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5x05 - Paradise Lost

von Julian Wangler

Kapitel 2

U.S.S. Enterprise, NX–01

Junior–Lieutenant Desirée Sulu tänzelte zurück, sprang dann plötzlich vor und wich zur Seite, bevor ihr Wettkampfgegner zum entscheidenden Stoß ausholen konnte. Sie griff schnell hintereinander an – und nach gerade ein paar Minuten gab die Anzeigetafel in der Sporthalle den Sieger bekannt.

Damit war die letzte Runde beendet.

Sulu ließ den Degen sinken, zog einen Handschuh ab und streckte ihrem geschlagenen Herausforderer die rechte Hand entgegen.

Hinter dem nun aufgeklappten Visier floss der Schweiß in Strömen über Malcolm Reeds Gesicht. „Nicht übel, Lieutenant.“, keuchte er. „Gar nicht übel für einen Anfänger.“

„Ein Anfänger, Sir?“, wiederholte sie und lächelte dünn. „Nein, das bin ich nicht.“

Reed entledigte sich stirnrunzelnd seines Helms. „Klären Sie mich auf: Wo haben Sie so gut fechten gelernt?“

Sulu hatte eine Kunstpause eingelegt. „Ich glaube, ich konnte es schon immer.“

„Was?“

„Na, lernen, meine ich.“ In ihrem weißen Kampfanzug drehte sich die große (ihn überragende), kräftige Frau um und schlenderte aus der Halle.

Reed blieb nur ein leises Ächzen übrig.



Eine halbe Stunde später befand er sich, pünktlich zu Beginn seiner Schicht, geduscht und umgezogen, auf der Brücke. Doch der Erste Offizier war alles andere als in seinen üblichen Pflichten versunken. Beinahe unablässig, während er sich den Spitzbart kraulte, wechselte sein Blick zwischen den eigenen Kontrollen und der zurzeit unbesetzten, vom Autopiloten dirigierten Navigationsstation im vorderen Teil der Kommandozentrale.

Dann hielt er es nicht mehr länger aus: Reed drehte sich auf seinem Stuhl herum und rief an einem Wandterminal die Sternenflotten–Datenbank auf. Er wühlte sich durch Ordner und gab bei jedem Neuzugriff seine Autorisationscodes ein. Zuletzt stieß er auf die gesuchte Datei stieß, öffnete sie…und ihm blieb der Atem weg.

„Das gibt’s ja nicht...“, ächzte er mit großen Augen.

Just in diesem Moment öffnete sich die Tür des Lifts auf der anderen Seite der Brücke – Trip und Sulu betraten, miteinander über Belangloses plaudernd, das Deck. Und das bewirkte, dass die Alarmglocke in Reeds Eingeweiden noch schriller wurde.

Rasch loggte er sich aus dem Register, deaktivierte den Monitor und wandte sich zu den Hauptkontrollen seiner Station um.

„Feezals Schiff hat soeben abgedockt.“, meldete Hoshi von der KOM.

Trip nickte. „Dann machen wir uns auch mal auf. Lieutenant, Kurs setzen auf die Vega–Kolonie. Warp vier.“

Sulu hatte an der Navigation Platz genommen. „Kurs liegt an. Warp vier.“

„Beschleunigen.“

Kaum hatte der neue Steuermann den Prozess ausgelöst, schoss die Enterprise bereits in den Überlichtmodus.

Reed verfolgte, wie Trip schweigend Richtung Bereitschaftsraum ging.

Jetzt war der richtige Zeitpunkt. Jetzt oder nie.

„Ach, könnt’ ich Dich mal eine Minute sprechen.“



Trip schien alle Hände voll zu tun zu haben, wie an dem Stapel von Handcomputern auf dem Schreibtisch unzweifelhaft erkennbar war. Trotzdem minderte das Reeds Entschlossenheit nicht im Geringsten.

„Und?“, fragte Trip, indes er auf den Stuhl sank. „Wo drückt der Schuh? Malcolm?“

Etwas geistesverloren war Reed zum Fenster gegangen und überlegte nun, wie er das Thema zur Sprache bringen sollte. Schließlich drehte er sich um.

„Zuerst dachte ich, sie will uns alle einfach nur provozieren. Sie tut es ja ganz offensichtlich auch nicht ohne eine gewisse hämische Freude – uns alle im Dunklen zu lassen…“

Trips Stirn lag in Falten. „Wer?“

„Desirée Sulu. Seit drei Wochen ist sie an Bord dieses Schiffes. Und wir wissen kaum etwas von ihr. Hast Du Dich nie gefragt, wie es um ihre Integrität steht?“

Der einstige Chefingenieur, eine ehrliche Seele, schüttelte den Kopf. „T’Pol wollte einen viel versprechenden Senior-Steuermann – ich hab’ ihr einen besorgt, wenn auch zugegebenermaßen einen von der ungewöhnlichen Sorte. Das war schon schwer genug.“

„Und mehr interessiert Dich nicht?“

„Hey, Malcolm, sie ist okay. Gib ihr etwas Zeit, ‘reinzukommen. Wir zwei mussten uns auch erst mal in ‘nem engen Shuttle die Hintern abfrier’n, bevor wir miteinander warm geworden sind, war’s nicht so?“

Diese Antwort reizte den Briten, und er zügelte seine Reaktion, indem er sich der Tatsache gewahrte, dass Trip eine Vorliebe dafür hatte, ihn kumpelhaft aufzuziehen. „Mich wurmen Leute, die ich nicht klar einordnen kann…“

„Ich weiß.“, kam es keck vom Anderen.

„Aber das hier ist nicht dasselbe wie mit Major Hayes. Das hier ist keine Intimfeindschaft, sondern ich mache mir ernsthafte Gedanken.“

„Malcolm, Deine Sorge um das Schiff ist wie immer vorbildlich.“, beschwichtigte Trip. „Und wir sind alle froh über einen solchen Aufpasser. Aber bleib’ bitte mal auf dem Teppich: Sie ist kein schleimiges, grünes Tentakelalien, okay? Sie ist ja nicht mal ‘ne MACO.“ Trip erübrigte eine Geste. „Klar, sie wirkt schon etwas ominös, hin und wieder. Hat bislang nicht gerade viel Persönliches von sich preisgegeben. Aber vergiss nicht: Sie hat beim Flug zur Mevaris–Kolonie eine super Figur gemacht. Von daher geb’ ich ihr ’ne faire Chance. Und das solltest Du auch.“ Ein verschmitztes Lächeln wuchs bei ihm in die Breite. „Außerdem darfst Du nicht vergessen, dass Ruby ihr die Bar vermacht hat. Das muss schon ‘was heißen.“

Ruby… Nicht gerade seine schönste Erinnerung. Eine ausgesprochen kuriose Erinnerung war dagegen jener Moment, als Trip auf einer Shuttleodyssee dahinter stieg, dass Reed zeitweilig mit der ehemaligen Kellnerin aus Club 602 eine Liaison gehabt hatte. Er hatte es ihm wohl vorher nicht zugetraut, den Briten wahrscheinlich für einen ewigen Junggesellen gehalten.

Das hieß: Genau genommen empfand Reed sich insgeheim auch als ebendies. Seine Beziehungen mit dem anderen Geschlecht ließen sich an einer Hand abzählen, und ihre Halbwertszeit schien sogar noch geringer gewesen zu sein. Reed hatte stets Wert darauf gelegt, etwaige Angriffsflächen – vor allem vor anderen Männern – zu vermeiden, weshalb er über das Thema selten ein Wort verlor oder es bei Bedarf etwas zurechtbog. Und was das Verdrängen von Wahrheit und Problemen in sein Innerstes anbelangte, darin war er ja ohnehin ein Meister.

Er verschränkte mit skeptischer Expression die Arme. „Ich frage mich: Wie kann so jemand in die Flotte aufgenommen werden? Sie hat da einen Quereinstieg hingelegt, den ich nicht richtig begreife. Und dann ruhte ihr Patent, sie hat das 602 geschmissen, und irgendwann tauchst Du auf, und sie ist natürlich sofort Feuer und Flamme, Offizier auf diesem Schiff zu werden. Findest Du das alles nicht zumindest ein kleinbisschen eigenartig?“

„Jetzt krieg Dich mal wieder ein.“

„Das ist noch nicht alles.“, fuhr Reed fort. „Hast Du mal einen Blick in ihre Dienstakte geworfen?“

„Malcolm, ich war wirklich beschäftigt –…“

„Ich hab’s getan.“, kürzte der Erste Offizier es ab.

„Hey, das ist eigentlich nicht das geregelte Verfahren.“

Reed ließ sich nicht bremsen. „Weißt Du, was drin steht? Nichts. Keine Kommentare oder Anmerkungen von vorgesetzten Offizieren. Nada. Niente.“

Trip zögerte einen Moment. „Soweit ich weiß, sind durch die Zerstörung des Rechenzentrums in Florida während des Xindi-Angriffs so einige Daten innerhalb der Raumflotte beschädigt oder ordentlich durcheinandergewirbelt worden. Wenn ich mich nicht irre, waren auch Tausende Dienstakten davon betroffen. Die Jungs und Mädels sind immer noch dabei, Ordnung zu schaffen. Das wird vermutlich noch einige Monate dauern.“

„Du scheinst das alles ja sehr entspannt zu sehen. Aber meinst Du nicht, dass man hier mal Nachforschungen anstellen sollte?“

„Bitte, Du kannst ja mal…“ Trip unterbrach sich abrupt.

„Kannst ja mal was?“

Was ihm wohl durch den Kopf gehen mochte, überlegte Reed. Kannst ja mal Harris fragen? – War es das, was er hatte sagen wollen?

Harris hat mich abgeschrieben. Ich habe nichts mehr mit ihm zu tun. Er ist vor seiner eigenen Feigheit geflohen, genau wie Stuart. Beschissene Welt…

Reed verdrängte den Gedanken eilig wieder. Trotzdem verblieb eine Erkenntnis: Was hatte er jetzt schon noch anderes als seinen Beruf? Seinen Beruf, den er tüchtiger denn je machen musste.

„Nein, Du kannst ja mal bei Ruby anfragen.“

„Wieso ich? Immerhin sind es Deine Ermittlungen.“

Jetzt schürzte Reed die Lippen. „Sagen wir einfach: Ruby und ich haben uns damals nicht gerade in Eintracht getrennt.“

„Wie? – Davon hast Du mir nie ’was erzählt.“

Wieder kam ihm spontan Harris in den Sinn. „Weißt Du, ein, zwei Dinge behält man in der Regel für sich.“

Daraufhin schritt er aus dem Büro und kehrte auf die Brücke zurück – wo er Desirée Sulu für den Rest ihrer Schicht nicht mehr aus den Augen ließ.
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