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Day of Confession (Teil 2)

von Julian Wangler

Kapitel 4

Es herrschte demonstrative Stille im weitläufigen Shuttlehangar der Enterprise – ein Zustand, der Geordi unwirklich erschien. Er lebte zu lange an Bord dieses Schiffes, um nicht an das geschäftige Surren von Servomotoren, den Geruch von Gleitsprühmitteln und allenthalbene Wortwechsel zwischen Flugkontrolloffizieren bei der Shuttlewartung gewöhnt zu sein.

Jetzt war die Landebucht wie ausgestorben. Einzig die Führungsoffiziere – derer es zurzeit nicht allzu viele gab – standen versteinert in einer Reihe, den Blick starr geradeaus gerichtet. Währenddessen teilte sich das muschelförmige Schott in der Mitte.

Sekunden vorher waren die Anzeigen über und unter dem Kraftfeld im Hangarzugang von Grün auf Gelb gewechselt, gefolgt von einem akustischen Signal. Nun veränderte sich die Dichte des Kraftfelds, um das Shuttle passieren zu lassen.

Fast geräuschlos glitt die Fähre durch die unsichtbare energetische Barriere – das Impulstriebwerk war deaktiviert. Man hörte nur ein leises Knistern und Knacken, das von der Außenhülle stammte, die nun auf den Luftdruck und die Temperatur im Hangar reagierte. Das kleine, schneeweiße Schiff mit dem goldverkleideten Signum der Föderation an der Bugspitze sank auf die Landescheibe und drehte sich, während ihre Heckluke aufklappte.

Ein leicht abseits, zwischen der Fähre und den Versammelten platzierter Fähnrich hob das postmoderne Äquivalent einer Trillerpfeife zum Mund. Wie es in der Raumfahrt schon lange Tradition war, spielte er zwei hohe Töne, um die Ankunft von Ehrenpersonal protokollgemäß anzukündigen.

Unter der Galauniform, die er trug, verkrampften sich die Muskeln in Geordis Rücken. Er war überzeugt, es lag nicht in erster Linie daran, dass die Montur sich seit ihrer letzten Verwendung ein wenig eng anfühlte – wofür es, nebenbei gesagt, zwei Erklärungen geben mochte.

Wer wird hier eigentlich jünger?, seufzte er in sich hinein.

Der Chefingenieur genehmigte sich eine halbe Kopfdrehung, spähte flüchtig die unvollständige Aufstellung entlang. Martin Madden wahrte eine gewisse professionelle Maske. Größere Sorgen machte sich Geordi um Worfs Ausdruck, der einem offenen Buch recht nah kam.

Er sah aus, als wäre ihm eine Laus über die Leber gelaufen. Gram, Ungeduld und dass ihn etwas schwer plagte, waren dem Klingonen deutlich abzulesen. Da Worf nie besonders gut darin gewesen war, zu verbergen, was ihm durch den Kopf ging, konnte Geordi nur hoffen, dass er gleich gegen seinen inneren Schweinehund ankämpfte – und gute Miene zum bösen Spiel machte.

Gleichwohl teilte er den Missmut über die zur Unzeit kommende Visite. Hoffentlich machen die ganz schnell wieder einen Abflug.

Zuerst stiegen der Pilot und ein breitschultriger Sicherheitsoffizier aus, dessen muskelbepackte Brust fast das Uniformhemd zu sprengen schien. Beide Männer trugen keine Anzüge der Sternenflotte, der sie ja auch nicht angehörten. Das Personal des Palais de la Concorde wurde seit Gründung der Föderation von der Schweizer Garde rekrutiert.

Zwischen den stramm stehenden Gardisten verließ anschließend eine Gruppe merkwürdig aussehender Außerirdischer das Gefährt. Die Beine unter ihren bis zum Boden reichenden, halbtransparenten Gewändern waren äußerst lang und dünn, zerbrechlich anmutend wie Stäbe. Selbiges galt für die anderen Gliedmaßen sowie den Hals, der bei dieser Spezies in etwas Giraffenartiges aufging. Ununterbrochen reckten die Gestalten ihr ovales Haupt in alle Himmelsrichtungen. Fast mit einer kindischen Aufgeregtheit sahen sie sich um. Auf dem Kopf trugen sie eine mannigfarbene Mähne, die in dicken Strähnen über die hohe Stirn fiel, ebenso wie in die Augen, drei an der Zahl.

„Und das hier ist sie also, der ganze Stolz unserer Flotte. Die Enterprise.“ Die Urheberin der salbungsvollen Worte kam erst einen Augenblick später zum Vorschein. Nanietta Bacco, drahtig, blass und silberhaarig, trat in elegantem Schritt durch die Luke der Fähre.

Sie war vor einem knappen Jahr ins Präsidentenamt gekommen, nachdem sie sich bei einer angefallenen Stichwahl gegen ihren schärfsten Herausforderer, den Sternenflotten–Admiral William Ross, durchgesetzt hatte. Geordi begegnete der einstigen Gouverneurin von Cestus III mindestens zum dritten Mal. Gerade kürzlich, im Spätsommer, hatte die Enterprise sie für eine Konferenzfahrt mehrere Tage an Bord gehabt.

„Wohlan.“, sagte der am prunkvollsten dekorierte Außerirdische, den Blick zur hoch aufragenden Decke gerichtet, wo eine Reihe von Shuttles mit komplexen Gerüsten verdockt lag. „Ein Schiff von wirklich beeindruckender Größe. Ich würde es mir gerne ansehen.“

Bacco lächelte schmal. „Deshalb sind wir hier, Botschafter.“

Der Faden zur Delegation schien bereits abgerissen, als die Präsidentin den Mund öffnete. Ohne sich vorzustellen und mit gebannten Blicken aus den vielen, asynchron sich windenden Augen verliefen sich die skurrilen Wesen in der Halle.

Geordi verfolgte, wie in Baccos Rücken eine letzte Person das Shuttle verließ. Ein Admiral der Sternenflotte.

Auch das noch., dachte er gequält.

„Stehen Sie bequem, Gentlemen.“ Mit herzlicher Miene strebte Bacco den Führungsoffizieren entgegen. „Ah, da erkenne ich doch glatt einige neue Gesichter hier seit meiner letzten Inspektion.“ Sie sah auf zu Madden.

„Commander Martin Madden, Madame President.“, stellte dieser sich flugs vor. „Ich bin der Nachfolger von Commander Riker. Ich meine natürlich: Captain Riker.“

Sie reichte ihm die Hand. „Ich gratuliere Ihnen, Commander.“

„Haben Sie Dank. Dies ist Doktor Cilian Murphy…“

Wieder wurden Hände geschüttelt. „Es ist mir eine Ehre, Madame President.“, bekundete der Australier, in einer Stimmlage schwelgend, die Geordi ein wenig devot vorkam. Zumindest klang es nicht nach dem, was der Ruf, den er sich in Kürze erarbeitet hatte, ihm nachsagte.

„Und Commander LaForge und Commander Worf dürften Sie ja bereits kennen.“

Bacco zwinkerte Geordi zu. „Ja, wir sind wirklich durch Dick und Dünn gegangen in den letzten Monaten. Ist es nicht so, meine Herren?“

Worf blieb mit grimmiger Miene wortkarg, und sicherheitshalber erwiderte Geordi: „Das können Sie laut sagen, Sir.“

Bacco registrierte, dass rechts des Ingenieurs niemand mehr stand; sie verschrieb sich wieder Madden. „Na so was. Ich hatte erwartet, Captain Picard hier anzutreffen. Unsere verehrten Gäste von Ameetídâ sind so neugierig wie wir es in unseren besten Zeiten waren.“

„Er ist leider verhindert. Für den Augenblick.“

„Tja, was sagt man dazu?“ Das Föderationsoberhaupt wurde nachdenklicher. „Das ist schade. Meine Hoffnung war, Ihr Captain könnte die Aussichten mit seiner Kultiviertheit steigern?“

„Die Aussichten, Madame President?“, echote Madden.

„Sie haben richtig gehört. Ameetídâ könnte schon bald in die große Familie aufgenommen werden. Die Integrationsbehörde hat den Planeten als äußerst viel versprechenden Kandidaten eingestuft. Und nach der zurückliegenden Austrittswelle muss ich Ihnen nicht sagen, dass wir…“

„…frisches Blut nötig haben.“, führte Madden zu Ende. „Nein, wir verstehen voll und ganz, Madame President.“

Bacco besah ihn mit ein wenig Verwunderung über die Wortwahl. „Sagen Sie, Commander: Hat Captain Picard Sie wegen Ihrer Unverblümtheit hergeholt?“

„Ähm… Nicht, dass ich wüsste, Sir. Was ich sagen wollte, war: Es wird uns eine Ehre sein, unseren bescheidenen Teil beizusteuern, dass die Föderation wieder wachsen kann.“

Die Antwort stimmte Bacco sichtlich milde. „Sehr gut. Wer wird sich uns demnach annehmen?“

Geordi wollte nicht riskieren, den unerfahrenen Madden mit einem Haufen hoher Politiker alleine zu lassen. „Nun,“, mischte er sich ein, „wenn Sie wirklich jeden Winkel des Schiffes sehen wollen –…“

„Jeden Winkel.“ Vehemenz erklang in der Stimme des ameetídânischen Konsuls, der offenbar nicht nur vieles im Blick behielt, sondern zudem über gute Ohren verfügte.

„Dann bin ich wohl Ihre Adresse.“, bekräftigte Geordi. „Wenn Sie mir bitte folgen würden.“



Sie haben ’was gut bei mir, LaForge. Madden fiel ein Stein vom Herzen, als er verfolgte, wie die Neuankömmlinge samt der Präsidentin und ihren Gardisten dem Chefingenieur nachzogen.

In dieser Hinsicht fühlte er sich nah bei Worf: Er war nie dafür gemacht worden, sich mit ranghohen Banner– und Würdenträgern zu umgeben, geschweige denn mit ihnen zu hätscheln.

„Verhindert.“ Eine feste, weibliche Stimme beendete den Zustand der Erleichterung. „Das erscheint mir kaum typisch für Jean–Luc Picard. Den Mann, der garantiert nur dann von Bord geht, wenn man ihn dazu zwingt.“

Madden blickte auf und merkte, dass Kathryn Janeway noch bei ihm stand. Sie hatte darauf verzichtet, sich der illustren Gruppe anzuschließen. Stattdessen verharrte sie und gab einen forschen Blick zum Besten.

Madden empfand ihre Erscheinung als überaus eindrucksvoll. Hohe Wangenknochen, wachsame Augen, ein strenger Dutt… Er fragte sich, was es genau war, das Janeways Reiz ausmachte. War es diese Mischung aus Geschmeidigkeit und doch gnadenloser Bestimmtheit, die sie gerade auf Männer so anziehend wirken ließ? Oder war es die Tatsache, dass sie dafür berüchtigt war, mit ihrer energischen Art unter den Sesselfurzern im Oberkommando aufgeräumt zu haben, seit sie nach ihrer spektakulären Heimkehr vor zwei Jahren quasi über Nacht zu einer einflussreichen Beraterin des Präsidenten gemacht worden war?

Er riss sich aus seinen Gedankengängen. „Entschuldigung, Admiral.“

Janeway schwenkte das Haupt. „Sagen Sie bloß, es ist etwas Wichtiges?“

Madden verzichtete darauf, einen verräterischen Blickkontakt mit Worf herzustellen. „Nun, er macht…Landurlaub.“

Die Admiralin verschränkte die Arme. „In der Tat, das sind ganz neue Töne.“

„Ja. Nach der letzten Mission hat er, glaube ich, etwas Erholung nötig.“

„Das wundert mich. Ich habe ihm doch gesagt, dass er immer die einfachen Einsätze kriegt.“ Die Andeutung eines Lächelns lag auf Janeways Lippen, doch der Ausdruck ihrer Augen blieb geradezu kühl. „Bevor er das nächste Mal von seinem Schiff flieht, sollte er es mit Kaffee probieren. Der wirkt wahre Wunder. Ich spreche da aus Erfahrung.“

„Ähm… Das werde ich ihm ausrichten, Admiral.“

„Gentlemen.“

Worf und Madden sahen Janeway hinterher, wie sie zum Hangarausgang schritt.

„Kein Captain, aber dafür die Präsidentin…“ Murphy neben ihnen schnalzte. „Wenn diese ameetídânischen Käuze hier irgendwelche fremden Bakterien verbreiten, können wir unser blaues Wunder erleben. Ich bereite sicherheitshalber das Dekontaminationsprotokoll vor.“ Das Selbstgespräch murmelnd, entschwand auch der Arzt schließlich, und übrig blieben Worf und Madden in der Geräuschlosigkeit des Hangars.

„Das ist jetzt nur so eine Frage: Kann es sein, dass Admiral Janeway eine Abneigung gegen den Captain hat?“

Worf betrachtete ihn verwundert. „Das wissen Sie nicht?“
Madden wusste mittlerweile mit der vorwurfsvollen Note in der Stimme des Anderen umzugehen. „Schon vergessen? – Ich kriege hier Hintergrundinformationen nur auf Anfrage geliefert. Außerdem begegne ich Janeway zum ersten Mal.“ Er zuckte die Achseln. „Ich meine, sie sitzt sicher nicht zu Unrecht auf diesem Stuhl.“

Leise knurrte Worf. „Ich würde sie wieder in den Delta–Quadranten zurückjagen, wo sie hingehört.“

„Höre ich da etwa ein leicht ungezügeltes Temperament in Ihrer Stimme, Worf?“

Der Unterkiefer des Klingonen malmte, und er schaute zurück zu Madden. „Das Verhältnis, das sie zum Captain hat… Nennen wir es eine gepflegte Intimfeindschaft. Die beruht zum Glück bei ihm auf Gegenseitigkeit.“

„Ach ja. Und worauf begründet sich diese Feindschaft?“

„Suchen Sie sich etwas aus.“, sagte Worf. „Sie ist bestens befreundet mit Edward Jellico, dem borniertesten p’taQ in der Admiralität. Abgesehen davon reklamiert Janeway für sich, die Föderation gerettet zu haben. Vor den Borg. Das hat dem Captain noch nie gepasst, und er hat Recht damit.“

„Mh–hm.“, machte Madden. „Wenn Sie mich fragen, ist das ein klarer Fall: Der Alpha–Quadrant ist zu klein geworden. Kann sich jemand noch an die Zeiten erinnern, in denen der einzige Held James Kirk hieß? Als Junge hing er jedenfalls über meinem Bett.“

Worf schüttelte entschieden die Mähne. „An Captain Picard kommt selbst Kirk nicht heran. Und ja: Der Alpha–Quadrant ist klein geworden.“ Schnaubend entfernte sich Worf.

Madden konnte darüber nur mit den Brauen zucken. „Zu klein jedenfalls für zwei Borgbezwinger.“
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