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Seskas Geheimlogbuch

von Julian Wangler

Kapitel 3

Sternzeit: 48332,3 | 2. 5. 2371
(nach Der Fürsorger)

Der Monat Rakata hat begonnen. Um diese Zeit wollte ich wieder auf Cardassia Prime sein – und meine Beförderung im Obsidianischen Orden entgegennehmen. Stattdessen sitze ich jetzt auf einem Sternenflotten-Raumschiff, an die 75.000 Lichtjahre von cardassianischem Raum entfernt. Ich kann es immer noch nicht fassen. Dabei ist doch alles so vielversprechend gelaufen.

Seit ich Chakotays Mannschaft vor einem Dreivierteljahr unterwanderte, habe ich systematisch sein Vertrauen gewonnen. Es war nicht schwer, ihn dazu zu bringen, mir aus der Hand zu fressen. Er kann sich noch so sehr anstrengen, sich die Fassade des harten Guerillakämpfers aufzusetzen – dahinter bleibt er der gutherzige, moralische Ritter, der er immer war. Er ist so leicht zu manipulieren.

Meine monatelange Arbeit im Maquis trug schließlich Früchte. Sie hat mich bis zu dem Punkt geführt, an dem das Ziel zum Greifen nah war. Normalerweise werden Absprachen über neue Angriffe und Taktiken unter den Anführern der Maquis-Zellen aus Sicherheitsgründen strikt geheim gehalten, aber Chakotay beging einen Regelbruch, weil er felsenfest davon überzeugt war, er könne mir blind vertrauen. Es muss vor knapp einem irdischen Monat passiert sein. Er weihte mich ein, die Liberty werde in Kürze abfliegen und sich einem größeren Verband anschließen. Der Maquis wagte sich diesmal an einen wirklich dicken Fisch heran: Er wollte die Ponjab-Werften zerstören.

Indem Chakotay mich auf eigene Faust frühzeitig informierte, nahm er mir viel unnötige Arbeit ab – und gab mir obendrein noch einen Zeitvorsprung. Ich konnte meinen Vorgesetzten, Corbin Entek, über meinen geheimen Transceiver kontakten, sodass ihm genug Zeit blieb, die Nachricht an das Zentralkommando weiterzuleiten.

Tatsächlich schaute der Maquis ziemlich bald blöd aus der Wäsche: Kurz vor Ponjab kamen die Cardassianer gut vorbereitet aus dem Hinterhalt und nahmen den Angriffsverband mit einer ganzen Maschinerie aus Schiffen und Abwehrsystemen in die Zange. Die große Offensive der EMZ-Rebellion endete in einer dramatischen Flucht, bei der die zwölf Maquis-Schiffe sich trennten und um ihr Leben liefen. Einige wurden zerstört, andere gerieten in Gefangenschaft. Chakotay wird nie Gewissheit darüber erlangen, was der Grund für das spektakuläre Scheitern seiner heroischen Mission war.

Die Liberty wurde von der Vetar unter Gul Eveks Kommando gejagt. Jedes Mal, als ich dachte, jetzt sei es vorbei, jetzt gebe es keinen Ausweg mehr, demonstrierte Chakotay seine Verbissenheit. Selbst, wenn er der Feind ist, kann man durchaus noch etwas von ihm lernen. Mit halsbrecherischen Manövern schlug er sich bis in die Badlands durch und hängte die Vetar in den Plasmastürmen ab. Armer Evek, er hatte an diesem Tag wahrlich kein Glück. Ich aber auch nicht. Denn kurz darauf erfasste uns dieser aus dem Nichts kommende kohärente Tetryonstrahl, und eine Verlagerungswelle zog uns fort.

Als wir wieder zu uns kamen, fanden wir uns im Delta-Quadranten wieder, auf der anderen Seite der Galaxis. Unser Schiff war infolge der Jagd und der Versetzung in dieses Raumgebiet so stark beschädigt, dass wir nirgendwohin konnten. Außerdem kam uns B’Elanna abhanden.
Wenige Tage später tauchte das Sternenflotten-Schiff auf, das angesetzt worden war, uns zu suchen. Nach dem, was der Maquis mit seinem Angriff auf Ponjab demonstriert hatte, war ja klar, dass die Föderation früher oder später ihre Scheu überwinden und gegen die Rebellion vorgehen musste, wenn sie am Frieden mit Cardassia festhalten wollte. Trotzdem kann ich nicht behaupten, dass mir unter diesen Bedingungen das Eintreffen der Voyager recht war. Mit ihrer Ankunft dachte ich, jetzt sei alles aus. Ich dachte, die werden uns sofort dingfest machen und hinter ein Kraftfeld sperren. Als Tuvok sich als Spion des Sternenflotten-Geheimdienstes offen zu erkennen gab, lagen wir für einen Augenblick wie ein Braten auf dem Präsentierteller.

Aber die Kommandantin der Voyager war angesichts unserer prekären Lage auf einen vorübergehenden Waffenstillstand aus. Janeway sagte, sie wolle eine Zusammenarbeit, um B’Elanna und Harry Kim – eines ihrer Crewmitglieder, das vermisst wurde – zu finden und damit beide Schiffe wieder in den Alpha-Quadranten zurückkämen.

Leider war das schon das Einzige, was an dieser Frau vielversprechend war. Kurz darauf bewies sie nämlich, dass sie mehr als nur das Potenzial hatte, uns in weit größere Schwierigkeiten hineinzureiten.
Im törichten Glauben an ihre heiligen Sternenflotten-Prinzipien entschied Janeway über unser aller Köpfe hinweg, die Phalanx des Fürsorgers zu vernichten. Sie zerstörte mutwillig unsere einzige Chance, nachhause zurückzukommen, nur weil sie der Auffassung war, dadurch ein Volk zu schützen, das wir überhaupt nicht kennen. Was zum Teufel interessieren uns irgendwelche Ocampa, dass sie es wert sind, dass wir dafür in der Fremde stranden? Dafür aber legte Janeway den Grundstein für die Feindschaft mit den Kazon, die in diesem Teil des Weltraums eine bedeutende Macht zu sein scheinen.

Wären wir auf einem cardassianischen Schiff gewesen und der Kommandant hätte eine derartige Entscheidung getroffen, wäre es geradezu die Pflicht der Crew gewesen, gegen ihn aufzubegehren. Aber die Mannschaft der Voyager tat nichts dergleichen, wieso denn auch? Wir sind doch eine wohl erzogene, dressierte, kleine Bande. Die Einzigen, die protestierten, waren ein paar Maquis, darunter auch ich. Natürlich hatten wir nichts zu melden. Unser Schiff war gerade zerstört worden, und wir mussten notgedrungen auf die Voyager übersetzen. Fassungslos sahen wir zu, wie die Torpedos der Voyager in die Phalanx einschlugen und sie in Stücke rissen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ahnte ich, dass diese Janeway unser Verderben sein würde.

Meine Vorahnung hat mich nicht im Stich gelassen. Kurz darauf beging Janeway weitere schwerwiegende Fehlentscheidungen. Sie entschloss sich leichtfertig zur Aufnahme zweier komplett Fremder in ihre Mannschaft. Ich traue weder diesem talaxianischen Schrottsammler noch seiner Ocampa-Hure über den Weg. In einer selbstgerechten, schiffsweit übertragenen Ansprache an die Besatzung hat Janeway allen Ernstes die lange Rückreise zu einer verkappten Forschungsmission ausgerufen. Die Voyager solle im Delta-Quadranten die Wunder des Universums entdecken. Ist diese Frau eigentlich übergeschnappt? Das ist allerdings noch nichts gegen Janeways Diktat, die Maquis in die Sternenflotten-Besatzung zwangszuintegrieren. Man stelle sich vor: Wir sollen unter ihr dienen – dieser Frau hörig wie dressierte Lakaien, in den Uniformen der Föderation und den Gesetzen der Föderation verpflichtet. Etwas Widerwertigeres ist kaum vorstellbar. Und angesichts des Umstands, dass die Föderation so weit weg ist, ist Janeways Vorstellung, hier draußen den verlängerten Arm der Sternenflotte spielen zu wollen, auch komplett absurd.

Was mich am meisten schockiert hat, war jedoch nicht Janeways Erwartung an uns Maquis, sondern wie leichtfertig Chakotay sich darauf einließ. Er mag ja früher selbst in der Sternenflotte gewesen sein, aber nach all der Zeit in der EMZ dachte ich wirklich, er wäre aus anderem Holz geschnitzt. Er unterwarf sich Janeway, kam zu uns und redete uns ein, es gebe nun keine andere Möglichkeit mehr als dass wir uns in die Reihen der Sternenflotten-Mehrheitscrew einfügten. Wir säßen jetzt alle im selben Boot, und dieses Boot heiße Voyager. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich angenommen, Chakotay sei einer cardassianischen Gehirnwäsche ausgesetzt worden. Natürlich stellte ich ihn zur Rede, versuchte ihn umzustimmen, doch es nützte nichts. Ich weiß nicht, wie es Janeway gelang, ihn um den Finger zu wickeln, aber erstmal ist das eine Niederlage für mich, ebenso wie für alle Maquis, denn auch wenn uns bislang niemand ins Gefängnis warf, verloren wir hier unsere Freiheit.

Längerfristig aber könnte es sich möglicherweise zum Vorteil auswirken, dass Janeway Chakotay zu ihrem neuen Ersten Offizier auserkoren hat. Momentan kann ich nur hoffen, dass die Zusammenarbeit nicht so reibungslos verlaufen wird wie erhofft und dass beide in Zukunft aneinandergeraten werden. Als Erster Offizier hat Chakotay Zugriff auf wichtige Kommandofunktionen des Schiffes. Wenn wir die Voyager eines Tages übernehmen wollen, könnte das ein enormer Trumpf sein. Ich will auch nicht ausschließen, dass Janeway ein paar aus ihren eigenen Reihen in den Rücken fallen werden. Nach dem, was ich so mitbekommen habe, gibt es einige Leute, die von ihrer Entscheidung, die Phalanx zu zerstören, ordentlich brüskiert sind.

Wir werden abwarten müssen, wie es jetzt weitergeht. Fürs Erste sitze ich hier fest und muss die bittere Realität zur Kenntnis nehmen: Selbst bei maximaler Warpgeschwindigkeit ist Cardassia viele Jahrzehnte entfernt. Aber so leicht werde ich mich nicht geschlagen geben. Technologie wie die Phalanx des Fürsorgers hat uns hierher gebracht, also wird es doch verdammt nochmal irgendwo Technologie geben, die uns wieder zurückbringen kann. Sobald die Gelegenheit da ist, die Rückreise irgendwie zu beschleunigen, werde ich Acht geben, dass Janeway uns nicht schon wieder aufgrund ihrer Sternenflotten-Prinzipien das Tor in die Heimat zuschlägt.
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