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One Voice

von Julian Wangler

Kapitel 3

Du wurdest Deiner Menschlichkeit beraubt und in Locutus verwandelt. Du wirst ewig von den Erinnerungen dieser Erfahrung verfolgt werden.

Genauso wie von der Furcht, dass es den Borg tatsächlich gelungen sein könnte, einen Teil dieses flüchtigen Etwas, das Du Seele nennst, einzufangen und dass sie diesen niemals wieder freigeben werden. Der Feind lauert in Dir.

Du hast Dich jahrelang an den Gedanken geklammert, dass Du Dich von ihnen befreit hast, aber mit der Rückkehr der Stimmen befällt Dich Zweifel. Zweifel, dass früher oder später das Unvermeidliche geschehen und es kein Zurück mehr geben wird.

Das Leben, wie es einmal war, ist endgültig vorbei. Es ist Dir geraubt worden, und Du wirst es nie zurückerhalten.

Wenn Du vor dem Spiegel stehst und Dich betrachtest, siehst Du sie wieder, die kalten Augen einer Kreatur, die mehr Maschine als Mensch ist. Du siehst das, was Du ohne Seele bist. Du siehst Deine Nemesis.

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4. April 2063

Er trat durch das offene Schott und in das Bild aus seinem Albtraum.

Apathie: An den Wänden des saalartigen Raums reihten sich Ruhenischen aneinander, und in ihnen schliefen Drohnen mit Gesichtern aus Fleisch und Metall. Nirgends rührte sich etwas, als Picard hereinkam. Diese gespenstische Stille, ahnte er, war beabsichtigt. Nie überließen die Borg irgendetwas dem Zufall.

Picard ging weiter. Der ruhig gestellte, veränderte Warpkern glitt in Sichtweise. Er pulste fremdartig, in der Anmutung eines finsteren Herzens. Im Hauptmaschinenraum schien die Temperatur noch höher zu sein als im Rest der bereits assimilierten Decks, und angesichts der hohen Luftfeuchtigkeit glänzten kleine, kondensierte Tropfen an den Drohnen und Maschinen. Es trieben Dunstschwaden umher, die einen sterilen Geruch transportierten. Schwarze Kabel und Nährschläuche ragten wie Lianen in einem Dschungel von der Decke herab.

Apathie, ja, bei den schlafenden Drohnen. Aber es gab hier, das spürte Picard instinktiv, auch noch etwas anderes; etwas, das voller Leidenschaft und Emotionen steckte; etwas mit einem Herzen aus Feuer. Diese Dunkelheit war ganz nah, das konnte er deutlich spüren. Es war die Dunkelheit von Locutus.

Hinter ihm bewegte sich etwas. Picard erstarrte und spürte, wie es ihm kalt über den Rücken lief. Ein oder zwei Sekunden lang hielt ihn die eisige Faust des Grauens gepackt, und dann fand er die Kraft, sich umzudrehen. Als er sah, was vor ihm stand, zuckte er innerlich zusammen.

„Was ist los, Locutus?“, fragte das Wesen, nicht mit der gleichgültigen Stimme des Kollektivs, sondern mit der einer Frau: verlockend, machtbewusst, ein wenig spöttisch, überheblich. „Erkennst Du mich nicht?“

Oh, er erkannte sie. Er erkannte sie auf Anhieb – so als wäre ein Schalter umgelegt worden. Es gab nicht den Hauch eines Zweifels, keinen Herzschlag lang. Dieses Wesen war die wahre Architektin seiner Assimilation. Ein physischer Schock presste ihm die Luft aus den Lungen.

An Bord des Borg-Schiffes. Ihr Gesicht, markant, schön und blass, direkt über ihm. Sie sah auf ihn herab, beobachtete anerkennend die schreckliche Geburt von Locutus…

Mit einem Mal war dieser Schleier von seinem Gedächtnis genommen: Er wusste, dass sie aufs Engste mit seiner Assimilation verbunden war. Es war nicht das Kollektiv, sondern sie persönlich hatte das gewollt. Und nun begegneten sie einander wieder, nach all den Jahren. Sie hatte entschieden, das Geheimnis ihrer Identität zu lüften. Ihr Leichentuch war gefallen.

„Organische Gehirne sind ja so zerbrechlich.“, sagte das Wesen und schritt auf ihn zu. Stolz. Gebieterisch. „Wie konntest Du mich so schnell vergessen?“

Als Locutus stand er ihr gegenüber, und Picards Selbst blieb unter dem enormen Gewicht des Kollektivs gefangen, unter dem Willen der Borg-Königin. Aber es leistete Widerstand, gab nicht auf. Er sah in unersättliche silberne Augen…

„Wir standen uns so nah, Du und ich. Du kannst immer noch unser Lied hören.“
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