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Day of Confession (Teil 1)

von Julian Wangler

Kapitel 2

2379

Deneb. Alleine der Name war geschichtsträchtig.

Geschichtsträchtig für ihn persönlich, denn nüchtern betrachtet hatten Kartographen schon vor Jahrhunderten – wahrscheinlich aus einem schlichten Mangel an Kreativität – unter sich ausgemacht, gleich eine Reihe von Sternensystemen so zu taufen. Die Entdeckung der Galaxis schritt zuweilen schneller voran als das Register mithalten konnte. Das Problem war ihm nicht fremd.

Doch im Hier und Heute war er froh, dass es eine Namensdoppelung gab. Konnte das ein Zufall sein? Wissenschaftler und Träumer wechselten sich noch in ihm ab, und er sah hinauf zum nächtlichen Himmel, in dem sich das feine Rotviolett der Dämmerung ankündigte. Ferne Lichter. Aus dieser Perspektive lag Farpoint Station nicht näher als am anderen Ende der Föderation. Aber für sein Innerstes konnte dieser Moment nicht symbolischer gemeint sein.

Nicht für einen Captain der Enterprise.

Während er den Trikorder hervorholte, erinnerte sich Jean–Luc Picard an die Debütmission zur Bandi–Welt Deneb IV. Damals hatte er es deutlich gespürt: Mit dem allerersten Schritt, den er auf sein neues Schiff setzte, veränderte sich sein Leben. Fünfzehn Jahre waren seither vergangen. Es war so vieles geschehen.

Jetzt ging das Leben weiter, und doch begann ein neues Kapitel für ihn, nachdem er und seine alte Mannschaft schließlich auseinander gegangen waren. Es begann – wie konnte es auch anders sein? – auf Deneb IV, und das war gut so. Aber Bandi fand man hier nirgends.

Nur Ruinen. Geschichte, in uralten Stein gemeißelt. Jemand anderes hätte darüber möglicherweise gegähnt, aber nicht Jean–Luc Picard. Seitdem der Dominion–Krieg im Alpha–Quadranten getobt hatte, war er nicht mehr auf eine Forschungsmission gegangen. Er hatte sich des Öfteren darüber beklagt – bis zum heutigen Tag, da er seiner alten Leidenschaft, der Archäologie, wieder frönen durfte. Auch das wertete er als Symbol.

Und es versprach Hoffnung für die Zukunft.

Sie sehen, Galen, es ist noch nicht zu spät für mich., dachte er zufrieden.

Unbefangen setzte er seinen Weg fort. Er hielt auf die große, geborstene Felswand zu. Die ersten zarten Ausläufer der Sonnenstrahlen trafen auf den Canyon. Picard entschloss sich, noch einmal stehen zu bleiben, um zu beobachten, wie das Sonnenlicht in den nächsten Minuten über die Felswand kroch und eine Öffnung beschien. Die Öffnung war von Steinsäulen flankiert, von Säulen, die gemeißelt und poliert waren. Ein Tor.

Gut, dass hier die Sonne alle zehn Stunden auf– und untergeht., sagte er sich. Sein Enthusiasmus hätte wohl auch keine größeren Unterbrechungen verkraftet. Unterbrechungen waren aber auf Deneb nach Sonnenuntergang wohl oder übel nötig, da die Oberfläche des Planeten nachtsüber eisige Temperaturen annahm.

Er ging weiter, passierte zuletzt das Tor, dessen Säulen von oben bis unten mit aufwendigen, fremdartigen Figuren bedeckt waren. Sie standen ein ganzes Stück zurückgesetzt über einem Überhang der Felswand, und nur dieser spezielle, frühmorgendliche Einfall des Sonnenlichts machte sie sichtbar. Die Erbauer waren raffinierte Leute gewiesen – und hoch entwickelte obendrein.

Der Eingangsbereich der Höhle war bestimmt von einer sich hoch wölben Decke, weshalb das Gefühl, eingeschlossen zu sein, gar nicht aufkam. In halber Höhe der Wand befand sich ein dekorativer Fries, der in den Granit eingemeißelt worden war. Viele der Formen und Figuren waren abstrakt, einige wirkten wiederum vertraut: Blumen und Ranken, dann lang gestreckte außerirdische Gestalten, die in demütiger Haltung vor einer Essenz knieten, aus der Strahlen entwichen.

Die Trikorder zeigten ein Alter zwischen zwei– und dreitausend Jahren an. Faszinierend. Picard hatte sich ein verblümtes Lächeln nie verkneifen können. Beim ersten Betreten der Höhle hatte er die Figuren betrachtet und sogleich die Vermutung aufgestellt, der Bau weise Elemente des alten ägyptischen und mesopotamischen Architekturstils auf. Wie auch immer, die Erbauer besaßen ein weit gediehenes Verständnis für Perspektive und Proportion, und darüber hinaus verriet die Bildhauerarbeit ein hohes ästhetisches Empfinden. Dann hatte er verfolgt, wie der Fries in die Höhle hineinragte und wurde zu einer anderen Assoziation verleitet. Die alten Griechen hatten Friese zu meißeln gepflegt, auf denen sie sowohl Schlachtszenen als auch Gruppenbilder ihrer mythologischen Gestalten abbildeten. Vielleicht erfüllte dieser hier einst eine ähnliche Funktion.

Sonnengottmythologien bei Spezies, die in Höhlen hausen? Es war nach wie vor ein ziemliches Rätsel.

Die Umgebung war hell erleuchtet von Sternenflotten–Illuminatoren. Vereinzelt standen hier auch Konsolen, Arbeitsflächen und Tische mit Werkzeugen. Drei Tage waren vergangen seit der Stunde der Entdeckung, und jeder neue hatte sich aufregender dargestellt als der letzte.

Picard drang tiefer ein in den Stollen. Er amtete die kühle, trockene Luft ein. Sie roch leicht modrig und verstärkte sich, je weiter er ging. Es war der Geruch von Abenteuern, die nach seinem Geschmack waren. Er dankte es den Fügungen des Schicksals, dass er so etwas noch einmal erleben durfte.

Auf neue Welten… Das kaum wahrnehmbare Klirren zweier Sektgläser verklang in seinem mentalen Kosmos.

Vielleicht stimmte es. Vielleicht waren Neuanfänge nicht immer etwas, wovor man sich fürchten musste.

Er durchquerte einen Verbindungsgang, in dem feine Kristalle in den Wänden fluoreszierend glänzten, bevor er sich auf einem schmalen Felsvorsprung hoch über einer riesigen Tropfsteinhöhle wieder fand. Er wusste: Dies war die eigentliche Höhle. Alles andere war nur Vorbau. Auch hier konnte nicht von einem natürlichen Ursprung der Umgebung die Rede sein; sie war mit Sicherheit ausgehöhlt worden. Dieser Vorgang musste gewaltige Kräfte gekostet haben.

Die Grotte erstreckte sich ins Endlose.

Unter ihm breitete sich eine aus weißem Stein erbaute Stadt aus, die den Schein Dutzender Sternenflotten–Scheinwerfer reflektierte. Sein Blick strich hinweg über Mauern, Wendeltreppen, Bogenfenster und kleine Türme mit Kuppeldächern, von denen einige durch schmale Brücken miteinander verbunden waren. Es gab Gebäude in allen Größen und Formen, zwischen denen schmale Straßen lagen, die höchstwahrscheinlich dem Fußgängerverkehr gedient hatten. Hoch oben in der gewölbten Decke der Höhle gab es einen schmalen Spalt, durch den ein gebündelter Strahl Sonnenlichts fiel. Er warf einen wie magischen Schleier über die Stadt und umfing den höchsten Turm im Zentrum, verwandelte das weiße Gestein in Gold.

Picard seufzte leise unter dem Anblick. Überall in den Gassen gab es Aktivität. Gleich mehrere archäologische und forensische Außenteams waren damit beschäftigt, die Stadt zu untersuchen, zu vermessen und gruben verschüttete Bereiche behutsam aus. Hier gab es so viel zu tun, es schien für ein Leben zu reichen, für mehr sogar. Picard wusste, er würde sich damit begnügen müssen, die Überreste dieser fremden Zivilisation ausfindig gemacht zu haben. Die Enterprise war kein speziell für archäologische Missionen ausgerüstetes Schiff, weshalb die Sternenflotte eines entsandt hatte. Die U.S.S. Rocinante würde im Laufe der nächsten zwanzig Stunden hier eintreffen und die Tätigkeiten von Picard und seinen Leuten weiterführen.

Das war nun einmal der Preis, wenn man das Flaggschiff der Flotte befehligte. Man war überall und nirgends zu gleich. Man eignete sich vortrefflich dazu, Namen und Bilder zu liefern, aber das Eintauchen in die Fachmaterie übernahmen dann meist hochgradig fokussierte Experten, während die Enterprise weiterziehen durfte. Dieses Phänomen kannte er nicht seit gestern, und doch hatte er sich mit ihm arrangiert. Immerhin kam man mit dem Flaggschiff auch außergewöhnlich viel herum, und keine dieser Erinnerungen an exotische Welten wollte er heute noch missen.

Picard schritt einen abschüssigen, steinernen Pfad hinab und achtete darauf, auf dem teils recht glatten Stein nicht auszurutschen. Auf Höhe des fremden Kulturhorts angelangt, betrat er eine der Hauptstraßen. Die Gebäude, die ihn umgaben, waren ziemlich schmal und hatten nicht mehr als zwei oder drei Stockwerke. Einige von ihnen waren verfallen. Hier und dort lagen Trümmerhaufen. Die meisten Häuser besaßen keine Dächer mehr. Wahrscheinlich waren sie irgendwann unter dem Gewicht der Zeit eingestürzt.

„Captain, ich sehe, Sie konnten es gar nicht erwarten.“

Geordi LaForge lächelte freundlich, als er sich von Norden her mit einem Trikorder in der Hand näherte. Da die Enterprise noch keinen neuen Wissenschaftsoffizier hatte, war er bei der Leitung der Teams eingesprungen, koordinierte die Analyse– und Freilegungsbemühungen. Im schummerigen Schein der Lichtkegel stachen die künstlichen, türkisenen Augen des Chefingenieurs ein wenig hervor. Picard musste sich erst noch daran gewöhnen, dass Geordi seinen modischen Bart wieder abrasiert hatte. Vielleicht hatte das einen besonderen Grund, den er noch nicht in Erfahrung gebracht hatte. Andererseits: Jeder von uns sucht dieser Tage nach Wegen, sich jünger zu fühlen als er ist.

Picard hatte seinen Weg gefunden. Als er den Blick durch die Höhle schweifen ließ, trat ein Glanz in seine Augen. „Schlafen kann ich auch noch, wenn die Ablösung eingetroffen ist.“, entgegnete er. „Bis dahin will ich jeden Augenblick hier genießen. Konnten Sie in der Zwischenzeit etwas herausfinden?“

Geordis Lächeln wuchs noch ein wenig in die Breite. In den vergangenen drei Tagen waren kaum ein paar Stunden vergangen, da sein Captain sich nicht bei ihm nach neuen Erkenntnissen der Investigation erkundigt hatte. „Lieutenant Deratow – Sie wissen schon, das junge, pacficanische Temperament, das neu an Bord gekommen ist –…“

„Ich erinnere mich.“

„Also, sie meinte, es gäbe gute Chancen, dass Ihre Theorie stichhaltig ist. Es könnten tatsächlich Debrune gewesen sein. In einer frühen Entwicklungsphase.“

Picard nickte zufrieden. „Wenn das wirklich Debrune waren, dürften unsere neuen romulanischen Freunde sehr an diesem Fund interessiert sein.“

Geordi blinzelte. „Die Romulaner, Captain? Ich kann mich nicht erinnern, dass sie sich für antike Geschichte begeistern.“

„Sie wären erstaunt.“ Picard bedachte sein vertrautes Gegenüber mit einem Schmunzeln. „Gestern Abend hat die neue Prätorin Tal’Aura beim Föderationsrat darum ersucht, mit unserer archäologischen Abteilung zu kooperieren. Jetzt, wo sich die Gelegenheit bietet, wollen die Romulaner mehr über ihre eigenen Wurzeln herausfinden. Bislang waren sie dazu nicht in der Lage, denn fast alle Hinterlassenschaften der Debrune befinden sich im Gebiet der Föderation.“

Die Debrune waren ein alter Nebenzweig der vulkanischen Rasse, die Vulkan dereinst verließ. Bis heute gab es wilde Spekulationen darüber, ob es Debrune waren, die später den Planeten Romulus besiedelten und damit der Gründung des romulanischen Sternenimperiums Vorschub leisteten, oder ob die vulkanische Diaspora einer anderen Gruppe entsprungen war. Barradas III, Calder II, Draken IV, Dessica II, Yadalla Prime… Im Laufe seiner Missionen mit der Enterprise war Picard selbst auf einige weitere Hinterlassenschaften der Debrune–Hochkultur gestoßen, unweit der Neutralen Zone lokalisiert. Diese früheren Außenposten, die in einem Handelsnetzwerk verbunden gewesen sein mussten, stammten allesamt aus einer Zeit um das vierte Jahrhundert nach Christus. Die heutige Entdeckung war weit älteren Datums. Sie mochte eine entscheidende Antwort auf die Frage nach den romulanischen Staatsgründern liefern. Picard hegte bereits den Verdacht, dass es nicht die Debrune gewesen sein konnten, gab es doch Hinweise darauf, dass die Exilanten, die Vulkan verließen, vor knapp zweitausend Jahren aufgebrochen waren, als direkte Reaktion auf die Reformation der Welt durch Surak und seine Logikphilosophie.

„Die Romulaner wollen also Einblicke gewinnen. Und was bieten sie im Gegenzug?“, fragte Geordi.

„Alle ihre Daten zu den iconianischen Ausgrabungen. Die wiederum zum überwiegenden Teil in ihrem Territorium liegen.“

Der Dunkelhäutige machte eine Schippe. „Hört sich nach einem Deal an.“

„So könnte man es nennen.“, sagte Picard. „Und dem eingesetzten Friedensprozess wird dieses Engagement bestimmt nicht abträglich sein.“

Der Friedensprozess… Er würde bestimmt nicht einfach werden. Dazu galt es, Jahrhunderte alter Ressentiments abzubauen – auf beiden Seiten. In der Föderation gab es nach wie vor eine Mehrheit der Bürger, die den Romulanern nicht trauten, sie für verschlagen und hinterlistig hielten. Diese Leute waren auch in der Regierung und der Admiralität der Sternenflotte zahlreich vertreten und stellten die berechtigte Frage, ob man Tal’Aura und ihrer neuen Administration überhaupt genügend vertrauen konnte, zumal sich ihre Vorgänger in der Vergangenheit allzu häufig als verräterisch entpuppt hatten.

Nach wie vor hatte sich nur wenig an der Einstellung der Romulaner zum Imperialismus geändert. Trotz ihrer hoch entwickelten Kultur war kaum ein Volk so sehr von Eroberungsdrang geprägt, was zwangsläufig mit den Prinzipien der Föderation – die allem voran die Selbstbestimmung hochhielt – kollidieren musste.

Und trotzdem war unversehens eine Tür aufgestoßen worden, seit die Enterprise und Commander Donatras Warbirds gemeinsam gegen den Tyrannen Shinzon gekämpft und ihm das Handwerk gelegt hatten. Darüber hinaus konnte sich das Sternenimperium heute keine größeren Konflikte leisten. Nachdem Shinzon in einer beispiellosen Aktion den Senat ermordet hatte und kurz darauf selbst untergegangen war, herrschte heute ein Machtvakuum auf Romulus, in das miteinander rivalisierende politische Gruppierungen hineinzustoßen versuchten. Die Position der neuen Prätorin war nicht zuletzt deshalb schwach, weil sogar an der Peripherie ihres Reichs Aufstände entbrannt waren. Eine Reihe von Grenzkolonien forderte ein Mehr an Autonomie oder gar eine Entlassung in die Unabhängigkeit. Ebenfalls durfte man nicht die nach wie vor ungelöste remanische Frage vergessen.

So schwierig schien die Situation für die Romulaner schon seit langem nicht mehr gewesen zu sein. Picard war überzeugt: Das Letzte, was Tal’Aura wollte, war mit anzusehen, wie ihr Imperium in mehrere Teile zerbrach wie das alte Rom auf der Erde. Deshalb verlangten dramatische Probleme nach dramatischen Lösungen – manchmal auch nach solchen, die etwas damit zu tun hatten, dass jemand über den eigenen Schatten sprang.

Gerade vor einer Stunde hatte er mit Will Riker gesprochen, der mit seinem neuen Schiff, der Titan, und einer Taskforce der Sternenflotte in romulanisches Gebiet unterwegs war, um die Grenzkonflikte zu schlichten. Da einige der Welten forderten, in die Föderation aufgenommen zu werden, war diplomatisches Fingerspitzengefühl angebracht. Picard zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass sein ehemaliger Erster Offizier das Zeug dazu hatte, die romulanische Staatsmacht und die Rebellen dazu zu bringen, sich an einen Tisch zu setzen und ihre Kampfhandlungen beizulegen. Dennoch würde Will erst einmal an den guten Willen aller appellieren müssen, und manch romulanischer Stolz war bekanntermaßen eine mehr als harte Schale.

Picard hätte Will gerne unterstützt, aber da Shinzon sein Klon gewesen war, begegneten ihm einige Romulaner mit Misstrauen. Immerhin hatte Shinzon das Sternenimperium binnen weniger Wochen in ein Chaos gestürzt, das bis heute anhielt. Jean–Luc Picard war also nicht der richtige Mann für diese Mission, und vielleicht war das auch gut so, denn auf diese Weise konnte er Will beim ersten Einsatz unter seinem Kommando nicht dazwischenfunken. Seine guten Wünsche begleiteten ihn und Deanna, die mitgegangen war auf die Titan.

Im nächsten Moment verfolgte Picard, wie Geordi kicherte und sich halb abwandte.

„Was ist so lustig?“

„Nichts.“, erwiderte der Ingenieur. „Ich hab’ nur gerade an Data gedacht. Bei unserer letzten archäologischen Mission nach Horst III hat er ständig versucht, komisch zu sein. Der Emotionschip hat noch nicht richtig funktioniert.“

So lange ist das schon her… Picard verbarg seinen Wehmut.

„Ihm hätte es sicher hier gefallen.“, setzte Geordi hinterher.

Picard war bedacht, dem Anderen einen zuversichtlichen Ausdruck zu schenken. „Oh, vielleicht wird ihm das bald wieder. Ich habe gehört, B–4 macht weitere Fortschritte.“

Geordis Züge hellten sich weiter auf. „Das kann man wohl sagen. Er hat heute zu malen begonnen. Und die gute, alte Spot scheint seine Sympathien auf sich zu ziehen.“

„Sobald ich wieder auf dem Schiff bin, werde ich ihm einen Besuch abstatten.“

„Das ist eine gute Idee, Captain. In Ihrer Gegenwart scheinen die Erinnerungsengramme am schnellsten wieder hochzufahren.“

„Ich gebe mein Bestes.“, versicherte Picard.

Einem Androiden die Hand halten… Es hatte eine Zeit gegeben, da dachte er abfällig über so etwas. Nicht unbedingt, weil Data eine Maschine gewesen war, sondern weil ihm zwischenmenschliche Beziehungen nicht gerade die größte Freude bereiteten. Zu Beginn der Reise war er noch ein anderer gewesen, aber die Jahre auf der Enterprise hatten ihn verändert. Heute war er davon überzeugt, sie hatten einen besseren Menschen aus ihm gemacht, der es nicht mehr scheute, auf eine Partie Poker bei seinen Untergebenen vorbeizukommen, ohne gleich Angst bekommen zu müssen, sein Image als kommandierender Offizier würde kompromittiert. Der Androide Data hatte daran einen entscheidenden Anteil gehabt. Ausgerechnet der, der von sich sagte, er werde nie ganz Mensch sein, hatte das Menschlichste in Picard hervorgebracht. Daher konnte Picard sich nichts Schöneres vorstellen, wenn Data eines Tages in B–4 zurückkehrte. Die Chance bestand, hatte doch Data vor seinem Opfer auf der Scimitar sämtliche seiner Erinnerungsengramme in den anderen Soong–Prototypen übertragen.

Never saw the sun shining so bright… Picard erinnerte sich, wie B–4 vor ein paar Tagen zu singen begonnen hatte. Ein erstes hoffnungsvolles Zeichen. Sollte Data in diesem neuen Körper den Weg zurück zu ihm schaffen, würde er sich fühlen wie ein Vater, der die Zeit bis zur Niederkunft seines Kindes abgesessen hatte. Vielleicht hatte Jean–Luc Picard, dieser ewige Einzelgänger, am langen Ende also doch eine Familie gewonnen.

Ein Anflug von Trübsal stieg in ihm auf, als er daran dachte, wie schön es gewesen wäre, hätte er Will, Deanna und Beverly jetzt bei sich gehabt. Auch sie hätten eine solche Mission bestimmt zu schätzen gewusst. Die Erinnerung an die gemeinsamen Jahre würde ihm niemand mehr wegnehmen. Er würde sie hochhalten – auf jeder weiteren fremden Welt, die er besuchte.

„Haben Sie Worf gesehen?“, wollte Picard wissen.

„Oh, ich glaube, er ist heute Morgen…verhindert.“

Er hatte bemerkt, wie es in Geordis Gesicht gezuckt hatte. „Verhindert?“

„Ja, ich glaube, es geht ihm nicht allzu gut.“

Picard hob einen Mundwinkel. „Hat er sich bei Fähnrich Willows Polterabend den Magen verdorben?“

„Nein, das ist es nicht. Eher so was wie…Katzenhaarallergie.“

„Katzen…?“ Jetzt fiel es ihm wieder ein. „Oh.“

„Es ist meine Schuld.“, sagte Geordi mit ein wenig Reue in der Stimme. „Ich hab’ ihn gebeten, diese Nacht auf B–4 aufzupassen. Aber da wusste ich noch nichts von seinem Problem. Jedenfalls: Er hat in Datas Quartier geschlafen, und die Katze fand es wohl ziemlich gemütlich auf seinem Bauch. Na ja, und, als er heute aufwachte, hat er ein paar Küchenrollen verschlissen.“

Picard runzelte die Stirn. „Das wundert mich. Spot ist doch nicht seit gestern an Bord, und Worf hat Data gelegentlich einen Besuch abgestattet. Wieso hatte er früher keine Beschwerden?“

Geordi zuckte die Achseln. „Vielleicht ’ne Hormonumstellung oder einfach die Wechseljahre eines klingonischen Kriegers. Worf muss man seine Geheimnisse doch immer aus der Nase ziehen. Ach so, wo Sie schon da sind, Captain: Lieutenant Braal wollte Ihnen gerne etwas zeigen. Sie wissen schon, der neue Exobiologe von Tellar.“

Als sie gemeinsam weiterzogen durch das uralte Labyrinth, durchströmte Zufriedenheit Picard. Es gibt noch viel zu lernen., dachte er. Und es wird nicht langweilig.
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