehedem keine größere Ambition hegt, als die Erde von Alienunrat reinzuhalten, und er verstand das. Ergo bot er mir ein vorläufiges Zusammengehen an. Er verfügt über Waffen und Ausrüstung, Terra Prime über den Zugriff auf die Erde, wo die Verhandlungen im Dezember letzten Jahres begannen. Wir haben beide dasselbe Ziel: Jeder soll dort bleiben, wo er ist. Die Welten müssen getrennt bleiben.“

„Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“, murmelte Paxton in Gedanken. So entsetzlich und fanatisch Khouris Treiben war, so sehr beeindruckte ihn dennoch ihre Fähigkeit, strategisch zu denken.

„Man könnte es so ausdrücken.“

Er runzelte die Stirn. „Und die Orioner?“

„Was soll schon mit ihnen sein?“ Khouri breitete die Arme aus. „Harrad–Sar ist ein Monstrum. Alles, was ihn interessiert, ist Liquides. Und alles, was mich interessiert, ist sein Talent, Dinge ungesehen von einem Ort zum anderen zu befördern. Er und seine Leute erwiesen mir nützliche Dienste, wenn es darum geht, Terra Prime neu zu positionieren.“

Extralegale Säuberungen. Wie viele gute Leute ließ sie verschwinden, weil sie ihr mit ihrem neuen Kurs im Weg waren? Augenblicklich verspürte Paxton Dankbarkeit, dass er und seine Gruppe in Auckland gesessen hatten, während Terra Prime binnen weniger Wochen im wahrsten Wortsinn durchs Fegefeuer ging. Er hätte es wohl nicht ertragen, Daniel Greaves oder Josiah zu verlieren, die ihm so nah standen wie die Söhne, die er nie besessen hatte.

„Bequem entgegen kommt mir, dass ausschließlich V’Las ihn finanziert.“, fügte Khouri anbei und gönnte sich noch einen Schluck Kaffee.

Paxton überschlug die Beine, dankbar darüber, dass Khouri nun aufgeschlossener redete. „Ich finde das interessant. Wie kommt V’Las an all die Waffen und Credits, wenn er sich doch jetzt als Dissident im Untergrund herumschlagen muss?“

„Das ist nicht meine Sorge.“, insistierte sie. „Außerdem werden sich unsere Wege rasch wieder trennen, sobald die verbliebenen Verhandlungswelten ihre Delegationen von der Erde abgezogen haben. Dank Ihrer Vorarbeit haben die Coridaniten und Rigelianer schon das Handtuch geworfen.“

Paxton grinste spöttisch. „Nanu? Ihr Urteil über mich hörte sich vorhin aber ganz anders an.“

Khouri lehnte sich vor und legte die Hände in den Schoß. „Iwan war immer ein halsstarriger Kerl, der mit harter Hand geführt werden musste. In seiner Gegenwart trete ich etwas entschiedener auf.“

„Aha.“, erwiderte Paxton ungläubig. „Übrigens: Herzlichen Glückwunsch zur Ziehmutterschaft nachträglich.“

„Sie nehmen mir doch nicht etwa übel, dass ich unsere Verbindung geheim gehalten habe?“

„Nicht mehr als alles andere.“

Khouri seufzte – eine Reaktion, mit der Paxton in diesem Zusammenhang nicht gerechnet hatte. „Hören Sie, John, das mag Sie jetzt vielleicht überraschen. Aber Sie sollen wissen, dass ich immer zu Ihnen aufgeblickt habe.“, sagte sie.

„Erst heizen Sie mir ein, und jetzt schmieren Sie mir Honig um den Bart?!“, fuhr er sie an. „Bitte, ich bin vielleicht am Ende meines politischen Wirkens, aber ich bin nicht blöd!“

Khouri ließ sich nicht beirren. „Nein, das sind Sie wahrlich nicht. Sie verstanden es, den Leuten in Orpheus durch die harten Zeiten zu helfen und den Gründungsmythos vom Mond wieder aufleben zu lassen. Nur waren Sie in vielen Punkten zu lasch mit dieser Bewegung. Ich weiß, wie unangenehm Ihnen meine Kritik erscheinen muss. Aber auch ich musste mit mir abrechnen. Das müssen wir alle, wenn wir uns der Zukunft öffnen wollen.“

Paxtons Aufmerksamkeit fiel auf den Wandschirm, wo plötzlich Außenminister Samuels eingeblendet worden war. Er erkannte die Archivbilder, die gezeigt wurden. Sie stammten aus der Zeit, da Samuels Terra Prime-Mitglied gewesen war – eine Zeit, die er als Staatsmann, der er heute war, um jeden Preis aus seinen persönlichen Akten getilgt haben wollte. „Offenbar rechnen Sie auch mit ihm ab.“, bedeutete er.

„Samuels.“ Khouri summte einen Ton. „Oh, ich bin mir sicher: Wüssten Sie, wer seine Mutter war, würden Sie meine Ansichten unserem Außenminister gegenüber teilen. Hat Sie nie verärgert, dass Cecile Cox uns den Rücken kehrte und schnurstracks mit ein paar anderen Leuten die Sternenflotte gründete?“

Paxton war fassungslos. „Cecile Cox war seine Mutter?“

Vor seinem geistigen Auge liefen Bilder der Frau ab, die Terra Prime das Leben schwer gemacht hatte, nachdem sie sich von der Organisation abwandte. Sie trug maßgeblich Verantwortung dafür, dass Terra Prime-Mitglieder vom Staat verdächtigt, verfolgt und gedemütigt worden waren. Cox hatte ihr Fähnchen nach dem Wind gedreht, ihre Prinzipien zugunsten eines verheißungsvollen Jobs über Bord geworfen.

„Sie scheinen von so mancher Mutterschaft nichts zu wissen, hab’ ich Recht?“, meinte Khouri amüsiert. „Jedenfalls brachte diese Frau, wie Sie wissen, den Aufbau unserer Organisation in ernsthafte Schwierigkeiten. Sie holte den jungen Nathan Samuels alsbald von Terra Prime weg. Und den Rest der Geschichte kennen Sie: Samuels wurde ein Streiter für die Gegenseite – er wurde zu einem weißen Ritter. Für meine Begriffe ist es Zeit, eine kleine private Rechnung am Rande zu begleichen.“ Ihr Fingerzeig galt Samuels, der sichtbar verstört irgendeine Ansprache hielt.

Paxton erinnerte sich. Der Tod von Samuels’ Vater bei einem Unfall hatte ihn damals hergeführt. Er hatte einem Denobulaner die Schuld gegeben. Mit seinem Redetalent und scharfen politischen Geist war der junge Mann einer der großen Hoffnungsträger innerhalb der aufstrebenden Terra Prime–Bewegung gewesen – und dann war er gegangen, offenbar, wie Khouri ausgeführt hatte, weil seine Mutter ihren Einfluss auf ihn geltend machte.

Überall Feiglinge. Überall Verräter. Paxtons Gedanken gingen kurzweilig wieder an Gannet, und er kam sich für einen Moment wie der einzige integere Mensch in der Welt vor. Er hatte einfach zu viele persönliche Enttäuschungen erlebt. Immer ging es bloß um Macht; Macht zum Selbstzweck. Aber wenn es niemanden mehr gab, der für Ideale, für eine bestimmte Werteordnung, kämpfte, dann würde die Welt früher oder später unweigerlich vor einem Abgrund stehen.

„Sie haben der Öffentlichkeit das Archivmaterial zukommen lassen?“, fragte er Khouri vorahnungsvoll.

„Samuels wird sehr bald nicht mehr zu halten sein.“ Damit hatte sie ihm ein indirektes ‚Ja’ erteilt. „Ein erster Schritt, die Erdadministration zu destabilisieren. Aber das nur nebenbei. Unser Thema war eigentlich ein anderes…“

„Und das wäre?“

Khouri musterte ihn. „Folgendes: Kehren Sie zu uns zurück; wo Sie hingehören. In die Arme von Terra Prime.“

Paxtons erste Reaktion bestand in kurzem, spöttischem Gelächter. „Dies ist nicht mehr das Terra Prime, welches ich aufbaute. Vielmehr das Gegenteil.“

„Da darf ich widersprechen. Im Kern ist es das, was Sie uns hinterließen. Allerdings muss man manchmal verschlungene Pfade gehen, um den eigenen Idealen etwas näher zu kommen. Und manchmal muss man über diese Ideale hinausgehen, um sie zu schützen. Sie wissen wie ich, dass die Wirklichkeit keine Einbahnstraße ist. Man hat sich flexibel auf ihre Bedingungen einzustellen.“

Paxton blieb unbeeindruckt. „Bei Ihren Selbstlobhudeleien waren wir bereits.“

„Einverstanden.“ Sein Gegenüber fügte sich seiner Kritik. „Jedoch noch nicht bei dem, was jetzt kommt. Wir werden die Koalition unmöglich machen; wir werden sie aus den Köpfen aller tilgen. Sie wird nie wieder am politischen Horizont erscheinen. Danach muss es weitergehen – mit der Erde und mit dieser Organisation. Beides ist, wenn Sie mich fragen, untrennbar miteinander verknüpft. Und Sie, John, hatten die richtige Idee, auch wenn Sie sie nie anzuwenden wagten.“

„Was wollen Sie von mir?“, fragte er irritiert und alarmiert zugleich.

Khouri ließ sich Zeit mit ihrer Erwiderung. „Das Verschwinden Ihres letzten Tagebuchs hat Sie gewiss sehr geärgert, zumal Sie mir doch früher einmal sagten, wie viel Ihnen die persönliche Rechtfertigung auf Ihren privaten Seiten bedeute. Sie haben zu keiner Zeit in Erwägung gezogen, dass es für das Verschwinden andere Gründe gab als ein etwaiges Verlegen. Sie waren doch nie ein Mensch der Unordnung, John.“ In der Folge erhob sie sich, ging zu einer Kommode und zog aus einer Schublade ein in Leder gefasstes Büchlein hervor, kehrte damit zu ihm zurück.

Paxton stand einen Moment die Kinnlade offen. Sein Tagebuch war vor anderthalb Monaten verschwunden, und er hatte äußersten Frust darüber empfunden. „Wie zum Teufel kamen Sie dazu, in meinen persönlichen Sachen zu wühlen?“

Khouri gab sich keine Blöße, zuckte die Achseln. „Ich bin den Gerüchten gefolgt.“

„Welche Gerüchte?“

Sie legte das Buch vor ihm auf den Tisch, während ihr Blick beschwörend an dem seinen haftete. „John, die Zeit des Versteckens ist vorbei. Es ist nicht weiter nötig. Ich weiß, dass die Tatsache, dass eine rigelianische Therapie Sie am Leben erhält, bei Ihnen ein schlechtes Gewissen hervorrief.“

„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“ Paxton versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Diese verwerfliche Art von Introspektion, welche sie in ihm hervorrufen wollte, ging zu weit.

„Kommen Sie, John.“, ließ sie nicht locker. „Warum entschieden Sie sich bitteschön für den abgemildeteren Plan mit der Verteron–Phalanx? Die andere Option wäre für den Erfolg Ihres Unterfangens gegen die Erdregierung und gegen die Sternenflotte wesentlich viel versprechender gewesen.“ Sie verwies auf das Buch. „Ihr Gewissen dokumentiert es. Um genau zu sein: Seite zweihundertdrei fortfolgende.“

„Mein Gewissen geht Sie einen Scheißdreck an.“ Paxton verschränkte die Arme und wandte sich ab. Verräter, überall Verräter…

„Stimmt. Doch Sie sollte es etwas angehen – den rechtmäßigen Anführer von Terra Prime und zukünftigen Präsidenten der Erdregierung. Einer Regierung, die sich nicht verführen lässt von außerirdischen Versprechen; die ihr Volk nicht knechtet.“

„Sparen Sie sich die Ansprache.“, unterbrach er sie. „Ich habe weder Recht noch Bedürfnis, in diese Organisation zurückzukehren.“

Khouri grinste über seinen Kommentar. „Ist Auckland etwa so schön?“ Bitterer Ernst kehrte in ihre Züge zurück. „Ich finde, Sie haben Recht und Anspruch auf Gerechtigkeit. Ihrer eigenen Vergangenheit willen.“

„Diese Sache habe ich vor langer Zeit zu den Akten gelegt.“

„Haben Sie nicht.“, widersprach sie ihm. „Sonst wäre auf der Erde jetzt gewiss kein Außerirdischer mehr. Das heißt: Falls ja, er wäre jetzt tot.“

Paxton schürzte die Lippen. „Daniel und Mercer waren sich nicht hundertprozentig sicher, ob der Virus nicht auch irgendeine Auswirkung bei Menschen zeigen würde.“

„Wir sind es.“, stellte Khouri mit Entschlossenheit klar. „Meine besten Wissenschaftler haben es bestätigt. V’Las’ Leute ebenso.“

Paxton starrte sie unverwandt an. „V’Las will, dass kein Vulkanier mehr auf der Erde herumlaufen kann?“

„Liegt das nicht auf der Hand? Mit seiner Hilfe haben wir die Baupläne perfektioniert, Komponenten herangeschafft, um die Waffe zu verfeinern. Aber vorher muss ich wissen, wo sie ist.“

Paxton ging schließlich ein Licht auf. „Deshalb also Ihre plötzliche Gastfreundschaft.“, sagte er mit sardonischem Lächeln.

„Oh nein, John. Ich habe Ihnen soeben zu erklären versucht, dass wir eine Zeit der Abrechnung zu durchleben haben. Aber sobald Sie bereit sind, diese Abrechnung zuzulassen und wieder den gerechten Kampf aufzunehmen, bin ich bereit, meinen Hut zu nehmen und hinter Ihnen in die zweite Reihe zurückzutreten.“

Paxton war gebannt. Nie und nimmer hätte er mit einer derartigen Aussage gerechnet. „Wieso sollte ich Ihnen glauben?“, hielt er ihr vor.

Khouri wich seinem Blick nicht aus. „Weil ich Sie noch nie belogen habe, in all der Zeit, die wir uns nun schon kennen. Sie wissen, dass ich die Wahrheit sage. Und Sie wissen, dass Sie diese Wahrheit nötig haben, um jemals wieder erhobenen Hauptes in den Spiegel schauen zu können. Jeder hat seine Schwächen. Aber sie dürfen uns nicht zum Verhängnis werden. In Ihrem Fall dürfen Sie die Rettung vom Taggart nicht zum Schrittmacher Ihrer Resignation werden lassen. Gerade weil Sie abhängig von einer außerirdischen Gen–Therapie sind, müssen Sie sich dieses Profits bewusst sein und sich nehmen, was Sie wollen. Als Herr im All. Sie dürfen kein schlechtes Gewissen mehr haben. Löschen Sie es aus. Und dann kehren Sie zu dem Punkt zurück, an dem Sie aufhörten: Rache. Strafende Gerechtigkeit. Die Sternenflotte…“

Irgendein Feuer geriet hinter Paxtons Brust wieder in Wallung. „Die Sternenflotte ist der wahre Feind, noch vor der Regierung. Ich wollte deren Hauptquartier zerstören.“, sagte er ein wenig geistesabwesend. „Ich wollte es wirklich…“

„Ich weiß.“, bestärkte ihn Khouri. „Doch Sie hatten nicht die Möglichkeit, dieses Vorhaben umzusetzen. Wegen mentaler Barrieren und wegen mangelnder Ausrüstung. Jetzt kann ich Ihnen beides bieten. Sie müssen sich nur darauf einlassen. Ihr Vater hat wie ein Tagelöhner unter dem Druck außerirdischer Konkurrenz und dem ach so liberalen Handel unserer Regierung schuften müssen. Er ist an den fatalen Fehlern anderer fast zugrunde gegangen. Rächen Sie ihn. Treiben Sie die Sternenflotte in den Ruin. Kehren Sie nachhause zurück, John. Zurück zu Terra Prime.“
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