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5x03 - Lay Down Your Burdens

von Julian Wangler

Kapitel 3

U.S.S. Enterprise, NX–01

Hoshi Sato hatte ihre Schicht am heutigen Tag besonders früh angetreten. Nein, so formuliert war es nicht richtig. Sie hatte beschlossen, eine Extraschicht einzulegen; nur eine weitere in den vergangenen Tagen. Abgesehen von ein paar KOM-Verbindungen, die sie hergestellt hatte, galt ihre ganze Aufmerksamkeit einmal mehr dem Code, der sich ihr hartnäckig in den Weg stellte, seit sie versuchte, den romulanischen Chip zu knacken. Trotz ihrer reichhaltigen Erfahrungen mit Verschlüsselungen musste sie zugeben, dass sie es mit einer derart perfekten Technik – abgesehen vielleicht vom Decodierungsschutz in Degras Bauplänen – noch nie zu tun gehabt hatte. Dem Computer schien es da ähnlich zu ergehen.

Genau genommen war es noch gar nicht einmal das eigentliche elektronische Schloss, mit dem Hoshi sich herumschlug, sondern lediglich eine Vortür. Um zum tatsächlichen Verschlüsselungsalgorithmus vorzustoßen, musste man zunächst eine vorgelagerte Sequenz entziffern. Diese schien in einer Art von Symbolsprache abgefasst. Hoshi ging mittlerweile davon aus, dass man die Sequenz erkennen und ins Romulanische überführen musste, um weiterzukommen.

Eine ganz schön ausgeklügelte Methode, Datenpakte zu codieren, und eine verdammt sichere noch dazu. Diese Romulaner mussten nicht nur Experten in Sachen Sicherheitssysteme sein, sondern obendrein verdammt paranoid. Vorsicht war bei ihnen ganz sicher die Mutter der Porzellankiste.

Die Datenbanken der Enterprise enthielten Hunderte von Symbolsprachen, aber keine einzige von ihnen wies auch nur vage Ähnlichkeit mit jenen Zeichen auf, die Hoshis Displays belegten.

Drei Symbole, eine einstellige Zahl. Sechs Symbole, eine zweistellige Zahl. Zehn Symbole, wieder eine einstellige Zahl. Auf den ersten Blick betrachtet, hatte es nicht so wahnsinnig schwer ausgesehen: ein Symbol für einen Buchstaben, eine Zahl für eine Leerstelle…

Allerdings war die Anzahl der Symbole ungerade, und es gab zu viele von ihnen. Außerdem erwiesen sich die Symbole nicht als konsistent, als Hoshi versuchte, sie durch romulanische Schriftsprache zu ersetzen. Ganz egal, mit welchem Dialekt sie es auch versuchte – keiner passte.

Das Symbol, das vielleicht einen Buchstaben in einem Wort repräsentierte, schien im nächsten Wort etwas ganz anderes zu bedeuten, und sie konnte nicht feststellen, an welcher Stelle sich die Bedeutungen veränderten. Nach den ersten beiden Stunden starrte sie auf den Bildschirm, bis alles zu verschwimmen schien wie am Ende des letzten Tages, der ähnlich erfolglos verlaufen war.

Verdammt! Sie musste doch endlich vom Fleck kommen! Das hier war ihr Gebiet, man verließ sich auf sie!

Zwar hätte sie in einer privateren Umgebung arbeiten können, aber sie blieb an ihrer Station auf der Brücke sitzen. Sie war daran gewöhnt, sich nicht ablenken zu lassen, konnte sich selbst dann problemlos konzentrieren, wenn um sie herum reger Betrieb herrschte. Doch ihre Frustration nahm immer mehr zu, und die immer häufigeren Erkundigungen ihrer Kollegen, wie es denn um die Überwindung des Codeschlosses stehe, machten es nicht unbedingt besser.

An der Akademie war sie Jahrgangsbeste in Codierung und Kryptografie gewesen, aber als sie nun erneut die kantigen und runden Zeichen betrachtete, ohne Sinn und Muster zu erkennen, fragte sie sich, weshalb sie damals so gut abgeschnitten hatte.

Es musste doch eine Lösung dieses Enigmas geben – jedes Verschlüsselungssystem besaß seine Schwächen! Die Zahlen wiesen bestimmt darauf hin, wo sich die Bedeutungen veränderten. Es gab keine andere Erklärung…

Aber trotzdem schien das nicht der Fall zu sein, und der Grund dafür blieb Hoshi ein Rätsel. Wie ärgerlich: Endlich bekam sie wieder einmal die Gelegenheit, ihre Fähigkeiten an etwas zu erproben, das aus dem Rahmen der täglichen Routine fiel, doch sie kam einfach nicht voran.

Romulanisches Hexenwerk!

„Computer, kennzeichne noch einmal die wahrscheinlichsten Entsprechungen der Symbole mit dem Buchstabensystem.“, sagte sie und seufzte ausgedehnt.

Angenommen, es handelte sich wirklich um romulanische Schriftsprache, der den Zugang zum Hauptcode bereithielt. Angenommen, die Worte waren nicht rückwärts buchstabiert oder mithilfe eines Gitters gekreuzt… Oder schlimmer noch: Vielleicht basierte der Code auf einem Buch oder Schriftstück, wobei sich die Zahlen und Symbole auf markierte Seiten und Worte bezogen. Ohne weitere Hinweise, ohne einen Schlüssel war eine solche Codierung praktisch nicht zu überwinden.

Verdammt!

„Immer noch kein Glück, wie?“

Es war der stellvertretende Chefingenieur Kelby, der ihr über die Schulter lugte. Was tat er um diese Zeit eigentlich auf der Brücke? Wollte er sie vielleicht ein wenig sticheln? In seinem eigenen gesundheitlichen Interesse hoffte Hoshi, dass das nicht der Fall war. Sie war nämlich nicht gerade zu Scherzen aufgelegt.

„Was wollen Sie, Kelby?“, gab sie mit Verzögerung von sich und ohne sich von ihren Symbolen abzuwenden.

„Eigentlich nur fragen, ob ich Ihnen einen Kaffee bringen kann.“

Hoshis Laune besserte sich. Wer war sie, dieses Angebot abzulehnen? Sie setzte sich ein verschmitztes Lächeln auf und sagte: „Gerne. Milch und Zucker bitte.“

„Geht klar.“ Kelby sah noch einmal auf den Bildschirm und schüttelte den Kopf. „Von hier oben sieht’s nach einem Haufen Linien und Schnörkel aus, finden Sie nicht?“

Eine tolle Beschreibung. So weit war ich auch schon.

Kelby verschwand im Turbolift, und Hoshi lehnte sich zurück, runzelte dabei die Stirn. Was ihr gerade noch als dilettantische Bemerkung erschienen war, schien plötzlich Sinn zu ergeben.

Eigentlich sah es tatsächlich nach Linien und Schnörkeln aus. Eine vertikale Linie, zwei Kurven. Eine Kurve, ein Schrägstrich, noch eine Kurve. Vier Linien in einer Reihe, unterschiedlich hoch. Jemand schien das Alphabet in einen Mixer gegeben und die Resultate auf dem Bildschirm sichtbar gemacht zu haben.

Hoshi wollte sich, unausgeruht und gestresst wie sie war, strecken, hob die Arme über den Kopf – und erstarrte. Langsam ließ sie die Hände wieder sinken, beugte sich vor und betrachtete die Zeichen mit neuem Interesse.

Es gab durchaus Muster. Die vier Linien in einer Reihe kamen oft vor, mochten mit ein wenig Glück einem romulanischen Vokal entsprechen.

Wer weiß, vielleicht ist es gar keine Symbolsprache. Jedenfalls nicht im üblichen Sinn. Wenn diese undefinierbaren Fetzen auseinander genommen und dann die Einzelteile aneinander gefügt wurden, und wenn die Zahlen darauf hinweisen, welcher Buchstabe in jeder Gruppe seine Konfiguration verändert oder auf die Anzahl der Worte hinweist, nach denen die Veränderung stattfindet…

Es passte, ja, es passte – und es fühlte sich irgendwie richtig an. Natürlich musste Hoshi noch die Zahlen bestimmen, den Computer anweisen, die Symbole der Form nach zu sortieren, den offensichtlichsten von ihnen Bedeutung zuzuweisen, um Strukturen zu erkennen… Aber vielleicht hatte Kelby ihr soeben, ohne es auch nur geahnt zu haben, den entscheidenden Gedankenanstoß verpasst.

– – –

Trip Tucker wurde durch ein leises Schnaufen geweckt. Und durch eine Bewegung.

Als er die Augen öffnete, erkannte er, dass sie sich im Schlaf umgedreht hatte. Sie lag nun mit dem Gesicht zu ihm, und in Anbetracht der fürchterlichen Dinge, welche sie hatte durchmachen müssen, schien sie nur versunken im Schlummer halbwegs gelöst zu sein. Trip war jedes Mal froh, wenn sie endlich eingeschlafen war. Dann konnte er jedoch meist nicht schlafen, weil er sie die ganze Nacht über sie wachen wollte. Er wollte sie behüten.

Die vergangenen Wochen seit der zweiten romulanischen Krise hatten ein paar wirklich einschneidende Veränderungen mit sich gebracht. Für Trip bedurfte es einer gewissen Gewöhnung, nicht mehr alleine zu schlafen. T’Pol hatte es so gewollt, und diese Entscheidung wusste anfänglich sein Verblüffen zu wecken.

Aber die gemeinsamen Nächte, welche beide in seinem Quartier fristeten, besaßen nichts gemein mit der schwelenden, zuweilen knisternden Romantik vergangener Monate. Sie hatten nicht miteinander geschlafen, sich nicht geküsst. Es war wieder einmal etwas Anderes daraus geworden. Wieder fand sie neue Wege, jene seltsame Liebe, aus der er nicht immer schlau wurde, ohne die er aber auch nicht konnte.

Zwischen ihnen hatte sich ein Rhythmus eingespielt. Er brachte die meiste Zeit des Tages im Maschinenraum und in anderen Teilen des Schiffes zu, schob eine Überstunde nach der anderen, um die Enterprise von den verheerenden Gefechtsschäden zu befreien. Sie war, bis vor wenigen Tagen, mit Jon Archer bei zahlreichen Anhörungen durch das Kriegstribunal gewesen. Am Ende jedes Tages wartete sie geduldig in seinem Quartier, sprach auch nicht viel, nachdem er eingetroffen war, bat nur darum, festgehalten zu werden, wenn sie zu Bett gegangen waren.

Er tat, was sie wollte. Doch manchmal weinte sie, selbst im Schlaf, so erbittert, dass Trip sich zunächst hilflos vorkam. Er drückte sie dann noch etwas fester an sich, bis sie sich wieder beruhigt hatte.

Es war ziemlich verrückt. Wie lange hatte er davon geträumt, nächtelang neben diesem wundervollen Geschöpf zu liegen; er hatte sich regelrecht danach verzehrt, auch wenn er es niemals allzu offen vor T’Pol zugegeben hätte (das hätte er als Zeichen der Schwäche empfunden). Es war noch gar nicht so lange her. Seit er sich im Klaren darüber war, dass er starke Gefühle für sie hegte, hatten ihn schwüle Vorstellungen von liebeshungrigen Nächten mit ihr immer wieder begleitet.

Dann war T‘Pol, angefangen mit T’Les‘ Tod, in eine Abwärtsspirale geraten, die mit dem Verlust von Elizabeth, ihrer Verbannung und dem Mord an V’Las ihren Höhepunkt erreichte. T’Pol flüchtete zu ihm, und er nahm sie auf, vergrub sich mit ihr in diesen vier Wänden. Seit Wochen bereits. Spendete ihr den Schutz, den sie brauchte. Für andere Dinge blieb keine Zeit mehr.

Allmählich fragte sich Trip jedoch, ob diese neue Phase ihrer Beziehung, in die sie unvermittelt eingetreten waren, langfristig gut für sie war. Ob das, was er tat, gut für sie war. Konnte man so auf Dauer weitermachen? War das der richtige Weg, ihr zu helfen, sich wieder aufzurichten?

Es musste fast zwangsläufig irgendwann irgendjemandem auffallen. Die erste Person, die T’Pols und Trips Abkapslung bemerkte, war Malcolm gewesen. Während einiger gemeinsamer Mahlzeiten in der Offiziersmesse, im wahrsten Wortsinn zwischen Tür und Angel, hatte Trip sich ihm über sein neues Verhältnis zur Vulkanierin anvertraut. Malcolm und Frauen, das war zwar an sich schon eine ziemlich unwahrscheinliche Kombination, doch Trip hoffte, dass sein Freund vielleicht gerade wegen seiner Entrücktheit diese eigenartig gewandelte Beziehung zu T’Pol würde deuten können.

Fehlanzeige. Malcolm hatte skeptisch die Brauen gehoben. Sag mal, Trip, das… Das kann doch nicht so mit Euch bleiben.

Wie meinst Du das?

So wie ich es sage. So kann man doch auf Dauer keine Beziehung führen.

Es ist ja auch keine Beziehung. Trip hatte gestockt. Oder doch…? Ich weiß nicht, was es ist.

Malcolm war seine Konfusion geradezu ins Gesicht gesprungen. Hey, ich finde es bewundernswert, wie sehr Du Dich für sie aufopferst. Aber Du musst zur Abwechslung auch mal an Dich denken. Dass sie Deine Gefühle mit ihrem eigenartigen Verhalten verletzen könnte, kommt ihr scheinbar nicht in den Sinn.

Es geht ihr sauschlecht, Malcolm.

Der Andere hatte geseufzt. Ich weiß. Was ich damit nur sagen will: Keine Liebe kann auf Dauer in diesem Schwebezustand bleiben. Es ist, als würde jemand am ausgestreckten Arm verhungern.

Malcolm hatte nicht Unrecht, und doch glaubte Trip, dass er nicht nachvollziehen konnte, welches unsichtbare Band zu T’Pol sich geknüpft hatte, das weit über ein normales Verliebt-sein hinausreichte.

Dem Verhältnis zu T’Pol lag eine Vielschichtigkeit, Komplexität und Tiefe zugrunde, die er kaum in Worte fassen konnte, an der er selbst oft genug verzweifelte. Es lag längst nicht nur daran, dass sie eine recht untypische Vulkanierin und er ein Mensch war. In den vergangenen Jahren hatten sie so unglaublich viel miteinander geteilt und durchgestanden. Sie hatten einander gestützt und getragen. Hinzu kam, dass ihre Freund- und Partnerschaft unterschiedlichste Phasen durchlebt hatten, die nicht immer einfach für Trip gewesen waren, aber ihrer Beziehung immer mehr Facetten hinzugefügt hatten.

Einmal waren sie ein effektiv arbeitendes Team; oder zwischen ihnen vibrierte die Fremdheit ihrer unterschiedlichen Herkunft und Kulturen; dann wieder brannten sie wie zwei glühende Kometen; oder sie waren zwei innige Freunde, die füreinander da waren, ihre Freude und ihren Schmerz gleichermaßen teilten…

Infolgedessen hatte Trip nun einmal diese vielfältigen und zuweilen verwirrenden Gefühle für sie, die irgendwie zwischen den Welten lagen. Darüber musste er sich erst einmal im Klaren werden. Es hatte seine Zeit gebraucht. Doch jetzt kam ihm immer mehr zu Bewusstsein, dass diese eigentümliche Mischung, die sie abgaben, vielleicht genau das war, was er sich schon immer herbeigesehnt hatte, warum er in der Vergangenheit von einer Frau zur nächsten vagabundiert und ausgerechnet bei T’Pol stehen geblieben war.

T’Pol war so wie ihre unstete Beziehung – sie war alles zugleich. Sie war kühl, logisch und brillant; sie war voller Hitze und Leidenschaft; sie war starrköpfig und besserwisserisch, sensibel, klug, wunderschön und voller Weisheit; sie konnte unglaublich stark sein, und doch war sie so fragil und zerbrechlich hinter ihrer vulkanischen Fassade. Und selbst, wenn man mit ihr stritt und sich Kränkungen an den Kopf warf, empfand man am Ende doch so etwas wie Bereicherung und Sinnhaftigkeit.

Und doch wusste Trip gerade nicht recht weiter. Irgendetwas musste geschehen, damit sie wieder auf die Beine kam, damit sie ihr Leben wiederaufnehmen und einen neuen Anfang für sich finden konnte.

Im Dunkeln sah er ihre Silhouette vor sich; wie sich ihr Leib abwechselnd hob und senkte. Der Kopf ruhte auf beiden Händen, die Beine waren angewinkelt.

Ein Kind… Die Art, wie sie dalag, erinnerte ihn an dieses Bild. Kein Kind etwa, das man unbeteiligt aus der Distanz betrachtete, aus der Warte eines Dritten, des Beobachters, über eventuelle Tollpatschigkeiten erheitert. Es war viel unmittelbarer: ein schutzbedürftiges Kind, das einem in den Weg gelegt wurde, und es wäre ein Vergehen gewesen, einfach unbeirrt weiterzugehen. Etwas, von dem man wusste, dass es ohne die eigene Hinwendung und Fürsorge zugrunde ginge, das aber gleichzeitig keine Sekunde früher als nötig selbständig werden wollte.

Seltsame Gedanken… Und sogleich regte sich schlechtes Gewissen in Trip. Würde sie ein solches Verantwortungsempfinden seinerseits überhaupt akzeptieren? Na ja, sie konnte es wohl nicht einmal verhindern.

Nicht nachdem sie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Obwohl Trip nur allzu gut wusste, was T’Pol alleine und auch mit ihm zusammen an Verlusten hatte erleiden müssen, überstieg dieser Anblick in der Dusche ihres Quartiers alles, was er in seinen grässlichsten Albträumen hätte vorhersehen können. Das Bild hatte ihn nicht mehr losgelassen, sich geradewegs eingebrannt vor seinem geistigen Auge und in seinem Herzen.

Die Sorge um T’Pol war übermächtig, omnipräsent. Er konnte sie einfach nicht mehr sich selbst überlassen, musste sie um jeden Preis schützen. Nötigenfalls vor sich selbst. Das galt umso mehr, seit sie sich vehement gegen die Konsultation eines Therapeuten gewehrt hatte. Trip wurde im Realisieren darüber ein sehr deutliches Gefühl zuteil: Noch nie hatte er sich jemandem mehr verpflichtet gefühlt als T’Pol im Hier und Heute.

Eine Weile schlief sie noch, in der Trip sie stumm beobachtete. Irgendwann schließlich öffnete sie langsam die Augen und sah ihn an. Ihr Blick war schweigend verschwiegen, und daran maß Trip, wie entlang eines ganz besonderen Indikators, dass sie alles andere als geheilt war, immer noch in ungeminderter Stärke unter inneren Wunden und Verwerfungen litt.

„Hey…“ Er schenkte ihr ein Strahlen, so wie er das jeden Morgen versuchte.

T’Pol räkelte sich ein kleinwenig, ohne die großen, mandelförmigen Augen von ihm abzuwenden. „Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte sie leise.

„Lang genug.“, antwortete er sanft. „Und ziemlich niedlich. Aber das sei nur am Rande bemerkt.“

„Wann beginnt Deine Schicht?“

Er drehte den Kopf und blickte auf den Chronometer an der Wand. „’Ne halbe Stunde haben wir noch.“

Ihr Blick wurde wieder ein bisschen hilfloser. Trip ahnte, was jetzt anstand. „Umarmst Du mich bitte noch einmal?“

„Komm her.“

Ihr nackter, ebener, perfekter Rücken drückte sich gegen seine Brust, und Trip umschloss sie schützend mit beiden Armen. Kaum hörbar schien T’Pol zu japsen, als sie wieder da lag, eingegraben in seine Obhut. Einige Minuten vergingen, da beide schweigend aus dem Fenster sahen. Es war ausgefüllt mit der spitzenartigen Filigranstruktur des Warp–fünf–Komplexes. Dahinter drehte die wolkenverschnörkelte Erde gemächlich ihre Runden.

Irgendwann zuckte T’Pol, wurde unruhiger. Bevor Trip eine entsprechende Frage stellen konnte, räusperte sie sich leise. „Ich habe nachgedacht…“

„Worüber?“

„Auf der Enterprise kann ich zurzeit nichts tun.“

„Sag das nicht.“, meinte er und streichelte ihre Schulter. „Du musst Dich erst mal um Dich selbst kümmern und Dich wieder erholen. Und falls Du nach ‘ner Beschäftigungstherapie suchst: Ich kann immer ein Paar geschmeidiger Hände im Maschinenraum gebrauchen.“ Er grinste knabenhaft und wanderte von ihrer Schulter zu ihren Händen.

„Trip, ich bin vom Dienst entbunden worden.“ Drückende Schwere erklang in ihrer Stimme.

Das war dumm gesagt, Triple–Idiot., tadelte er sich insgeheim und versuchte sodann, den Fehler ungeschehen zu machen. „Oh, ich bin mir sicher, sie werden Dich schneller wieder einstellen als Du gucken kannst. Und dann werde ich eiskalt zuschlagen.“

Enttäuschenderweise antwortete T’Pol nicht darauf.

„Ich bin hier überflüssig.“, hielt sie im Gefolge mehrerer Sekunden fest. „Im Übrigen gibt es da eine Sache, die ich schon viel zu lange vor mir herschiebe.“ Vorsichtig löste sie sich aus seiner Umarmung, drehte sich zu ihm um und schob sich unter ihn.

Ihre großen, dunklen Augen musterten ihn aufmerksam. „Trip, ich habe bereits Kontakt zu einem Bekannten aufgenommen. Ich werde nach P’Jem reisen.“

Zuerst stockte ihm der Atem. „Hast Du gerade P’Jem gesagt?“

„Das habe ich.“

„Was willst Du da nur?“ Mit diesem Ort verband er, seit ihrer ersten Begegnung mit den Andorianern, nicht unbedingt positive Erinnerungen.

„Ich muss mir einiger Dinge klar werden.“, erwiderte sie abstrakt. Einmal mehr signalisierte sie ihm damit, dass sie sehr wohl ihre Geheimnisse wahrte, zu wahren gewillt.

Er ließ nichts unversucht: „Welcher Dinge? Hättest Du vielleicht die Güte, mich ein wenig einzuweihen?“

„Es ist wichtig. Ich brauche Klarheit. Vertrau mir bitte.“, versuchte T’Pol eine Brücke zu bauen.

„Aber T’Pau und die Regierung… Die woll’n Dich in die Finger kriegen.“

„Das werden sie nicht.“, stoppte sie ihn. „Vulkanische Klöster sind der Regierungspolitik völlig entzogen und verfolgen ihre eigenen Kodexe. Ich werde dort unerkannt bleiben. Vertrau mir.“, wiederholte sie.

Trip verdrehte die Augen. „Es reicht nur einer, der Dich verpfeift. Und abgesehen davon musst Du vulkanischen Raum durchqueren, um nach P’Jem zu kommen. Die Idee gefällt mir nicht. Was ist, wenn –…?“

„Ich muss es tun. Es gibt keine Alternative für mich.“ Die Art, wie sie es betonte, zeigte ihm, dass sie fest entschlossen war. Sie hatte ihre Entscheidung bereits gefällt, unumstößlich.

Sie überrascht Dich jedes Mal aufs Neue…

„Die Einreise wird kein Problem darstellen. Ich weiß, wie ich unbemerkt nach P’Jem komme. Und wie gesagt: Vulkanische Klöster sind ein Sonderfall. Sie sind vom Exil ausgenommen und stehen jedem Fremden offen.“

Er erinnerte sich. T’Pau hatte ihm etwas in der Art mitgeteilt. „Du bist keine Fremde, sondern genauso vulkanisch wie T’Pau.“, hielt er dagegen. Seitdem er von dem Erlass über T’Pol gehört hatte, war bei Trip die Eiszeit in Bezug auf die Erste Ministerin ausgebrochen.

„Sie und das Hohe Gericht sehen das anders. Und Surak auch.“
Surak, das war das altbewährte Totschlagargument. Er konnte es nicht mehr hören. Auch, wenn es geholfen hatte, einen Krieg gegen Andoria abzuwenden – ein Teil von Trip wünschte sich, das verfluchte Kir’Shara wäre niemals in die Hände der Vulkanier zurückgekehrt. Vulkan mochte durch seinen Fund auf den ursprünglichen philosophischen Pfad zurückgefunden haben, doch schien an die Stelle von V’Las’ rein machtpolitisch motivierter Despotie nun ein neuer Dogmatismus getreten zu sein. Und T’Pol war eines der ersten Opfer dieser neuen Ordnung geworden.

Staatsstreiche…, dachte Trip ernüchtert. Etwas, womit die Erde in der Vergangenheit zu genüge schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Der König ist tot, lange lebe der König…

Worum immer es T’Pol ging: Er konnte sie doch nicht einfach so gehen lassen. „Der Captain gibt mir bestimmt ein paar Tage frei. Lass mich Dich begleiten.“

Sie schloss die Augen und seufzte. Der Klang des Seufzens zeigte ihm, dass sie ihn nicht verletzen wollte. „Trip, diesmal nicht. Ich muss das alleine erledigen.“

„Na schön. Aber Du kommst zurück, okay? Und zwar unbeschadet.“, forderte er ein.

„Versprochen.“

Nun geschah etwas. Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre unglaublich weichen Hände, senkte seinen Kopf zu sich und küsste ihn auf die Stirn.

Dann schien sich bei T’Pol, von den Augen beginnend, ein Lächeln zu bilden.

Aber nur fast.

Ein unglaublich langer Moment zog vorbei, da beide einander ansahen. Es waren Sekunden innigsten Glücks. In diesen Sekunden wusste Trip ganz genau, wofür er lebte und warum er T’Pol liebte. Und er fand Erlösung in der Erkenntnis, dass er ihr doch hatte helfen können. Jedenfalls genug, damit sie begann, sich selbst zu helfen. Er konnte ihr nur vertrauen und hoffen, dass sie das Richtige tat.
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