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Voyager Companions In Fate - Teil 2: Path of Destiny

von Julian Wangler

Kapitel 2

2351
U.S.S. Atlas

Sechs Jahre später stand Chakotay an seiner Achterstation im Herzen einer ansehnlichen, wenn auch nicht imposanten Kommandozentrale, in der es ruhig und geordnet zuging. Er war Fähnrich an Bord der U.S.S. Atlas, kommandiert von Captain Ricardo Lopez, eines hochgewachsenen Mannes mit glattem, fast faltenfreiem Gesicht und ausdrucksstarken Augen, in denen Intelligenz und Schläue leuchteten. Chakotay kannte ihn noch nicht allzu lange, doch schien er zu jener Sorte von Männern zu gehören, die die Gesellschaft und Kameradschaft anderer Männer bevorzugten. Lopez war verheiratet, hatte zwei Söhne, und alles deutete darauf hin, dass er seine Frau über alle Maßen verehrte. Aber den meisten Frauen an Bord seines Schiffs begegnete er mit sonderbarer Galanterie, die darauf hinwies, dass er sich in ihrer Nähe nicht sehr behaglich fühlte.

Zu seinem Glück konnte Chakotay nicht nur von sich behaupten, dasselbe Geschlecht mit Maxwell zu teilen: Von seinem ersten Tag an auf der Atlas hatte er den Segen des Befehlshabers gefunden – eine dankbare Fügung der Dinge, wodurch es ihm vielleicht vergönnt sein würde, schneller als andere in der Kommandohierarchie aufzusteigen. Vorausgesetzt natürlich, es gelang ihm auch künftig, Lopez nicht zu enttäuschen.

Gegenwärtig übte er den Posten eines Offiziers für besondere Aufgaben aus; er schob Hintergrunddienst an verschiedenen Stationen während unterschiedlicher Schichten. Die Stelle an sich war zwar weniger prestigeträchtig, da er in der geschäftigen Praxis auf der Atlas oftmals zur Verschiebemasse und zum Anlaufpunkt für ungeliebte Jobs wurde, sie erlaubte ihm jedoch auch, eine Menge Erfahrung zu sammeln. Lopez, so nahm er an, wollte ihn wohl testen: Wenn er die anfallenden Pflichten sauber und ohne zu murren erfüllte, würde früher oder später etwas für ihn dabei herausspringen.

Chakotays Blick kehrte zu seinen Displays zurück, als plötzlich die Detektoren mit leisem Zirpen anschlugen. „Sir, die Senioren erfassen ein nicht identifiziertes Raumschiff, eins Komma sechs Lichtjahre entfernt.“, meldete er. „Es nähert sich auf einem Abfangkurs.“

Lopez drehte sich in seinem Kommandostuhl halb um. „Enthalten die Datenbanken einen Hinweis?“, fragte er interessiert. Seit einem Monat kartographierten sie einen abgelegenen Sektor im Alpha-Quadranten, und angesichts der Langeweile, die aufgekommen war, schien nahezu jede Abwechslung willkommen.

„Es könnten Cardassianer sein,“, sagte Winston Balmler, der Wissenschaftsoffizier der Atlas, und schaute auf seine Anzeigen. „Sie scannen uns ebenfalls.“

„Cardassianer? In diesem Teil des Raums?“ Lopez blinzelte verwirrt. „Legen Sie mir das Schiff auf den Schirm, sobald es in visuelle Reichweite gelangt.“

Chakotay dachte daran, wie ein ähnlicher Dialog vermutlich auch an Bord des unbekannten Raumers stattfand. Beide Schiffe führten Sensorsondierungen durch und versuchten, vor dem eigentlichen Kontakt so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Die Anspannung in ihm wuchs. Wenn es wirklich Cardassianer waren… Man musste sich vor ihnen vorsehen. Seit ein paar Jahren machten sie der Föderation Ärger. Sie waren unberechenbar und aggressiv.

„Da ist es, Captain.“, räusperte Chakotay sich und versuchte, die Nervosität aus seiner Stimme zu verbannen. Ein vages Bild erschien auf dem großen Projektionsfeld im vorderen Teil der Kommandozentrale; ein Schemen, der sich fast zwischen den Sternen verlor.

„Vergrößern.“, ordnete Lopez an.

Chakotays Finger glitten über ein Schaltelement, und das Bild auf dem Schirm gewann deutlichere Konturen, zeigte nun ein großes, dreigeteiltes Kriegsschiff mit eindrucksvollen Waffensystemen. Von seiner Form und Farbe her erinnerte es vage an einen Molukkenkrebs.

„Sie rufen uns.“ Die Stimme Ibrahim Rachimovs, seines Zeichens Kommunikationsoffizier.

„Na, dann bin ich ja mal gespannt…“ Der Captain erhob sich aus seinem Stuhl und strich seine Uniform glatt. Erst vor ein paar Wochen trug die Crew die neuen Modelle. „Stellen Sie durch.“

Ein externer KOM-Kanal wurde geöffnet. Plötzlich blickte ein Cardassianer vom Hauptschirm: groß und langgliedrig, mit dicken Knorpelsträngen, die am breiten Hals empor führten und bis zur Stirn reichten. Die schwarzen Augen glänzten wie Obsidian.

„Nennen Sie Ihre Absichten, Föderationsschiff.“, sagte der Mann, ohne einen Gruß vorabzuschicken.

„Ich bin Captain Ricardo Lopez vom Sternenflotten-Kreuzer Atlas.“, erwiderte der Kommandant, keineswegs bereit, sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Chakotay bewunderte ihn für diese Gemütsverfassung. „Wir kartographieren diesen Sektor für unsere astrographischen Datenbanken.“

„Ach ja? Während Sie das tun, sind Sie dem cardassianischen Hoheitsgebiet jedenfalls gefährlich nahe.“ Der Mann, der offenbar nicht bereit war, seinen Namen zu nennen, schmälte den Blick. „Ich sende Ihnen die Koordinaten der Grenzen und rate Ihnen dringend, sie zu respektieren.“

„Sir, den Daten zufolge, die hier gerade ‘reinkommen…“ Balmler drohte sich zu verschlucken. „Also, es scheint, als wären wir fünfhunderttausend Kilometer vor der Demarkationslinie zur Cardassianischen Union.“

Der Captain runzelte die Stirn und sah wieder zum Schirm. „Wir wissen ganz genau, auf welches Raumgebiet die Cardassianische Union Anspruch hat. Es kam zu einigen Begegnungen zwischen Ihren Schiffen und unseren; vermutlich wird da bei Ihnen etwas klingeln. Nehmen Sie es mir nicht krumm, aber Ihren Daten nach zu urteilen, ist das cardassianische Territorium im Verlauf des letzten Monats erheblich gewachsen.“

Die Ironie in Lopez‘ Stimme stachelte den Cardassianer an. „Stellen Sie unsere Ansprüche in Frage?“

„Sagen wir, ich versuche, sie zu verstehen. Unseren Karten zufolge verläuft die letzte gemeldete Grenze etwa drei Lichtjahre von hier entfernt.“

„Die neuen Daten sind korrekt.“, beharrte der Cardassianer.

„Weiß der Föderationsrat davon?“

Das Gesicht des Cardassianers verwandelte sich in eine abfällige Grimasse. „Es ist nicht unsere Pflicht, dem Föderationsrat Meldung zu erstatten. Wir sind autonom und lassen uns von Fremden nichts vorschreiben.“

„Es ging mir lediglich darum, ein wenig Kooperationsbereitschaft anzuregen.“, erwiderte Lopez gelassen. „Wenn wir in KOM-Verbindung bleiben und miteinander sprechen, sinkt die Gefahr unangenehmer Missverständnisse.“

Der reptilienhafte Cardassianer kniff die Augen zusammen. „Drohen Sie mir, Föderationscaptain?“

Die Sensoranzeigen wiesen Chakotay darauf hin, dass das energetische Niveau in den cardassianischen Spiralwellen-Disruptoren gefährlich anstieg. Er schaute zu Lopez, der die Kampfbereitschaft der Cardassianer ebenfalls bemerkte, aber nicht darauf reagierte.

„Ganz und gar nicht. Ich bemühe mich nur, mit Ihnen zu kommunizieren.“

Der Außerirdische lachte falsch. „Wenn Sie solchen Wert auf Kommunikation legen, teile ich Ihnen Folgendes mit: Es wäre besser für Sie, das cardassianische Territorium sofort zu verlassen.“

Chakotay und sein Captain wechselten einen raschen Blick. Offenbar hatte sich der Verlauf der cardassianischen Grenzen soeben erneut geändert.

„Lassen Sie mich raten: Wir halten uns gegenwärtig dummerweise in cardassianischem Gebiet auf.“

„Ganz genau. Sehen Sie selbst.“

Neue Daten wurden übermittelt und deuteten darauf hin, dass sich die Atlas ein ganzes Stück hinter der Demarkationslinie befand.

Chakotay spürte, wie Ärger in ihm entstand. Der Cardassianer legte es ganz offensichtlich darauf an, zu provozieren. Glaubte er vielleicht, dass sie sich einfach so einschüchtern ließen und wie ein getretener Hund das Weite suchten?

Da sich der taktische Offizier derzeit im Maschinenraum aufhielt und seine Station deshalb unbesetzt war, wechselte Chakotay unaufgefordert dort hin. Er zögerte nicht und legte die Torpedo-Katapulte unter Energie, ebenso die Phaser, fest davon überzeugt, dass sein Captain ihm jeden Augenblick eine entsprechende Anweisung erteilte.

„Was zum… Deaktivieren! Sofort!“, rief Lopez sofort und fügte diesem einen Wort einen finsteren Blick hinzu. Widerstrebend kam Chakotay der Aufforderung nach.

Der Cardassianer amüsierte sich köstlich über den Sternenflotten-Kommandanten, der seinen übereifrigen Offizier zurückpfiff, welcher zudem von einigen seiner Kameraden perplex angestarrt wurde. „Eine kluge Entscheidung, Captain.“, schnurrte er. „Es ist viel besser, wenn Sie jetzt Ihr Triebwerk aktivieren und zum Föderationsrat zurückfliegen, um ihn über einige Neuigkeiten zu informieren.“

Lopez stieß ein leises Ächzen hervor. „Ich hoffe, Ihre Regierung nimmt eines Tages diplomatische Beziehungen mit der Föderation auf. Auf diese Weise ließen sich bedauerliche Zwischenfälle dieser Art vermeiden.“

„Das Einzige, was an diesem Zwischenfall bedauerlich ist, ist Ihre Unfähigkeit, einer kommenden Großmacht im Alpha-Quadranten Platz zu machen.“, grollte der Alien und gefiel sich dabei selbst.

Beschwichtigend hob Lopez die Hände. „Hören Sie, uns liegt nichts an einem Konflikt mit Ihnen, und deshalb ziehen wir uns als Geste des guten Willens zurück. Aber wir wissen beide, dass die Karten in unserer Datenbank sind die richtigen sind, und unsere Regierung wird von dieser Sache benachrichtigt, seien Sie versichert.“

Der Cardassianer lächelte freudlos und drohend. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Captain. Und geben Sie darauf Acht, dass Sie sich in Zukunft niemand anderes zum Feind machen.“

Die Verbindung wurde unterbrochen. Der Hauptschirm bot den cardassianischen Kreuzer dar, dessen Waffenbatterien weiterhin aktiviert waren.

„Steuermann, bringen Sie uns weg von hier. Kurs fünf-drei-sechs-Punkt-neun, Warp zwei.“

„Aye, Captain.“

Lopez fuhr herum und deutete zur Tür, die in seinen Bereitschaftsraum führte.

Als beide Männer sich im kleinen Büro gegenüberstanden, konnte Chakotay sich nicht mehr länger zurückhalten. „Wir hätten uns nicht so herumkommandieren lassen sollen.“, stieß er hervor.

„Haben Sie vielleicht ein Problem mit meinem Kommandostil, Fähnrich?“

Der Jüngere knirschte mit den Zähnen und wandte sich kurz zu den im Fenster vorbeirauschenden Sternen. „Nein, Captain, natürlich nicht. Es ist nur… Diese verdammten Cardassianer. Jemand muss Ihnen doch eine Grenze zeigen, sonst werden sie ewig so weitermachen.“

„Im wahrsten Sinne des Wortes.“, pflichtete Lopez bei. „Und das wird auch eines Tages so sein. Aber dieser Tag ist nicht heute.“

„Warum nicht?“ Chakotay ließ es drauf ankommen. „Wir sind ebenso gut bewaffnet wie sie. Sie hätten es nicht gewagt, uns anzugreifen, wenn wir eine Drohkulisse aufgebaut hätten.“

„Sie sind frisch von der Akademie, ein Greenhorn, Chakotay, und dafür pokern Sie verdammt hoch.“

„Vielleicht, Captain. Wenn das so ist, tut es mir Leid.“

Lopez richtete einen verständnisvollen Blick auf ihn, der zusehends an Strenge verlor. „Möglicherweise wären wir dazu imstande gewesen, es Ihnen nicht ganz so leicht zu machen. Aber zu welchem Zweck? Wir sind mit einer Kartographierungsmission beauftragt, nicht damit, Zwischenfälle mit möglicherweise ernsten Konsequenzen vom Zaun zu brechen. Und um Ihnen das Wichtigste nicht vorzuenthalten…“ Der Captain rollte die Augen, während er einen neuen Gedanken knüpfte. „Wissen Sie, wenn ich in meiner Zeit an der Akademie einen entscheidenden Satz gelernt habe, dann war es dieser: Fange niemals einen Streit an, aber beende ihn stets. Besonnenheit ist eine Tugend, und wir wollen besonnen sein.“

Chakotay suchte einen Moment lang nach neuen Argumenten. „Uns trifft nicht die geringste Schuld.“, trug er vor. „Die Cardassianer waren es, die ihren Grenzverlauf einfach so veränderten.“

„Auf solche Feinheiten achtet kaum jemand mehr, wenn die Waffen erst einmal sprechen.“ Lopez nickte ihm verständnisvoll zu. „Als ich in Ihrem Alter war, habe ich ebenso empfunden. Damals waren es nicht die Cardassianer, sondern andere Spezies, die uns zur Weißglut trieben.“

„Sir, bei allem nötigen Respekt: Die Cardassianer sind nicht wie andere Völker.“

Lopez ging nicht darauf ein. „Sie werden dazulernen, Fähnrich – und die Cardassianer hoffentlich auch. Bis es soweit ist, werde ich allerdings Acht geben, auf welche Knöpfe Sie versehentlich drücken. Wegtreten.“ Chakotay verließ das Büro und kehrte auf die Brücke zurück.

„Hey, wie ist es da drin gelaufen?“ Ibrachim Rachimov stand vor seiner Konsole und blickte ihn aus neugierigen Augen an. Chakotay mochte ihn; beide Männer waren auf derselben Wellenlänge und schnell Freunde geworden.

„Warnschuss vor den Bug.“, brachte er gedämpft hervor. „Aber der Phaserstoß war ziemlich väterlich, würd‘ ich sagen.“

Rachimov deutete auf die Tür zum Bereitschaftsraum, aus dem Lopez noch nicht wieder auf die Brücke zurückgekehrt war. „Du hast bei ihm ein paar Steine im Brett. Das wird Dir noch so manches Mal den Hintern retten.“

„Kann sein.“ Er wollte keine Sonderbehandlung.

„Chakotay?“ Rachimov zögerte. „Jetzt im Ernst: Das war verdammt gefährlich. Wieso hast Du die Waffen ohne seinen Befehl aktiviert?“

„Die Frage kannst Du Dir sparen.“ Der Fähnrich bleckte die Zähne. „Ich wünschte, sie hätten das Feuer eröffnet. Denn das wird früher oder später sowieso passieren, und nenn mir einen Grund, warum wir noch länger darauf warten sollen?“

Rachimov seufzte. „Ich sag’s Dir: Weil wir nicht sie sind.“

- - -

Langfristig konnte die Sternenflotte nicht bei ihrer vernünftigen Politik bleiben. Immer wieder sorgten cardassianische Schiffe für Provokationen am Rand des Föderationsraums. Es handelte sich um den absichtlichen und gut organisierten Versuch, Vergeltungsschläge herauszufordern. Da es die Cardassianer dabei nicht immer mit disziplinierten Sternenflotten-Offizieren, sondern zivilen Kolonisten zu tun bekamen, erreichten sie ihre Ziele.

Aus Meinungsverschiedenheiten wurden Auseinandersetzungen, und diese führten zu Scharmützeln, die in offene Kämpfe und Schlachten umschlugen. Auf die Eskalationen im Grenzgebiet folgte jedoch nie eine offizielle Kriegserklärung der beiden Seiten. Überall dort, wo die Territorien von Föderation und Cardassianischer Union aneinanderstießen, entstanden brandgefährliche Krisenherde, bis der Sternenflotte schließlich nichts anderes mehr übrig blieb, als militärisch zu intervenieren.

Während dieser Zeit fand Chakotays Versetzung zur U.S.S. Gage statt, die im Föderationssektor 21749 patrouillierte. Dabei lernte er den Krieg kennen. Er kämpfte im All gegen die Cardassianer. Er kämpfte auf der Oberfläche von Planeten gegen sie, manchmal Mann gegen Mann. Er erlebte Momente des Entsetzens und des Triumphes, Augenblicke unvorstellbarer Grausamkeit und ehrenvoller Selbstaufopferung. Er stellte fest, dass man Leben mit der gleichen Leidenschaftslosigkeit auslöschen konnte, mit der man sich die Nase putzte, auch wenn sich dadurch ein wichtiger Teil des eigenen Selbst für immer veränderte.

Es sollte noch viele Jahre dauern, bis die Auseinandersetzungen zwischen der Föderation und Cardassia zur Ruhe kamen, nachdem es Hunderttausende von Toten gegeben hatte. Zu Beginn der 2360er Jahre hatte sich das cardassianische Reich in seiner Gier nach Eroberung und Macht endgültig übernommen und litt unter Dekolonisierungserscheinungen, wie der eskalierende Widerstand der indigenen Bevölkerung auf Bajor mit am deutlichsten zeigte. Man konnte sich den Konflikt mit der Föderation schlicht nicht länger leisten und begann notgedrungen den Ausgleich zu suchen. Zu Beginn des Jahres 2366 setzten die offiziellen Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen ein. Ein Jahr später stand ein provisorischer Vertrag, an den weitere Verhandlungen angeschlossen wurden.

Das fragwürdige Ergebnis dieser Gespräche bestand zum einen in einer Neuordnung und Begradigung der umstrittenen und stark zerrütteten Grenzen. So entstand die paradoxe Situation, dass Welten, die bislang im Territorium der Föderation lagen, sich plötzlich auf der cardassianischen Seite wiederfanden und umgekehrt. Zum zweiten wurde die Einrichtung einer Entmilitarisierten Zone (EMZ) vereinbart, eines neutralen Puffergürtels, in dem keinerlei militärische Präsenz geduldet werden sollte. Noch war für die Politiker beider Seiten nicht absehbar, dass die Verkettung dieser beiden Faktoren zu einem neuen Pulverfass führen würde.

Während die Aushandlung weiterer Bestandteile des neuen Friedens (unter anderem Rüstungsbegrenzungen) fortgesetzt wurde, unterzeichneten die Föderation und Cardassia ab Anfang 2368 erste Teilverträge über bestimmte Regionen, in denen man sich auf eine Grenzkorrektur verständigt hatte. Welten wie Trebus und Nivoch gehörten zu den ersten, die von den Auswirkungen der Neuordnung erfasst wurden. Hingegen wurde Vergleichbares für Planeten wie Dorvan V, die in einem anderen Sektor lagen, erst Jahre später entschieden. Erst um 2369 – befeuert durch die von der Föderation lange geforderte Entlassung Bajors in die Unabhängigkeit und den Abzug aller cardassianischen Truppen aus dem bajoranischen Sektor – rückte ein Gesamtvertragswerk über die künftige Friedensordnung zwischen Föderation und Cardassia in greifbare Nähe, das eine Vielzahl von Teilverträgen zusammenführte.

Bereits ab 2368 galt für bestimmte Grenzgebiete, für die Teilverträge abgeschlossen worden waren, eine Übergangsphase. Da von den Regierungen festgelegt worden war, dass der letztendliche Gesamtvertrag bis 2370 fertig verhandelt sein und offiziell in Kraft treten sollte, begannen in einzelnen Abschnitten des Grenzverlaufs schon ab Sternzeit 45122 die Vorbereitungen für die Realisierung der politischen Übereinkunft. Jede Seite erhielt in ihrem Teil der schrittweise gebildeten EMZ entsprechende Durchgriffsrechte, und es wurden Attachés von der Sternenflotte und dem cardassianischen Militär ernannt, die die Vorgaben des Friedensvertrags umsetzen sollten.

Im Gegensatz zur rigide geführten cardassianischen Kolonialpolitik, die für einen direkten Abzug fast aller ihrer Siedler sorgte, konnte die Föderation trotz wiederholter Aufforderung und eines Umsiedlungsangebots auf ‚ähnliche‘ Welten einige Millionen Kolonisten auf mehr als fünfundzwanzig Planeten im cardassianischen Teil der EMZ nicht dazu bringen, ihre Heimat aufzugeben.

Andere Leute hätten sich vielleicht gebeugt, doch auf den fruchtbaren Welten in der EMZ lebten selbstständige, hartnäckige und idealistisch denkende Personen, die lange nach ihrer neuen Heimstätte gesucht hatten und nicht bereit waren, sie wieder zu verlassen. Unter ihnen befand sich auch Chakotays Volk, das jahrelang nach einem geeigneten Planeten gesucht hatte, mit dem es in spiritueller Hinsicht eins werden konnte. Die Kolonisten beschlossen, auf ihren Welten zu bleiben, auch wenn die Sternenflotte wiederholt darauf hinwies, dass sie künftig cardassianischer Rechtsprechung unterliegen und ihnen durch die Föderation kein Schutz vor Angriffen geboten werden könne.

Obwohl die Union einwilligte, Föderationssiedler, die auf den ihr zugesprochenen Planeten verbleiben wollten, zu tolerieren, war die Realität eine andere. Bereits ab Frühjahr 2368 setzte das cardassianische Militär auf rabiate Mittel und Methoden, um die unerwünschten Föderationsbürger, die sich nun in ihrem Gebiet aufhielten, einzuschüchtern und, wo immer möglich, zu vertreiben. Es kam zu ersten gewaltsamen Übergriffen, die bald schon Opfer forderten.

Eines der ersten Opfer war Kolopak.

Die Ermordung seines Vaters war für Chakotay ein Erweckungserlebnis. Hatte er vorher noch die Distanz von seinem Volk gesucht und es für seine altmodische Lebensweise verurteilt, begann er auf einmal zu erkennen, dass sein Vater Recht gehabt hatte: Er konnte sich nicht entziehen. Das waren seine Leute, sein Blut, seine Identität. Er konnte all das leugnen, aber es änderte nichts an der Wahrheit. Er war mit diesen Personen, die er dereinst zurückließ, um zur Sternenflotte zu gehen, verbunden. Und wenn er sich nicht schützend vor sie stellte, würden die Cardassianer sie zermalmen…
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