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One Voice

von Julian Wangler

Kapitel 1

4. Januar 2367

U.S.S. Enterprise, NCC-1701-D

Als Commander William Riker das Zehn Vorne betrat, wusste er nicht mehr, wann er zum letzten Mal hier gewesen war. Es musste mit Deanna gewesen sein…irgendwann vor dem Strudel jener Ereignisse der vergangenen Tage, der ihn buchstäblich mit Haut und Haaren gefressen und dann als anderen Mann wieder ausgespuckt hatte. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, und Riker hatte in dieser Zeit – so wie die vermutlich jeder an Bord seines Schiffes – kaum geschlafen. Während der bangen Stunden, in denen die Enterprise eine waghalsige Aktion nach der anderen vorbereitete oder dem grauenvollen Würfel hinterher jagte, hatte er so gut wie kein Auge zugetan.

Dabei war es nicht mal so, dass Riker sich ausgelaugt fühlte. Nein, im Gegenteil, er spürte die Energie, die ihn nach wie vor durchströmte und fokussierte. Es war vielmehr so, dass er zurückblickte und erkannte, dass er unwiderruflich einen Teil von sich selbst verloren hatte. Es war der Teil, der es genossen hatte, unverblümt das All zu erforschen und ohne Furcht weiterzuziehen. Der Teil, der mit einem gewissen naiven Enthusiasmus neue Welten und Völker entdeckte. Der Teil, der niemals mit dem Schlimmsten rechnen musste. Vielleicht auch der Teil, der nicht die letztendliche Verantwortung tragen musste.

All das war Riker genommen worden, als die Borg beschlossen, der Enterprise Jean-Luc Picard zu nehmen. Und der langjährige Erste Offizier, der es gewohnt gewesen war, sich als seine rechte Hand zu begnügen, war unvermittelt ins Zentrum der Ereignisse geworfen worden, wo alles und jeder darauf gewartet hatte, was seine nächsten Entscheidungen sein würden, während die Föderation vielleicht zum ersten Mal in ihrer Geschichte in der realen Gefahr schwebte, für immer zu vergehen.

Vielleicht hätte er es nicht geschafft. Nicht geschafft, mit aller Vehemenz gegen den dunklen Spiegel seines einstigen Vorgesetzen und Mentors anzutreten, den die Borg in Locutus verwandelten, wäre nicht eine Frau gewesen, die ihm zum rechten Zeitpunkt den Kopf gewaschen hatte.

Riker fand Guinan vor der großen Fensterfront im Zehn Vorne. Der große Gesellschaftsraum der Enterprise war zurzeit vollkommen verwaist. Aktuell war jedes Crewmitglied im Einsatz. Die Enterprise hatte soeben an der McKinley-Station im Erdorbit angedockt. Die Heimkehr würde nicht sogleich mit Erholung einhergehen: Vorher standen die wohl umfassendsten Reparaturen an, seit der mächtige Kreuzer der Galaxy-Klasse in Dienst gestellt worden war. Bevor die Borg in buchstäblich letzter Sekunde überwältigt worden waren, hatten sie mit ihren Destruktionsstrahlen verheerenden Schaden angerichtet.

Riker hatte Guinan nicht mehr gesehen, nachdem der Kubus mit Datas und Picards Hilfe vernichtet worden war. Die El-Aurianerin wirkte hohlwangiger als sonst; ein stummer Horror lag in ihren großen Augen, der erst noch überwunden werden musste. Womöglich war es das Grauen jener Dämonen, die sie bereits einmal heimgesucht, ihr Heimat und Familie geraubt hatten. So weit war sie geflohen, und doch: Die Borg hatten sie schließlich bis hierher verfolgt. Wie musste sich jemand fühlen, der so etwas durchgemacht hatte?

Vielleicht gibt es ihr Hoffnung, was wir erreicht haben. Vielleicht war es wirklich ein Wendepunkt., dachte Riker. Gleichwohl wusste er, wie viel unverschämtes Glück sie gehabt hatten. Nach allem, was er gesehen und gehört hatte, lag es ihm fern, sich etwas auf den Sieg einzubilden, den sie gegen das Kollektiv errungen hatten. Zu viele Leben waren im Tausch dagegen geopfert worden. Und am Ende war es lediglich ein einziges Schiff gewesen, mit dem sie es zu tun gehabt hatten. Wie groß mochte die Borg-Armada sein? Und was würden sie als nächstes aushecken? Das konnte niemand sagen.

Guinan faltete wie in Andacht die Hände vor sich, eine ihrer typischen Posen. „Sie haben es geschafft, William.“, sagte sie.

„Wir haben es geschafft.“, korrigierte er sie sogleich. „Das war eine Teamleistung, und jeder hat seinen unverzichtbaren Beitrag geleistet.“

„Ist Commander Shelby schon von Bord gegangen?“

Riker nickte knapp. „Vor einer halben Stunde.“

„Und, sind Sie erleichtert?“

Er schmunzelte. „Eigentlich nicht. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber wir haben uns regelrecht zusammengerauft. Sie wird eines Tages ein guter Captain werden.“

„Ja, aber was ist mit Ihnen?“, fragte sie.

Riker war es allmählich leid, dass ihn jedermann auf dieses Thema ansprach. „Ich schätze, ich bin noch nicht bereit dazu. Mal abgesehen davon, dass das Schiff, das mir vom Oberkommando angeboten wurde, überhaupt nicht mehr existiert.“

Guinan betrachtete ihn aufmerksam. „Nach dem Massaker bei Wolf-359 wird es in den kommenden Jahren besonderen Bedarf an fähigen Captains geben. Es wird vermutlich schneller passieren als Ihnen lieb ist, dass man Ihnen nicht ein Schiff anbietet, sondern Sie zwischen mehreren wählen lässt.“

„Wir werden sehen.“

Die El-Aurianerin sah ihm seine Rastlosigkeit an, und tatsächlich hatte er alle Hände voll zu tun. In Kürze stand eine Konferenz aller Abteilungsleiter bezüglich der anstehenden Wartungsarbeiten an. So viele Dinge musste geplant und koordiniert werden. „Wie kann ich Ihnen helfen?“

Er wartete nicht länger. „Ehrlich gesagt bin ich hergekommen, um Ihnen zu danken.“

„Danken? Wofür?“

„Das, was Sie mir im Bereitschaftsraum des Captains sagten, kurz bevor wir Wolf-359 erreichten… Zunächst empfand ich es als hart oder sogar herzlos. Aber Sie hatten Recht, Guinan.“

Sie zögerte einen Augenblick, schien etwas sagen zu wollen, sagte dann aber nichts weiter. Riker respektierte das. Sie hatten sich beide schweren Herzens damit abgefunden, Picard verloren zu haben, und nun war er ihnen völlig unerwartet wieder zurückgegeben worden. Dieses emotionale Auf und Ab hatte auch Riker durchgeschüttelt, doch konnte er nur erahnen, wie viel tiefergehend die Verbindung zwischen Guinan und dem Captain sein musste. Eines Tages würde er sie und ihn vielleicht danach fragen, was sie gemeinsam erlebt haben, welchen Kern ihre Freundschaft hatte. Aber nicht heute, nicht jetzt.

Riker schickte sich gerade zum Gehen an, als es ihm wieder einfiel. Er räusperte sich. „Mir ist etwas durch den Kopf gegangen. Damals, als wir bei J-25 von Q in den Weg dieses Kubus geschleudert wurden… Wieso haben Sie uns verschwiegen, dass die Borg assimilieren?“

Guinan schüttelte den Kopf. „Ich habe Ihnen nichts verschwiegen.“, versicherte sie.

„Wussten Sie es nicht?“

Sie hielt einige Sekunden inne und wandte sich wieder halb dem Ausblick zu, der die Erde darbot, eine herrliche blauweiße Kugel. „Ich hatte einige Gerüchte gehört, aber… Als ich damals von einem der Flüchtlingsschiffe in Richtung Föderation transportiert wurde, kam ich von einer unserer entlegenen Kolonien. Genau wie der Rest der Leute an Bord. Wir haben nie gesehen, was die Borg auf El-Auria angerichtet haben.“

„Sie hätten uns von den Gerüchten erzählen können.“, wandte Riker ein.

Da drehte sie sich wieder zu ihm herum, neue Entschlossenheit in ihrem Blick. „Die Gerüchte lauteten, dass die Borg andere Welten verschlingen, weil für sie alles eine Ressource ist, die sie weiterverwerten. Buchstäblich. Insbesondere deren Technologien und deren Wissen. Und damit unweigerlich auch deren Identität. Nichts anderes habe ich dem Captain und Ihnen damals gesagt.“ Ein feuchter Glanz legte sich auf ihre Augen. „Abgesehen davon…weiß ich, was für ein Feind die Angst sein kann. Die Borg sind schon schlimm genug. Sie haben es selbst erlebt, oder nicht? Und glauben Sie mir: Sie werden eines Tages zurückkehren. Das war nicht das letzte Kapitel. Es werden noch viele folgen. Viele finstere Geheimnisse werden sich entschleiern, und jedes davon hält den Tod bereit. Den Tod allen Lebens, den Tod der Hoffnung. Sie haben die Schlacht gewonnen, Commander – und darauf dürfen Sie stolz sein –, aber der Krieg geht weiter. Ob wir wollen oder nicht.“



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„Du weißt nichts, Robert. Du hast keine Ahnung.

Sie haben mich benutzt, um zu töten und alles zu zerstören.

Ich habe mich ihnen in den Weg gestellt, doch ich konnte sie nicht davon abbringen.

Ich hätte in der Lage sein müssen, sie daran zu hindern.

Ich hab’s versucht, ich hab’s immer wieder versucht.

Aber ich war nicht stark genug…

Warum war ich nicht stark genug?...“
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