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Voyager Companions In Fate - Teil 4: Departure

von Julian Wangler

Kapitel 4

Hayes tippte gegen das Schaltelement seines Schreibtisches, und im nächsten Moment war die Bürotür versiegelt und ein Antiabhörfeld etabliert, worüber der Computer aufklärte. „Was wollen Sie hören?“, fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich glaube, meine Fragen waren ziemlich eindeutig.“, ließ sich Janeway vernehmen.

Der Flotten-Admiral schnitt eine grimmige, widerwillige Grimasse, doch angesichts seiner notgedrungenen Lage fügte er sich. „Bevor ich weiter spreche, muss ich Sie darüber belehren, dass Sie unter keinen Umständen jemanden in das einweihen dürfen, was Sie gleich zu hören bekommen. Und wenn ich sage niemanden, dann meine ich niemanden. Ist das klar?“

„Einverstanden.“, stimmte Janeway zu. „Und jetzt raus mit der Sprache. Wir haben schon genug Zeit vertrödelt. Was hat es mit dieser Verschwörung auf sich?“

„Es ist keine Verschwörung,“, widersprach Hayes, „sondern vorerst lediglich eine Operation, die unter dem Schirm des Geheimdienstes läuft. Flotten-Admiral Toddman und ich tragen die Projektverantwortung.“

Janeway blieb hartnäckig. „Weshalb die ganze Geheimniskrämerei?“

„Das können Sie sich vermutlich denken, Kathryn. Es gibt nun mal Missionen, die in ihrer Tragweite heikel sein können, wenn der halbe Quadrant von ihnen weiß. Aber falls es Sie beruhigt: Wir haben nicht ewig vor, mit der Sache hinter dem Berg zu halten. Alles, worum es uns geht, ist einen einwandfreien Start der Operation zu gewährleisten.“

„Die Operation – es ist dieses Schiff, das mit ihr betraut wird?“ Sie tippte auf das PADD, welches nach wie vor einen umgebauten Sovereign-Kreuzer zeigte.

„Die Excalibur.“, sagte Hayes. „Es stimmt. Wir rüsten sie derzeit diskret um.“

„Und offensichtlich haben Sie es damit verdammt eilig. Dieses Schiff so schnell und allumfassend umzubauen, verschlingt unglaubliche Ressourcen. Wofür? Um was zu bewerkstelligen?“

„Das schienen Sie doch selbst bereits in Erfahrung gebracht zu haben.“ Mit einem Gespür für Dramatik legte Hayes eine Kunstpause ein, ehe seine dichten Brauen in die Höhe fuhren. „Die Excalibur wird in den Delta-Quadranten zurückkehren und auf dem aufbauen, was Sie in sieben Jahren dort draußen geleistet haben.“

Hab ich’s mir doch gedacht. Voll ins Schwarze getroffen, würde ich sagen. Ein Jammer, dass ich mit niemandem eine Wette abgeschlossen habe.

„Konkreter.“, forderte sie ihr Gegenüber auf.

Hayes tat ihr den Gefallen. „Sie wird politische Beziehungen aufbauen, Allianzen schmieden, Deals zum gegenseitigen Nutzen einfädeln – alles im Namen der Föderation.“

Erinnerungen stiegen blitzartig in Janeway auf. Sie dachte zurück an ihren damals von Verzweiflung getriebenen Versuch, eine Allianz mit mehreren Kazon-Sekten zu schließen, inklusive der Trabe. Die Sache hatte ein fürchterliches Ende genommen, weil nicht nur absehbar wurde, dass ihre Partner in hohem Maße vertrauensunwürdig waren, sondern vor allem was für eine dramatische Machtverschiebung eine solche Einflussnahme seitens der Sternenflotte in der Region nach sich gezogen hätte. Die Voyager war weiter gezogen, und seitdem hatte Janeway – von der einen oder anderen Ausnahme abgesehen – keine beherzten Versuche mehr unternommen, große Politik zu machen. Ihr Glaube daran, dass es ein verheerender Fehler sein konnte, sich in die politischen Machenschaften fremder Kulturen einzumischen, war bekräftigt worden. Wann immer möglich, hatte sie versucht, sich an die Prinzipien der Sternenflotte zu halten.

Und nun erzählte ihr ein hochdekorierter Oberbefehlshaber der Sternenflotte, dass diese Prinzipien künftig alle Makulatur waren?

„Warum?“, fragte Janeway kopfschüttelnd. „Was versprechen Sie sich davon? Sollten wir uns nicht verdammt noch mal um uns selbst kümmern?“

„Bitte.“, sagte Hayes in herablassendem Tonfall. „Lassen Sie mich nicht glauben, Sie seien wirklich so naiv, Kathryn. Sie müssten das harte Leben da draußen eigentlich am besten kennen. Aber andererseits waren Sie nicht da, als die Föderation den schlimmsten Krieg ihrer Geschichte erlebte. Wir haben hier ums nackte Überleben gekämpft, während Sie weg waren. Das Dominion hat uns eines klar gemacht: Das Universum ist nicht so nett, wie wir es vielleicht sehen wollen. Der entscheidende Punkt ist dieser: Sehen Sie, was die Voyager nach nur sieben Reisejahren zurück in die Heimat gebracht hat. All die Erkenntnisse, der technologische Fortschritt… Wir sind in den Besitz von Wissen gelangt, das uns möglicherweise erst in Jahrzehnten zur Verfügung gestanden hätte.“

Hayes ballte demonstrativ eine Faust. „Und ich sage Ihnen offen und ehrlich: Lieber sehe ich diese Vorteile bei uns als bei unseren Feinden. Wenn wir nicht unsere Interessen vertreten, tun es die anderen mit ihren eigenen umso stärker. Erst seit kurzem sehen wir uns einer neuen Bedrohung gegenüber: der Allianz zwischen Breen, Gorn und Tzenkethi. Unsere alten Feinde haben sich verbündet, während wir am verwundbarsten sind.“

Janeway erinnerte sich, wie schockiert sie gewesen war, als sie vor rund zwei Jahren erstmals von dem neuen, gegen die Föderation gerichteten Bündnissystem erfuhr. Nichts hatte im Vorfeld darauf hingewiesen. Seit dem Ende des Dominion-Kriegs waren die einst aufseiten der Gründer kämpfenden Breen die Schmuddelkinder des Quadrantengefüges geworden. Die Föderation hatte ihr Übriges getan, sie politisch und militärisch zu isolieren. Ein paar Jahre war diese Strategie aufgegangen.

Doch dann war den Breen der Coup gelungen, sich mit zwei anderen Mittelmächten, die sich ins Abseits gedrängt fühlten, zu alliieren. Seit ihrem verlorenen Krieg in den frühen 2360er Jahren hatten die autokratisch regierten Tzenkethi noch eine Rechnung mit der Föderation offen, und die echsenhaften, territorialen Gorn litten offenbar unter einer zunehmenden Einkreisungsparanoia. Indem diese drei antagonistischen Mächte ihre Kräfte zusammenlegten, konnten sie die Nachkriegsordnung im Alpha- und Beta-Quadranten auf bislang unvorstellbare Weise herausfordern.

Und es kam noch besser: Wenn die Gerüchte stimmten, die der Geheimdienst vor einigen Tagen aufgeschnappt hatte, dann hatte das Dreigespann inzwischen die Fühler in Richtung der Tholianer ausgestreckt. Diese waren traditionell sehr skeptisch in Bezug auf die Föderation eingestellt. Es war kaum auszudenken, was passierte, wenn sich die gewaltige Versammlung der Kristallwesen einem Pakt mit Stoßrichtung gegen die VFP anschloss. Zu behaupten, dass sich da etwas zusammenbraute, war noch untertrieben.

„Der Delta-Quadrant bietet uns ungeahnte Möglichkeiten, die Sicherheitslage für die Föderation entscheidend zu verbessern – und Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen.“, sagte Hayes. „Das hat uns die Auswertung aller Daten des Projekts Pathfinder überdeutlich vor Augen geführt.“

„Was ist mit dem Jankata-Abkommen?“, stellte Janeway in den Raum. „Ist das jetzt alter Kaffee von gestern?“

Der Grundgedanke dieses allgemeinen Abkommens war, dass keine Alpha- und/oder Beta-Großmacht territorial in den Gamma- oder Delta-Quadranten expandieren durfte. Im Großen und Ganzen war dieses Prinzip bislang respektiert worden.

„Sie sollten mir besser zuhören. Niemand sagt, dass wir expandieren. Es geht um Allianzen. Zweckbündnisse. Zum gegenseitigen Vorteil beider Seiten.“

Janeway musterte Hayes und war mehr als nur befremdet. „Ich muss Ihnen nicht sagen, wie oft und hart ich darum gekämpft habe, die Einmischung in fremde Kulturen auf ein Minimum zu reduzieren. Es ist mir weißgott nicht immer gelungen. Dabei war die Voyager nur ein Schiff. Und Sie erzählen mir jetzt, Sie wollen auf der anderen Seite der Galaxis die Interessen der Föderation durchsetzen? Mit der Obersten Direktive scheint es bei Ihnen ja nicht mehr weit her zu sein. Überschreiten Sie hier nicht eine Linie?“

„Wir werden uns unsere Partner genau wählen.“, gab Hayes überzeugt zurück. „Ich verspreche Ihnen: Alles, was wir tun und lassen, wird den Implikationen unserer Nichteinmischungsphilosophie gebührend Rechnung tragen.“

Janeway überschlug ein Bein. „Sie haben sich also in den Kopf gesetzt, in den Delta-Quadranten zurückzukehren. Fein. Nur: Wie wollen Sie das anstellen? Mir ist nicht bewusst, dass wir auf dem Gebiet der Antriebstechnologie in letzter Zeit bedeutende Fortschritte gemacht haben, die die Reisezeit dramatisch verkürzen. Für Sie will ich hoffen, Sie haben sich über diese Frage Gedanken gemacht. Anderenfalls dürfte es ein sehr kurzer Flug werden. Oder ein verflucht langer, je nachdem…“

Ein dünnes Lächeln huschte über das Gesicht des Flotten-Admirals. „Drücken wir es so aus: Wäre uns diese Frage nicht abgenommen worden, wäre die Excalibur vermutlich nie nach Juvarith verlegt worden, und Toddman und ich hätten nie wegen dieser Operation die Köpfe zusammengesteckt. Eines ist gewiss, Kathryn: Ziemlich bald wird es einen großen Run in Richtung Delta-Quadrant geben. Nennen Sie es meinetwegen ein neues, interstellares Great Game.“ Er pointierte sie mit dem Zeigefinger. „Und jetzt halten Sie sich gut fest: Es liegt an den Transwarpkorridoren der Borg. Mehrere von ihnen sind vor knapp einem Monat geöffnet worden.“

Ein Déjà-vu suchte Janeway heim. In den letzten Stunden ihrer Reise hatte die Voyager – mit einer gehörigen Portion Hilfe aus einer alternativen Zukunft – eine beispiellose Operation gegen das kybernetische Kollektiv gestartet. Das Ziel hatte nicht in erster Linie darin bestanden, mithilfe der Borg-Technologie nachhause zu kommen, sondern die Borg bis auf weiteres im Delta-Quadranten einzuschließen, indem man sie der Möglichkeiten der Transwarpreise beraubte. Obwohl die Erfolgschancen dramatisch gegen sie standen, war die Sache gut ausgegangen: Der Unikomplex, das Gehirn und Herz des Kollektivs, war schwer in Mitleidenschaft gezogen worden.

Mit einem klammen Gefühl in der Magengrube sagte Janeway: „Aber soweit ich weiß, ist es uns doch gelungen, das gesamte Transwarpnetzwerk der Borg und alle sechs Knoten auszuschalten.“

„Offenbar nicht vollständig. Möglicherweise hat ein Transwarpzentrum die Kettenreaktion halbwegs überstanden, die das neurale Virus der Admiral Janeway aus der Zukunft auslöste. Wir tippen auf jenen Knoten, der auf den oberen Teil des Beta-Quadranten konzentriert ist. Dessen Kanäle unter anderem auch in die Nähe von System J-25 führen, wo die Enterprise damals den ersten Kontakt mit einem Kubus hatte. Insgesamt haben wir vier Transwarpöffnungen gefunden, die an mindestens fünf verschiedene Punkte im Delta-Quadranten führen.“

Janeway hatte die Augen aufgerissen. „Selbst, wenn ein Knoten die Sache überstanden haben sollte… Haben wir Anhaltspunkte dafür, warum sich die Kanäle geöffnet haben?“

„Wir wissen nicht, wieso.“, meinte Hayes. „Zunächst befürchteten wir eine neue Invasion, vielleicht als Rache für das, was Sie beziehungsweise Ihr Alter Ego aus der Zukunft im Unikomplex angerichtet hat. Doch es geschah nichts, gar nichts. Die Borg hielten still. Sie kamen nicht. Fakt ist: Jetzt sind ihre Transwarptore offen und damit der Weg frei in den Delta-Quadranten.“

Ärger formierte sich in Janeway. „Warum wurde ich darüber nicht informiert?“

„Oh, das hatten wir vor. Aber Sie sind uns mit Ihrem unverbesserlichen Hang zur Schnüffelei zuvorgekommen.“

„Mit meinem Wissen über die Borg hätte ich von vorneherein in diese Angelegenheit einbezogen werden müssen.“, protestierte Janeway.

„Ja, wissen Sie, Kathryn, das führt jetzt etwas zu weit.“ Hayes lehnte sich vor und faltete die Hände auf der gläsernen Tischplatte. „Sagen wir einfach, Sie haben sich in manchen Zirkeln des Oberkommandos und Geheimdienstes in den vergangenen Jahren nicht nur Freunde gemacht. Und was Toddman und mich anging, dachten wir, Sie würden zu schnell in Aktionismus verfallen, wenn wir Sie frühzeitig einbinden. Sie haben sich den Ruf erworben, manchmal auf eigene Faust loszuschlagen…insbesondere dann, wenn es um die Borg geht.“

Janeway biss die Zähne zusammen. „Schon möglich.“, brachte sie gequält hervor. „Haben Sie in Erwägung gezogen, dass es sich bei der Öffnung der Transwarpkanäle um eine Falle handeln könnte?“

„Haben wir.“, versicherte Hayes. „Wir haben zwei Dutzend Sonden durch die meisten Korridore geschickt. Auf der anderen Seite gibt es offenbar keinerlei Borgaktivität. Aus welchen Gründen auch immer – sie sind weg.“

„Weg?“

„Ja. Unauffindbar. Wie vom Erdboden verschluckt. Nennen Sie es, wie Sie wollen.“

Janeway schüttelte den Kopf. Irgendwie kam ihr Spezies 8472 in den Sinn, das einzige bekannte Volk, das jemals eine existenzielle Bedrohung für das Kollektiv bedeutet hatte. „Das ist unmöglich. Die meisten dieser Kanäle führen mitten ins Hoheitsgebiet des Kollektivs.“

Hayes breitete demonstrativ beide Hände aus. „Sie sehen: Es ist ein ziemliches Rätsel. Alleine um dieser Sache auf den Grund zu gehen, müssen wir in den Delta-Quadranten zurück. Wir müssen dem offenkundigen Verschwinden der Borg nachspüren. Und nun können wir es. Innerhalb von Minuten können wir wieder auf der anderen Seite der Galaxis sein. Wir müssen die Zeit nutzen, wo noch keines der anderen Völker von der Öffnung der Tore weiß. Glücklicherweise haben wir in den letzten Jahren bereits Erfahrung mit Transwarpkanälen gemacht und wissen inzwischen, wie man sie benutzt. Und mithilfe der verbesserten MIDAS-Phalanx werden wir eine permanente Kommunikation mit Hypersubraumgeschwindigkeit gewährleisten können*. So werden wir unter dem Strich einen gewissen Vorsprung haben. Jetzt verstehen Sie hoffentlich auch den Grund für unsere strikte Geheimhaltungspolitik.“

Einen Moment lang dachte Janeway über das Gesagte nach. „Eines ist jedenfalls sicher: Diese Art von Verhalten wird bei den anderen Mächten den Eindruck wecken, wir wollten sie ausstechen.“

„Sie würden sich uns gegenüber genauso verhalten.“, entgegnete Hayes mit harter Miene. „Und erzählen Sie mir nicht, dass Romulaner, Breen, Gorn oder Tzenkethi Hemmungen hätten, sich einen Vorteil zu sichern, wenn einer in Reichweite ist. Ich wünschte, es wäre anders, aber es heißt nun: Wir oder sie.

Abgesehen von der Frage, was mit den Borg passiert ist: Mit der Öffnung dieser Kanäle und der Tatsache, dass sie offen geblieben sind, könnte sich auf spezielle und extreme Weise das wiederholen, was vor zwölf Jahren nach der Entdeckung des Bajoranischen Wurmlochs passiert ist. Damals strebte eine ganze Reihe von Völkern in den Gamma-Quadranten, um dort wirtschaftlichen und politischen Zielen nachzugehen. Exklusive Handelsverträge, Koloniegründungen, strategische Partnerschaften, Tausch von Militärtechnologien… Das Ganze wurde nach kurzer Zeit vom Dominion brutalstmöglich abgewürgt. Aber falls die Borg sich tatsächlich aus dem Umfeld der Tore zurückgezogen und die Kontrolle über sie verloren oder aufgegeben haben, dann bekommen wir sehr wahrscheinlich in Kürze einen knallharten Wettlauf um Macht und Einfluss im Delta-Quadranten.

Sie sehen, wie ernst die Sache ist, Kathryn. Es lauern potenzielle Bewährungsproben an mehr als nur einer Front. Um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, haben wir die Excalibur mit all den fortschrittlichen Technologien ausgestattet, die Sie vor ein paar Jahren mitgebracht haben. Damit werden wir selbst einen Haufen Borg-Kuben für eine Weile in Schach halten können. Ich wünschte nur, wir hätten das Teufelszeug duplizieren können. Es ist unseren Ingenieuren bis heute nicht gelungen, hinter die Funktionsweise des Ablativgenerators oder die der Transphasen-Torpedos zu steigen**.“

„Wenn mir mein Gedächtnis keinen Streich spielt, machten Sie mir vor ein paar Jahren noch schwere Vorwürfe, dass ich diese Technologien überhaupt in die Föderation mitgebracht habe.“ Janeway maß den Flotten-Admiral mit kühlem Blick. „Sie wollten sie am liebsten irgendwo einschließen. Und jetzt rüsten Sie ein Schiff damit aus? Woher Ihr Sinneswandel?“

Hayes bremste sie mit einem wenig freundlichen Mienenspiel. „Glauben Sie mir, mein Herzenswunsch war es bestimmt nicht. Aber der Einsatz von ein paar futuristischen Technologien ist nur ein geringer Preis, gemessen an den Herausforderungen, die auf uns zukommen. Und vergessen wir nicht, dass diese Waffen in der alternativen Realität speziell gegen die Borg entwickelt wurden. Deshalb sind sie im Delta-Quadranten allemal besser aufgehoben als im Raum der Föderation. Auf jeden Fall ist die Excalibur jetzt das mit Abstand stärkste Schiff der Flotte.“ Er legte die Fingerspitzen aneinander. „Noch Fragen?“

„Fragen? Ich bin voll davon. Zum Beispiel frage ich mich gerade, wie viel Sie mir womöglich noch verschwiegen haben – oder ob Sie mir hier die reine Wahrheit auftischen.“

Hayes sah sie missmutig an. „Es ist die Wahrheit.“

„Wahrscheinlich nur die halbe. Eine Sache, die brennt mir nach wie vor unter den Nägeln. Was sagten Sie doch gleich in diesem Meeting über den Plan, in den Delta-Quadranten zu gehen, bevor es die Voyager dorthin verschlug?“

Hayes ächzte. Es war ihm überhaupt nicht recht, dass Janeway davon Wind bekommen hatte. Im Hinblick auf dieses Audiofile vermutlich am allerwenigsten.

„Admiral, ich frage Sie jetzt noch einmal: Gab es einen Plan, die Voyager ans andere Ende der Galaxis zu bringen? Einen geheimen Plan hinter den Kulissen? Waren meine Mannschaft und ich nur Figuren in einem abgekarteten Spiel?“

Hayes verdrehte die Augen. „Das ist jetzt der Zeitpunkt, finde ich, an dem wir Flotten-Admiral Toddman hinzuziehen sollten.“



Leonard Toddman folgte Hayes‘ Ruf schnell. Binnen der nächsten halben Stunde stand er in seinem Büro und musste sich von seinem langjährigen Kollegen anhören, dass ein findiger Neuzugang in den Reihen des Oberkommandos es vollbracht hatte, ein Geheimnis zu knacken, in dessen Bewahrung viel Energie investiert worden war. Daraufhin musste sich der hagere Toddman, mehr als nur leicht entgeistert, erst einmal setzen, und Hayes spendierte ihm ein bolianisches Tonic Water.

Janeway war es bei mehr als nur einer Gelegenheit aufgefallen: Die halbe Admiralität schien es sich in den letzten Jahren zur Angewohnheit gemacht zu haben, das nervenberuhigende Getränk gleich literweise zu konsumieren. Die Produzenten auf Bolarus IX konnten sich in jedem Fall äußerst glücklich schätzen, da ihr Absatz durch die Decke gegangen war. Was sie anging, so beruhigte sie ein großer, pechschwarzer Pott Kaffee immer noch am besten. Und auch sonst würde sie nie ein Freund von bolianischem Tonic Water werden, geschweige denn von Raktajino – ein klingonisches Teufelszeug, das während des Dominion-Kriegs schwer in Mode gekommen war.

Janeway war nicht so nachsichtig wie Hayes mit dem langjährigen Chef des Sternenflotten-Geheimdienstes, sondern übte von Anfang an Druck auf ihn aus, ihr endlich die Antworten zu liefern, auf die sie ein Anrecht hatte. Nachdem Hayes sich dafür ausgesprochen hatte, dass es an der Zeit und vertretbar war, Janeway einzuweihen, erklärte sich Toddman bereit, zu reden. Vorher jedoch vergewisserte er sich, dass die Abhörsperre im Raum aktiviert war.

Toddman suchte nach einem Anfang, und er fand ihn. „Was ich Ihnen jetzt sagen werde, wird Ihnen vermutlich nicht ganz leicht fallen. Allerdings möchte ich, dass bereits jetzt eines klar ist: Was Sie von uns denken mögen, trifft nicht zu. Wir waren nicht diejenigen, die die Voyager dereinst in den Delta-Quadranten schickten. Das Schicksal, das Sie und Ihre Crew ereilte, traf uns genauso unerwartet wie Sie, Kathryn.“

Die Ungeduld brodelte in ihr. „Was geschah damals wirklich?“ Etwas in Toddmans Blick verleitete sie zu einer gewagten These. „Sie wussten vom Fürsorger, lange bevor wir von ihm in den Delta-Quadranten gezogen wurden.“

Toddman schaute zu Hayes herüber, der seufzte und sich am Hinterkopf kratzte. „Ja.“, sagte er schließlich.

Janeway fing Feuer, ihr Herz beschleunigte sein Tempo. „Haben Sie ursprünglich den Kontakt zum Fürsorger hergestellt?“

„Wie hätten wir das denn tun sollen über eine Entfernung von 70.000 Lichtjahren? Ein abwegiger Gedanke. Nein, er war es, der sich an uns wandte.“, stellte Toddman klar. „Sternzeit 47883, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Es war eine Projektion seiner selbst, die uns erschien.“

„Die Projektion des alten Farmers.“

Toddman nickte. „Er legte uns dar, dass er sich als Beschützer der Ocampa verstehe. Da er aufgrund seines hohen Alters diese Aufgabe nicht mehr lange erfüllen könne, suche er nach einer Möglichkeit, sich fortzupflanzen. Seine bisherigen Versuche, dieses Ziel zu erreichen, schlugen fehl. Bisher hatte er nur Völker aus dem Delta-Quadranten biometrisch untersucht. Doch dann sah er sich auch im Alpha- und Beta-Quadranten nach möglicherweise kompatiblen Spezies um. Die Föderation weckte mit ihren zahllosen Völkern große Hoffnungen in ihm. So ergab es sich, dass wir ins Gespräch kamen…und nach einigen Wochen eine Übereinkunft trafen.“

Janeway blähte die Backen. „Sie versprachen ihm…Genmaterial?“

Toddman blieb kühl und nüchtern. „Geplant war, unter strengster Geheimhaltung und zu einem minutiös vereinbarten Zeitpunkt ein Schiff vom Fürsorger in den Delta-Quadranten ziehen zu lassen – bemannt mit einer handverlesenen, extrem heterogenen Crew aus einem Großteil aller Föderationswelten. Die Mannschaft sollte im Vorfeld in alles eingeweiht werden. Sie sollte vom Fürsorger medizinisch analysiert und auf ihr Schiff zurückgebracht werden. Anschließend sollte er seinen Teil des Deals einlösen.“

Janeway legte den Kopf schräg. „Welchen Teil?“, drängte sie.

„Das Schiff in verschiedenen Etappen quer durch den Delta-Quadranten zu schicken, damit dieses vitale Informationen über jene Raumgegend sammeln konnte, über die wir bis dato sträflich wenig wussten.“

Nun klinkte sich Hayes ein: „Doch dazu kam es nie.“, sagte er. „Der Deal platzte.“

Toddman nickte knapp, ohne sich von Janeway abzuwenden. „Der Fürsorger merkte, dass seine Zeit nicht mehr reichte und sein Tod früher nahte als er angenommen hatte. Er schlug die Absprache mit uns in den Wind und begann wahllos, Dutzende von Schiffen aus dem Alpha- und Beta-Quadranten zu entführen. Sie alle strandeten auf der anderen Seite der Galaxis***. So verschlug es neben der Equinox auch die Voyager während ihrer ersten Mission auf ihre lange Reise zurück in die Heimat. Ende der Geschichte.“

„Oder der Anfang, je nachdem, aus wessen Perspektive man es betrachtet…“ Janeways Schläfen pochten vor Anspannung. Sie hatte das Gefühl, aus einem schwülen Traum zu erwachen und erst noch verarbeiten zu müssen, was sie dort gesehen und erlebt hatte. „Und all die Zeit entschieden Sie, Ihre geheime Absprache mit dem Fürsorger zu verschweigen.“

„Wie gesagt: Es sollte eine Geheimmission werden.“, führte Toddman aus. „Es hätte nur Probleme verursacht, wenn wir damit an die Politik oder gleich an die Öffentlichkeit gegangen wären. Stellen Sie sich vor, die Klingonen, Cardassianer oder Romulaner hätten davon erfahren. Sie hätten der Föderation zum Vorwurf gemacht, Machtpolitik auf ihrem Rücken zu betreiben.“

„Aber genau das sollte es doch sein.“, insistierte Janeway. „Sie wollten sich einen strategischen Vorteil sichern.“

„Falsch, Admiral.“, zischte Toddman. „Damals waren wir einfach nur neugierig. Vielleicht hatten wir auch die Hoffnung, den Borgraum zu finden und mehr über das Kollektiv in Erfahrung zu bringen, aber im Wesentlichen wollten wir den Weltraum erforschen. Heute betreiben wir Machtpolitik. Flotten-Admiral Hayes hat Ihnen bereits erzählt, was geplant ist. Um die Föderation zu schützen, müssen wir eine strategische Basis im Delta-Quadranten aufbauen.“

Janeway erinnerte sich an das, was Seven of Nine ihr einst zum Vorwurf machte: Sie hatten die Mission, einen politischen Brückenkopf und eine militärische Präsenz im Delta-Quadranten zu etablieren., hatte sie ihr entgegengeschleudert. Nun dachte Janeway nur noch eines: Dann geht die Verschwörungstheorie schließlich doch in Erfüllung.

Ein mulmiges Gefühl erfasste sie. Zum ersten Mal seit langer Zeit zweifelte Kathryn Janeway an ihren Überzeugungen. Die alten Gewissheiten schienen unwiederbringlich verloren gegangen an jenem Tag, als sie der Voyager-Konspiration auf den Grund gegangen war.
* Erstmals konnte eine stabile Zwei-Wege-Kommunikation in Echtzeit im Jahr 2377 im Zuge der Operation Watson realisiert werden. Durch einen auf eine Quantensingularität gerichteten Tachyonstrahl ließ sich die erste transgalaktische Komverbindung etablieren. Infolgedessen war es für die Voyager möglich, Kontakt zur Sternenflotte aufzunehmen, ohne lange Wartezeiten in Kauf nehmen zu müssen. Die Verbindung konnte jeden Tag für ca. 11 Minuten aufgebaut werden (vgl. Episode Die Veröffentlichung). ** Das Shuttle der Admiral Janeway aus dem 25. Jahrhundert zog einen getarnten Frachtcontainer mit sich, der insgesamt achtzig Transphasen-Torpedos beinhaltete. Zehn davon hat die Voyager während ihres Angriffs auf den Transwarpknoten im Delta-Quadranten eingesetzt. ***Gesichert ist, dass der Fürsorger neben zwei Sternenflotten- und einem Maquis-Schiff auch Ende 2370 einen cardassianischen Kreuzer der Galor-Klasse und eine vom Maquis umprogrammierte taktische Langstreckenwaffe (Dreadnought) mithilfe einer Tetryon-Verlagerungswelle in den Delta-Quadranten zog (vgl. Episoden Der Fürsorger, Der Flugkörper, Die Voyager-Konspiration, Equinox).
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